Samyutta Nikaya

Das 44., das Avyākata-Samyutta

44.1 Die Ordensältere Khemā
44.2 Anuruddho
44.3 Sāriputto und Kotthito I
44.4 Sāriputto und Kotthito II
44.5 Sāriputto und Kotthito III
44.6 Sāriputto und Kotthito IV
44.7 Moggallāno
44.8 Vaccho
44.9 Die Halle der Wortgefechte
44.10 Anando
44.11 Sabhiyo

 S.44.1 Die Ordensältere Khemā

 

Einst weilte der Erhabene in Sāvatthi im Siegerwalde im Garten Anāthapindikos. Zu jener Zeit aber wanderte die Nonne Khemā im Lande Kosalo zwischen Sāvatthi und Saketa und nahm in Toranavatthu Aufenthalt. Da nun fuhr König Pasenadi von Kosalo von Saketa nach Sāvatthi und nahm eine Nacht Aufenthalt in Toranavatthu, das zwischen Sāvatthi und Saketa liegt. Dort wandte er sich an einen bestimmten Mann: "Geh, lieber Mann, und finde in Toranavatthu einen solchen Asketen oder Brahmanen, den ich heute als Lehrer aufsuchen kann".

 

"Gewiß, Majestät", erwiderte dieser Mann König Pasenadi von Kosala und suchte lange Zeit in Toranavatthu herum, aber er erblickte keinen Asketen oder Brahmanen, den König Pasenadi von Kosala als Lehrer besuchen könnte. Da aber sah er die Nonne Khemā, die in Toranavatthu Aufenthalt genommen hatte. Nachdem er sie gesehen hatte, begab er sich zu König Pasenadi von Kosala und sprach also:

 

"Es gibt, Majestät, in Toranavatthu keinen Asketen oder Brahmanen, den Majestät als Lehrer aufsuchen könnte. Es gibt dort aber eine Nonne namens Khemā, eine Jüngerin des Erhabenen, Heiligen, Vollkommen Erwachten. Dieser Ehrwürdigen geht der gute Ruhmesruf voraus: 'Weise ist sie, entschlossen, verständig, viel erfahren, sie ist eine treffliche Rednerin und gibt gute Antworten'. Die möge Majestät als Lehrer aufsuchen".

 

Da nun begab sich König Pasenadi von Kosala dorthin, wo die Nonne Khemā weilte, begrüßte sie ehrfurchtsvoll und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend, sprach nun König Pasenadi von Kosala zu ihr:

"Wie ist es denn, Ehrwürdige, besteht der Vollendete nach dem Tode?"

 

"Nicht geäußert hat sich, großer König, der Erhabene darüber, ob der Vollendete nach dem Tode besteht".

 

"Wie ist es denn, Ehrwürdige, besteht der Vollendete nicht nach dem Tode?

 

"Auch darüber, großer König, hat sich der Erhabene nicht geäußert, ob der Vollendete nach dem Tode nicht besteht".

 

"Wie ist es denn, Ehrwürdige, besteht der Vollendete sowohl nach dem Tode als auch besteht er nicht nach dem Tode?"

 

"Auch darüber, großer König, hat sich der Erhabene nicht geäußert, ob der Vollendete weder nach dem Tode besteht noch nicht besteht".

 

"Wie ist es denn, Ehrwürdige, was immer ich dich frage, stets sagtest du: 'Darüber hat sich der Erhabene nicht geäußert'. Was ist denn nun, Ehrwürdige, der Anlaß, was ist der Grund, daß sich der Erhabene darüber nicht geäußert hat?"

 

Da, werde ich dir, großer König, hier einige Fragen stellen. Wie es dir belieben mag, mögest du antworten:

Was meinst du, großer König, gibt es irgendeinen Zähler, Rechner oder Schätzer, der imstande ist, den Sand des Ganges zu zählen: 'So viel Sandkörner, so viele 100 Sandkörner, so viele 1.000 Sandkörner, so viele 100.000 Sandkörner gibt es'?"

 

"Das nicht, Ehrwürdige".

