Anguttara Nikaya

II. Die zweiten fünfzig Sutten (dutiyapannāsaka)

6. Kapitel: brāhmana-vagga

A.III.52-53 Alter, Krankheit und Tod I-II

Es begaben sich da zwei alte, ergraute, ergreiste, hoch bejahrte, im Alter vorgerückte Brahmanen, einhundertundzwanzig Jahre zählend, dorthin wo der Erhabene weilte. Dort angelangt, wechselten sie freundlichen Gruß mit dem Erhabenen, und nach Austausch höflicher und zuvorkommender Worte setzten sie sich zur Seite nieder. Seitwärts sitzend sprachen jene Brahmanen zum Erhabenen also:

»Wir, Herr Gotama, sind alte, ergraute, ergreiste, hoch bejahrte, am Alter vorgerückte Brahmanen, einhundertundzwanzig Jahre zählend. Wir haben es versäumt, edle, gute und hilfreiche Werke zu tun. Möge uns der Herr Gotama unterweisen, möge uns der Herr Gotama belehren, auf daß es uns lange zum Heile und Segen gereiche!«

»Wahrlich, alte, ergraute, ergreiste, hoch bejahrte, im Alter vorgerückte Brahmanen seid ihr, einhundertundzwanzig Jahre alt. Und versäumt habt ihr es, edle, gute und hilfreiche Werke zu tun.«

(Schluß in 52:) Es eilt aber, Brahmanen, diese Welt dahin, in Alter, Krankheit und Tod. Während aber die Welt so in Alter, Krankheit und Tod dahineilt, gibt es für einen, der sich jetzt in Werken, Worten und Gedanken beherrscht, nach dem Tode eine Rettung, einen Schutz, ein Eiland, eine Zuflucht, einen Rückhalt.

Gar kurz sind die Tage, es schwindet das Leben;
Für Alterbefallene gibt's kein Entrinnen.
Dessen gedenkend, daß Tod dich bedrohet,
Tu gute Taten, die zum Wohl dir gereichen!
 
Wer hier in Werken sich beherrscht,
in Worten und in seinem Denken,
dem bringt es nach dem Tode Glück,
daß er im Leben Gutes tat.«

(Schluß in 53:) Wie vom Feuer verzehrt, o Brahmanen, wird diese Welt durch Alter, Krankheit und Tod. Während aber diese Welt durch Alter, Krankheit und Tod verzehrt wird, gibt es für einen, der sich jetzt in Werken, Worten und Gedanken beherrscht, nach dem Tode eine Rettung, einen Schutz, ein Eiland, eine Zuflucht, einen Rückhalt.

»Wer einen Schatz gerettet hat
aus einem brennenden Gemach,
hat nur von diesem Schatze Nutzen,
doch nicht von dem, der drinnen brennt.
 
Gerade so wird diese Welt
verzehrt vom Alter und vom Tod.
Durch Geben mag man Schätze retten,
das Geben bester Retter ist.
 
Wer hier in Werken sich beherrscht,
in Worten und in seinem Denken,
dem bringt es nach dem Tode Glück,
daß er im Leben Gutes tat.«

A.III.54-55 Die sichtbare Lehre I-II

Es begab sich da ein gewisser Brahmane (*1) dorthin, wo der Erhabene weilte. Dort angelangt, wechselte er höflichen Gruß mit dem Erhabenen, und nach Austausch freundlicher und zuvorkommender Worte setzte er sich zur Seite nieder. Seitwärts sitzend sprach jener Brahmane zum Erhabenen also:

»Von der sichtbaren Lehre spricht man, Herr Gotama. Inwiefern nun aber, Herr Gotama, ist die Lehre klar sichtbar, unmitttelbar wirksam, einladend, zum Ziele führend, den Verständigen, jedem für sich, verständlich?«

»Aus Gier, Brahmane, von der Gier übermannt, umstrickten Geistes, trachtet man nach seinem eigenen Schaden, trachtet man nach anderer Schaden, trachtet man nach beiderseitigem Schaden, erleidet man geistigen Schmerz und Kummer. Ist aber die Gier aufgehoben, so trachtet man weder nach seinem eigenen Schaden, noch nach anderer Schaden, noch nach beiderseitigem Schaden, erleidet man keinen geistigen Schmerz und Kummer.«

(Zusatz in 55:) Aus Gier, Brahmane, von der Gier übermannt, umstrickten Geistes führt man einen schlechten Wandel in Werken, Worten und Gedanken; und nicht kennt man wirklichkeitsgemäß das eigene Heil, noch das Heil anderer, noch das beiderseitige Heil. Ist aber die Gier aufgehoben, so führt man weder in Werken, Worten, noch Gedanken einen schlechten Wandel, und man kennt wirklichkeitsgemäß das eigene Heil, das Heil anderer und das beiderseitige Heil.

(54-55:) Derart, Brahmane, ist die Lehre klar sichtbar, unmittelbar wirksam, einladend, zum Ziele führend, dem Verständigen, jedem für sich, verständlich.

Aus Haß, Brahmane, vom Hasse übermannt - aus Verblendung, Brahmane, von der Verblendung übermannt, umstrickten Geistes, trachtet man nach eigenem Schaden, trachtet man nach anderer Schaden, trachtet man nach beiderseitigem Schaden, erleidet man geistigen Schmerz und Kummer. Ist aber der Haß aufgehoben - ist die Verblendung aufgehoben, so trachtet man weder nach eigenem Schaden, noch nach anderer Schaden, noch nach beiderseitigem Schaden, erleidet man keinen geistigen Schmerz und Kummer.

