THERAGĀTĀ

Timsanipāta

Phussa

 

949.  — Als er die zahlreichen (Mönche) sah, alle wohl entfalteten Selbstes, gezügelt, wandte sich Pandarasagotta, der Seher, an (den Ehrwürdigen) Phussa:

 

950.  (Pandarasagotta:) Diese Frage magst du mir beantworten: Wonach werden die Menschen kommender Zeiten streben? Welcher Art wird ihre Gesinnung sein und wie werden sie betragen sich?

 

951.  (Phussa:) Achte wohl auf meine Worte, Seher, und denke dann darüber nach; die Zukunft werd' ich künden dir:

 

952.  Zornig und gehässig werden viele sein, heuchlerisch, herablassend, unehrlich, neidisch, streitsüchtig;

 

953.  im Besitz der Wahrheit zu sein werden sie wähnen, obwohl weit entfernt von ihr sie sind, unstet, ohne Ehrfurcht vor der Lehre, sich gegenseitig nicht achtend.

 

954.  Viele Bedrohungen wird es in der Welt in der Zukunft geben: Verunreinigen werden die Toren die klar dargelegte Lehre.

 

955.  Obwohl der heilsamen Eigenschaften sie völlig ermangeln, werden die Unzuverlässigen, die Unlauteren und Unwissenden die Belange des Ordens bestimmen.

 

956.  Die aber lauter und bescheiden sind werden in Angelegenheiten des Ordens allzu schwächlich sein.

 

957.  Gold und Silber werden die Toren in kommenden Zeiten annehmen, Land und Güter, Ziegen und Schafe, männliche und weibliche Diener.

 

958.  Schon infolge von Kleinigkeiten sich beleidigt fühlend, ungezügelten Gemütes, skrupellos, werden sie umher wandern wie wild lebende reizbare Tiere.

 

959.  Aufgebläht, unmäßig werden sie sein und blaue (= nicht vorschriftsmäßig gefärbte) Gewänder werden sie tragen; unaufrichtig, unnachgiebig, geschwätzig, mit (weltlichem) Wissen vollgestopft, werden sie umher wandern als wären Hochgestellte sie.

 

960.  Das Haar glänzend vor Öl, eitel, die Augen fein geschminkt wird auf den Straßen man sie sehen, die Robe wie Elfenbein gefärbt.

 

961.  Stolz auf ihre weiße Robe werden das gelbe Gewand missachten sie, der Losgelösten recht gefärbtes (äuß'res) Kennzeichen, von diesen ohne Missachtung getragen.

 

962.  Auf Gewinn erpicht werden sie (die Mönche) in Zukunft sein, träge, willensschwach (auf dem Pfad); das Leben in der Wälder Abgeschiedenheit verachtend werden in den Städten sie sich niederlassen.

 

963.  Ungezügelt werden sie die Gesellschaft derer aufsuchen und pflegen, die auf unrechtem Weg ihr Leben fristen, ihrem Beispiel folgend.

 

964.  Jene, die keine Güter anhäufen, werden von ihnen nicht geachtet, nicht geehrt; ihre Gesellschaft werden sie meiden, ungeachtet ihrer Werte.

 

965.  Unzufrieden mit dem kupferfarbenen Gewand (der Buddha-Mönche) werden sie das weiße Gewand der Anhänger anderer Lehren tragen.

 

966.  Nicht werden sie das gelbe Gewand mehr achten, seine Bedeutung wird in Vergessenheit geraten.

 

967.  Ein solches Maß an Unachtsamkeit war selbst dem vom Pfeil getroff’nen Elefanten (der Buddha in einer zurückliegenden Existenz) unbekannt, der schwer verwundet war und schmerzerfüllt. (Anspielung auf Jātaka Nr. 514.)

 

968.  Denn als der mächt'ge (wörtl.: der mit sechs Stoßzähnen ausgestattete) Elefant die gelbe Robe erblickte, begrüßte er den Nahenden mit diesen Worten:

 

969.  (Der Bodhisatta-Elefant:) „Der Unlaut're, in gelbes Gewand gekleidet, leer an Wahrheit und an Selbstbezähmung: Zu Unrecht trägt die gelbe Robe er;

 

970.  wer aber die Beschmutzungen hat abgetan, wer das Feld der Sittlichkeit wohl beackert hat, wer selbstbezähmt ist, im Besitz der Wahrheit: Würdig dieser des gelben Gewandes ist."

