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DAS WORT DES BUDDHA1. Rechte Erkenntnis (sammā-ditthi)49 ERKENNTNIS DER VIER WAHRHEITEN Was aber ist rechte Erkenntnis? Erkenntnis des Leidens, Erkenntnis der Leidens-Entstehung, Erkenntnis der Leidens-Erlöschung, Erkenntnis des zur Leidens-Erlöschung führenden Pfades. Das nennt man rechte Erkenntnis. 50 ERKENNTNIS DES HEILSAMEN UND UNHEILSAMEN Oder, wenn der edle Jünger erkennt, was karmisch unheilsam ist, was die Wurzel des karmisch Unheilsamen ist, was karmisch heilsam ist, was die Wurzel des karmisch Heilsamen ist, dann hat er rechte Erkenntnis. Was aber ist das karmisch Unheilsame (akusala)?
51 Was aber ist die Wurzel des karmisch Unheilsamen (akusala-múla)? Gier (lobha) ist eine Wurzel des karmisch Unheilsamen, Haß (dosa) ist eine Wurzel des karmisch Unheilsamen, Verblendung (moha) ist eine Wurzel des karmisch Unheilsamen. Darum, sage ich, ist dieses (unheilsame) karmische Wirken (kamma) von dreierlei Art: bedingt durch Gier, Haß oder Verblendung.
Als karmisch unheilsam gilt jeder mit Gier, Haß oder Verblendung verbundene Willenszustand (cetanā). Derselbe mag sich äußern als körperliche, sprachliche oder rein geistige Tat (kamma). Gier sowohl wie Haß sind stets mit Verblendung verbunden, da die Verblendung die primäre Wurzel alles Übels ist. Gier und Haß aber bestehen in ein und demselben Bewußtseinsmoment nie zusammen. 52 Was aber ist das karmisch Heilsame (kusala)?
Was aber ist die Wurzel des karmisch Heilsamen (kusala-múla)? Gierlosigkeit (alobha = Uneigennützigkeit) ist eine Wurzel des karmisch Heilsamen, Haßlosigkeit (adosa = Güte) ist eine Wurzel des karmisch Heilsamen, Unverblendung (amoha = Einsicht, Weisheit) ist eine Wurzel des karmisch Heilsamen. 53 ERKENNTNIS DER DREI MERKMALE Oder wenn da einer erkennt, daß diese vergänglichen Dinge wie Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, Geistformationen und Bewußtsein tatsächlich vergänglich sind (dem Leiden unterworfen und unpersönlich), auch dann besitzt er rechte Erkenntnis. UNNÜTZE SPEKULATIONEN Sollte da nun einer also sprechen: ,Nicht eher will ich unter dem Erhabenen das heilige Leben führen, bevor mir der Erhabene nicht erklärt hat, ob die Welt ewig ist oder zeitlich, endlich oder unendlich, ob Leib und Leben identisch sind oder etwas Verschiedenes, ob der Vollendete nach dem Tode fortbesteht oder nicht.', so möchte ein solcher sterben, bevor der Erhabene alle diese Fragen beantwortet hat. Es ist genau so, als ob ein Mann von einem vergifteten Pfeile getroffen wäre und seine Freunde, Gefährten und Verwandten ließen einen Wundarzt kommen, der Mann aber spräche: ,Nicht will ich mir diesen Pfeil entfernen lassen, bis ich nicht weiß, wer der Mann ist, der mich verwundet hat, ob er Adeliger, Priester, Bürger oder Knecht ist, wie er heißt, von was für einer Familie er stammt, ob er groß, klein oder von mittlerer Gestalt ist'. Wahrlich, nicht könnte ein solcher alles das erfahren, wohl aber würde er vorher weg sterben. Wer daher nach seinem eigenen Wohl trachtet, sollte diesen Pfeil herausziehen, diesen Pfeil des Jammers, der Klagen und der Trübsal. Ob da nämlich die Ansicht besteht oder nicht besteht, daß die Welt ewig ist oder zeitlich, endlich oder unendlich, usw., sicher bestehen Geburt, Alter, Sterben, Sorge, Jammer, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung, deren Vernichtung schon bei Lebzeiten ich euch verkünde. 55 FÜNF FESSELN Da ist einer ein unwissender Weltling, ohne Achtung vor edlen Menschen, ohne Kenntnis der edlen Lehre, ohne Zügelung darin, ohne Achtung vor guten Menschen, ohne Achtung vor ihrer Lehre, ohne Zügelung darin. Und sein Geist ist gefesselt und beherrscht von Persönlichkeits-Glauben (sakkāya-ditthi), Zweifelsucht (vicikicchā), Hang an äußeren Regeln und Riten (sílabbata-parāmāsa), Sinnengier (kama-rāga) und Groll (vyāpāda) und wie man sich von diesen aufgestiegenen Dingen befreien kann, das weiß er nicht der Wirklichkeit gemäß. Ihm, der diese Dinge nicht überwunden hat, werden sie zu niederen Fesseln.
