THERAGĀTHĀ

Die Psalmen der Mönche des Buddha Gotama

Deutsche Fassung von Christine Schoenwerth

1. Auflage 1997 Verlag Altbuddhistische Gemeinde Utting

ISBN 3-932250-07-9

Überarbeitung 2004


[Die Veröffentlichung der überarbeiteten Buchfassung auf dieser Webseite erfolgt mit freundlichem Einverständnis der Autorin.]


 Inhalt


VORWORT

Die Theragāthā, die Psalmen oder Lieder der Mönche des Buddha, gehören zu den schönsten Texten des buddhistischen Pālikanons; sie sind ein wunderbares Zeugnis erlebter Befreiung und Glückseligkeit. Sie stellen einen Teil des Khuddaka-Nikāya dar, der „Sammlung der Kürzeren Texte", zu der u.a. auch die Therīgāthā (die Psalmen der Nonnen) gehören, sowie Itivuttaka, Dhammapada, Udāna, Khuddaka-Pātha und Sutta Nipāta.

Es handelt sich um insgesamt 1279 Verse verschiedener Verfasser. Einige Mönche hinterließen nur einen Vers, andere zwei, vier, zehn oder, wie Tāļapuţa, zwanzig. Alle diese Verse spiegeln den religiösen Werdegang des Verfassers wieder, teils mit der Zeit vor seinem Eintritt in den Orden beginnend, bis hin zur Verwirklichung des höchsten Ziels, des Nibbāna. Obwohl aber das Erlangen des Todlosen, eben des Nibbāna, sich wie ein roter Faden durch die Theragāthā zieht, unterscheiden sich die Verse in ihren Schwerpunkten nicht unerheblich voneinander. Mancher Mönch berichtet in erschütternden Worten von seinem Ringen um Lauterkeit des Gemütes, um Konzentration und um Weisheit; das anfängliche Verzagen, ja das Verzweifeln angesichts des Ausbleibens rascher, müheloser Fortschritte auf dem spirituellen Pfad wird dabei ebenso bildhaft geschildert wie die tiefe Sehnsucht nach Erlösung vom Nichtwissen, das die Wesen immer wieder Leidvolles ergreifen lässt. So haben viele Verse - je nach Veranlagung des Einzelnen sowie nach der Anlage seines Pfades die Erlösung durch Weisheit zum Inhalt, oder das Ringen um hohe Konzentration des Geistes; andere berichten von der Verwirklichung allumfassender, alle Lebewesen einschließender Güte; wieder andere gewähren uns einen Einblick in Körper-Betrachtungen, oder in Betrachtungen des Leidens überhaupt, wie sie insbesondere im Frühbuddhismus wenngleich umfassender, so doch nicht unähnlich dem früheren Christentum zum Zweck der Loslösung von Leidbringendem gepflegt wurden. Die Verse sprechen also vom Leiden und seiner Überwindung; anders ausgedrückt: vom Leiden und vom wahren Glück.

Der Buddha hat nie geleugnet, dass es auch Glück in der Welt gibt: "Sonst würden ja die Wesen nicht so am Leben hängen". Aber, fährt er fort, es gibt auch Leiden: Sonst würden ja die Wesen Krankheit, Alter, Verlust und Tod nicht fürchten. Diese nüchterne, objektive, d.h. nicht durch wunschgeborenes Denken getrübte Betrachtungsweise, führt, wenn sie nur richtig gepflegt wird, nicht etwa zu Trübsinn und depressivem Lebensüberdruss; vielmehr führt sie den ernsthaft Praktizierenden zum Lieben und Lassen, zu allumfassender Güte und zum Nicht-mehr-Haften an Leid-bringendem, ja sie befähigt ihn zur Aussöhnung mit allem Lebendiggewordenen, zu einer wahrhaft friedfertigen, gewaltlosen Haltung gegenüber Mensch, Tier und Natur. Es kann ja auch gar nicht anders sein, hat doch der Buddha oft genug davor gewarnt, nur das Leiden, nicht aber gleichermaßen das Glück zu betrachten und zu erleben. So heißt es ausdrücklich, dass man einerseits das Leiden, das Elend der Hervorbringungen (sankhārā) zu betrachten habe, andererseits aber die Seligkeit des Nibbāna, diese Seligkeit "gewahrend, sie erfassend, allezeit, immerdar, unbeirrt, standhaften Geistes, sich in Weisheit in sie versenkend (Ang.VII,16-17). Getreu dieser Weisung des Erhabenen waren denn auch die Mönche und Nonnen, die zu seiner Zeit dem höchsten Ziel entgegenstrebten, keine tristen Asketennaturen, sondern Menschen, die das Leiden nur mit dem Zweck betrachteten und durchschauten, es zu überwinden, wodurch die Fähigkeit zu Güte, Mitleid und Gleichmut ebenso zunimmt wie die zu jener höheren Freude, die keine Fesseln anlegt. So ist es denn nicht erstaunlich, dass viele Psalmen die wunderbare geistige Verfassung eines einsam in einer Hütte, auf einem Strohlager, am Fuße eines Baumes oder im Wald Meditierenden vor uns erstehen lassen, wobei oft, sehr oft die losgelöste Freude an der Schönheit der Natur (!) ihren Ausdruck findet: an der Anmut von Tieren auch Insekten, am Rauschen eines Stromes, des Waldes, an Farbe und Form von Wolken, Pflanzen oder Felsen...

