Visuddhi Magga I

11. Die auf die Bedarfsgegenstände sich beziehende Sittlichkeit (45a) (paccaya sannisita-sīla)

 

Was aber die unmittelbar hierauf erwähnte, auf die Bedarfsgegenstände sich beziehende 'Sittlichkeit' betrifft, so bedeutet da "gründlich erwägend" (patisankhā-yoniso) soviel wie: in rechter Art und Weise erwogen, erkannt oder bedacht habend.

Die durch die Worte: "um Kälte usw. abzuhalten" angedeutete Beobachtung ist hier als 'gründliches Erwägen' aufzufassen.

Dabei bezieht sich "Gewand" (cīvara) auf irgend eines der drei Mönchsgewänder, wie Untergewand, einfaches Obergewand und doppeltes Obergewand (diese bestehen aus 3 zusammengestückelten rechteckigen Tüchern von gelber Farbe).

 

"Er bedient sich" heißt so viel wie: er macht davon Gebrauch, bekleidet sich damit, bedeckt sich damit.

Der Ausdruck: "eben bloß um" bezeichnet die Grenze, Einschränkung oder Festlegung des Zweckes. Denn für den Asketen dient das Tragen des Gewandes nur zum Zwecke, die Kälte usw. abzuhalten, und zu nichts weiter.

 

Mit "Kälte" ist irgendwelche Kälte gemeint, sei es, daß diese innerlich, d.i. durch Erregung der Elemente (*) entstanden ist, oder sei es, daß sie äußerlich, d.i. durch Wetterwechsel, entstanden ist.

(*) Hier sind wohl gemeint die 3 inneren Körperelemente (dhātu), d.i. Galle, Schleim, Wind, durch deren verkehrte Mischung alle Krankheiten bedingt sein sollen.

 

"Zur Abwehr" bedeutet: zum Zwecke der Zurückhaltung und Vertreibung, um so keine Krankheit im Körper aufkommen zu lassen. Wird nämlich der Körper durch Kälte geplagt, so kann man, dadurch im Geiste zerstreut, sich nicht gründlich anstrengen. Darum hat der Erhabene erlaubt, zur Abwehr der Kälte ein Gewand zu tragen. Diese Erklärung gilt überall.

"Hitze" bedeutet hier bloß Feuerhitze. Ihr Auftreten bei Waldbränden usw. ist gemeint.

In dem Ausdruck: Kontakt mit Stechmücken, Moskiten, Wind, Sonnenstrahlen und Kriechtieren' gelten als "Stechmücken" (damsa) die beißenden (damsanaka) Mücken, die man auch als blinde Mücken bezeichnet. Bei den 'Moskiten" sind die gewöhnlichen Moskitos gemeint.

Bei den "Winden" unterscheidet man staubige, staubfreie usw.

Die "Sonnenstrahlen" sind dasselbe wie Sonnenhitze.

"Kriechtiere" sind langgestreckte Tiere mit kriechendem Gange, wie Schlangen usw. (nämlich Eidechsen, Hundertfüßler).

"Kontakt" ist zweifach: entweder Biß oder bloße Berührung; wer aber mit dem Gewand bekleidet dasitzt, den belästigt solches nicht. Darum also bedient man sich des Gewandes, um in solchen Fällen diese Dinge abzuwehren.

Die Wiederholung des Ausdruckes: "eben bloß um" geschieht, um die Grenze und den Umfang einer beständigen Notwendigkeit anzuzeigen; denn die Verhüllung der Schamteile ist allezeit eine Notwendigkeit, die übrigen Dinge (Abwehr der Kälte, Hitze, Mücken usw.) aber sind es bloß dann und wann. Hier nun versteht man unter "Schamteile" (hiri-kopīna) die Geschlechtsteile. Weil nämlich, wenn immer einer dieser Körperteile entblößt ist, die Scham erregt wird und verloren geht, so wird er, der Erregung der Scham wegen, hiyi-kopīna (wörtlich 'Scham-erreger') genannt. 'hiri kopīna-paticchādanattham' bedeutet: zu dem Zwecke die Schamteile zu bedecken. Auch die Lesart: 'hiri-kopīnam paticchādanattham' findet sich.

 

"Almosenspeise" (pindapāta) bedeutet (für den Mönch) irgend welche Nahrung. Alle Nahrung nämlich wird pinda-pāta (wörtlich 'Brockenschüttung') genannt, weil sie beim Brockeneinsammeln dem Mönch in die Almosenschale geschüttet wird. Oder, pinda-pāta bedeutet das Einsammeln der Speisebrocken. Es wird gesagt, daß es das Ansammeln (san ni pāta) und Anhäufen der hier und da erlangten Almosen ist.

"Weder zur Belustigung" bedeutet: weder zum Zwecke der Belustigung, wie die Dorfjungen es tun; Spielen gilt hier als Anlaß.

"Noch um sich zu brüsten" bedeutet: noch zum Zwecke sich zu brüsten, wie es die Boxer und Ringkämpfer tun; Kraftdünkel und Männlichkeitsdünkel gelten hier als Anlaß.

"Noch zur Verschönerung" bedeutet: nicht zum Zwecke schön zu werden, wie es die Haremsfrauen, Huren usw. tun; als Zweck gilt hier die volle Form der einzelnen Gliedmaßen.

"Noch zur Zierde" bedeutet: nicht zum Zwecke der Zierde, wie es die Schauspieler, Tänzer usw. tun; die anmutige Hautfarbe gilt hier als Zweck.

 

'Weder zur Belustigung' wird hier gesagt zwecks Überwindung der Grundlage 'Verblendung'.

'Noch um sich zu brüsten' wird gesagt zwecks Überwindung der Grundlage 'Haß'.

'Nicht zur Verschönerung und Zierde' wird gesagt zwecks Überwindung der Grundlage, 'Begierde';

'weder zur Belustigung noch um sich zu brüsten': um die Entstehung der eigenen Fesseln zu verhindern;

'nicht zur Verschönerung und Zierde': um bei den anderen die Entstehung der Fesseln zu verhindern.

Durch diese vier Ausdrücke wird auch angedeutet die Überwindung des unweisen Wandels und des Haßens am Sinnengenusse. So hat man dies zu verstehen.

Der Ausdruck "eben bloß zu" hat die bereits gegebene Bedeutung.

"Dieser Körper" (kāya) bezeichnet diesen aus den vier Hauptstoffen bestehenden stofflichen Körper.

"Zur Stütze" bedeutet: zwecks Fortbestehens.

"Zur Erhaltung" (wörtlich Inganghaltung') bedeutet: um den Fortgang nicht zu stören, oder: zwecks langdauernden Fortbestehens. Gleichwie der Eigentümer eines baufälligen Hauses dasselbe mit einer Stütze versieht, oder wie der Kärrner die Radachse einschmiert, genau so bedient sich der Mönch der Almosenspeise nur zur Stütze und Erhaltung des Körpers, nicht zur Belustigung und um sich zu brüsten, nicht zur Verschönerung und Zierde. Fernerhin ist 'Stütze' eine Bezeichnung der Lebenskraft (jivit' indriya). Darum wurde gesagt, daß insofern der Ausdruck: 'zur Stütze und Erhaltung dieses Körpers' die Bedeutung habe: zwecks Erhaltung der Lebenskraft dieses Körpers. So ist das zu verstehen.

In dem Ausdruck: "um Qualen zu vermeiden" bedeutet 'Qualen' den Hunger, im Sinne von Leiden; eben zu ihrer Verhütung bedient der Mönch sich der Almosenspeise, gleichwie man eine Wunde mit Salben bestreicht, oder bei Hitze, Kälte usw. ein Gegenmittel gebraucht.

"Zur Förderung des heiligen Wandels" (brahma-cariya) bedeutet: zum Zwecke den gesamten in der Lehre vorgeschriebenen heiligen Wandel sowie den mit dem (überweltlichen) Pfade verbundenen heiligen Wandel zu unterstützen. Insofern er nähmlich auf die, durch Gebrauch der Almosenspeise bedingte Körperkraft sich stützend, durch Befleißigung in der dreifachen Schulung (Sittlichkeits-, Geistes- und Wissensschulung) an seiner Entkommung aus der Daseinswüste arbeitet, unterstützt er dadurch den heiligen Wandel, gleichwie da gewisse Menschen, um der Wüste zu entrinnen, das Fleisch ihrer Kinder verzehren (S.12.63); oder wie Leute, die über einen Fluß setzen wollen, ein Floß gebrauchen; oder wie, wenn man das Meer durchkreuzen will, eines Schiffes bedarf.