56 SECHZEHNFACHER ZWEIFEL Unbekannt mit den der Erwägung würdigen und unwürdigen Dingen, erwägt er die der Erwägung unwürdigen Dinge, nicht aber die würdigen Dinge. Und unweise erwägt er also: ,Bin ich wohl in der Vergangenheit gewesen? Oder bin ich nicht gewesen? Was bin ich wohl in der Vergangenheit gewesen? Wie bin ich gewesen? Aus welchem Zustand bin ich in welchen Zustand in der Vergangenheit getreten? Werde ich wohl in der Zukunft sein? Oder werde ich nicht sein? Was werde ich wohl in der Zukunft sein? Wie werde ich sein? Aus welchem Zustand werde ich in welchen Zustand in der Zukunft treten?' Auch die Gegenwart erfüllt ihn mit Zweifeln: ,Bin ich? Oder bin ich nicht? Was bin ich? Wie bin ich? Woher ist dieses Ichwesen gekommen? Wohin wird es gehen?' 57 SECHS ICH-ANSICHTEN Bei solchen unweisen Erwägungen aber verfällt er einer der folgenden Ansichten, und es wird seine Überzeugung und feste Ansicht: ,Ich habe ein Ich' oder ,Ich habe kein Ich' oder ,Mit dem Ich erkenne ich das (absolute) Ich' oder ,Mit dem Ich erkenne ich, was nicht-Ich ist' oder ,Mit dem, was nicht-Ich ist, erkenne ich das Ich'. Oder aber die Ansicht steigt ihm auf: ,Dieses mein Ich, das handelnde und leidende, das da und dort das Ergebnis der guten und bösen Taten erfährt, dieses mein Ich ist beständig dauernd, ewig, keinem Wechsel unterworfen, wir'! also sich ewig gleich bleiben'. 58 Wenn es das Ich wirklich gäbe, dann gäbe es auch etwas, das zu dem Ich gehörte. Da aber in Wahrheit und Wirklichkeit weder ein Ich noch etwas zu einem Ich Gehörendes anzutreffen ist, ist es da nicht eine vollständige Narrenlehre, zu behaupten: ,Das ist die Welt, das bin ich; nach dem Tode werde ich fortbestehen, beständig sein, dauernd, ewig, keinem Wechsel unterworfen, werde mir also ewiglich gleich bleiben'? Das nennt man ein Sichverrennen in Ansichten, ein Dickicht der Ansichten, eine Wildnis der Ansichten, ein Puppenspiel der Ansichten, ein Wirrsal der Ansichten, eine Fessel der Ansichten. In die Fessel der Ansichten aber verstrickt, wird der unwissende Weltling nicht befreit von Wiedergeburt, Altern und Sterben, von Sorge, Jammer, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung, wird er nicht befreit vom Leiden, das sage ich. Der wissende edle Jünger aber, der die Edlen achtet, die edle Lehre kennt und darin gezügelt ist, der die Guten achtet, die Lehre der Guten kennt und darin gezügelt ist, der weiß, was erwägenswert ist und was nicht. Dies wissend erwägt er das Erwägenswerte, nicht das nicht Erwägenswerte. Was das Leiden ist, die Entstehung des Leidens, die Erlöschung des Leidens und der zur Leidens-Erlöschung führende Pfad, diese Dinge erwägt er. 59 So aber erwägend, schwinden in ihm die drei Fesseln: Persönlichkeitsglaube, Zweifelsucht und Hang an äußeren Regeln und Riten. STROMEINTRITT (sotāpatti) Alle Jünger aber, denen die drei Fesseln geschwunden sind, alle diese sind ,eingetreten in den Strom' (sotāpanna), für immer den niederen Welten entronnen, gesichert, der vollen Erleuchtung gewiß.