 

971.  (Phussa fährt fort:) Leer an Sittlichkeit, unwissend, töricht, ungezügelt, lüstern, zerstreuten Geistes, voller Trägheit, werden sie (in kommender Zeit) des gelben Gewandes nicht mehr würdig sein.

 

972.  Wer aber sittlich lauter ist, wunschlos, konzentriert, wessen Absichten rein, der ist der gelben Robe würdig.

 

973.  Der Tor, der voll von Hoffart ist, ein Heuchler, in weißes Tuch mag er sich kleiden: Wie könnt’ der gelben Robe er würdig sein!

 

974.  Sowohl Mönche als auch Nonnen: Selber übelgesinnt werden sie in künftiger Zeit jene Ehrwürdigen tadeln, deren Geist voll Güte ist.

 

975.  Von den Ältesten wohl unterwiesen zwar im Umgang mit dem (Mönchs-) Gewand werden die Toren nicht auf deren Worte achten; dumm und störrisch sind sie ja, leichtsinnigen Geistes.

 

976.  So werden jene Toren, der Praxis (des Pfades) fremd, untereinander unehrerbietig, nicht auf das Wort ihrer Unterweiser hören, gleichwie ein störrisches Pferd nicht auf den Wagenlenker hört.

 

977.  So werden die Bhikkhus sich in künftiger Zeit betragen, wenn die letzte Zeit (die Zeit des Verfalls und des Untergangs der Lehre) gekommen sein wird.

 

978.  Da diese furchtbare künftige Zeit bevorsteht, seid mild in der Rede, lebt einträchtig und achtet einander.

 

979.  Gütigen Geistes mögt ihr weilen, voll Mitleid, lauteren Betragens, voller Tatkraft (auf dem Pfad), entschlossen, unermüdlich ringend.

 

980.  In der Nachlässigkeit Gefahr erkennend und in der Wachsamkeit Behütung, mögt ihr den achtfachen Pfad verwirklichen, den todlosen Zustand (das Nibbāna) berührend.

Sāriputta

981.  Wer in rechtem Wandel lebt, besonnen, achtsam stets, wer recht entschlossen ist und wem das eig'ne (wahre) Selbst ist lieb (ajjhattarato) 169), wer wohl konzentrierten Geistes lebt, abgeschieden, befriedet: Der ein (echter) Bhikkhu wird genannt.

 

982.  Ob er flüssige Nahrung oder Trock'nes zu sich nimmt, niemals völlige Sättigung sollte er erstreben. Den Magen niemals überfüllend, gemäßigt in der Nahrungsaufnahme, besonnen: So wandere der Bhikkhu.

 

983.  Auch wenn nur wenig er zu sich genommen, ein paar Schluck Wasser nur getrunken hat: Dies genügt dem recht entschloss'nen Bhikkhu zu seinem Wohlbefinden.

 

984.  Durch das (vorschriftsmäßige) Mönchsgewand verhüllt er seine Blöße: Dies genügt dem recht entschloss'nen Bhikkhu zu seinem Wohlbefinden.

 

985.  Wenn er mit gekreuzten Beinen sitzend meditiert, ohne dass der Regen seine Knie benetzt 170), so genügt dies dem recht entschloss'nen Bhikkhu zu seinem Wohlbefinden.

 

986.  Wer in der Lust nur Leid erblickt, wer das Leiden als den Pfeil (des Durstes, des Dranges) hat durchschaut, wem beides (Lust und Leid) gleich gilt: Was in der Welt sollte den noch bekümmern?!

 

987.  „Möge ich nie einem Übel-Gesinnten zugesellt sein, einem Trägen, Nachlässigen, ohne Kenntnis der Lehre, einem Unehrerbietigen!". Was in der Welt sollte einen (der so denkt) noch bekümmern?!

 

988.  Der in der Lehre wohl bewandert ist, weise, lauteren Charakters und den Geistes-Frieden pflegt: Ein solcher möge bei mir sein!

 

989.  Wer der Welt-Ausbreitung (papañca) 90) ganz ergeben ist, den Tieren gleich sich an der Welt-Ausbreitung freut, das Nibbāna wird er nicht erlangen, die höchste Sicherheit vor Verkoppelung (nibbāna yoga-khema anuttara).

 

990. Wer aber der Welt-Ausbreitung nicht ergeben ist, wer sich am Pfad der Nicht-Ausbreitung 161) erfreut: Das Nibbāna wird er erreichen, die höchste Sicherheit vor Verkoppelung.