 

"Gibt es aber irgendeinen Zähler, Rechner oder Schätzer, der imstande ist das Wasser im großen Ozean zu berechnen: 'So viel Gallonen, so viel 100 Gallonen, so viel 1.000 Gallonen, so viel 100.000 Gallonen sind es'?"

 

"Das nicht, Ehrwürdige".

 

"Und warum?"

 

"Groß ist, o Ehrwürdige, der Ozean, tief, unermeßlich, unergründlich".

 

"Ebenso nun auch, großer König, ist jede Form, jedes Gefühl, jede Wahrnehmung, jede Gestaltung, jedes Bewußtsein, durch welche man den Vollendeten bezeichnen wollte, vom Vollendeten überwunden, an der Wurzel abgeschnitten, einem Palmstumpf gleichgemacht worden, so daß sie nicht mehr keimen, nicht mehr sich entwickeln können. Von der Bezeichnung durch Form, Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltung, Bewußtsein erlöst ist der Vollendete tief, unermeßlich, unergründlich, gleichwie der große Ozean: Auferstehn, das trifft nicht zu; Nichtauferstehn, das trifft nicht zu; Auferstehn und Nichtauferstehn, das trifft nicht zu; Auferstehn so wenig wie Nichtauferstehn, das trifft nicht zu".

 

Da war nun König Pasenadi von Kosala über die Worte der Nonne Khemā erfreut und befriedigt, erhob sich, grüßte die Nonne Khemā ehrfurchtsvoll, wandte sich rechts herum und ging fort. Nach einiger Zeit begab er sich zum Erhabenen, begrüßte ihn ehrfurchtsvoll und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend, berichtete er dem Erhabenen das Gespräch, das er mit der Nonne Khemā geführt hatte. Und der Erhabene fragte König Pasenadi von Kosala dieselben Fragen, die auch die Nonne Khemā gefragt hatte, und König Pasenadi gab dieselben Antworten. Und er schloß mit den Worten:

 

Vortrefflich, o Herr! Vortrefflich, o Herr, wie da Meister und Jüngerin sinn- und wortgetreu übereinstimmen und sich nicht widersprechen hinsichtlich der höchsten Stätte. Wohlan denn, o Herr, wir müssen gehen: gar manche Pflicht wartet unser, manche Obliegenheit".

 

"Wie es dir, großer König, denn belieben mag".

 

Da war nun König Pasenadi von Kosala über die Worte des Erhabenen erfreut und befriedigt, erhob sich, grüßte den Erhabenen ehrfurchtsvoll, wandte sich rechts herum und ging fort.

 


S.44.2 Anuruddho

(Identisch mit S 22.86.)

 


S.44.3 Sāriputto und Kotthito I

 

Zu einer Zeit weilten der ehrwürdige Sāriputto und der Ehrwürdige Mahā-Kotthito zu Benares am Seherstein im Wildparke. Da nun begab sich der Ehrwürdige Mahā-Kotthito am Abend nach Aufhebung der Gedenkensruhe zum Ehrwürdigen Sāriputto, wechselte freundliche, denkwürdige Worte mit ihm und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend, sprach nun der Ehrwürdige Mahā-Kotthito zum Ehrwürdigen Sāriputto:

 

"Wie ist es nun, Bruder Sāriputto, besteht der Vollendete nach dem Tode?"

 

"Darüber hat sich der Erhabene, Bruder, nicht geäußert, ob der Vollendete nach dem Tode besteht".

 

"Wie ist es nun, Bruder Sāriputto, besteht der Vollendete nicht nach dem Tode, besteht er sowohl als auch nicht nach dem Tode, besteht er weder-noch nicht nach dem Tode?"

 

"Darüber hat sich der Erhabene, Bruder, nicht geäußert".

 

"Wie ist es, Bruder Sāriputto, was immer ich dich fragte, stets sagtest du, 'Darüber hat sich der Erhabene nicht geäußert'. Was ist denn nun, Bruder, der Anlaß, was ist der Grund, daß sich der Erhabene darüber nicht geäußert hat?"

