THERAGĀTĀ

Pañcanipāta

Rājadatta

315.  Ein Bhikkhu war ich, da sah ich auf dem Leichenfeld den Leichnam einer Frau, dort hingeworfen, von Würmern zerfressen.

 

316.  Als sie sie erblickten, verstorben, furchtbar anzusehen, schreckten Männer zurück. In mir aber, ach, stieg Begierde auf. Blind war ich, wahrlich, hinsichtlich des vergänglichen Körpers.

 

317.  Rasch, in aller Eile verließ ich jenen Platz. Besonnen, achtsam, setzte ich mich nieder.

 

318.  Da stieg weises Erwägen in mir auf: Deutlich sah ich die Gefahr, und Überdruss (an der Welt) stellte sich ein.

 

319.  Da löste sich mein Geist los. Sieh, wie wahr der Dhamma ist! Das Dreifache Wissen wurde mir zuteil, die Botschaft des Buddha ist erfüllt.

Subhūta

320.  Wer sich ein Ziel erstrebend auf falschem Wege müht, nicht wird Erfolg er je erlangen.

 

321.  Wer auch nur eine Chance ungenutzt lässt zieh'n, gar vieles diesem geht verloren; erst recht wird der verlieren, der gleichsam blind jedwede Chance ungeachtet lässt, weil er nicht sieht, was gerade (heilsam) ist und nicht was krumm (unheilsam).

 

322.  Nur das sollte man ankündigen, was man wirklich zu tun beabsichtigt; nicht sollte man von dem reden, was man nachher nicht in Taten umsetzt. Der Kluge durchschaut den, der redet, ohne zu handeln. 56)

 

323.  Schöner Blüte, farbenprächtig, doch ohne Duft, gleicht das gut gesproch'ne, doch leere Wort dessen, der anders handelt (als er spricht).

 

324.  Der schönen Blüte, farbenprächtig, köstlich duftend, gleicht das wohlgesproch'ne Wort dessen, der handelt, wie er spricht.

Girimānanda

325.  Melodisch klingt der niederströmende Regen; gut gedeckt ist meine kleine Hütte, behaglich ist's in ihr, kein Luftzug dringt zu mir herein. Beruhigten Geistes weile ich in ihr. So regne denn, Wolke, nach Belieben!

 

326.  Melodisch klingt der niederströmende Regen; gut gedeckt ist meine kleine Hütte, behaglich ist's in ihr, kein Luftzug dringt zu mir herein. Befriedeten Geistes weile ich in ihr. So regne denn, Wolke, nach Belieben!

 

327.  Melodisch klingt der niederströmende Regen; gut gedeckt ist meine kleine Hütte, behaglich ist's in ihr, kein Luftzug dringt zu mir herein. Frei von Begehren weile ich in ihr. So regne denn, Wolke, nach Belieben!

 

328.  Melodisch klingt der niederströmende Regen, gut gedeckt ist meine kleine Hütte, behaglich ist's in ihr, kein Luftzug dringt zu mir herein. Frei von Übelwollen weile ich in ihr. So regne denn, Wolke, nach Belieben!

 

329.  Melodisch klingt der niederströmende Regen, gut gedeckt ist meine kleine Hütte, behaglich ist's in ihr, kein Luftzug dringt zu mir herein. Frei von Nichtwissen weile ich in ihr. So regne denn, Wolke, nach Belieben! 57)

Sumana (1)

330.  Was mein Unterweiser mir hinsichtlich der Lehre zu tun empfahl, als er mir, der ich das Todlose ersehnte, hilfreich zur Seite stand: Ich habe es vollbracht!

 

331.  Verwirklicht habe ich sie aus eig'ner Kraft, die Lehre, nicht hat es ein anderer für mich getan. Mit völlig geläutertem Erkennen, frei von Zweifel trage ich sie vor.

 

332.  Meine früheren Aufenthalte (Existenzen) überblicke ich, geläutert ist das göttliche Auge, ich habe das wahre Ziel erreicht, die Botschaft des Buddha ist erfüllt.

 

333.  Entfaltet habe ich die Besonnenheit; wohl geübt bin ich, vortrefflich hast du mich ja unterwiesen: Von allen Einflüssen bin ich befreit, nicht gibt es ein künftig' Werden mehr für mich.

 

334.  Die rechten Wege hast du mir gewiesen, voll Erbarmen, hilfsbereit. Nicht vergeblich war deine Belehrung, bin ich doch dein wohlgeübter Schüler.

Vaddha

335.  Von meiner Mutter wohl ermahnt 58), ihre Weisung nahm ich mir zu Herzen: Mit Entschlossenheit und Energie ausgerüstet verwirklichte ich die höchste Erwachung (das Nibbāna).

 

336.  Ein heilig Gewordener bin ich, würdig der Gaben, im Besitze des Dreifachen Wissens, ein Seher des Todlosen. Von den Einflüssen frei weile ich, nachdem ich das Heer Namucis 59) besiegt habe.