"Auf diese Weise werde ich das alte Gefühl (purāna-vedanā) vertreiben und kein neues Gefühl (nava) aufsteigen lassen" bedeutet: so werde ich durch solchen Gebrauch der Almosenspeise das frühere Hungergefühl vertreiben und kein durch unmäßiges Essen bedingtes neues Gefühl aufsteigen lassen, etwa wie einer von jenen Brahmanen, von denen der eine so lange aß, bis man ihn mit der Hand aufrichten mußte: ein anderer, bis er sein Gewand nicht mehr zumachen konnte; ein anderer, bis er sich an derselben Stelle auf dem Boden herumwälzte; ein anderer, bis die Krähen (ihm aus dem Munde) fraßen; ein anderer, bis er das Gegessene wieder ausgebrochen hatte. Somit gebraucht er die Almosenspeise wie ein Kranker die Arznei.

 

Oder: was da jenes Gefühl betrifft, das - insofern es wegen des, durch altes Wirken (kamma) bedingten gegenwärtigen unbekömmlichen und unmäßigen Essens auftritt - 'altes' Gefühl genannt wird, dessen Ursache will ich durch bekömmliches und maßvolles Essen zerstören und so jenes alte Gefühl vertilgen. Und was da jenes Gefühl betrifft, das - insofern es, durch die gegenwärtig verübte Handlung des unangemessenen Genießens bedingt, in Zukunft auftritt - 'neues' Gefühl genannt wird, dessen Ursache werde ich durch angemessenes Genießen nicht entstehen und so jenes neue Gefühl nicht aufkommen lassen. Auch so könnte man den Sinn hier verstehen. Bis hierher nun ist die Einteilung des angemessenen Genießens, das Verzichten auf Ausübung der Selbstkasteiung und das Nichtverwerfen des rechtschaffenen Wohlseins als erklärt zu betrachten. -

"Und langes Leben wird mir beschieden sein" bedeutet: er bedient sich der Almosenspeise wie ein langjähriger Kranker der Arznei, indem er sich sagt: 'Durch bekömmliches, maßvolles Essen wird mir ein - als langer Zeitlauf geltendes - Leben dieses von Bedingungen abhängig bestehenden Körpers beschieden sein, weil auf diese Weise keine Gefahren da sind, welche die Lebenskraft abschneiden oder die körperliche Bewegungsweise stören.' In dem Ausdruck:

"Untadeligkeit und Wohlbefinden" gilt es als 'Untadeligkeit', wenn man das unangemessene Auf-die-Suche-gehen, Annehmen und Genießen (von Speisen) vermeidet; 'Wohlbefinden' besteht infolge des maßvollen Genießens. Oder: 'Untadeligkeit' besteht darin, daß man frei ist von den durch unbekömmliches, unmäßiges Essen bedingten Fehlern, wie Unlust, Trägheit, Räkeln, Tadeln der Verständigen usw.; 'Wohlbefinden' entsteht dadurch daß man durch bekömmliches, maßvolles Essen seine Körperkraft entfaltet. Oder: 'Tadellossigkeit' besteht darin, daß man es vermeidet, nach Wunsch seinen Leib mit Speisen anzufüllen und so dem Behagen des Liegens, des Ausruhens und der Schläfrigkeit aus dem Wege geht. Und er bedient sich der Almosenspeise, indem er sich sagt: "Dadurch, daß ich weniger als vier oder fünf Bissen esse und so die Tauglichkeit der vier Körperstellungen (Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen) bewirke, wird mir Wohlbefinden beschieden sein. Auch wurde gesagt (Therag.983):

 

"Keine vier, fünf Bissen ess' er
Und trinke etwas Wasser dann,
Das ist genug zum Wohlbefinden
Für einen selbstentschloss'nen Mönch."

 

Soweit ist nun das Erfassen der Notwendigkeit und der mittlere Pfad als erklärt zu betrachten.

 

Mit "Lagerstätte" (senāsana) ist Lager (sena) und Sitz (āsana) gemeint. Denn wo immer man sein Lager nimmt, sei's im Kloster oder in einem Pultdach-Bau usw., das ist ein Lager; und worauf immer man Platz nimmt und sich niedersetzt, das ist ein Sitz. Beide nennt man zusammenfassend 'Lagerstätte'. In dem Ausdruck 'um die Wettergefahr fernzuhalten' ist "Wetter" eben wegen seiner Fährlichkeiten dasselbe wie "Wettergefahr"; also zum Zwecke die Wettergefahr fernzuhalten, und zum Zwecke die Abgeschiedenheit zu genießen. Gemeint ist: zur Fernhaltung des ungünstigen Wetters, das körperliche Krankheiten und geistige Zerstreutheit hervorruft und durch das Bewohnen einer Lagerstätte fernzuhalten ist; und ferner um des Glückes des Alleinseins willen. Zweifellos ist auch durch 'Abwehr von Kälte usw.' die Fernhaltung der Wettergefahr angedeutet. Wie aber beim Tragen des Gewandes das Verhüllen der Schamteile eine beständige Notwendigkeit bildet, die übrigen (näml. Vertreibung von Hitze, Kälte usw.) aber nur gelegentlich in Betracht kommen, ebenso auch hat man dies hier hinsichtlich der beständigen Fernhaltung der Wettergefahr als gesagt zu betrachten. Oder: dieses Wetter der erwähnten Art ist eben das Wetter schlechthin. Die Gefahr jedoch ist zweifach: offen oder versteckt. Die offene Gefahr bilden Löwen, Tiger, usw., und die versteckte bilden Gier, Haß usw. Wenn nun der Mönch von einer Lagerstätte, wo jene Gefahren bei Unbewachtsein und beim Anblick von ungünstigen Schauobjekten usw. keine Schädigungen hervorrufen können, solches wissend und erwägend dort wohnt, so hat man diesen als einen Mönch zu betrachten, der gründlich erwägend die Lagerstätte bewohnt, zum Zwecke die Wettergefahr fernzuhalten.

 

In dem Ausdruck 'Arzneimittel gegen Krankheiten' (gilāna-paccaya-bhesajja-parikkhāra) steht "gegen" (paccaya) im Sinne von: der Krankheit 'entgegen-wirken' (pati-ayana), gegen die Krankheit vorgehen. Man bezeichnet damit irgend etwas, das heilsam ist. Es ist das Werk des Arztes, und weil vom Arzte verschrieben, heißt es Arznei. Arznei als Krankheitsgegenmittel ist 'Arznei gegen Krankheiten'. Man bezeichnet damit jedes dem Kranken heilsame Mittel des Arztes, wie Öl, Honig, Zucker usw.

In dem Ausdruck (A. VII.63): "Mit den sieben Mitteln der Stadt ist er wohl versehen usw." bezeichnet 'parikkhāra' das Schutzmittel.

In dem Ausdruck (S.45.4): "das Fahrzeug (d.i. der Pfad der Edlen) hat die Sittlichkeit zur Zier, die Vertiefung zur Achse und die Willenskraft zum Rad usw." bedeutet es 'Schmuck.'

In dem Ausdruck "Und die Mittel zum Leben, die der Hauslose (Mönch) aufzubringen hat usw." (M.17) bedeutet es 'Bestandteil' (sambhāra). Hier aber ist (die Bedeutung) 'Erfordernis' und auch 'Schutzmittel' am Platze. Denn jedes Arzneimittel gegen Krankheiten ist ein Schutzmittel des Lebens, insofern es dasselbe schützt und keine Möglichkeiten zuläßt zur Entstehung lebenzerstörender Krankheiten. Und es ist ein Erfordernis, insofern es die Grundlage dazu bildet, daß (das Leben) lange anhalte. Darum nennt man es ein Mittel. Insofern es sich also um eine 'Arznei gegen Krankheiten' handelt und diese ein Mittel bildet, so sagt man 'Arzneimittel gegen Krankheiten.' Jedes Arzneimittel gegen Krankheiten, das für den Kranken heilsam und vom Arzte verschrieben ist, wie Öl, Honig, Zucker usw., das nennt man ein Mittel zum Leben. "Aufgestiegen" bedeutet: erzeugt, geworden, aufgetreten.

In dem Ausdruck 'durch Krankheiten bedingt' bedeutet "Krankheit" die Erregung der Elemente und dadurch entstandener Aussatz, Geschwüre, Beulen usw. "Durch Krankheit bedingt" nennt man die Gefühle, weil sie durch Krankheit entstanden sind. Mit den 'Gefühlen" sind die Schmerzgefühle gemeint, d.h. Gefühle, die die Wirkungen schuldvoller Taten sind. Um solche durch Krankheit bedingten Gefühle handelt es sich. "Um vollkommener Leidlosigkeit willen" bedeutet: um des höchsten Zustandes der Schmerzlosigkeit willen; d.h.: solange (gebraucht er Arznei), bis jenes Leiden ganz verschwunden ist.

 

Somit also hat man, kurz zusammengefaßt, die 'auf die Bedarfsgegenstände sich beziehende Sittlichkeit' aufzufassen als gekennzeichnet durch den mit gründlicher Erwägung verbundenen Gebrauch der Bedarfsgegenstände. Die Wortbedeutung aber ist hier folgende: Weil die der Gewänder usw. sich bedienenden Wesen, darauf gestützt und davon abhängig, gehen, sich bewegen und leben, darum bezeichnet man jene als Bedarfsgegenstände. "Sich auf die Bedarfsgegenstände beziehend" bedeutet also: auf eben jene Bedarfsgegenstände sich beziehend.