DIE ZEHN FESSELN Es gibt zehn Fesseln (samyojana), die die Wesen an das Dasein ketten, nämlich:
61 WELTLICHE UND ÜBERWELTLICHE ERKENNTNIS Rechte Erkenntnis, sage ich, ist von zweierlei Art: es gibt eine rechte Erkenntnis, die noch den Trieben unterworfen ist, verdienstlich (d.i. karmisch heilsam) ist und weltlichen Lohn bringt; und es gibt eine rechte Erkenntnis, die edel ist, triebfrei, überweltlich und zum edlen Pfade gehört. 1. Die Ansicht, daß Almosen, Gaben und Opfer etwas Gutes sind, daß es eine Frucht und eine Wirkung gibt für die guten und bösen Taten, daß es so etwas gibt wie das nächste Leben, daß Vater und Mutter und geistgeborene Wesen keine leeren Worte sind, daß es in der Welt Mönche und Asketen von rechtem und vollkommenem Wandel gibt, die diese wie die nächste Welt selber durchschaut und erfahren haben und sie erklären können. Das, ihr Jünger, ist eine rechte Erkenntnis, die noch den Trieben unterworfen ist, verdienstlich ist und weltlichen Lohn bringt. 2. Was aber da bei einem, während er mit heiligem, ungetrübtem Herzen auf dem heiligen Pfade (des Stromeingetretenen, Einmalwiederkehrenden usw.) verweilt und den heiligen Pfad entfaltet, an Wissen besteht, das ist eine rechte Erkenntnis, die edel ist, triebfrei, überweltlich und die zum edlen Pfade gehört. 62
63 VON DREI DINGEN BEGLEITET Wenn man nun verkehrte Erkenntnis als verkehrt und rechte Erkenntnis als recht erkennt, so hat man rechte Erkenntnis. Wenn man verkehrte Gesinnung . . . verkehrte Rede . . . verkehrtes Tun . . . verkehrten Lebensunterhalt als verkehrt und rechten Lebensunterhalt als recht erkennt, so hat man rechte Erkenntnis. Während man sich aber bemüht, die verkehrte Erkenntnis zu überwinden und die rechte Erkenntnis zu erwecken, zu einer solchen Zeit übt man Rechte Anstrengung (sammā-vāyāma). Während man aber voll Achtsamkeit die verkehrte Erkenntnis überwindet und die rechte Erkenntnis erweckt, zu einer solchen Zeit übt man Rechte Achtsamkeit (sammā-sati). Somit gibt es drei Dinge, die die rechte Erkenntnis begleiten und ihr folgen, nämlich: rechte Erkenntnis, rechte Anstrengung und rechte Achtsamkeit. 64 FREI VON ALLER THEORIE Sollte da nun einer die Frage aufwerfen, ob ich irgend eine Ansicht habe, so hätte man ihm zu erwidern: ,Der Vollendete ist frei aller Theorie, denn der Vollendete weiß, was Körperlichkeit ist, wie sie entsteht und wie sie vergeht; er weiß, was Gefühl ist, wie es entsteht und wie es vergeht; er weiß, was Wahrnehmung ist, wie sie entsteht und wie sie vergeht; er weiß, was Geistformationen sind, wie sie entstehen und wie sie vergehen; er weiß, was Bewußtsein ist, wie es entsteht und wie es vergeht.' Darum, sage ich, ist der Vollendete durch Versiegung, Abwendung, Erlöschung, Verwerfung und Vertreibung alles Meinens, alles geistigen Sichverrennens und alles Anhaftens an den Trieben des ,Ich' und ,Mein' haftlos erlöst.
65 DREI DASEINS-MERKMALE Ob Vollendete in der Welt auftreten oder nicht, es bleibt eine feststehende Tatsache, ein unumstößliches Gesetz, daß alle Gebilde vergänglich (anicca) sind, daß alle Gebilde dem Leiden (dukkha) unterworfen sind, dass alle Dinge unpersönlich (anattā) sind.