 

337.  Alle Einflüsse, die einst in mir hausten, wie auch jene, die von außen mich bedrängten: Restlos sind sie aufgehoben, nicht werden sie erneut erstehn.

 

338.  Die weise Schwester (= die Nonne) sagte mir: „Sieh, nun ist jedweder Drang in dir und mir erloschen (mein Sohn)!"

 

339.  Ein Ende gemacht ist dem Leiden: Dies ist mein letzter Körper im Kreislauf der Wiedergeburten, erneutes Werden gibt es nicht für mich.

Nadīkassapa

340.  Wahrlich, mir zum Segen begab sich der Buddha zum Fluss Nerañjara; nachdem ich ihn die Lehre vortragen hörte, mied ich falsche Anschauung (micchāditthi).

 

341.  Früher (als Brahmanenpriester) brachte ich gar manches Opfer dar; ein blinder, gewöhnlicher Mensch war ich; dem Feueropfer treu ergeben, wähnte ich: „Dies ist Läuterung."

 

342.  Verirrt im Dickicht falscher Ansichten, durch falsche Erkenntnis irregeleitet, blind, in Nichtwissen gefangen, hielt ich Unreinheit für Läuterung.

 

343. Die (frühere) falsche Anschauung habe ich ausgemerzt, jedwedes Werden ist aufgehoben. Dem einzig’ verehrungswürdigen Feuer opfere ich jetzt: Ich opfere dem Tathāgata (dem Buddha).

 

344.  Vernichtet ist nun jedwede Verblendung, die Gier nach Werden ward zerstört: Der Kreislauf der Wiedergeburten ist aufgehoben, erneutes Werden gibt es künftig nicht für mich.

Gayākassapa

345. Des Morgens, mittags und am Abend, dreimal so an jedem Tag begab ich mich während des Frühlingsfestes in Gāya an die Gestade des Flusses.

 

346.  „Was auch immer ich in vergang'nen Existenzen an Bösem vollbracht haben mag, eben davon will ich mich hier rein waschen", so hatte ich mir einst gelobt. 60)

 

347.  Da vernahm ich das wohlgesproch'ne Wort (des Buddha), die Kunde von der Lehre und dem Weg zum Ziel, und einsichtsvolles Erwägen stellte sich in mir ein.

 

348.  Jetzt hab' alles Übel ich hinweggespült, jetzt bin ich rein, geläutert, frei von Schmutz, der reine Erbe des Reinen, ein echter Sohn des Buddha.

 

349.  Indem ich in den achtfachen Strom (den achtfachen Pfad) tauchte, habe ich jedwedes (einst von mir begang'ne) Übel fortgespült. Das Dreifache Wissen habe ich erlangt, die Botschaft des Buddha ist erfüllt.

Vakkali

350.  Von schmerzhafter Krankheit befallen weilte ich in Waldeshöhle, wo schwer nur Nahrung wird zuteil; wie willst du, Mönch, in solcher Not (dein Heil) erwirken?

 

351.  Diesen meinen Körper mit Freude und Seligkeit durchdringend (so dachte ich), werde ich diese erschwerten Umstände in meiner Höhle bewältigen.

 

352.  Ich werde in meiner Höhle weilen, indem ich die Gegenstände der Besonnenheit 61), die Fähigkeiten (indriyāni) und die Kräfte (balāni) pflege und die (sieben) Glieder der Erwachung (bojjhangāni) zur Entfaltung bringe.

 

353.  Wie jene and'ren (Mönche), die da energisch weilen, entschlossen, unermüdlich strebend, einander gütig sich begegnen: Solchen Geistes werd' auch ich in Waldeshöhle weilen.

 

354.  Des Erwachten gedenkend, des Hehren, wohl Bezähmten, mit höchster Konzentration Begabten, der da unermüdlich weilt bei Tag und Nacht: So werd' ich in der Waldeshöhle weilen.

Vijitasena

355.  Ich werde dich festbinden, Geist, wie man einen Elefanten an einem Torpfosten festbindet. Ich werde dich nicht zu Üblem anregen, du Nest der Sinnenlüste!

 

356.  Nachdem ich dich festgebunden habe, wirst du außerstande sein, umherzuschweifen, wie ein Elefant, wenn das Tor geschlossen ist. Nicht mehr wirst du, übler Geist, künftig herumschweifen!

 

357.  Wie ein starker, geübter Elefantenbändiger einen eben erst gefangenen Elefanten gegen dessen Willen zur Umkehr zwingt, so werde ich dich, Geist, zur Umkehr zwingen!

 

358.  Wie ein kräftiger Wagenlenker, im Bändigen edler Rosse erfahren, ein Vollblutross zähmt, so werde ich dich zähmen, fest gegründet in den fünf (Kampfes-) Kräften.

 

359.  Ich werde dich mit der Besonnenheit festbinden! Mit geläutertem Selbst werde ich dich läutern. Mit Energie werde ich dich unterjochen, so dass du nicht mehr wirst umherirren können, Geist!