 

Somit ist von diesen vier Arten der Sittlichkeit die 'Zügelung gemäß der Ordenssatzung' (pātimokkha-samvara) durch Vertrauen zu erreichen. Denn durch Vertrauen wird sie erfüllt. Angedeutet ist hier (des Buddhas) Abweisung des Antrages, Sittenregeln vorzuschreiben, da dies über das Bereich der Jünger hinausgehe. Daher hat man die Sittenregeln, genau sie sie vorgeschrieben sind, voll Vertrauen vollständig auf sich zu nehmen und, selbst ohne Rücksicht auf das Leben, gut zu erfüllen. Auch wurde gesagt:

 

"Wie über's Ei der Häher, und den Schwanz der Grunzochs wacht,
So wachet über eure Sittlichkeit,
Wie man sein teures Kind bewacht, sein einzig' Auge (vgl. Jāt.103);
Und seid recht sittsam und von Ehrfurcht stets erfüllt."

 

Fernerhin wurde gesagt: "Ebenso auch, o König, überschreiten meine Jünger, nicht einmal ihrem Leben zuliebe, die Sittenregeln, die ich Ihnen vorgeschrieben habe." In diesem Sinne hat man die Erzählungen von den Ordensälteren zu verstehen, die im Walde von Räubern gebunden worden waren. Wie es heißt, hatten im Walde des Vindhyagebirges (*) Räuber einen Ordensälteren mit Schwarzranken gebunden und zu Boden gelegt. Und so wie er da lag, hatte der Ordensältere sieben Tage lang den 'Hellblick' (vipassanā) entfaltet und das 'Ziel der Niewiederkehr' (anāgāmiphala) erreicht; darauf war er an eben jener Stelle gestorben und in der Brahmawelt wiedererschienen. Weiterhin hatte man auf der 'Kupferblattinsel' (Ceylon) einen Ordensälteren mit einer Stink-Ranke gebunden und zu Boden gelegt. Als nun ein Waldbrand herankam, hatte dieser, ohne die Ranke zu zerreißen, den Hellblick entfaltet und als 'Zweifach-Endender' (sama-sīsin; vgl. Pug.19) die Arahatschaft erreicht. Der 'Sprecher der 'langen Sutten' (dīgha-bhānaka), der Ordensältere Abhaya, der zusammen mit fünfhundert Mönchen des Weges daherkam, erblickte ihn und ließ den Körper des Ordensälteren verbrennen und für ihn einen Schrein errichten. Auch ein anderer vertrauensvoller edler Sohn hat gesagt:

(*) 'mahāvattanī atavī' ist nach dem Komm. ein Name für das Vindhya-Gebirge, wird aber, wie dort ebenfalls angegeben, auch von einigen mit den Abhängen des Himālaya identifiziert.

 

'Selbst wenn du's Leben lassen müßtest,
Die Ordenssatzung halte rein;
Brich nicht die Sittenzügelung,
Vom Weltenlenker dargetan!'

 

Wie nun die 'der Ordenssatzung gemäße Zügelung' (pātimokkha-samvara) durch Vertrauen zu gewinnen ist, so ist die 'Sinnenzügelung' (indriya-samvara) durch Achtsamkeit (sati) zu gewinnen. Denn durch Achtsamkeit wird sie erwirkt, insofern die durch Achtsamkeit gefestigten Sinne durch Begierde usw. nicht mehr beeinflußt werden können. Darum erinnere man sich an die Feuerpredigt (S.35.194) beginnend mit den Worten: "Besser wäre es, ihr Mönche, man bestriche das Auge mit einem glühenden, feurigen, flackernden, leuchtenden Stück Eisen, als daß man bei den dem Auge erkennbaren Formen an der Gesamterscheinung oder den Einzelheiten hafte." Und bei den Formobjekten usw. hat man durch unerschütterliche Achtsamkeit das Haften an den Erscheinungen des in der Sehpforte entstandenen Bewußtseins zu verhindern - das durch Begierde usw. beeinflußbar ist - und die Sinnenzügelung gründlich zustande zu bringen. Denn ist diese nicht solcherart zustandegebracht, so ist auch die in der 'der Ordenssatzung gemäßen Zügelung' bestehende Sittlichkeit ohne Dauer und langen Bestand, genau wie das Kornfeld, das nicht mit Ästen eingezäunt ist. Denn durch die Diebe, die befleckenden Leidenschaften (kilesa), wird sie zerstört, genau wie ein Dorf mit offenstehenden Toren von Räubern zerstört wird. Und die Gier dringt ins Herz, wie in ein schlecht gedecktes Haus der Regen. Auch wurde gesagt :

 

"Bewache deine Sinne bei den Formen,
Den Tönen, Düften, Säften, Tastobjekten,
Denn sie, bei offnen unbewachten Toren,
Zerstörung bringen, wie dem Dorf die Räuber."
Wie in ein schlecht gedecktes Haus
Der ganze Regen dringet ein,
Genau so dringet die Begierde
Ins Herz, das nicht entfaltet ist."

(Dhp. 13; Therag. 133.)

 

Ist aber diese Sinneszügelung erreicht, so ist auch die in der 'der Ordenssatzung gemäßen Zügelung' bestehende Sittlichkeit von langer Dauer und langem Bestand, genau wie das Kornfeld, das mit Ästen gut eingezäunt ist. Und nicht wird sie von den Feinden, den Leidenschaften, zerstört, ebensowenig wie ein Dorf mit wohlbewachten Toren von den Räubern zerstört wird. Und nicht dringet die Gier ins Herz, ebensowenig wie der Regen in ein wohlgedecktes Haus. Und auch dieses wurde gesagt:

 

"Bewache deine Sinne bei den Formen,
Den Tönen, Düften, Säften, Tastobjekten,
Denn, bei bewachten, wohlverschloss'nen Toren,
Sie - wie dem Dorf' die Räuber - nimmer schaden."

 

"Wie in ein wohlgedecktes Haus
Der Regen nimmer dringet ein,
Genau so dringet keine Gier
Ins Herz, das wohl entfaltet ist."

(Dhp. 14; Therag. 134.) .

 

Dies jedoch ist eine äußerst hohe Weisung. Dieser Geist nämlich ist leicht veränderlich (A.I.9). Darum hat man die aufgestiegene Gier durch Erwägung der Unreinheit (des Körpers) zu vertreiben und so die Sinnenzügelung zustande zu bringen, gleich wie es der Ordensältere Vangisa, kurz nachdem er dem Weltleben entsagt hatte, getan hat. Wie man nämlich sagt, erblickte der Ordensältere, kurz nachdem er dem Weltleben entsagt hatte, beim Almosengange ein Weib; und bei ihrem Anblicke stieg ihm Begierde auf. Da aber sprach er zum Ordensälteren Ananda:

 

"In Sinnenlust bin ich entbrannt.
Es brennt mein Herz vor lauter Gier,
Oh sag' aus Mitleid, Gotamide (*),
Wie man die Glut zum Löschen bringt!"

 (*) Ananda gehörte ebenso wie der Buddha dem Geschlechte der Gotamiden an.

 

Der Ordensältere erwiderte:

 

"Verdrehtheit in der Vorstellung
Ist's, die das Herz dir so verzehrt.
Vermeid' die liebliche Erscheinung,
An die sich die Begierde hägt. '

 

Den Abscheu weck' in deinem Geist,
Mach einig ihn und konzentriert."

 

"Als Feind betrachte die Gebilde,
Als elend und als wesenlos!
Die große Gier bring' zum Erlöschen!
Mög' dich die Glut nicht mehr verzehr'n!"

(S. 8. 4; Therag. 1223-25.)

 

Und der Ordensältere wies die Begierde von sich und setzte seinen Almosengang fort.

 

Der die Sinnenzügelung erfüllende Mönch sei fernerhin wie der Ordensältere Cittagutta, der in der großen Kurandaka-Höhle wohnte, und wie der Ordensältere Mahāmitta, der Bewohner des großen Corakaklosters. In der Kurandakahöhle (*) nämlich soll sich ein entzückendes Gemälde von der Weltentsagung der sieben (vorangegangenen) Erleuchteten befunden haben. Als eines Tages viele Mönche in seiner Behausung umherwandenen, bemerkten sie das Bildwerk, und bei seinem Anblicke sagten sie: 'Welch entzückendes Gemälde, o Ehrwürdiger!' Der Ordensältere sprach: 'Obzwar ich, ihr Brüder, schon über 60 Jahre in der Höhle wohne, weiß ich nicht, daß sich da ein Gemälde befindet. Heute erst habe ich das durch euch erfahren, die ihr Augen habt."