Daß es etwas Körperliches gibt—oder Gefühl—oder Wahrnehmung—oder Geistformationen—oder Bewußtsein, das unvergänglich, beständig und ewig sei, keinem Wechsel unterworfen, so etwas erkennen die Weisen in der Welt nicht an; und auch ich sage, dass es so etwas nicht gibt. Und daß ein von rechter Erkenntnis erfülltes Wesen irgend etwas als Ichheit ansehen sollte, das ist nicht möglich. 66 ICH-ANSICHTEN Sollte da einer behaupten, das Gefühl sei sein Ich, so hätte man also zu ihm zu sprechen: ,Drei Arten der Gefühle gibt es, angenehmes, unangenehmes und indifferentes. Welches von diesen Gefühlen betrachtest du nun als dein Ich? In dem Augenblick, wo du eines dieser Gefühle empfindest, empfindest du nicht die beiden anderen. Diese drei Gefühle sind vergänglich, erzeugt, bedingt entstanden, dem Vergehen und Schwinden, der Aufhebung und Erlöschung unterworfen.' Wer nun beim Empfinden eines dieser Gefühle sagen wollte: ,Das ist mein Ich', der sollte dann auch nach Erlöschung eben dieses Gefühls sagen: ,Mein Ich ist nun geschwunden'. Und damit gibt er zu, daß sein Ich bereits im gegenwärtigen Leben unbeständig ist, mit Angenehmem und Unangenehmem vermengt und dem Entstehen und Vergehen unterworfen. Sollte da aber einer behaupten, das Gefühl sei nicht sein Ich und auch das Ich sei dem Gefühle nicht zugänglich, so hätte man ihn zu fragen: ,Kann man wohl, wenn überhaupt kein Gefühl da ist, sagen "Das bin ich"?' Oder sollte einer behaupten: ,Das Gefühl ist zwar nicht mein Ich, aber es ist falsch zu sagen, daß mein Ich dem Gefühl unzugänglich sei, denn es ist das Ich, welches das Gefühl empfindet und die Fähigkeit des Fühlens besitzt',—einem solchen wäre zu erwidern: ,Angenommen nun, die Gefühle sollten ganz und gar und in jeder Weise schwinden, könnte man dann wohl nach dem völligen Schwinden und Erlöschen des Gefühls noch sagen: ,Das bin ich'?' Daß einer mit Recht behaupten könnte, das Geistbewußtsein sei das Ich, das ist nicht möglich, denn auch beim Geistbewußtsein zeigt sich ein Entstehen und Vergehen. Wobei sich aber ein Entstehen und Vergehen zeigt, da muß man zum Schluß kommen: ,Mein Ich, entsteht und verschwindet wieder'. Daher trifft es nicht zu, daß das Geistbewußtsein das Ich sei. Somit ist das Geistbewußtsein nicht-ich. 67 Besser freilich wäre es, wollte der unwissende Weltling diesen aus den vier Elementen aufgebauten Körper als das Ich betrachten, nicht aber den Geist. Denn der aus den vier Elementen aufgebaute Körper mag ein, zwei, drei, vier, fünf Jahre, zehn, zwanzig, dreißig, vierzig, fünfzig Jahre, ja hundert Jahre und noch länger bestehen bleiben, das aber, was als Geist, Denken oder Bewußtsein (citta, mano, viññāna) bezeichnet, kommt beständig während des Tages und der Nacht, als eines zum Entstehen, und als ein anderes schwindet es wieder. 68 Was es daher an Körperlichkeit gibt, an Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformationen und Bewußtsein, ob vergangen, gegenwärtig oder zukünftig, eigen oder fremd, grob oder fein, gemein oder erhaben, fern oder nahe, davon sollte man der Wirklichkeit gemäß und mit rechter Einsicht also erkennen: ,Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Ich'.