(Zusatz in 55:) Aus Haß, Brahmane, vom Hasse übermannt - aus Verblendung, Brahmane, von der Verblendung übermannt, umstrickten Geistes, führt man einen schlechten Wandel in Werken, Worten und Gedanken, und nicht kennt man wirklichkeitsgemäß das eigene Heil, noch das Heil anderer, noch das beiderseitige Heil. Ist aber der Haß aufgehoben - ist die Verblendung aufgehoben, so führt man weder in Werken, Worten, noch Gedanken einen schlechten Wandel, und man kennt wirklichkeitsgemäß das eigene Heil, das Heil anderer und das beiderseitige Heil.

(54-55:) Derart, Brahmane, ist die Lehre klar sichtbar, unmittelbar wirksam, einladend, zum Ziele führend, den Verständigen, jedem für sich, verständlich.« -

»Vortrefflich, Herr Gotama! Vortrefflich, Herr Gotama! Gleichwie man, Herr Gotama, das Umgestürzte wieder aufrichten oder das Verborgene enthüllen oder den Verirrten den Weg weisen oder in die Finsternis ein Licht bringen möchte, damit, wer Augen hat, die Gegenstände sehe: ebenso hat der Herr Gotama auf mancherlei Weise die Lehre enthüllt. So nehme ich meine Zuflucht zum Herrn Gotama, zur Lehre und zur Mönchsgemeinde. Als Anhänger möge mich der Herr Gotama betrachten, als einen, der von heute ab zeitlebens Zuflucht genommen hat.«


(*1) In Text 55 ist der Fragende »ein gewisser brahmanischer Wanderasket«.


A.III.56 Das sichtbare Nibbāna

(Fragender:) Der Brahmane Jānussoni.

»'Das sichtbare Nibbāna, (*1) das sichtbare Nibbāna', so sagt man, Herr Gotama. Inwiefern nun aber, Herr Gotama, ist das Nibbāna klar sichtbar, unmittelbar wirksam, einladend, zum Ziele führend, den Verständigen, jedem für sich, verständlich?« -

»Aus Gier, Brahmane, von der Gier übermannt - aus Haß, vom Hasse übermannt - aus Verblendung, von der Verblendung übermannt, umstrickten Geistes, trachtet man nach seinem eigenen Schaden, trachtet man nach anderer Schaden, trachtet man nach beiderseitigem Schaden, erleidet man geistigen Schmerz und Kummer. Ist aber die Gier aufgehoben - ist der Haß aufgehoben - ist die Verblendung aufgehoben, so trachtet man weder nach eigenem Schaden, noch nach dem Schaden anderer, noch nach beiderseitigem Schaden, erleidet man keinen geistigen Schmerz und Kummer. Derart, o Brahmane, ist das Nibbāna klar sichtbar.

Insofern man, Brahmane, diese restlose Erlöschung der Gier erfährt, die restlose Erlöschung des Hasses und der Verblendung erfährt, ist das Nibbana klar sichtbar, unmittelbar wirksam, einladend, zum Ziele führend, den Verständigen, jedem für sich, verständlich.« -

»Vortrefflich, Herr Gotama! Vortrefflich, Herr Gotama! . . . Als Anhänger möge mich der Herr Gotama betrachten, als einen, der von heute ab zeitlebens Zuflucht genommen hat.«


(*1) nibbāna; s. Wtb. Mit dem sichtbaren Nibbāna ist die völlige Erlöschung der Leidenschaften bei Lebzeiten gemeint, die eine künftige Wiedergeburt unmöglich macht.


A.III.57 Ursachen der Menschenabnahme

(Fragender:) Ein wohlhabender Brahmane.

»Gehört habe ich, Herr Gotama, daß die alten, ehrwürdigen Brahmanen von einstmals, Lehrer von Lehrergenerationen, derart erzählt haben: 'Ehedem war diese Welt dicht mit Menschen bevölkert, wie die [überfüllte] Avīci-Hölle (*1), möchte man meinen; und die Dörfer, Ortschaften und Residenzstädte bildeten wahre Hühnersteige.' (*2) Was ist nun, Herr Gotama, die Ursache, was ist der Grund, daß sich heutzutage ein Schwinden, eine Abnahme der Menschen zeigt; daß die Dörfer keine [rechten] Dörfer mehr sind, die Ortschaften keine Ortschaften, die Städte keine Städte, die Provinzen keine Provinzen?« -

»In jetziger Zeit, Brahmane, erfreuen sich die Menschen an gesetzloser Gier, werden von verderbten Lüsten übermannt, sind voller Schlechtigkeit. Derart an gesetzloser Gier erfreut, von verderbten Lüsten übermannt und voller Schlechtigkeit, ergreifen sie scharfe Schwerter und bringen einander ums Leben. Dadurch fallen viele Wesen dem Tode anheim. Dies, Brahmane, ist eine Ursache, dies ist ein Grund, daß sich da heutzutage ein Schwinden, eine Abnahme der Menschen zeigt; daß die Dörfer keine [rechten] Dörfer mehr sind, die Ortschaften keine Ortschaften, die Städte keine Städte und die Provinzen keine Provinzen.

Ferner noch, Brahmane: weil heutzutage die Menschen an gesetzloser Gier erfreut sind, von verderbten Lüsten übermannt und voller Schlechtigkeit, daher spendet ihnen der Himmel keinen rechten Regen mehr. Dadurch aber entstehen Hungersnot und Missernte, Mehltau befällt das Getreide und bloß Halme gibt's zu mähen. Dadurch fallen viele Menschen dem Tode anheim. Auch dies, Brahmane, ist eine Ursache, auch dies ist ein Grund, daß sich da heutzutage ein Schwinden, eine Abnahme der Menschen zeigt; daß die Dörfer keine [rechten] Dörfer mehr sind, die Ortschaften keine Ortschaften, die Städte keine Städte, die Provinzen keine Provinzen.