 

"'Der Vollendete besteht nach dem Tode', Bruder, das ist von der Form ausgegangen, vom Gefühl, von der Wahrnehmung, von den Gestaltungen, von Bewußtsein ausgegangen. 'Der Vollendete besteht nicht nach dem Tode', 'Der Vollendete besteht sowohl als auch nicht nach dem Tode', 'Der Vollendete besteht weder-noch nicht nach dem Tode', das ist von der Form ausgegangen, vom Gefühl. von der Wahrnehmung, von den Gestaltungen, vom Bewußtsein ausgegangen. Das ist der Anlaß, Bruder, das ist der Grund daß sich der Erhabene darüber nicht geäußert hat".

 


S.44.4 Sāriputto und Kotthito II

Zu einer Zeit weilten der Ehrwürdige Sāriputto und der Ehrwürdige Mahā-Kotthito zu Benares am Seherstein im Wildparke. Da sprach der Ehrwürdige Mahā-Kotthito zum Ehrwürdigen Sāriputto bei einem gleichen Gespräch: Und was ist, Bruder, der Anlaß, was ist der Grund, daß sich der Erhabene darüber nicht geäußert hat?"

"Wenn Bruder, 

nicht der Wirklichkeit gemäß erkannt und gesehen werden, ihr Entstehen, ihre Auflösung und das zu ihrer Auflösung führende Vorgehen, dann denkt man: 

Wird aber, Bruder, die Form, das Gefühl die Wahrnehmung, die Gestaltungen, das Bewußtsein der Wirklichkeit gemäß erkannt und gesehen, ihr Entstehen, ihre Auflösung und das zu ihrer Auflösung führende Vorgehen, dann denkt man nicht: 'Der Vollendete besteht nach dem Tode, der Vollendete besteht nicht nach dem Tode, der Vollendete besteht sowohl als auch nicht nach dem Tode, der Vollendete besteht weder-noch besteht er nicht nach dem Tode'. 

Das ist der Anlaß, Bruder, das ist der Grund, daß sich der Erhabene darüber nicht geäußert hat".


S.44.5 Sāriputto und Kotthito III

 

Zu einer Zeit weilten der Ehrwürdige Sāriputto und der Ehrwürdige Mahā-Kotthito zu Benares am Sehersteine im Wildparke. Da sprach der Ehrwürdige Mahā-Kotthito zum Ehrwürdigen Sāriputto bei einem gleichen Gespräch:

"Und was ist der Anlaß, Bruder, was ist der Grund, daß sich der Erhabene darüber nicht geäußert hat?"

"Wenn da einer, Bruder, 

dann denkt er: 

 

Ist aber einer, Bruder, bei der Form, beim Gefühl, bei der Wahrnehmung, bei den Gestaltungen, beim Bewußtsein dem Reiz entgangen, dem Willen entgangen, der Vorliebe entgangen, dem Dürsten entgangen, dem Durst entgangen, dann denkt er nicht: 'Der Vollendete besteht nach dem Tode, der Vollendete besteht nicht nach dem Tode, der Vollendete besteht sowohl als auch nicht nach dem Tode, der Vollendete besteht weder-noch besteht er nicht nach dem Tode'. 

Das ist, Bruder, der Anlaß, das ist der Grund, daß sich der Erhabene darüber nicht geäußert hat".


S.44.6 Sāriputto und Kotthito IV

Zu einer Zeit weilten der Ehrwürdige Sāriputto und der Ehrwürdige Mahā-Kotthito zu Benares am Sehersteine im Wildparke. Da sprach der Ehrwürdige Sāriputto zum Ehrwürdigen Mahā-Kotthito bei einem gleichen Gespräch:

"Und was ist der Anlaß, was ist der Grund, daß sich der Erhabene darüber nicht geäußert hat?"

"Ist einer, Bruder, 

entzückt, beglückt, erfreut, und wird ihre Auflösung nicht der Wirklichkeit gemäß erkannt und gesehn, dann denkt er: 

"Ist aber einer, Bruder, an der Form, am Gefühl, an der Wahrnehmung, an den Gestaltungen, am Bewußtsein nicht entzückt, beglückt, erfreut und wird ihre Auflösung der Wirklichkeit gemäß erkannt und gesehen, dann denkt er nicht mehr so. Das ist der Anlaß, das ist der Grund, Bruder, daß sich der Erhabene darüber nicht geäußert hat"

"Gibt es aber, Bruder, noch einen anderen Umstand, warum sich der Erhabene darüber nicht geäußert hat?"