(*) Diese Höhle ist offenbar identisch mit der ca. 4 Meilen nördlich von Ambalantota gelegenen Koramba-Höhle, die ich vor einigen Jahren besucht habe.


Der Ordensältere hatte nämlich, wie man sagt, so lange er dort wohnte, noch nie zuvor die Augen aufgeschlagen und sich die Höhle angeschaut. Am Eingange der Höhle befand sich ferner ein großer Eisenholzbaum. Auch zu diesem hatte der Ordensältere zuvor nie aufgeschaut. Nur, wenn er alle Jahre einmal die Staubfäden zu Boden fallen sah, wußte er, daß er in Blüte stand. Der König, dem diese Tugendvollkommenheit des Ordensälteren zu Ohren kam, wünschte ihm seine Verehrung zu bezeigen. Er sandte dreimal nach ihm. Aber da der Ordensältere nicht kam, ließ er in jenem Dorfe allen Frauen, die Säuglinge hatten, die Brüste verbinden und mit seinem Siegel versehen. Solange nämlich der Ordensältere nicht komme, sollten die Kinder keine Muttermilch erhalten. Aus Mitleid mit den Kindern aber begab sich der Ordensältere nach Mahāgāma (*). Sobald der König dies erfuhr, befahl er: 'Geht! Heißt den Ordensälteren näher treten! Ich will die Sittenregeln auf mich nehmen.' Und er ließ den Ordensälteren zum Palaste führen. Dann begrüßte er ihn ehrfurchtsvoll, und nachdem er ihn gespeist hatte, sagte er: 'Heute, o Ehrwürdiger, ist es nicht möglich, aber morgen will ich die Sittenregeln auf mich nehmen. Darauf nahm er die Almosenschale des Ordensälteren und begleitete ihn ein wenig. Und vor dem Zurückkehren entbot er, zusammen mit der Königin, ihm seinen Gruß. Mochte nun der König seinen Gruß entbieten, oder mochte es die Königin tun, jedesmal sagte der Ordensältere: 'Gesegnet sei der König!' So waren sieben Tage vergangen. Und die Mönche 'fragten ihn: 'Als dir, o Ehrwürdiger, der König und die Königin ihren Gruß entboten, warum hast du da beidesmal gesagt: 'Gesegnet sei der König!'? Der Ordensältere sprach: 'Ich mache, ihr Brüder, keinen Unterschied zwischen König und Königin.' Nach Verlauf von sieben Tagen nun bemerkte der König, daß dem Ordensälteren das Wohnen dortselbst unangenehm sei, und er entließ ihn. Der Ordensältere begab sich nun wieder zur großen Kurandaka-Höhle und zur Nachtzeit betrat er den Wandelgang. Die in dem Eisenholzbaum hausende Gottheit aber stellte sich mit einer Fackel auf. Danach wurde dem Ordensälteren sein Meditationsobjekt äußerst klar und deutlich. Voller Freude fragte er sich, warum dieses wohl heute so deutlich sichtbar sei. Unmittelbar nach der mittleren Nachtwache aber erreichte er die Heiligkeit (Arahatschaft), indem er dabei den ganzen Berg erdröhnen ließ. Auch für jeden anderen, nach dem eigenen Heile begehrenden edlen Familiensohn gelte darum dieses:

(*) Offenbar identisch mit der alten Königsstadt, dem heutigen Māgama, nahe bei Tissamahārāma und nicht sehr weit von der Höhle bei Ambalantota.

"Schweif' mit den Augen nicht umher,
Gleichwie der Affe in dem Wald,
Im Forst die unstete Gazelle;
Sei nicht wie ein erregtes Kind!

 

Den Blick mög'st du zu Boden senken,
Ein Joch weit nur nach vorne schau'n.
Sei nicht von wirrem Geist beherrscht,
Gleichwie der Affe in dem Wald!"

 

Der Mutter des Ordensälteren aber entstand einst ein bösartiges Geschwür. Ihre Tochter war ebenfalls unter die Nonnen aufgenommen worden. Und sie sprach zu ihrer Tochter: "Begib dich, meine Teure, zu deinem Bruder; teile ihm mit, daß ich unwohl sei, und bringe mir Arznei." Ihre Tochter ging darauf fort und teilte es dem Bruder mit. Der Ordensältere aber sprach: "Ich verstehe mich nicht darauf, heilkräftige Wurzeln u.dergl. einzusammeln und eine Abkochung daraus herzustellen; ich will dir aber eine Arznei nennen: seitdem ich dem Weltleben entsagt habe, habe ich niemals gierbehafteten Geistes meine Sinnenzügelung unterbrochen und mir die Formen des anderen Geschlechtes angeschaut. Möge durch das Aussprechen dieser Wahrheit (sacca-vacana) meine Mutter gesund werden! Geh', sage ihr dies, und reibe der Anhängerin den Körper gründlich ab." Und sie ging hin und teilte ihrer Mutter diese Sache 'mit und tat wie geheißen. In demselben Augenblicke aber barst das Geschwür der Anhängerin wie eine Schaumblase und verschwand (*1). Und die Anhängerin erhob sich und stieß den frohen Ruf aus: 'Wenn der Allerleuchtete noch leben würde, warum sollte er da einem solchen Mönche wie meinem Sohne nicht mit seiner schwimmhaut-geschmückten Hand (*2) das Haupt streicheln?" Darum heißt es:


(*1) Weitere Beispiele für wunderwirkende ‘Wahrheitsakte' (sacca-kiriyā) finden sich in Mil. p.194-200; A.X.60.

(*2) Nach indischem Volksglauben sollen Schwimmhäute (jāla) zwischen Fingern und Zehen nur bei gottähnlichen Personen anzutreffen sein.


"Auch wenn ein andrer edler Sohn
Im Orden aufgenommen ist,
So soll er wie der ält're Mitta
Verharr'n in edler Sinnenzucht."

 

Wie nun die Sinnenzügelung durch Achtsamkeit (sati), so hat man die Reinheit des Lebensunterhaltes durch Willenskraft (viriya) zu erreichen. Durch Willenskraft ist sie nämlich insofern zu erreichen, als man durch angestrengte Willenskraft den verkehrten Lebensunterhalt überwindet. Darum soll man das unpassende verkehrte Suchen vermeiden und durch richtiges Suchen, wie durch den Almosengang usw., vermittels Willenskraft die Reinheit des Lebensunterhalts zustande bringen, indem man sich den auf lautere Weise erlangten Bedarfsgegenstände bedient und die auf unlautere Weise erlangbaren wie giftige Schlangen meidet.

 

'Auf lautere Weise gewonnen' heißen da solche Bedarfsgegenstände, die der Mönch - falls er nicht etwa die Läuterungsübungen (dhutanga); auf sich genommen hat - von der Mönchsgemeinde (sangha) oder von einer Anzahl von Mönchen (gana) oder von Hausleuten erhält, die seines Lehrvortrages oder anderer Vorzüge wegen mit ihm zufrieden sind. Als 'auf äußerst lautere Weise gewonnen' aber gelten diejenigen Bedarfsgegenstände, die er beim Almosengange usw. erlangt hat. Die Bedarfsgegenstände, die ein die Läuterungsübungen Befolgender auf dem Almosengange usw. oder von den der Vorzüge der Läuterungsübungen wegen mit ihn zufriedenen Hausleuten erhält und mit den die Läuterungsübungen betreffenden Bestimmungen im Einklange stehen, diese gelten als 'auf lautere Weise erlangt'. Da erhält einer zur Stillung einer Krankheit faule Myrobalanen (*1) und die vier süßen Stoffe (d.i. Butter, Honig, Zucker und Öl). Er aber sagt sich, daß auch wohl die anderen Ordensbrüder gerne von den vier süßen Stoffen genießen möchten. Und so genießt er selber bloß den einen Teil, die Myrobalanen. Diese Befolgung der Läuterungsübungen ist angemessenes Benehmen. Und von einem solchen Mönche sagt man, daß er die hohen 'edlen Bräuche' (A.IV.28) befolgt. Was aber die anderen Bedarfsgegenstände wie Gewand usw. anbetrifft, so sind für einen seine Lebensweise läuternden Mönch, hinsichtlich des Gewandes und der Almosenspeise, Winke durch Andeutungen, Anspielungen sowie Umschreibungen ungehörig. Hinsichtlich der Wohnstätte aber sind für einen Mönch, sofern er nicht die Läuterungsübungen auf sich genommen hat, Winke durch Andeutungen, Anspielungen und Umschreibungen statthaft, 'Andeutung' (nimitta) bedeutet da: Wenn z.B. einer für eine Wohnstätte den Boden usw. herrichtet und er von den Hausleuten gefragt wird, was da gebaut werde und wer bauen lasse, so ist die Antwort 'Niemand' oder eine ähnliche Antwort eine 'Andeutung'. Als 'Anspielungen' (obhāsa) gelten solche oder andere ähnliche Gespräche wie: 'Wo wohnt ihr, ihr Anhänger?' 'In einem Terrassenbau, o Ehrwürdiger.' 'Ein Terrassenbau, ihr Anhänger, paßt sich nicht für die Mönche.' Als 'Umschreibung' (parikathā) gelten solche oder andere ähnliche Gespräche wie: 'Die Wohnstätte der Mönchsgemeinde ist zu eng.' Hinsichtlich der Arznei ist alles (d.h. Andeutungen usw.) recht. Ist es nun aber recht, noch nach dem Schwinden der Krankheit die so erlangte Arznei zu gebrauchen? Oder ist es nicht recht? Darauf sagen die Vinaya-Gelehrten (vinaya-dharā, wörtlich die 'Träger der Disziplin'), daß der Erhabene seine Zustimmung gegeben habe und es demnach erlaubt sei. Die Suttanta-Gelehrten (*2) aber sagen, daß, wenn auch kein Vergehen vorliege, es dennoch die Lebensweise trübe und aus diesem Grunde nicht recht sei. Wer selbst bei bevorstehendem Lebensende die von dem Erhabenen gestatteten Winke durch Andeutung, Anspielung oder Umschreibung nicht gibt, sondern, seinen Tugenden wie Bedürfnislosigkeit usw. zuliebe, nur die anders als durch Andeutung usw. erlangten Arzneimittel gebraucht, von dem sagt man, daß er ein vollkommen lauteres Leben führe, wie z.B. der Ordensältere Sāriputta.