Ferner noch, Brahmane: weil heutzutage die Menschen an gesetzloser Gier erfreut sind, von verderbten Lüsten übermannt und voller Schlechtigkeit, deshalb lassen die Dämonen (*3) gegen sie Unholde (*4) los. Dadurch fallen viele Menschen dem Tode anheim. Auch dies, Brahmane, ist eine Ursache, auch dies ist ein Grund, daß sich heutzutage ein Schwinden, eine Abnahme der Menschen zeigt; daß die Dörfer keine [rechten] Dörfer mehr sind, die Ortschaften keine Ortschaften, die Städte keine Städte und die Provinzen keine Provinzen.« -

»Vortrefflich, Herr Gotama! Vortrefflich, Herr Gotama! . . . Als Anhänger möge mich der Herr Gotama betrachten, als einen, der von heute ab zeitlebens Zuflucht genommen hat.«


(*1) avīci maññe. Nimmt man avīci im Sinne von 'ununterbrochen', so könnte auch übersetzt werden: 'lückenlos möchte man meinen'.

(*2) K: Die Häuser lagen so dicht beieinander, daß ein Huhn über die benachbarten Hausgiebel von Dorf zu Dorf gelangen konnte.

(*3) Yakkhā; K: die Dämonenfürsten.

(*4) vāle amanusse; wtl: wilde, nicht-menschliche Wesen, d.h. böse Geister.


A.III.58 Das Geben

(Fragender:) Der Wanderasket Vacchagotta.

»Gehört habe ich, Herr Gotama, daß der Herr Gotama also lehrt. 'Nur mir soll man Gabe geben, nicht den anderen; nur meinen Jüngern soll man Gabe geben, nicht den Jüngern anderer; nur das mir Dargereichte bringt hohen Lohn, nicht das anderen Dargereichte; nur das meinen Jüngern Dargereichte bringt hohen Lohn, nicht das den Jüngern anderer Dargereichte.' Die da, Herr Gotama, solches sagen, berichten sie wohl damit die Worte des Herrn Gotama und beschuldigen sie ihn nicht etwa fälschlich? Erklären sie dies seiner Lehre gemäß, so daß sich die entsprechende Aussage nicht als fehlerhaft erweist? Wahrlich, wir haben nicht den Wunsch, den Herrn Gotama fälschlich zu bezichtigen!« -

»Die da, Vaccha, solches gesagt haben, berichten nicht meine Worte, sondern beschuldigen mich fälschlich, unrechter Weise. Wer, Vacchagotta, einen davon abhält, anderen Gaben zu spenden, der verursacht dreien einen Schaden, legt dreien ein Hindernis in den Weg. Welchen dreien? Er verhindert die gute Tat des Gebers; er macht dem Empfänger die Gaben abspenstig; und vorher schon untergräbt und schädigt er seinen eigenen Charakter.

Was ich aber lehre, o Vaccha, ist dies: Selbst wenn einer die Spülreste aus Schüssel oder Schale in einen Tümpel oder Teich entleert, mit dem Wunsche, daß die darin befindlichen Lebewesen davon verzehren möchten ,so hat er, sage ich, schon dadurch Gutes getan; um wieviel mehr aber, wenn es sich um menschliche Wesen handelt.

Freilich, o Vaccha, lehre ich auch, daß das den Sittenreinen (*1) Dargereichte hohen Lohn bringt, und nicht ist es so bei einem Sittenlosen. Denn im Sittenreinen sind fünf Eigenschaften geschwunden, und mit fünf Eigenschaften ist er ausgerüstet.

Welche fünf Eigenschaften (nīvarana) (s. A.I.2) aber sind in ihm geschwunden? Sinnenlust ist geschwunden; Ärger ist geschwunden; Starrheit und Mattigkeit sind geschwunden; Aufgeregtheit und Gewissensunruhe sind geschwunden; Zweifelsucht ist geschwunden.

Mit welchen fünf Eigenschaften aber ist er ausgerüstet? Mit der dem Heiligen eigenen (*2) Fülle der Sittlichkeit (*3) ist er ausgerüstet, mit der dem Heiligen eigenen Fülle der Sammlung, mit der dem Heiligen eigenen Fülle der Weisheit, mit der dem Heiligen eigenen Fülle der Befreiung, mit der dem Heiligen eigenen Fülle des Erkenntnisblicks der Befreiung.

Somit bringt bei einem, der von fünf Eigenschaften befreit und mit fünf Eigenschaften ausgerüstet ist, das Dargereichte hohen Lohn, das sage ich.«

»Sei es ein schwarzes oder weißes Rind,
ein rötlich oder gelblich braunes,
ob es gefleckt, von einer Farbe auch,
ob taubenfarbig, wie's auch sei:
 
Ist's nur ein gut gezähmter Stier,
der kräftig als ein Lasttier dient,
mit edler Schnelligkeit dahineilt,
nur solchen spannt man ins Geschirr,
doch auf die Farbe sieht man nicht.
 
Ebenso ist's bei den Menschen:
ob sie Krieger, Priester, Bürger,
Diener, Feger, ob Candālas,
wer da unter allen diesen,
welcher Kaste er auch sein mag,
selbstbeherrscht ist und gesittet,
rechtlich ist und sittenrein,
Wahrheit spricht und schamhaft ist,
 
Entgangen der Geburt, dem Tode;
das heilige Leben ganz erfüllend,
wer lastbefreit und ohne Fesseln,
wer pflichtenledig, triebversiegt,
ein Meisterkenner aller Dinge,
der haftlos die Erlösung schaut -
auf solchem unbeflecktem Boden
bringt frohe Gabe hohen Lohn.
 
Doch die unverständigen Toren,
einsichtslos und ohne Kenntnis,
spenden außerhalb die Gaben,
suchen nicht die Heiligen auf.
 