Die vorliegende Übersetzung der Theragāthā wurde sorgfältig vorbereitet; sie entstand auf mehrfach geäußerten Wunsch von Freunden der alten Texte aus dem Pāli-Kanon, dem Praktizierenden die Psalmen der Mönche in einer neuen, möglichst wortgetreuen und dennoch ansprechenden deutschen Fassung zugänglich zu machen. An dieser Stelle erscheint ein Wort zu den hinzugezogenen Übersetzungen der Theragāthā in verschiedene Sprachen angebracht: Es wurden die heute erhältlichen englischen Übersetzungen ebenso hinzugezogen wie u.a. die teils eher freie deutsche Übertragung durch Karl Eugen Neumann. Dieser ersten und bisher einzigen vollständigen deutschen Übersetzung soll mit der vorliegenden Neufassung nicht die ihr gebührende Anerkennung abgestritten werden. Vielmehr geht es in der vorliegenden Ausgabe darum, allzu veraltete Begriffe durch uns verständlichere zu ersetzen (z.B. das veraltete Wort „Atzung“ durch Nahrung, „gewitzigt durch weise, u.a.) sowie weitere, teils erheblich voneinander abweichende deutsch- und fremdsprachige Übersetzungen miteinander zu vergleichen. Zu diesem Zweck wurden außer der eben zitierten von Neumann u.a. auch die vollständige Übertragung der Theragāthā durch Mrs. C.A.F. Rhys Davids (engl.) sowie die Übersetzung einzelner Psalmen durch J.Pérez-Remón (engl.), G. Tucci (ital.), Alfred Schneider und Georg Grimm hinzugezogen, sowie die von Fausta Nowotny leider nur teilweise ins Deutsche übertragenen, sich vorwiegend auf Schilderungen der Natur beziehenden Verse. Eine der wohl schönsten vollständigen Übersetzungen dürfte die von K.R.Norman ins Englische darstellen.

Selbstverständlich wurde auch die Pāli-Ausgabe der Theragāthā hinzugezogen (Pāli Text Society: „Thera- and Therī-Gāthā", hrsg. von Oldenberg und Pischel, 2. Aufl., 1966), insbesondere da, wo eine Klärung des verwendeten Begriffs unumgänglich erscheint. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn in einer Übersetzung von „wesenlos" die Rede ist: Hat der Verfasser, der Mönch, asāra gemeint, was tatsächlich wesenlos bedeutet und ausnahmslos in Bezug auf die Haftensgruppen angewandt wird, oder finden wir im Original den Begriff anattā, der etwas ganz anderes besagt, nämlich Nicht-Selbst, und der in späteren Auslegungen der buddhistischen Lehre oft fälschlich als „ohne Selbst" bzw. als „wesenlos" übersetzt wurde, eine Fehlübertragung, von der selbst überzeugte und namhafte Vertreter des Theravāda in ihrer Überarbeitung bzw. Neuübersetzung früherer Übertragungen längst abgekommen sind.

Einklammerungen und Hervorhebungen stammen von der Übersetzerin, ebenso alle Anmerkungen bzw. Endnoten. Dass diese kurzen, aber wichtigen Erläuterungen vom Leser berücksichtig werden, das ist ihr ausdrücklicher Wunsch.

Auf die Erklärung allgemein bekannter Pālibegriffe wie z.B. Nibbāna und Bhikkhu wurde verzichtet, desgleichen bewusst auch auf die metrische Übertragung der Verse zugunsten einer Übertragung in Prosa: Eine metrische Übersetzung kann, bedingt nicht zuletzt durch notwendig werdende sprachliche Klimmzüge, oft genug nicht anders denn auf Kosten der Texttreue erlangt werden. In der vorliegenden Version der Psalmen wurde deshalb grundsätzlich dem Lehrinhalt Vorrang gegeben.

Die Psalmen der Mönche des Buddha Gotama haben jedem ernsthaft Praktizierenden viel zu geben. Sie wollen den aufrichtigen Wunsch in ihm erwecken, das Gelesene nun auch an sich selbst zu verwirklichen. Letzteres, die Verwirklichung des buddhistischen Pfades, ist alleiniger Zweck und Ziel der Psalmen. Dass die vorliegende deutsche Übertragung diesen Wunsch im Leser zum Bedürfnis werden lässt, und dass sie Einsicht, Kraft, Freude und Zuversicht fördere: Das ist das eigentliche Anliegen des Buches.

Christine Schoenwerth
Utting, im November 1996/Januar 2004

Hinweis:

Wenn verschiedene Mönche ein und denselben Namen tragen, wurden diese zur Unterscheidung mit einer Nummer versehen.

Die einzelnen Kapitel sind je nach der Anzahl der Verse des einzelnen Mönchs benannt: Ekanipāta = eine Strophe, Dukanipāta = zwei Strophen usw.

Die vorliegende Ausgabe wurde im Januar 2004 geringfügig von der Übersetzerin überarbeitet.


  Oben