Sollte man mich fragen, ob ich in der Vergangenheit gewesen sei oder nicht, ob ich in der Zukunft sein werde oder nicht, ob ich jetzt sei oder nicht, so würde ich auf solche Frage die Antwort geben: ,Wohl bin ich in der Vergangenheit gewesen, und nicht bin ich nicht gewesen; wohl werde ich in der Zukunft sein, und nicht werde ich nicht sein; wohl bin ich jetzt, und nicht bin ich nicht': so würde ich die Frage beantworten ... In der Vergangenheit war mein vergangenes Dasein wirklich, unwirklich das zukünftige und gegenwärtige Dasein. In der Zukunft wird mein zukünftiges Dasein wirklich sein, unwirklich aber das vergangene und gegenwärtige Dasein. Jetzt ist mein gegenwärtiges Dasein wirklich, unwirklich das vergangene und zukünftige Dasein! . 69 Wahrlich, wer die Bedingte Entstehung (paticca-samuppāda) kennt, der kennt die Lehre; und wer die Lehre kennt, der kennt die Bedingte Entstehung. Denn gerade wie von der Kuh die Milch kommt, von der Milch die saure Milch, von der sauren Milch die Butter, von der Butter das Butteröl (ghee), von dem Butteröl der Butterölschaum,—und wenn es Milch ist, diese nicht saure Milch oder Butter usw. genannt wird, sondern eben bloß Milch, oder wenn es saure Milch ist, diese . . . eben bloß saure Milch genannt wird . . .: genau so war in der Vergangenheit mein vergangenes Dasein wirklich, unwirklich aber das zukünftige und gegenwärtige usw. Alles das aber sind volkstümliche Bezeichnungen und Namen, konventionelle Ausdrücke und Begriffe, deren sich der Vollendete zwar bedient, ohne aber sich daran zu klammern. 70 Wer Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung und Bewußtsein nicht der Wirklichkeit gemäß erkennt, sowie dieser Dinge Entstehung, Erlöschung und den zu ihrer Erlöschung führenden Pfad, dem kommen solche Gedanken wie: daß der Vollendete nach dem Tode fortbestehe . . . oder nicht fortbestehe . . . oder teils fortbestehe, teils nicht fortbestehe. Wer aber jene Dinge der Wirklichkeit gemäß erkennt, dem kommen solche Gedanken nicht. 71 Wenn die Ansicht besteht, daß Leben und Leib identisch seien—oder Leben und Leib etwas Verschiedenes seien, dann gibt es kein Heiliges Leben. Diese beiden Extreme (Selbstvernichtungsansicht und Ewigkeitsansicht) hat der Vollendete gemieden und die in der Mitte liegende Lehre verkündet: BEDINGTE ENTSTEHUNG (paticca-samuppāda).
So kommt es zur Entstehung dieser ganzen Leidensfülle. Das nennt man die Bedingte Entstehung. In Vis. XIX heißt es:
72 In wem aber die Unwissenheit geschwunden und das Wissen erwacht ist, solch ein Jünger wirkt eben, nach dem Schwinden von Unwissenheit und dem Erwachen des Wissens, weder heilsame, noch unheilsame, noch unerschütterliche Karmaformationen. Somit eben kommt es durch restlose Abwendung und Erlöschung der Unwissenheit zur Erlöschung der Karmaformationen, dadurch zur Erlöschung des Bewußtseins (d. i. Nichtwiederentstehens des Bewußtseins in einem neuen Mutterleibe), dadurch zur Erlöschung des Geistigen und Körperlichen . . . durch Erlöschung der Wiedergeburt aber gelangen Altern und Sterben, Sorge, Jammer, Schmerz, Trübsinn und Verzweiflung zur Erlöschung. So kommt es zur Erlöschung dieser ganzen Leidensfülle. Das aber ist die edle Wahrheit von der Erlöschung des Leidens. Weil eben, durch Unwissenheit gehemmt und durch Begehren gefesselt, die Wesen bald hier bald da Genuß empfinden, darum kommt es immer wieder zu erneuter Geburt. 73 Und das Wirken (Karma), das durch Gier, Haß oder Verblendung (lobha, dosa, moha) erzeugt ist, daraus entspringt, dadurch veranlaßt ist, darin seinen Ursprung hat, jenes Wirken wird dort zur Reife gelangen, wo immer der Mensch sein mag; und wo immer jenes Wirken zur Reife gelangt, dort erntet er die Früchte jenes Wirkens, sei es in diesem, im nächsten oder irgend einem späteren Leben. Durch das Schwinden der Unwissenheit aber, durch das Erwachen des Wissens und die Erlöschung des Begehrens kommt es in Zukunft zu keiner neuen Wiedergeburt mehr. Denn das Wirken, das nicht durch Gier, Haß oder Verblendung erzeugt ist, nicht daraus entspringt, nicht dadurch veranlaßt ist, nicht darin seinen Ursprung hat solches Wirken ist, sofern Gier, Haß und Verblendung geschwunden sind, verlassen, entwurzelt, wie eine Fächerpalme dem Boden entrissen, zunichte gemacht, keinem weiteren Insdaseintreten mehr ausgesetzt. In dieser Hinsicht mag man wahrlich mit Recht von mir behaupten, daß ich die Vernichtung lehre, zum Zwecke der Vernichtung die Lehre darlege und daß ich darin meine Jünger unterweise. Ich lehre nämlich die Vernichtung, und zwar die Vernichtung von Gier, Haß und Verblendung sowie der mannigfachen üblen, unheilsamen Dinge. 74
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