"Gewiß, Bruder. Ist da einer, Bruder, 

entzückt, beglückt, erfreut und wird deren Auflösung nicht der Wirklichkeit gemäß erkannt und gesehn, dann denkt man: 

Ist da aber einer, Bruder, am Dasein, am Ergreifen, am Durst nicht entzückt, nicht beglückt, nicht erfreut und wird deren Auflösung der Wirklichkeit gemäß erkannt und gesehn, dann denkt er nicht mehr so. Auch das ist ein Umstand, warum sich der Erhabene darüber nicht geäußert hat".

"Gibt es aber, Bruder, noch einen anderen Umstand, warum sich der Erhabene darüber nicht geäußert hat?"

"Was verlangst du hier, Bruder Sāriputto, noch weiteres? Für einen Mönch, Bruder Sāriputto, der durch Versiegen des Durstes erlöst ist, gibt es nicht mehr einen Kreis der Mitteilung".


S.44.7 Moggallāno

Der Pilger Vacchagotto begab sich dorthin, wo der Ehrwürdige Mahā-Moggallāno weilte, wechselte höflichen Gruß und freundliche denkwürdige Worte mit ihm und setzte sich zu Seite nieder. Zur Seite sitzend, wandte sich der Pilger Vacchagotto also an den Ehrwürdigen Mahā-Moggallāno:

"Wie ist es, Herr Moggallāno, ist die Welt ewig?"

"Darüber hat sich der Erhabene nicht geäußert, ob die Welt ewig ist".

"Ist dann, Herr Moggallāno, die Welt nicht-ewig?"

"Auch darüber hat sich, Vaccha, der Erhabene nicht geäußert, ob die Welt nicht-ewig ist". "Wie ist es, Herr Moggallāno, ist die Welt endlich?"

"Darüber hat sich der Erhabene nicht geäußert, ob die Welt endlich ist".

"Ist dann, Herr Moggallāno, die Welt unendlich?"

"Auch darüber hat sich der Erhabene nicht geäußert, ob die Welt unendlich ist".

"Wie ist es, Herr Moggallāno, sind Leben und Leib dasselbe?"

"Darüber hat sich, Vaccha, der Erhabene nicht geäußert, ob Leben und Leib dasselbe sind".

"Sind dann Leben und Leib verschieden?"

"Auch darüber hat sich, Vaccha, der Erhabene nicht geäußert, ob Leben und Leib verschieden sind".

"Wie ist es, Herr Moggallāno, ist der Vollendete nach dem Tode oder ist er nicht nach dem Tode, ist er sowohl als auch nicht nach dem Tode oder ist er weder noch nicht nach dem Tode?"

"Darüber hat sich, Vaccha, der Erhabene nicht geäußert".

"Was ist denn, Herr Moggallāno, der Anlaß, was ist der Grund, daß da andersfährtige Pilger auf solche Fragen wie folgt antworten: 'Ewig ist die Welt' oder 'Nicht-ewig ist die Welt'; 'Endlich ist die Welt' oder 'Nicht endlich ist die Welt'; 'Leben und Leib sind dasselbe' oder 'Leben und Leib sind verschieden'; 'Der Vollendete besteht nach dem Tode' oder 'Der Vollendete besteht nicht nach dem Tode'; 'Der Vollendete besteht sowohl als auch nicht nach dem Tode' oder 'Der Vollendete besteht weder noch nicht nach dem Tode'.

"Was ist nun, Herr Moggallāno, der Anlaß, was ist der Grund, daß der Asket Gotamo auf solche Fragen nicht derart antwortet?"

"Die andersfährtigen Pilger, Vaccha, betrachten Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper, Geist so: 'Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst'. Darum antworten die andersfährtigen Pilger derart auf solche Fragen.