(*1) harītakī, gelbe Myrobalanen, Terminalia chebula, sinh. 'aralu', sind eine Art bitterer und wie Oliven aussehender Früchte, die auch heute noch in mancherlei Form zu Heilzwecken verwandt werden. Zusammen mit Rinderurin, indem sie eingelegt werden, bilden sie von alters her ein in Indien hochgeschätztes Allheilmittel.

Über diese 4 Edlen Bräuche (ariya-vamsa) heißt es in A.IV.28 und ähnlich in D.33: "Es gibt der Mönch sich zufrieden mit jedem beliebigen Gewande .... jeder beliebigen Almosenspeise .... jeder beliebigen Lagerstatt .... und er findet Gefallen und Freude an Geistesentfaltung und Entsagung .... Darum aber überhebt er sich nicht, noch verachtet er die anderen. Wer sich nun hierin tüchtig und unermüdlich zeigt, klar bewußt und besonnen bleibt, dieser Mönch, sagt man, steht fest in den uralten Edlen Bräuchen, die man als die höchsten kennt."

(*2) Die Sutten (sutta oder suttanta) sind die in dem Sutta-Pitaka eingeschlossenen Lehrreden, der Vinaya aber ist die in dem Vinaya-Pitaka dargelegte Ordensdisziplin.


 

Einst, sagt man, lebte jener Ehrwürdige zusammen mit dem Ordensälteren Mahā-Moggallāna in einem Walde um der Abgeschiedenheit zu pflegen. Eines Tages aber befiel ihn eine Windkrankheit im Leibe und bereitete ihm heftige Schmerzen. Zur Abendzeit begab sich nun der Ordensältere Mahā-Moggallāna zu dem Ehrwürdigen, um ihm aufzuwarten. Als er den Ordensälteren da liegen sah, erkundigte er sich, was mit ihm los sei und fragte ihn: 'Wodurch o Bruder, wurdest du früher gesund?' Der Ordensältere erwiderte: 'Zur Zeit, o Bruder, als ich noch zu Hause wohnte, gab mir meine Mutter unverwässerten Milchreisbrei, den sie mit Butteröl, Honig, Zucker usw. vermengt hatte. Dadurch wurde ich wohl.' 'Gut Bruder,' sagte der Ordensältere. 'Wenn mir oder dir Verdienst beschieden ist, werden wir vielleicht morgen solchen erhalten.' Die am Ende des Wandelganges in einem Baume hausende Gottheit aber hatte ihre Unterhaltung mit angehört und dachte: 'Morgen will ich dem Ehrwürdigen Reisbrei herschaffen.' Und sofort begab sie sich zu der den Ordensälteren unterstützenden Familie. Dort fuhr sie dem ältesten Sohne in den Leib und erzeugte ihm Schmerzen. Dann verkündete sie den versammelten Verwandten die Bedingung zu seiner Heilung: 'Wenn ihr morgen für den Ordensälteren so und so einen Brei bereitet, will ich den Sohn wieder frei setzen.' 'Auch ohne deine Aufforderung geben wir dem Ordensälteren beständig Almosen' erwiderten jene, und am folgenden Tage bereiteten sie Reisbrei von der betreffenden Art. Ganz in der Frühe nun kam der Ordensältere Mahā-Moggallāna und sagte: 'Bruder, bleibe so lange hier, bis ich vom Almosengang zurüdckehre.' Dann begab er sich zum Dorf. Jene Leute aber kamen dem Ordensälteren entgegen und nahmen seine Almosenschale in Empfang. Dann füllten sie dieselbe mit dem Reisbrei von der besagten Art und gaben sie ihm wieder zurück. Und der Ordensältere machte Anstalten zu gehen. Jene aber sagten: 'Esset, Ehrwürdiger! Wir möchten noch mehr geben.' Und nachdem sie den Ehrwürdigen gespeist hatten, gaben sie ihm noch einmal eine Almosenschale voll. Der Ordensältere ging fort und bot (die Schale dem ehrwürdigen Sāriputta) an, mit den Worten: 'Komm, Bruder Sāriputta, iß davon!' Als der Ordensältere den Brei sah, dachte er: 'Welch äußerst köstlicher Brei! 'Wie hat man wohl den erlangt?' Und als er die Ursache seiner Herkunft erkannt hatte, sagte er: 'Nimm das weg, Bruder Moggallāna; die Almosenspeise eignet sich nicht zum Essen.' Dieser aber ließ nicht einmal den Gedanken aufkommen: 'Selbst die Almosenspeise, die ihm ein solcher wie ich darbringt, will er nicht genießen., Sondern schon auf das eine Wort hin, ergriff er die Almosenschale beim Rande und stülpte sie nach einer Seite um. Gleichzeitig aber mit dem Ausgießen des Breies auf den Boden verschwand die Krankheit des Ordensälteren und stieg von da ab fünfundvierzig Jahre lang nicht mehr auf. Damals sprach er zum ehrwürdigen Mahā-Moggallāna: 'Selbst wenn, o Bruder, mir die Eingeweide herausträten und auf dem Boden schleiften, wäre es nicht recht, den Reisbrei, den ich durch eine Andeutung in Worten erlangt habe, zu genießen. Und er stieß folgenden Ruf aus:

 

"Hätt' ich den süßen Brei verspeist,
Den ich durch einen Wink erhielt,
So hätt' ich meine Lebensweise
Mit großem Tadel überhäuft.

 

Auch wenn die Eingeweide mir
Herausträten, nach Außen hingen,
Gäb meinen Wandel ich nicht preis,
Selbst wenn ich's Leben lassen müßt',

 

Mein Herz hab' ich in der Gewalt.
Verkehrtes Suchen meide ich,
Denk' an verkehrtes Suchen nicht,
Das der Erleuchtete verwarf."

 

Hier ist auch die Geschichte von dem stets im Waldesdickicht wohnenden 'Mango-esser', dem Ordensälteren Mahā-Tissa zu berichten. Und auch dieses gilt in jeder Beziehung:

 

"Nicht hänge an verkehrtes Suchen
Sein Herz der einsichtsvolle Mönch,
Der voll Vertrauen zog hinaus.
Die Lebensweise halt' er rein."

 

Wie man nun durch Willenskraft die lautere Lebensweise zu erreichen hat, so hat man durch Einsicht (paññā) die 'auf die Bedarfsgegenstände sich beziehende Sittlichkeit' zu erreichen. Denn diese ist insofern durch Einsicht zu erreichen, als nur der Einsichtsvolle imstande ist, den Segen oder Unsegen hinsichtlich der Bedarfsgegenstände zu erkennen. Darum hat man die Gier nach den Bedarfsgegenständen aufzugeben, und bevor man sich der, einem auf gesetzmäßige und rechte Weise zugefallenen Bedarfsgegenstände bedient, hat man dieselben in der angegebenen Weise voll Einsicht zu erwägen und so diese Sittlichkeit zur Vollendung zu bringen.

 

Das Erwägen ist hier zweifach: ausgeübt zur Zeit des Empfangens und ausgeübt zur Zeit des Gebrauchs der Bedarfsgegenstände. Wer zur Zeit des Empfangens die (alle Dinge bildenden vier) Elemente und die Widerlichkeit (alles Stofflichen) erwogen hat (*) und dann die aufbewahrten Gewänder usw. auch noch später gebraucht, dessen Gebrauch ist untadelig; genau so ist es auch mit der (Erwägung zur) Zeit des Gebrauchs.