Yasadatta

360.  Übelwollenden Geistes vernimmt der Tor des Überwinders Botschaft: Der besten der Lehren (saddhamma) ist er so fern wie die Erde fern dem Himmel ist.

 

361.  Übelwollenden Geistes vernimmt der Tor des Überwinders Botschaft: Von der wahren Lehre fällt er ab, wie der Mond zur finst'ren Monatszeit nimmt ab.

 

362.  Übelwollenden Geistes vernimmt der Tor des Überwinders Botschaft: Mag er die wahre Lehre auch vernehmen, so geht er doch zugrunde, gleichwie der Fisch, wenn das Wasser vertrocknet.

 

363.  Übelwollenden Geistes vernimmt der Tor des Überwinders Botschaft; in der wahren Lehre wird er nicht gedeihen, der faulen Saat im Felde gleich.

 

364.  Freudevollen Geistes wer da vernimmt des Überwinders Botschaft, der wird, nach Vernichtung aller Einflüsse, nach dem Erlangen des unerschütterlichen Zustandes, nach dem Verwirklichen des höchsten Friedens, von den Einflüssen frei, vollkommen erlöschen.

Sona Kutikanna

365.  In den Orden wurde ich aufgenommen, erlöst bin ich, einflussfrei. Gesehen habe ich den Gesegneten, und die Unterkunft hab’ ich mit ihm geteilt.

 

366.  Einen großen Teil der Nacht verbrachte der Gesegnete im Freien; dann betrat der aller Unterkünfte Kundige 62) die Unterkunft.

 

367.  Die äußere Robe breitete Gotama (hier der Familienname des Buddha) aus, dann legte er sich nieder, dem Löwen gleich in Felsenhöhle (d.h. auf der Seite liegend), frei von jeder Furcht und Angst.

 

368.  Da trug Sona, Jünger des Vollkommen Erwachten, in Gegenwart des Erhabenen untadelig die Lehre vor.

 

369.  Die fünf (Haftens-)Gruppen (pañca-khandhā) habe ich durchschaut, auf dem geraden Weg bin wohl gewandert ich; den höchsten Frieden habe ich erlangt, einflussfrei werd' ich erlöschen.

Kosiya

370.  Wer da kundig, wohl bewandert in des Lehrers Botschaft ist, der mag darin verweilen, in ihr feststehen, ihr zugeneigt sein; er, wahrlich, ist voll der Hingabe, und Weisheit hat er sich erworben; da die Dinge er durchschaut, wird verehrungswürdig er genannt.

 

371.  Wen Kummer und Not, wenn sie entstehen, nicht daran zu hindern vermögen, weise zu betrachten, der ist wahrlich stark, der hat Weisheit sich erworben; indem die Dinge er durchschaut, wird verehrungswürdig er genannt.

 

372.  Wer wie der Ozean fest gegründet ist, mit tiefer Weisheit wer begabt, ein Seher ist des erhab'nen Zieles: Der ist unerschütterlich, und Weisheit hat er sich erworben; indem die Dinge er durchschaut, wird verehrungswürdig er genannt.

 

373.  Wissensmächtig ist er, wohl bewandert in der Lehre, in Einklang mit der Lehre lebt er; solcher Art ist er, voll Weisheit; indem die Dinge er durchschaut, wird verehrungswürdig er genannt.

 

374.  Des Gesagten tiefen Sinn wer da versteht und entsprechend dann zu handeln weiß: Mit Weisheit ausgestattet ist ein solcher, einer, der im (eigenen) Innern zum Ziel vorgedrungen ist; indem die Dinge er durchschaut, wird verehrungswürdig er genannt.


Anmerkungen: 

56)      Dieser Vers gleicht Nr. 262.

57)      Vgl. mit den Versen Girimānandas die Nrn. 53 und 54.

58)      Vaddhas Mutter war Nonne geworden und hatte die Heiligkeit erreicht.

59)      Namuci = wie auch Māra eine Bezeichnung für den Tod.

60)      Die Ansicht, Sünden mit geheiligtem Wasser wegspülen zu können, war schon im alten Indien verbreitet. Wir denken hier auch an die Taufe im Christentum; der eigentliche Unterschied besteht darin, dass in Letzterem die Sünden anderer, d.h. der Vorväter (Erbsünde) durch Wasser hinweggenommen werden sollen, in Indien hingegen selbst verursachtes unheilsames Wirken.

61)      Die vier Gegenstände der Besonnenheit (satipatthānā): Die Betrachtung über den Körper, die Empfindungen, die Gemütsregungen und die Vorstellungen, wobei letztere eine Zusammenfassung der wichtigsten Lehrinhalte darstellen (die fünf Hemmungen, die fünf Haftensgruppen, die sechs Sinnesbereiche, die sieben Erwachungsglieder und die vier Hohen Wahrheiten).

62)      Aller Unterkünfte kundig: Der Buddha hat alle Werdensformen bzw. Daseinsbereiche der Wirklichkeit gemäß erkannt.


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