Der Vollendete aber, Vaccha, der Heilige, Vollkommen Erwachte, betrachtet Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper, Geist so: 'Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst'. Darum antwortet der Erhabene auf solche Fragen nicht derart". Da nun erhob sich der Pilger Vacchagotto von seinem Sitz und begab sich zum Erhabenen, wechselte freundliche denkwürdige Worte mit ihm und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend, stellte er nun dem Erhabenen dieselben Fragen, und der Erhabene antwortete stets: "Darüber, Vaccha, habe ich mich nicht geäußert".

Was ist nun, Herr Gotamo, der Anlaß, was ist der Grund, daß andersfährtige Pilger auf solche Fragen derart antworten, der Erhabene aber nicht?"

 

"Die andersfährtigen Pilger, Vaccha, betrachten Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper, Geist so: 'Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst', der Vollendete aber, Vaccha, der Heilige, Vollkommen Erwachte, betrachtet es nicht so. Darum antworten die andersfährtigen Pilger so, der Vollendete aber nicht".

 

"Erstaunlich, Herr Gotamo, außerordentlich, Herr Gotama, ist es, wie da Meister und Jünger sinn- und wortgetreu übereinstimmen, sich entsprechen, sich nicht widersprechen hinsichtlich der höchsten Stätte!

 

Ich bin da, Herr Gotamo, zum Asketen Mahā-Moggallāno gegangen und fragte ihn nach dem Heil. Der Asket Mahā-Moggallāno antwortete mit denselben Sätzen und Worten wie Herr Gotamo".


S.44.8 Vaccho

 

Da nun begab sich Vacchagotto, der Pilger, dorthin, wo der Erhabene weilte, wechselte freundliche denkwürdige Worte mit ihm und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend, wandte sich der Pilger Vacchagotto also an den Erhabenen:

 

"Ist, Herr Gotamo, die Welt ewig oder nicht-ewig, endlich oder unendlich, sind Leben und Leib dasselbe oder verschieden; besteht der Vollendete nach dem Tode oder nicht; besteht der Vollendete sowohl nach dem Tode als auch nicht nach dem Tode oder besteht er weder noch nicht nach dem Tode?"

 

"Darüber habe ich mich, Vaccha, nicht geäußert".

 

"Was aber ist der Anlaß, was ist der Grund, daß Herr Gotamo auf solche Fragen nicht derart antwortet?"

 

"Die andersfährtigen Pilger, Vaccha, betrachten die Form als sich selbst oder sich selbst als formhaft oder im Selbst die Form oder in der Form sich selbst - und ebenso beim Gefühl, bei der Wahrnehmung, bei den Gestaltungen, beim Bewußtsein. Darum antworten die andersfährtigen Pilger auf solche Fragen derart.

 

Der Vollendete aber, Vaccho, der Heilige, Vollkommen Erwachte betrachtet die Form nicht als sich selbst noch sich selbst als formhaft noch im Selbst die Form noch in der Form sich selbst - und ebenso beim Gefühl, bei der Wahrnehmung, bei den Gestaltungen, beim Bewußtsein. Darum antwortet der Vollendete auf solche Fragen nicht derart".

 

Da nun erhob sich der Pilger Vacchagotto und begab sich dorthin, wo der Ehrwürdige Moggallāno weilte, wechselte freundliche denkwürdige Worte mit ihm und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend, stellte er ihm dieselben Fragen und erhielt von ihm dieselben Antworten und dieselben Begründungen.

 

"Erstaunlich, Herr Moggallāno, außerordentlich, Herr Moggallāno, wie da Meister und Jünger sinn- und wortgetreu übereinstimmen, sich entsprechen und nicht widersprechen hinsichtlich der höchsten Stätte. Ich war da, Herr Moggallāno, zum Asketen Gotamo gegangen und fragte ihn nach dem Heil. Der Asket Gotamo antwortete mit denselben Sätzen und Worten wie Herr Moggallāno".