 (*) Der Kom. sagt, daß - mit Ausnahme der Nahrung - alle anderen Bedarfsgegenstände bloß auf Grund unseres Körpers, mit dem sie in Berührung kommen, ekelhaft seien.


 

Hierbei nun bildet folgendes die ausschlaggebende Entscheidung; viererlei Gebrauch nämlich gibt es: Gebrauch als Dieb, Gebrauch als Schuldner, Gebrauch als Erbe, und Gebrauch als Herr.

 

Wer da sittenlos ist und, inmitten der Mönchsgemeinde sitzend, sich der Bedarfsgegenstände bedient, dessen Gebrauch ist der eines Diebes (theyya-paribhoga).

 

Wer zwar sittenrein ist, aber ohne vorher erwogen zu haben (*) die Bedarfsgegenstände gebraucht, dessen Gebrauch ist der eines Schuldners (ina-paribhoga); darum soll man bei jedem Gebrauche des Gewandes und bei jedem Bissen der Almosenspeise die Erwägung anstellen. Oder, wenn man das nicht kann, so soll man es vor und nach dem Essen tun, oder zur ersten, mittleren oder letzten Nachtwache. Wenn aber das Morgenrot aufsteigt, bevor man die Erwägung angestellt hat, so befindet man sich in der Lage eines Mönches, der die Bedarfsgegenstände als Schuldner gebraucht. Auch bei jedem Gebrauch der Lagerstatt soll man die Erwägung anstellen. Ebenso ist, sowohl beim Empfang als auch beim Gebrauch von Arznei, Achtsamkeit erforderlich. Unter solchen Umständen trifft denjenigen, der beim Gebrauche keine Achtsamkeit zeigt, ein Vergehen, selbst wenn er beim Empfange Achtsamkeit gezeigt hat. Wer dagegen zwar beim Empfange nicht achtsam ist, wohl aber beim Gebrauche, den trifft kein Vergehen.


 (*) Die alle Dinge bildenden vier Elemente und die Widerlichkeit alles Stofflichen.


 

Reinheit (suddhi) nämlich ist von viererlei Art: Reinheit des Bekenntnisses (desanā), Reinheit der Zügelung (samvara), Reinheit des Suchens (nach den Bedarfsgegenständen) (pariyetthi) und Reinheit der Erwägung (paccavekkhana).

 

Hier nun gilt als 'Reinheit des Bekenntnisses' (desanā-suddhi) die in der 'der Ordenssatzung gemäßen Zügelung' (pātimokkha-samvara) bestehende Sittlichkeit; denn diese heißt deshalb Reinheit des Bekenntnisses, weil man durch Bekenntnis rein wird. - Als 'Reinheit der Zügelung (samvara-suddhi) gilt die in 'Zügelung der Sinne' (indriya-amvara) bestehende Sittlichkeit; denn diese heißt deshalb Reinheit der Zügelung, weil man rein wird durch den die Zügelung bildenden geistigen Entschluß: 'Nicht will ich mehr so handeln'. - Als 'Reinheit des Suchens' (pariyetthi-suddhi) gilt die in 'reinem Lebensunterhalt' (ājīva-pārisuddhi) bestehende Sittlichkeit; denn diese heißt deshalb Reinheit des Suchens, weil bei einem, der das verkehrte Suchen verwirft und auf rechte und gerade Weise die Bedarfsgegenstände empfängt, das Suchen rein ist. - Als 'Reinheit der Erwägung' (paccavekkhana-suddhi) gilt die 'auf die Bedarfsgegenstände sich beziehende Sittlichkeit' (paccaya-sannissita-sīla); denn diese heißt deshalb Reinheit der Erwägung, weil man durch die erwähnte Art der Erwägung rein wird. Daher wurde gesagt, daß einen, der zwar nicht beim Empfange, wohl aber beim Gebrauche achtsam ist, kein Vergehen treffe.

 

Den Gebrauch der Bedarfsgegenstände durch die sieben 'Schulungbeflissenen' (sekha) heißt man den 'Gebrauch als Erbe' (dāyajja-paribhoga); denn jene sind des Erhabenen Söhne, und als Erben der dem Vater gehörenden Bedarfsgegenstände gebrauchen sie dieselben. Wieso? Gebrauchen sich denn wirklich die Bedarfsgegenstände des Erhabenen oder die der Hausleute? Wenn auch diese von den Hausleuten gegeben sind, so sind sie dennoch Eigentum des Erhabenen, insofern er dieselben gestattet hat. Darum ist das so aufzufassen, daß sie die Bedarfsgegenstände des Erhabenen gebrauchen. Hierzu gibt die 'Rede von den Erben der Wahrheit' (M.3) die Bestätigung.

 

Den Gebrauch durch die 'Trieblosen' (Heiligen) heißt man den Gebrauch als Herr (sāmi-p.); denn da diese der Sklavenherrschaft des Begehrens entgangen sind, gebrauchen sie die Bedarfsgegenstände als Herren.

Von diesen Arten des Gebrauches ist der Gebrauch als Herr und der Gebrauch als Erbe für alle recht, der Gebrauch als Schuldner aber unpassend. Und von dem Gebrauch als Dieb ist gar nicht zu reden.

Bei den Sittenreinen gilt der nach angestellter Erwägung gemachte Gebrauch - insofern er eben dem Schuldnergebrauch entgegengesetzt ist - als schuldenfreier Gebrauch und fällt unter den Gebrauch als Erbe. Denn auch der Sittenreine gilt, insofern er mit dieser 'Schulung' (sikkhā; hier: sīla-sikkhā, Schulung in Sittlichkeit) ausgestattet ist, als ein 'Schulungbeflissener' (sekha).

Da nun von diesen Arten des Gebrauchs der 'Gebrauch als Herr' der höchste ist, so soll der danach strebende Mönch vor dem Gebrauch die Erwägung anstellen und die 'auf die Bedarfsgegenstände sich beziehende Sittlichkeit' (paccaya-sannissita-sīla) erfüllen. Denn wenn er das tut, so tut er seine Pflicht. Auch heißt es:

 

"Erwägend brauch' der Jünger, hehr im Wissen,
Wenn des Glücksel'gen Weisung er vernommen,
Die Speise, Klosterwohnung, Lagerstätte,
Das Wasser, um vom Kleid den Staub zu spülen.

 

"D'rum was der Mönch an Speise kriegt, an Lagerstatt,
An Wasser (*), um vom Kleid den Staub zu spülen:
Nicht haftet er an allen diesen Dingen,
Dem Wassertropfen gleichend an dem Lotusblatt (**).
 

(Snp. 391 -92.)


(*) āpo, sonst fast nur Bezeichnung des Flüssigen Elementes (āpo-dhātu), d.i. der Kohäsion.

(**) Die Fassung des Gleichnisses ist ungewöhnlich, denn meist wird, gerade umgekehrt, der heilige Mönch mit dem vom Wasser unbefleckten Lotusblatte verglichen und die weltlichen Dinge mit dem Wasser.


 

"Was er aus Mitleid rechtzeitig von andern annahm,
Sei's harte oder weiche Speise, sei's ein Lager:
Da kenn' er's Maß, allzeit geistesgewärtig,
Wie einer, der auf eine Wunde Salbe streicht"

 

"Des eignen Kindes Fleische gleich,
Das in der Wüste man verzehrt,
Dem Öle gleich, mit dem die Achse
Man schmiert (damit der Wagen läuft):
So schluck' man, bloß zu seiner Fristung,
Die Nahrung runter, unbetört."

(Mil.II, p.179; vgl. S.12.63)

 

Hinsichtlich der Erfüllung dieser auf die Bedarfsgegenstände sich beziehenden Sittlichkeit hat man die Erzählung von dem Neffen Sangharakkhita, dem Novizen, anzuführen, denn vor dem Essen stellte er auch gründliche Weise die Erwägung an. Das ist, was er sagt:

 

"Als abgekühlten Reis ich aß,
Sprach mein Berater so zu mir:
'Verbrenne bloß, Novize, nicht
Die Zunge dir aus Unbedacht!'

 

"Als ich des Lehrers Wort vernahm,
Da wurde tief ergriffen ich,
Und auf demselben Sitze noch
Erreichte ich die Heiligkeit.

 

"Erfüllet ist mein Streben nun,
Dem Vollmond gleich, am fünfzehnten.
Von jedem Fleck bin ich befreit,
Nie gibt es eine Wiederkehr.

 

"Drum, wer den Wunsch da in sich hegt,
Ein End' zu machen allem Leid,
Der wäge weise ab zuerst,
Bevor die Dinge er genießt."

 

Auf diese Weise ist die Sittlichkeit vierfach: als die in der der Ordenssatzung gemäßen Zügelung bestehenden Sittlichkeit usw.

 

Das ist die vermischte Besprechung der in Reinheit bestehenden vierfachen Sittlichkeit.