Die solch Heilige verehren,
solche wahrhaft hehre Weisen,
deren Glauben zum Erhabenen
tief verwurzelt ist und standhaft,
 
Diese gehen hin zum Himmel
oder hier zu hohem Stande;
und allmählich zum Nibbāna
werden weise sie gelangen.«

(*1) Mit den 'Sittenreinen' sind hier lediglich die Heiligen (Arahants) gemeint, wie aus dem folgenden ersichtlich.

(*2) 'Den Heiligen eigen' (asekhena), wtl: dem Schulungsledigen eigen; s. A.II.11.

(*3) sīla-kkhandhena; khandha = Gruppe, hier im Sinne von rāsi, 'Ansammlung'; entsprechend im folgenden. Dies bezieht sich auf die dreifache Gliederung des achtfachen Pfades.


A.III.59 Dreiwissensmächtig - I

Es begab sich da der Brahmane Tikanna dorthin, wo der Erhabene weilte und sprach vor dem Erhabenen das Lob der dreiwissensmächtigen Brahmanen: »So sind die dreiwissensmächtigen Priester, derart sind die dreiwissensmächtigen Priester!« -

»Auf welche Weise aber, Brahmane, erklären die Brahmanen den dreiwissensmächtigen Priester?« -

»Da, Herr Gotama, ist ein Brahmane beiderseits von reiner Geburt, von Mutter und Vater her; lauter empfangen bis zum siebenten Ahnengeschlecht zurück, einwandfrei und makellos hinsichtlich der Kastenlehre. Er ist gelehrt, ein Kenner der mystischen Sprüche, ein Meister der drei Veden samt ihrem Wortschatz und Ritual, der Lautkunde und der Wortzerlegung und den Legenden als fünftem: ein Kenner des Textes und der Grammatik, wohl unterrichtet in der Naturkunde und den Merkmalen eines großen Mannes (vergl. D.31). Auf solche Weise, Herr Gotama, erklären die Brahmanen den dreiwissensmächtigen Priester.« -

»Anders, Brahmane, erklären die Brahmanen den dreiwissensmächtigen Priester, und anders gilt man in der Satzung des Heiligen als dreiwissensmächtig.« (*1)

»Wie aber, Herr Gotama, gilt man in der Satzung des Heiligen als dreiwissensmächtig? Gut wäre es, wenn mir der Herr Gotama diese Sache darlegte, wie man in der Satzung des Heiligen als dreiwissensmächtig gilt.« -

»So höre denn, Brahmane, und achte wohl auf meine Rede. Ich werde es dir erklären.« -

»Ja, o Herr!« erwiderte Tikanna, der Brahmane. Und der Erhabene sprach also:

»Da, o Brahmane, gewinnt ein Mönch, ganz abgeschieden von den Sinnendingen, abgeschieden von unheilsamen Geisteszuständen, die mit Gedankenfassen und Überlegen verbundene, in der Abgeschiedenheit geborene, von Verzückung und Glücksgefühl erfüllte erste Vertiefung und verweilt in ihr. Nach Stillung von Gedankenfassen und Überlegen gewinnt er den inneren Frieden, die Einheit des Geistes, die von Gedankenfassen und Überlegen freie, in der Sammlung geborene, von Verzückung und Glücksgefühl erfüllte zweite Vertiefung und verweilt in ihr. Und nach Loslösung von der Verzückung weilt er gleichmütig, achtsam, klar bewußt und ein Glücksgefühl empfindet er in seinem Inneren, von dem die Edlen künden: 'Der Gleichmütige, Achtsame weilt beglückt'; so gewinnt er die dritte Vertiefung und verweilt in ihr. Nach dem Schwinden von Wohlgefühl und Schmerz und dem schon früheren Erlöschen von Frohsinn und Trübsinn gewinnt er die leidlos-freudlose, in der völligen Reinheit von Gleichmut und Achtsamkeit bestehende vierte Vertiefung und verweilt in ihr.

Mit derart gesammeltem Geiste, der geläutert ist, rein, fleckenlos, ungetrübt, geschmeidig, gefügig, fest und unerschütterlich, richtet er seinen Geist auf die erinnernde Erkenntnis früherer Daseinsformen. Er erinnert sich an manche frühere Daseinsformen, als wie an ein Leben, an zwei Leben, an drei Leben, an vier Leben, an fünf Leben, an zehn Leben, an zwanzig Leben, an dreißig Leben, an vierzig Leben, an fünfzig Leben, an hundert Leben, an tausend Leben, an hunderttausend Leben; dann an die Zeiten während mancher Weltentstehungen, an die Zeiten mancher Weltuntergänge, an die Zeiten mancher Weltuntergänge und Weltentstehungen: 'Dort war ich, solchen Namen hatte ich, solcher Familie und solchem Stande gehörte ich an, solche Nahrung wurde mir zuteil, solches Wohl und Wehe hatte ich erfahren, solches Lebensalter erreichte ich. Von da nun abgeschieden, trat ich dort wieder ins Dasein: dort hatte ich solchen Namen, solcher Familie und solchem Stande gehörte ich an, solche Nahrung wurde mir zuteil, solches Wohl und Wehe hatte ich erfahren, solches Lebensalter erreichte ich. Von dort nun abgeschieden, trat ich hier wieder ins Dasein.' So erinnert er sich an manche frühere Daseinsform mit ihren besonderen Merkmalen, besonderen Kennzeichen.

Dieses erste Wissen hat er errungen; das Nichtwissen schwindet und das Wissen erwacht, das Dunkel zerstiebt und das Licht erscheint, während er also unermüdlich, eifrig und entschlossen verweilt.