S.44.9 Die Halle der Wortgefechte

 

Da nun begab sich der Pilger Vacchagotto dorthin, wo der Erhabene weilte, wechselte freundliche denkwürdige Worte mit ihm und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend, wandte sich der Pilger Vacchagotto also an den Erhabenen:

 

"Die vergangenen Tage, Herr Gotamo, vor einiger Zeit, haben sich mancherlei Andersfährtige, Asketen- und Brahmanen-Pilger, in der Halle der Wortgefechte zu einer Sitzung eingefunden und untereinander also zu reden begonnen:

 

'Dieser Pūrano Kassapo ist mit vielen Schülern und Anhängern der Meister einer Schar, ein wohlbekannter berühmter Furtbereiter, der bei den Leuten viel gilt. Wenn nun einer seiner Jünger abgeschieden, gestorben ist, dann erklärt er über dessen Wiedergeburt: 'Dort und dort ist dieser wiedergeboren, dort und dort ist dieser wiedergeboren'. Und auch von einem Jünger, der ein Übermensch ist, der höchste Mensch, der das Höchste erreicht hat, spricht er, wenn dieser abgeschieden, gestorben ist, über dessen Wiedergeburt: 'Dort und dort ist dieser wiedergeboren, dort und dort ist dieser wiedergeboren'.

 

Und ebenso sprechen jeweils Makkhali Gosāla, der Freie Bruder Nātaputto, Sañjayo Belatthiputto, Pakudho Kaccāyano und Ajito Kesakambalo über ihre Jünger.

 

Nun ist auch der Asket Gotama mit vielen Schülern und Anhängern der Meister einer Schar, ein wohlbekannter berühmter Furtbereiter, der bei den Leuten viel gilt. Wenn nun einer seiner Jünger abgeschieden, gestorben ist, dann erklärt er über dessen Wiedergeburt: 'Dort und dort ist dieser wiedergeboren, dort und dort ist dieser wiedergeboren'. Von einem Jünger aber, der Übermensch ist, höchster Mensch, der das Höchste erreicht hat, spricht er nicht von Wiedergeburt: 'Dort und dort ist dieser wiedergeboren, dort und dort ist dieser wiedergeboren', sondern er erklärt von ihm: 'Abgeschnitten hat er den Durst, gesprengt die Fessel, durch vollkommene Dünkeleroberung dem Leiden ein Ende gemacht'. Da sind mir nun, Herr Gotamo, Bedenken gekommen, Zweifel, wie die Lehre des Asketen Gotamo zu verstehen sei".

 

"Recht hast du, Vaccha, da Bedenken und Zweifel. Bei bedenklichen Dingen ist dir, Vaccha, ein Zweifel aufgestiegen. Nur von dem, der noch ergreift, erkläre ich die Wiedergeburt, nicht von dem, der nicht mehr ergreift. Gleichwie etwa, Vaccha ein Feuer mit Nahrung brennt, nicht aber ohne Nahrung, ebenso nun auch erkläre ich die Wiedergeburt nur von dem, der noch ergreift, nicht von dem, der nicht mehr ergreift".

 

"Zu einer Zeit aber, Herr Gotamo, wenn eine Flamme, durch den Wind angeblasen, weit geht, was sagt Herr Gotamo, da über das Ergreifen?"

 

"Zu einer Zeit, Vaccha, wenn eine Flamme, durch den Wind angeblasen, weit geht, dann sag ich, ist sie vom Wind ergriffen, der Wind ist zu dieser Zeit das Ergreifen".

 

"Wenn nun, Herr Gotama, ein Wesen in dieser Zeit den Körper ablegt und einen anderen Körper anlegt, was sagt da Herr Gotamo hinsichtlich des Ergreifens?"

 

"Wenn da, Vaccha, ein Wesen in dieser Zeit den Körper ablegt und einen anderen Körper anlegt, dann erkläre ich es vom Durst ergriffen, der Durst ist zu dieser Zeit das Ergreifen".


S.44.10 Anando

 

Da nun begab sich der Pilger Vacchagatto dorthin, wo der Erhabene weilte, wechselte freundliche denkwürdige Worte mit ihm und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend, wandte sich nun der Pilger Vacchagotto also an den Erhabenen:

 

"Wie ist es, Herr Gotamo, gibt es ein Selbst?"

 

Auf diese Worte schwieg der Erhabene.

 

"Wie ist es denn, Herr Gotamo, gibt es kein Selbst?"

 

Ein zweites Mal nun schwieg der Erhabene. Da erhob sich der Pilger Vacchagotto und ging fort.