 

(V) In der ersten Fünfergruppe der Fünferabteilung (die in Reinheit bestehende begrenzte Sittlichkeit usw.) ist der Sinn zu verstehen mit Hinsicht auf die Sittlichkeit des noch Ungeweihten usw. In Patisambhidā (I.p.42) nämlich heißt es:

(46) "Was ist die 'in Reinheit bestehende begrenzte Sittlichkeit (pariyanta-pārisuddhi-sīla)?" Es sind die begrenzten Übungsregeln der noch Uneingeweihten (anupasampanna, d.i. sāmanera oder Novize).

(47) "Und was ist die in Reinheit bestehende unbegrenzte Sittlichkeit (apariyanta-p.s.)?" Es sind die unbegrenzten Übungsregeln der Geweihten (upasam-panna, d.h. bhikkhu).

(48) "Was aber ist die in Reinheit bestehende vollendete Sittlichkeit (paripunnā-p.s.)?" Es ist die Sittlichkeit der 'edlen Weltlinge' (puthujjana-kalyānaka = kalyāna-puthujjana), die dem Guten verbunden sind, sich vervollkommnen bis nahe an den Zustand eines Schulungbeflissenen und, unbekümmert um Leib und Leben, ihr Leben dafür hingeben.

(49) Was ist die in Reinheit bestehende unbeeinflußte Sitlichkeit (aparāmattha-p.s.)?" Es ist die Sittlichkeit der sieben (Arten der) 'Schulungbeflissenen' (sekha).

(50) Was ist die in Reinheit bestehende gestillte Sittlichkeit" (patippassaddhi-p.s.)? Es ist die Sittlichkeit der triebversiegten (khīnāsava) Jünger des Vollendeten, der Einzelerleuchteten (pacceka-buddha) und der Vollendeten, Heiligen, Allerleuchteten.

 

(46a) Hier nun ist die Sittlichkeit der noch Ungeweihten deshalb als die in Reinheit bestehende 'begrenzte' Sittlichkeit aufzufassen, weil sie der Zahl der Sittenregeln nach begrenzt ist.

(47a) Für die Geweihten aber gibt's:

 

"Neuntausendhundertachtzig Kotis,
Und fünfzig hundert tausend sechsunddreißig:
"So viele Regeln gibt's der Zucht und Ordnung,
Die er, der Allerleuchtete, gewiesen;
Und abgekürzt sind diese Regeln
Erklärt im Buch der Ordenszucht."

 

Wenn nun diese Sittlichkeit somit auch an Zahl der Regeln begrenzt ist, so hat man sie dennoch als die in Reinheit bestehende 'unbegrenzte' Sittlichkeit aufzufassen, und zwar aufgrund der Tatsache, daß man sie restlos befolgt und daß keine Beschränkung zu bemerken ist durch Gewinn, Ehre, Verwandtschaft, Leib und Leben (die Bedeutung ist nicht ganz sicher), gleichwie bei der Sittlichkeit des seit langem im Dickicht wohnenden und von den (vom Baume gefallenen) Mangos lebenden Ordensälteren Mahā-Tissa. Denn so hat jener Ehrwürdige gesagt:

 

"Man opfert Geld für edle Körperteile,
Gibt hin ein Glied um's Leben zu erhalten;
Auf allen Reichtum aber, Leib und Leben
Verzicht' der Mensch, der Lehre eingedenk."

 

Und dadurch, daß er die Betrachtung eines edlen Menschen nicht aufgab und selbst bei Lebensgefahr die Sittenregeln nicht überschritt, erreichte er aufgrund eben dieser in Reinheit bestehenden unbegrenzten Sittlichkeit - während er sich gerade auf dem Rücken eines Anhängers befand - die Heiligkeit (Arahatschaft). Denn es heißt:

 

"Nicht war er Vater dir, nicht Mutter,
Nicht Vetter, nicht von deiner Sippe;
Bloß wegen deiner Sittlichkeit
Erwies er solche Dienste dir.

 

"Ergriffenheit in dir erweckend
Und weise hin und her erwägend,
Hast du auf seinem Rücken noch
Die höchste Heiligkeit erreicht."

 

Da die Sittlichkeit der 'edlen Weltlinge' von der Mönchsweihe (upa-sampadā) ab außerordentlich rein ist und einem glatt polierten Edelstein oder fein geschmiedetem Golde gleicht, so bleibt sie auch, sobald ein Gedanke sich erhebt, frei von Flecken und bildet die Grundlage zur Heiligkeit. Darum nennt man sie 'vollendete' Reinheit, wie bei dem Ordensälteren Mahā-Sangharakkhita und seinem Neffen, dem Ordensälteren Sangharakkhita. Als nämlich der Ordensältere Mahā-Sangharakkhita im Alter von über sechzig Jahren auf dem Sterbebette lag, befragte ihn, wie man sagt, die Mönchsgemeinde über seine überweltlichen (lokuttara) Erreichungen. Der Ordensältere aber sagte, er habe keinen überweltlichen Zustand erreicht. Darauf sprach der ihm aufwartende junge Mönch: "Zwölf Meilen weit, o Ehrwürdiger, sind von allen Seiten die Menschen herbeigeströmt, da sie glaubten, du habest das völlige Nirwahn erreicht. Wenn du als 'Weltling' (puthujjana) stirbst, so wird es die Menschen reuen." "Weil ich, o Bruder, den erhabenen Metteyya (*) sehen wollte, eben: darum habe ich keinen 'Hellblick' (vipassanā) erweckt. So richte mich denn zum Sitzen auf und gibt mir eine Gelegenheit!" Und jener brachte den Ordensälteren in sitzende Stellung und ging hinaus. In dem Augenblicke aber, wo jener hinausging, erreichte der Ordensältere die Heiligkeit und deutete dies durch Fingerknipsen an. Die Mönchsgemeinde trat nun zusammen, und man sagte: "Oh Ehrwürdiger, eine schwierige Tat hast du vollbracht, der du zu solcher Zeit, in der Sterbestunde, den überweltlichen Zustand erweckt hast." "Nicht schwer ist das, ihr Brüder. Was aber schwer ist, ihr Brüder, das will ich euch sagen: seitdem ich nämlich, ihr Brüder, in die Hauslosigkeit gezogen bin, erinnere ich mich nicht, daß ich eine Tat aus Unachtsamkeit und Unwissenheit begangen hätte." Und auch sein Neffe erreichte im Alter von fünfzig Jahren auf dieselbe Weise die Heiligkeit.


(*) Metteyya-Buddha ist der erwartete zukünftige Buddha. Genau wie der Ordensältere, setzen auch heute noch viele Buddhisten in den südasiatischen Ländern ihre ganze Hoffnung darauf, unter diesem Buddha wiedergeboren zu werden und die Heiligkeit zu erreichen, eine gute Entschuldigung, ihre Anstrengungen auf spätere Zeiten zu verschieben.


 

"Den, der da arm an Wissen ist
Und schwankend in der Sittlichkeit,
Den rügt man wegen beider Dinge,
Des Wissens wie der Sittlichkeit.

 

"Wenn einer arm an Wissen ist
Doch feststeht in der Sittlichkeit.
So preist man seine Sittlichkeit,
Wenn's ihm an Wissen auch gebricht.

 

"Den aber, der an Wissen reich ist
Doch schwankend in der Sittlichkeit,
Rügt man ob seiner Sittlichkeit,
Wie wohl ihn reiches Wissen ziert.

 

"Ist einer aber reich an Wissen
Und standhaft in der Sittlichkeit,
So preist man ihn in beiden Punkten,
In Wissen und in Sittlichkeit.

 

"Den Wissenden, der Lehre Hort,
Den Jünger des Erleuchteten,
Den Weisen, der dem Goldschmuck gleicht,
Wer sollte jemals tadeln den?

 

"Sogar die Engel preisen ihn,
Selbst Brahmā kündet ihm sein Lob."

(A.IV.6)

 

(49a) Die Sittlichkeit der 'Schulungbeflissenen' (sekha) - weil diese durch Ansichten unbeeinflußt ist - und ebenso die durch Gier unbeeinflußte Sittlichkeit der Weltmenschen: diese hat man als 'unbeeinflußte Reinheit' (aparāmattha-pārisuddhi) aufzufassen, wie z.B. die Sittlichkeit des Ordensälteren Tissa, des Sohnes des Landwirts. Jener Ehrwürdige nämlich, der aufgrund solcher Sittlichkeit in der Heiligkeit Fuß zu fassen wünschte, sprach zu seinen Feinden (s. Kom. zu M.10):

 

"'Zerbrechet 'beide Beine mir,
Ich will euch überzeugen (*) dann,
Wie ich mich ekle, ich mich schäme
Zu sterben, wenn noch voller Gier.'

 (*) Der Text ist hier nicht sicher. Es finden sich Lesarten 'samyamissāmi, samyāmissāmi, paññāpessāmi, saccāpessāmi'. Ich möchte 'saññāpessāmi' vorschlagen.