Mit derart gesammeltem Geiste, der geläutert ist, rein, fleckenlos, ungetrübt, geschmeidig, gefügig, fest und unerschütterlich, richtet er seinen Geist auf die Erkenntnis des Abscheidens und Wiedererscheinens der Wesen. Mit dem himmlischen Auge, dem geklärten, übermenschlichen, sieht er die Wesen abscheiden und wiedererscheinen, gemeine und edle, schöne und häßliche, glückliche und unglückliche. Er erkennt, wie die Wesen je nach ihren Taten wiedererscheinen: 'Diese lieben Wesen, wahrlich, führen einen schlechten Wandel in Werken, in Worten und in Gedanken, sie schmähen Heilige, haben verkehrte Ansicht und gemäß ihrer verkehrten Ansicht handeln sie. Beim Zerfall des Körpers, nach dem Tode, gelangen sie in eine niedere Welt, auf eine Leidensfährte, in Daseinsabgründe, in die Hölle. Doch jene anderen lieben Wesen führen einen guten Wandel in Werken, in Worten und in Gedanken; nicht schmähen sie die Heiligen, haben rechte Erkenntnis und gemäß dieser rechten Erkenntnis handeln sie. Beim Zerfall des Körpers, nach dem Tode, gelangen sie auf eine gute Daseinsfährte, in himmlische Welt.' So sieht er mit dem himmlischen Auge, dem geklärten, übermenschlichen, die Wesen abscheiden und wiedererscheinen, gemeine und edle, schöne und häßliche, glückliche und unglückliche; und er erkennt, wie die Wesen je nach ihren Taten wiedererscheinen.

Dieses zweite Wissen hat er errungen, das Nichtwissen schwindet und das Wissen erwacht, das Dunkel zerstiebt und das Licht erscheint, während er da also unermüdlich, eifrig und entschlossen verweilt.

Mit derart gesammeltem Geiste, der geläutert ist, rein, fleckenlos, ungetrübt, geschmeidig, gefügig, fest und unerschütterlich, richtet er seinen Geist auf die Erkenntnis der Triebversiegung: 'Dies ist das Leiden', erkennt er der Wirklichkeit gemäß; 'Dies ist die Entstehung des Leidens', erkennt er der Wirklichkeit gemäß; 'Dies ist die Erlöschung des Leidens', erkennt er der Wirklichkeit gemäß; 'Dies ist der zur Erlöschung des Leidens führende Pfad', erkennt er der Wirklichkeit gemäß. 'Dies sind die Triebe' (*2), erkennt er der Wirklichkeit gemäß; 'Dies ist die Entstehung der Triebe', erkennt er der Wirklichkeit gemäß; 'Dies ist das Erlöschen der Triebe', erkennt er der Wirklichkeit gemäß; 'Dies ist der zum Erlöschen der Triebe führende Pfad', erkennt er der Wirklichkeit gemäß. Also erkennend, also schauend, wird sein Geist befreit vom Sinnlichkeits-Trieb, befreit vom Daseins-Trieb, befreit vom Nichtwissens-Trieb. Im Befreiten aber erhebt sich die Erkenntnis des Befreitseins, und er weiß: 'Versiegt ist die Wiedergeburt, erfüllt der heilige Wandel; getan ist, was zu tun war; nichts weiteres mehr nach diesem hier.'

Dieses dritte Wissen hat er errungen, das Nichtwissen schwindet und das Wissen erwacht, das Dunkel zerstiebt und das Licht erscheint, während er also unermüdlich, in eifrigem Mühen verweilt.

Der da stetig ist im Wandel, (*3)
weise ist und selbstvertieft,
der sein Herz in der Gewalt hat,
einsgeworden, fest gefügt.
 
Der Hehre, der das Dunkel bannt,
ein Todbesieger, mächtig der drei Wissen,
zum Heile kam für Götter und für Menschen,
den man den Allesüberwinder nennt,
 
Dem die drei Wissen eigen sind,
der Irrwahn überwunden hat,
erwacht, den letzten Körper trägt -
ihn, Gotama, ehrt man mit solchen Worten.
 
Der frühere Geburten schaut,
den Himmel und die Hölle kennt,
des Daseins Ende hat erreicht,
in hohen Kräften Meister ist,
 
Er, der mit solcher Wissensdreiheit
dreivedenkundiger Brahmane ist,
dreiwissensmächtig ist nur er,
und nicht, wer bloß den Namen trägt.

»Auf solche Weise, Brahmane, gilt man in der Satzung des Heiligen als dreiwissensmächtig.« -

»Anders freilich, Herr Gotama, gilt man bei den Brahmanen als dreiwissensmächtig und anders in der Satzung des Heiligen. Verglichen aber mit dem Dreiwissensmächtigen in der Satzung des Heiligen gilt mir der Dreiwissensmächtige der Brahmanen nur den sechzehnten Teil! Vortrefflich, Herr Gotama! Vortrefflich, Herr Gotama! . . . Als Anhänger möge mich der Herr Gotama betrachten, als einen, der von heute ab zeitlebens Zuflucht genommen hat.«


(*1) Die 'drei Wissen' des Brahmanen sind die drei Veden: Rig-, Sama- und Yajur-Veda;

die drei Wissen (vijja) im buddhistischen Sinne sind die im folgenden genannten:

  1. die Erinnerung an frühere Daseinsformen (pubbe-nivās'ānussati-ñāna),
  2. das himmlische Auge (dibba-cakkh-ñāna),
  3. Versiegung der Triebe (āsavakkhaya-ñāna; d.i. Heiligkeit).

(*2) āsavā. Dies sind die nachstehend im Text genannten drei:

  1. Sinnlichkeits-Trieb (kām'āsava),
  2. Dasein-Trieb (bhav'āsava),
  3. Nichtwissens-Trieb (avijj'āsava).

In manchen Texten wird auch noch als vierter (in der Reihenfolge der Aufzählung als dritter) der Ansichten-Trieb (ditth'āsava) genannt.