 

Nicht lange, nachdem der Pilger Vacchagotto fortgegangen war, wandte sich der Ehrwürdige Anando also an den Erhabenen:

 

"Warum, o Herr, hat der Erhabene die Frage des Pilgers Vacchagotto nicht beantwortet?"

 

"Hätte ich, Anando, auf die Frage des Pilgers Vacchagatto, ob es ein Selbst gibt, geantwortet: 'Es gibt ein Selbst', so wäre ich den Asketen und Brahmanen gefolgt, die Ewigkeit behaupten. Hätte ich aber, Anando, auf die Frage des Pilgers Vacchagotto, ob es kein Selbst gibt, geantwortet: 'Es gibt kein Selbst', dann wäre ich den Asketen und Brahmanen gefolgt, die Vernichtung behaupten.

 

"Hätte ich, Anando, auf die Frage des Pilgers Vacchagotto, ob es ein Selbst gibt, geantwortet: 'Es gibt ein Selbst' würde das der Erkenntnis entsprechen: 'Alle Dinge sind ohne Ich'?"

 

"Gewiß nicht, o Herr".

 

"Hätte ich aber, Anando, auf die Frage des Pilgers Vacchagotto, ob es kein Selbst gibt, geantwortet: 'Es gibt kein Selbst', so würde der verwirrte Vacchagotto noch mehr in Verwirrung geraten sein: 'Früher hatte ich ein Selbst, jetzt nicht mehr'."


S.44.11 Sabhiyo

 

Zu einer Zeit weilte der Ehrwürdige Sabhiyo Kaccāno bei Rauschenbach in der steinernen Einsiedelei. Da nun begab sich der Pilger Vacchagotto dorthin, wo Sabhiyo Kaccāno weilte, wechselte freundliche denkwürdige Worte mit ihm und setzte sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend, wandte sich der Pilger Vacchagotto also an den Ehrwürdigen Sabhiyo Kaccāno: "Wie ist es, Herr Kaccāno, besteht der Vollendete nach dem Tode?"

 

"Darüber hat sich, Vaccha, der Erhabene nicht geäußert, ob der Vollendete nach dem Tode besteht".

 

"Wie ist es denn, Herr Kaccāno, besteht der Vollendete nicht nach dem Tode?"

 

"Darüber hat sich, Vaccha, der Erhabene nicht geäußert, ob der Vollendete nicht nach dem Tode besteht."

 

"Wie ist es denn, Herr Kaccāno, besteht der Vollendete sowohl als auch nicht nach dem Tode?"

 

"Darüber hat sich, Vaccha, der Erhabene nicht geäußert, ob der Vollendete nach dem Tode sowohl als auch nicht besteht".

 

"Wie ist es denn, Herr Kaccāno, besteht der Vollendete weder nach dem Tode noch besteht er nicht?"

 

"Darüber hat sich, Vaccha, der Erhabene nicht geäußert, ob der Vollendete nach dem Tode weder besteht noch nicht besteht."

 

Wie ist es nun, Herr Kaccāno: Auf alle meine Fragen antwortest du, darüber habe der Erhabene sich nicht geäußert. Was ist nun der Anlaß, was ist der Grund, daß sich der Asket Gotamo darüber nicht geäußert hat?"

 

"Was da, Bruder Vaccha, der Anlaß, was da die Ursache ist einer Mitteilung, er sei formhaft oder formlos, wahrnehmend oder nicht-wahrnehmend oder weder-wahrnehmend-noch-nicht-wahrnehmend, wenn sich solcher Anlaß, solche Ursache sich ganz und gar überall vollkommen restlos auflösen würde, wie wäre da über ihn eine Mitteilung zu machen, er sei formhaft oder formlos, wahrnehmend oder nicht-wahrnehmend oder weder-wahrnehmend-noch-nicht-wahrnehmend?"

 

"Wie lange ist es her, daß du in die Hauslosigkeit gezogen bist, Kaccāno?"

 

"Nicht lange, Bruder, drei Jahre".

 

"Gut ist es, Bruder, in so kurzer Zeit so viel zu sehen, gar nicht zu reden vom Transzendieren".


  Oben