 

"An solche Dinge dachte ich,
Erwog dann weise hin und her,
Und noch bevor der Morgen graute,
Hatt' ich die Heiligkeit erreicht."

 

Ein gewisser Ordensälterer, der ebenfalls schwer krank war, konnte nicht eigenhändig Nahrung zu sich nehmen, und zu Boden gesunken wälzte er sich in seinem eigenen Kot und Urin herum. Ein junger Mann, der ihn bemerkte, sagte: 'Ach, wie elend sind doch die Gebilde des Lebens!' Zu diesem sprach der Ordensältere: 'Bruder, wenn ich jetzt sterbe, werde ich himmlisches Glück erlangen. Darüber bin ich mir nicht im Zweifel. Der glückliche Zustand aber, den ich durch das Brechen dieser Sittenregeln erlangen würde, ist genau so wie der Zustand der Hausleute, den man durch Aufgeben der Schulung (sikkhā) erreicht. So laß mich denn mit meiner Sittlichkeit sterben!' Und an derselben Stelle liegend und über jenes Gebrechen nachsinnend erreichte er die Heiligkeit. Der Mönchsgemeinde aber gab er in folgenden Versen die Erklärung:

 

"Von einem leidvollen Gebrechen heimgesucht,
Durch eine Krankheit schwer gepeinigt und entstellt,
Wird bald vertrocknen mir, verwelken dieser Leib '
Wie eine Blume, die auf heißen Staub man warf.

 

"Für edel hält man ihn, doch ist er ekelhaft,
Betrachtet ihn als rein, obzwar er unrein ist
Und angefüllet mit so manchem Unrat.
Ja, nur den Blinden kann er edel scheinen.

 

"Fluch über diesen siechen, faulen Leib,
Voll Stank, unrein, der Krankheit eine Beute,
Durch den berauscht, durch den betört die Wesen
Den Weg verfehlen, der zum Himmel führt." (Jāt. 293.)

 

(50a) Die Sittlichkeit der Heiligen usw. aber ist zu betrachten als die 'gestillte Reinheit' (patippassaddhi-pārisuddhi), da sie rein ist infolge der Stillung "aller Qualen".

 

Somit ist die Sittlichkeit fünffach: als in Reinheit bestehende begrenzte, unbegrenzte, vollendete, unbeeinflußte oder gestillte Sittlichkeit.

 

(51-55) In der 2. Fünfergruppe hat man den Sinn zu verstehen mit Hinsicht auf Überwindung des Tötens, Stehlens usw. In Patisambhidā (I.p.46) nämlich heißt es: "Fünf Arten der Sittlichkeit gibt es, nämlich:

 

    1. die Sittlichkeit des Überwindens (pahāna-sīla),
    2. des Abstehens (veramanī),
    3. des Willens (cetanā),
    4. des Sichzügelns (samvara), und
    5. des Nichtausschreitens (avîtikkama),

 

mit Hinsicht auf (10 unheilsame Wirkungsfährten:) Töten - Stehlen - ungesetzlichen Geschlechtsverkehr - Lüge - Zuträgerei - rohe Rede - törichtes Plappern - Habgier - Übelwollen - verkehrte Ansicht -;

 

das Überwinden usw., von 5 Hemmungen:

 

    1. der sinnlichen Begierde (kāma-cchanda) durch Entsagung,
    2. des Hasses (vyāpāda) durch Haßlosigkeit,
    3. der geistigen Plumpheit und Mattigkeit (thīna-middha) durch klare Betrachtung,
    4. der Aufgeregtheit (uddhacca) durch Nicht-zerstreutsein,
    5. der Zweifelsucht (vicikicchā) durch Feststellung des Gesetzes,
    6.  

    7. der Unwissenheit durch Erkenntnis,
    8. der Unlust durch Freude,
    9. das Überwinden der Hemmungen (nīvarana) durch die erste Vertiefung,
    10. der Gedanken und des diskursiven Denkens (vitakka-vicāra) durch die zweite Vertiefung,
    11. der Verzückung (pīti) durch die dritte Vertiefung,
    12. der Freuden und Leiden durch die vierte Vertiefung,
    13. der Körperlichkeitswahrnehmungen, Reflexwahrnehmungen und Vielheitswahrnehmungen durch Erreichung des Gebietes der 'Raumunendlichkeit',
    14. der Wahrnehmung des Gebietes der Raumunendlichkeit durch Erreichung des Gebietes der 'Bewußtseinsunendlichkeit',
    15. der Wahrnehmung des Gebietes der Bewußtseinsunendlichkeit durch Erreichung des 'Nichtsheitgebietes',
    16. der Wahrnehmung des Nichtsheitgebietes durch Erreichung des Gebietes der 'Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung',
    17.  

      (18 Arten des Hohen Hellblicks:)

    18. der Vorstellung der Unvergänglichkeit durch Betrachtung der Vergänglichkeit,
    19. der Vorstellung des Glücks durch Betrachtung des Leidens,
    20. der Vorstellung der Persönlichkeit durch Betrachtung dcr Unpersönlichkeit,
    21. der Lust durch Betrachtung der Abwendung,
    22. der Gier durch Betrachtung der Loslösung,
    23. der Daseinsentstehung durch Betrachtung der Erlöschung,
    24. des Festhaltens durch Betrachtung des Fahrenlassens,
    25. der Vorstellung von etwas Festem durch Betrachtung des Versiegens,
    26. des (karmischen) Anhäufens durch Betrachtung des Hinschwindens,
    27. der Vorstellung von etwas Beständigem durch Betrachtung der Veränderung,
    28. der Daseinsbedingungen durch Betrachtung des Bedingungslosen,
    29. des Verlangens durch Betrachtung des Wunschlosen,
    30. des Sichanklammerns durch Betrachtung der Leerheit,
    31. des Sichanklammerns an die fixe Idee einer Wesenheit durch den Hohen Wissenshellblick,
    32. des Sichanklammerns an die Verblendung durch den der Wirklichkeit gemäßen Erkenntnisblick,
    33. des Sichanklammerns an die Lust durch Betrachtung des Elends,
    34. der Gedankenlosigkeit durch die nachdenkende Betrachtung,
    35. des Sichanklammerns an Neigungen durch Betrachtung des Sichwegneigens,
    36. der mit Ansichten verbundenen Verderbtheiten durch den 'Pfad des Stromeintrittes' (sotāpatti-magga),
    37. der groben Verderbtheiten durch den 'Pfad der Einmalwiederkehr' (sakadāgāmi-magga),
    38. der ganz schwachen Verderbtheiten durch den 'Pfad der Niewiederkehr, (anāgāmi-magga),
    39. der sämtlichen Verderbtheiten durch den 'Pfad der Heiligkeit' (arahatta-magga).

 

Solche Arten der Sittlichkeit gereichen dem Geiste zur Reuelosigkeit, Freude und Verzückung, zum Frieden und Frohsinn, zur Übung, Entwicklung, Entfaltung und zur Zierde, dienen ihm als Rüstzeug und Ausstattung und führen ihn zur Vollendung, zu äußerster Abwendung, Loslösung, Erlöschung, zum Frieden und hohen Wissen, zur Erleuchtung und zum Nirwahn.

 

Hier nun ist 'Überwindung' (pahāna) nichts anderes als das Nichtaufkommenlassen der erwähnten Dinge, wie Töten usw. Weil nun die verschiedenen Arten der Überwindung für diese und jene verdienstvollen Zustände, insofern sie dieselben festigen, eine Stütze bilden; insofern sie dieselben unerschütterlich machen, ein sie Festzusammenfügendes sind, so hat man wegen ihrer erwähnten, im Unterstützen und Festzusammenfügen bestehenden Natur (sīla) sie eben als 'Sila' bezeichnet.

 

Die übrigen vier Bedingungen werden angeführt, aufgrund des geistigen Vorgangs, der da stattfindet beim 'Abstehen' (veramanī) von diesen und jenen Dingen, beim 'Sichzügeln' (samvara) in diesen und jenen Dingen, bei dem mit beiden (d.i. Abstehen und Sichzügeln) verbundenen 'Willen' (cetanā) und beim 'Nichtausschreiten' (avītikkamma) des in diesen und jenen Dingen Nichtausschreitenden. Ihre Bedeutung als Sittlichkeit wurde bereits oben gezeigt.

 

In dieser Weise ist die Sittlichkeit im Sinne von Überwinden, Abstehen, Sichzügeln, Willen und Nichtausschreiten fünffach.

 

Hiermit nun schließt die Bedeutung der Fragen:  

1. Was ist Sittlichkeit?
2. In welchem Sinne hat man Sittlichkeit zu verstehen?
3. Was sind Merkmal, Wesen, Äußerung und Grundlage der Sittlichkeit?
4. Welches sind die Segnungen der Sittlichkeit?
5. Wieviele Arten der Sittlichkeit gibt es?'  

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