Bei dem Wort 'Trieb' ist hier nicht etwa bloß an das 'sinnliche Triebleben' zu denken, sondern an alle vorgenannten unheilsamen Triebkräfte.

Das Pāli-Wort āsava bedeutet 'Einströmung', 'Einfluß'; da aber beide Begriffe zu sehr an eine Einwirkung von außen her denken lassen, wurden sie nicht für die Wiedergabe verwandt.

(*3) anuccāvacasīlo; wtl: ohne Auf und Ab (d.i. Fortschritt und Rückschritt) im Wandel.


A.III.60 Dreiwissensmächtig- II

(Fragender:) Der Brahmane Jānussoni:

»Wer da, Herr Gotama, ein Opfer, eine Totenspeise, eine Ehrenspende oder sonstige Gabe darzubringen hat, sollte er nicht solche Gabe den dreiwissensmächtigen Brahmanen spenden?« -

»Auf welche Weise aber, Brahmane, erklären denn die Brahmanen den dreiwissensmächtigen Priester?« -

»Da, Herr Gotama, ist ein Brahmane beiderseitig von reiner Geburt, von Vater und Mutter her . . .«

(Fortsetzung bis zu den Versen wie in Text 59. Die Verse lauten hier wie folgt:)

»Wer tugendhaft und regeltreu
und unermüdlich ist, gesammelt;
wer sein Herz in der Gewalt hat,
eins geworden, fest gefügt,
 
Wer frühere Geburten schaut,
den Himmel und die Hölle kennt,
des Daseins Ende hat erreicht,
in hohen Kräften Meister ist,
 
Er, der mit solcher Wissensdreiheit
dreivedenkundiger Brahmane ist,
dreiwissensmächtig ist nur er,
und nicht, wer bloß den Namen trägt.«

(Prosaschluß wie in Text 59)


A.III.61 Die drei Wunder

Es begab sich Sangārava (*1), der Brahmane, zum Erhabenen und sprach:

»Wir, Herr Gotama, sind Brahmanen; wir opfern und lassen opfern. Sowohl derjenige, der opfert, wie derjenige, der opfern läßt, beide vollbringen eine viele Personen betreffende verdienstliche Handlung, nämlich die Opferhandlung. Derjenige aber, Herr Gotama, der aus dieser oder jener Familie von Hause fort in die Hauslosigkeit zieht, bezähmt bloß sich allein, macht bloß sich selber still (*2), läßt bloß sich allein die Befreiung erreichen. Demgemäß vollbringt er eine nur eine einzige Person betreffende verdienstliche Handlung, nämlich das Hinausziehen in die Hauslosigkeit.« -

»So will ich dir denn, Brahmane, eben hierüber eine Frage stellen. Wie es dir recht dünkt, so mögest du antworten. Was meinst du wohl, Brahmane: Da erscheint der Vollendete in der Welt, der Heilige, vollkommen Erwachte, der im Wissen und Wandel Bewährte, der Gesegnete, der Kenner der Welt, der unübertreffliche Lenker führungsbedürftiger Menschen, der Meister der Götter und Menschen, der Erleuchtete, der Erhabene. Der spricht also: 'Kommt! Dies ist der Weg, dies der Pfad, auf welchem wandelnd, ich das höchste Ziel des Reinheitslebens selber erkannt und verwirklicht habe und es nun verkünde. Kommt! Wandelt auch ihr auf diesem Wege, auf daß auch ihr durch solchen Wandel das höchste Ziel des Reinheitslebens selber erkennen, verwirklichen und erreichen möget!' So eben weist dieser Meister die Lehre und die anderen wandeln in diesem Sinne. Solcher aber gibt es viele Hunderte, viele Tausende, viele Hunderttausende. Was meinst du wohl, Brahmane; wenn dem so ist, ist dann dies, nämlich die Handlung des Hinausziehens in die Hauslosigkeit, eine nur eine einzelne Person betreffende verdienstliche Handlung oder ist es eine viele Personen betreffende verdienstliche Handlung?« -

»Wenn dem so ist, Herr Gotama, dann ist dies, nämlich die Handlung des Hinausziehens, eine viele Personen betreffende verdienstliche Handlung.«

Auf diese Worte sprach nun der ehrwürdige Ananda zu Sangārava, dem Brahmanen: »Welche nun von diesen beiden Handlungen, Brahmane, glaubst du, beansprucht weniger Mittel, verursacht weniger Schaden, ist segensreicher und verdienstvoller?«

Darauf sprach Sangārava, der Brahmane, zum ehrwürdigen Ananda also:

»Solche, wie den Herrn Gotama und den Herrn Ananda, die muß ich ehren, die muß ich loben!«

Und zum zweiten und dritten Male wandte sich der ehrwürdige Ananda an Sangārava, den Brahmanen: »Nicht frage ich dich ja, Brahmane, wen du ehrst und lobst, sondern ich frage dich, welche von jenen beiden Handlungen nach deiner Ansicht weniger Mittel beansprucht, weniger Schaden verursacht, segensreicher ist und verdienstvoller.«

Doch auch zum zweiten und dritten Male sprach Sangārava, der Brahmane, also zum ehrwürdigen Ananda: »Solche, wie den Herrn Gotama und den Herrn Ananda, die muß ich ehren, die muß ich loben!«

Da nun dachte der Erhabene: »Wahrlich, selbst zum dritten Male gerät Sangārava, der Brahmane, nachdem ihm Ananda eine berechtigte Frage gestellt hat, in Verlegenheit und antwortet nicht. Wie, wenn ich ihn nun aus der Verlegenheit befreite?« Und der Erhabene sprach zu Sangārava, dem Brahmanen: »Welches Gespräch, Brahmane, hatte sich wohl heute unter den Hofleuten entsponnen, als sie im Königspalast zusammen saßen?« -

»Folgendes Gespräch, Herr Gotama, hatte sich heute unter den Hofleuten entsponnen, als sie im Königspalast zusammen saßen: 'Früher gab es zwar weniger Mönche, aber mehr mit übermenschlichen Eigenschaften (*3). Begabte taten magische Wunder kund. Heutzutage gibt es zwar mehr Mönche, doch es sind weniger, die, mit übermenschlichen Eigenschaften begabt, magische Wunder kund tun.' Dieses Gespräch hatte sich heute entsponnen.« -

»Drei Wunder (pātihariya, vgl. hierzu D.11.) gibt es, Brahmane. Welche drei?

Was aber, Brahmane ist das magische Wunder? Da erfreut sich einer der verschiedenartigen magischen Kräfte: einer seiend, wird er vielfältig, vielfältig geworden. wird er einer; er erscheint und verschwindet; ungehindert geht er durch Mauern, Wälle und Berge hindurch, gleichwie durch die Luft; in der Erde taucht er auf und unter, gleichwie im Wasser; auf dem Wasser geht er, ohne unterzusinken, gleichwie auf der Erde; durch die Lüfte bewegt er sich mit untergeschlagenen Beinen, gleichwie ein beschwingter Vogel; selbst diesen Mond und diese Sonne, die so mächtigen, so gewaltigen, berührt er, streicht er mit der Hand; ja selbst bis zur Brahmawelt bewegt er sich mit seinem Körper. Das, Brahmane, nennt man das magische Wunder.

Was aber, Brahmane, ist das Wunder der Wahrsagung? Da wahrsagt einer aus Anzeichen: 'So ist deine Gesinnung, solcherart ist deine Gesinnung, diesen Gedanken hast du.' Auch wenn er vieles wahrsagt, so verhält es sich so, nicht anders. - Ferner wahrsagt da einer zwar nicht aus Anzeichen, sondern aus Stimmen, die er von Menschen, Unholden oder Götterwesen vernommen hat: 'So ist deine Gesinnung, solcherart ist deine Gesinnung, diesen Gedanken hast du.' Auch wenn er vieles wahrsagt, so verhält es sich so, nicht anders. - Ferner wahrsagt da einer weder aus Anzeichen, noch aus den von ihm vernommenen Stimmen von Menschen, Unholden oder Götterwesen, sondern bei einem Sinnenden und Nachdenkenden das Stimmgeräusch seiner Gedankenvibrationen (*4) wahrnehmend, wahrsagt er: 'So ist deine Gesinnung, solcherart ist deine Gesinnung, diesen Gedanken hast du.' Auch wenn er vieles wahrsagt, so verhält es sich so, nicht anders. - Ferner wahrsagt da einer weder aus Anzeichen, noch aus den von Menschen, Unholden oder Götterwesen vernommenen Stimmen, noch aus dem Stimmgeräusch der Gedankenvibrationen eines Sinnenden und Nachdenkenden, sondern, wenn er sich in der von Sinnen und Nachdenken freien Geistessammlung (*5) befindet, durchdringt er im Geiste des anderen Gesinnung: 'So wie dieses Verehrten Geistestätigkeiten gerichtet sind, wird er unmittelbar nach diesem Bewußtseinsmoment einen solchen Gedanken fassen.' Auch wenn er vieles wahrsagt, so verhält es sich so, nicht anders. Das, Brahmane, nennt man das Wunder der Wahrsagung.

Was aber, Brahmane, ist das Wunder der Belehrung? Da, Brahmane, lehrt einer also: 'So sollt ihr denken, so sollt ihr nicht denken! So sollt ihr erwägen, so sollt ihr nicht erwägen! Das sollt ihr überwinden, das sollt ihr euch zu eigen machen!' Das, Brahmane, nennt man das Wunder der Belehrung.

Diese drei Wunder gibt es. Welches von diesen drei Wundern aber, Brahmane, gilt dir als das edlere und erhabenere?« -

»Was da, Herr Gotama, das magische Wunder und das Wunder der Wahrsagung anbetrifft, so genießt bloß derjenige die Früchte, der diese Wunder wirkt, und bloß demjenigen, der sie wirkt, gehören sie an. Diese beiden Wunder, Herr Gotama, scheinen mir die Natur von Illusionen zu haben. Was aber, Herr Gotama, das Wunder der Belehrung anbetrifft, so gilt mir dieses als das edlere und erhabenere. Wunderbar ist es, erstaunlich ist es, wie da der Herr Gotama so recht gesprochen hat. Als dieser drei Wunder mächtig aber wollen wir des Herrn Gotama gedenken. Denn der Herr Gotama erfreut sich der verschiedenartigen magischen Kräfte.... Und während der Herr Gotama sich in der von Sinnen und Nachdenken freien Geistessammlung befindet, durchdringt und erkennt er im Geiste des anderen Gesinnung: 'So wie dieses Verehrten Geistestätigkeiten gerichtet sind, wird er unmittelbar nach diesem Bewußtseinsmoment einen solchen Gedanken fassen. Und der Herr Gotama lehrt: 'So sollt ihr denken, so sollt ihr nicht denken! Dies sollt ihr erwägen, das sollt ihr nicht erwägen! Dies sollt ihr überwinden, das sollt ihr euch zu eigen machen!'«

»Wahrlich, Brahmane, das sind zutreffende und angemessene Worte, die du da gesprochen hast. So will denn auch ich erklären, daß ich mich der verschiedenartigen magischen Kräfte erfreue. Und während ich mich in der von Sinnen und Nachdenken freien Geistessammlung befinde, da durchdringe und erkenne ich im Geiste des anderen Gesinnung. Und ich lehre: 'So sollt ihr denken, so sollt ihr nicht denken! Dies sollt ihr erwägen, das sollt ihr nicht erwägen! Dies sollt ihr überwinden, das sollt ihr euch zu eigen machen!'« -

»Gibt es aber wohl, Herr Gotama, außer dem Herrn Gotama auch noch einen anderen Mönch, der dieser drei Wunder mächtig ist?« -

»Nicht gibt es, Brahmane, nur hundert oder zwei-, drei-, vier- oder fünfhundert, sondern noch mehr der Mönche gibt es, die jener drei Wunder mächtig sind.« -

»Wo aber, Herr Gotama, weilen jetzt diese Mönche?« -

»In eben dieser Mönchsgemeinde, Brahmane.« -

»Vortrefflich, Herr Gotama! Vortrefflich, Herr Gotama! . . . Als Anhänger möge mich der Herr Gotama betrachten, als einen, der von heute ab zeitlebens Zuflucht genommen hat.«


(*1) Sangārava war, lt. K, ein als Aufseher über Gebäudereparaturen tätiger Brahmane; offenbar ein Hofbeamter. Über ihn s. A.V.193; M.100; Samy.7.21, übers. v. Geiger, I, 285.

(*2) Durch Stillung von Gier, Haß und Verblendung.

(*3) uttari-manussa-dhammā. 'Übermenschliche Eigenschaften' sind Geistesfähigkeiten, die über die Kraft des gewöhnlichen Menschen hinausgehen, wie z.B. die Vertiefungen, die magischen Kräfte, der mit den vier Heiligkeitsstufen verbundene Hellblick (vipassanā) usw.

(*4) 'Das Stimmgeräusch seiner Gedankenvibrationen wahrnehmend [wtl; hörend]' (vitakka- vipphāra-saddam sutvā).

K erklärt: das durch die Gedankenvibrationen entstandene Geräusch von solchen hörend, die im Schlafe oder aus Geistesabwesenheit (pamatta) vor sich hinmurmeln.

Die vom K beigebrachten Illustrierenden-Geschichten betreffen Fälle, in denen aus belauschten Selbstgesprächen Schlussfolgerungen gezogen werden. In den Abhidhamma-Kommentaren wird eine andere Erklärung gegeben, die besser zu dem hier gemeinten 'Wunder der Wahrsagung' zu passen scheint. Da, abgesehen hiervon, diese Stel1en für die damaligen Anschauungen über das Verhältnis von Sprache und Denken von Interesse sind, seien sie hier wiedergegeben.

Buddhaghosa's Kommentar zum Abhidhamma-Werk Dhammasanganī, genannt Atthasālinī, äußert sich hierzu wie folgt: »Im [uns nicht erhaltenen] 'Großen Kommentar' (Mahā-Atthakathā) heißt es: 'In einem, der die Absicht hat, dieses oder jenes zu sprechen, entsteht, was man den Gedankenvibrations-Ton (vitakka-vipphāra-sadda) nennt. Dieser ist nicht mit dem Gehör, sondern nur mit dem Geist wahrnehmbar. In den Sutten-Kommentaren wird jedoch dieser Begriff [wie anfangs zitiert] erklärt.

Ferner heißt es im Patthāna [einem Werk des Abhidamma]: 'Die bewußtseinserzeugte Sinnengrundlage »Ton« (saddāyatana) ist für das Hörbewußtsein eine Bedingung im Sinne eines Objekts.' Demzufolge kann es keinen Gedankenvibrationston geben, der mit dem Gehör nicht vernehmbar ist, sondern auftritt, ohne durch physischen Kontakt [mit den Stimmorganen] einen sprachlichen Ausdruck (vacī-viññatti) zu erzeugen.«

Der Subkommentar zu Dhammasanganī (Mūla-Tīka bemerkt hierzu: »Dem Großen Kommentar zufolge bezieht sich die zitierte Suttenstelle [d.i. unser Anguttara-Text] auf jenen feinen Ton (sukkhuma-sadda), der gleichfalls zusammen mit dem sprachlichen Ausdruck entsteht und erzeugt wird von dem eine Bewegung von Zunge, Gaumen usw. bewirkenden Gedanken. [Die Suttenstelle im Anguttara-Nik. hat man daher so zu verstehen:] 'Diesen feinen Ton mit dem himmlischen Gehör (dibba-sota) vernommen habend, weissagt er . . .' Im Patthāna wird lediglich mit Bezug auf den gröberen Ton gesagt, daß er ein Objekt für das Hörbewußtsein bildet. Doch selbst wenn der Große Kommentar bloß im obigen Sinne [den 'feinen Ton'] als nicht hörbar bezeichnet, so muß man doch zur Ablehnung dieses Standpunktes kommen, da die Begriffe Ton und nicht hörbar einander widersprechen.« -

Dieses Problem wird auch in Kathāvattu IX, 90, diskutiert.

Auch dem Buddha selber zufolge gilt Gedankenfassen und Überlegen (vitakka-vicāra) als eine sprachliche Funktion (vacī-sankhāra), als ein »inneres Sprechen« (parole interieur). Im oben zitierten Subkommentar wird angenommen, daß auch das stille Denken den gedachten Worten entsprechende feine Bewegungen oder Vibrationen (vipphāra) der Sprechorgane hervorruft. Von diesen Vibrationen wird nun angenommen, daß sie der mit dem »himmlischen Gehör« Begabte »ablesen« kann, auch ohne daß sie gesprochenes Wort werden.

(*5) D.h. in der zweiten Vertiefung, die von Gedankenfassen und Überlegen frei ist.


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gabte »ablesen« kann, auch ohne daß sie gesprochenes Wort werden.

(*5) D.h. in der zweiten Vertiefung, die von Gedankenfassen und Überlegen frei ist.


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