 

991. Sei's im Dorfe, sei's in dichtem Wald, in der Ebene oder auf den Felsen: Wo auch immer die Edlen, die Arahats weilen, eben dort ist ein beglückend' Weilen.

 

992.  Beglückend ist die Einsamkeit der Wälder, wo der gewöhnliche Mensch nicht zu Freude gelangt. Nur die von sinnlichem Begehren Befreiten gelangen zu Seligkeit in der Abgeschiedenheit der Wälder, nicht halten sie ja Ausschau nach sinnlichen Freuden.

 

993.  Begegnest du einem, der deine Schwächen klar erkennt, der deine Fehler kündet dir, einem Wissenden: Einem solchen Weisen magst du zugesellen dich, wie einer, der einen kostbaren Schatz zu finden weiß. Zum Segen gereicht es, nicht zum Unheil, sich einem solchen anzuschließen.

 

994.  Zu Tadelndes hat er (der Unterweiser) zu tadeln, ermahnen muss er, den unrecht Handelnden muss er zügeln; als Freund die Guten hoch ihn preisen, den Schlechten ist er lästig nur.

 

995.  Als and'ren der Gesegnete, der Buddha, die Lehre darlegte, der Sehende, hörte ich aufmerksam zu, ganz der Lehre hingegeben.

 

996.  Nicht ohne Frucht mein Zuhören blieb: Erlöst wurde ich, von den Einflüssen befreit. Nicht um die Kenntnis meiner früh'ren Existenzen musst' ich (seitdem) mühen mich, nicht um das göttliche Auge

 

997.  noch um die geistige Fähigkeit, anderer Wesen Geist klar zu durchschauen, noch auch musst' ich ringen um die Kenntnis des Verschwindens und Wiedergeboren-Werdens (der Wesen) noch um die Entfaltung des göttlichen Hörens. 171)

 

998. Am Fuße eines Baumes sitzend, kahlgeschorenen Hauptes, in die äußere Robe gehüllt, pflegt der Thera Upatissa 172), der in der Weisheit Höchste 173), weise Versenkung.

 

999. Über das Denken hinübergekommen (avitakka) 174), ist der Jünger des Vollkommen Erwachten in den Bereich edlen Schweigens (ariya tunhībhāva) übergetreten.

 

1000. Gleichwie ein Felsberg unbeweglich feststeht, so auch wird ein (wahrer) Bhik-khu, dem Felsberg gleich, nach Vernichtung der Verblendung nicht mehr erschüttert.

 

1001. Dem, dessen Geist unbeschmutzt (durch Begehrlichkeit und Übelwollen) und der stets auf Läuterung bedacht ist, erscheint selbst ein geringes, der Spitze eines Haares gleichendes Maß an Übel groß wie eine Wolke. 175)

 

1002. Ich sehne mich nicht nach dem Tod, ich hänge nicht am Leben; ich warte, bis die Zeit gekommen, klar bewusst, besonnen.

 

1003.  Ich sehne mich nicht nach dem Tod, ich hänge nicht am Leben; ich warte, bis die Zeit gekommen, wie der Diener auf seinen Lohn wartet. 176)

 

1004.  Zu beiden Seiten (des Lebens) 177) liegt das Sterben, sowohl davor als auch danach; betrete den Pfad, gehe nicht unter! Lass die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen!

 

1005.  Wie eine Grenzstadt innen und außen wohl bewacht wird, so möget Ihr euch   (euer Gemüt) bewachen; lasst die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen, auf dass euch nicht später Reue überkomme! 178)

 

1006.  Befriedet ganz, der Welt abgestorben (= nicht mehr haftend), gemäßigt in der Redeweise, frei von Hoffart ist er; die unheilsamen Dinge hat er abgeschüttelt wie der Wind die Blätter eines Baumes.

 

1007.  Befriedet ganz, der Welt abgestorben, gemäßigt in der Redeweise, frei von Hoffart ist er; die unheilsamen Dinge hat er weggefegt, wie der Wind die Blätter eines Baumes wegfegt.

 

1008.  Ruhig, sorgenfrei, fest gegründet, unbekümmert, lauteren Gemütes, weise: So dem Leid bereite er ein Ende.

 

1009.  Man sollte nicht jedwedem Haushalter Vertrauen schenken noch auch jedem, der in die Heimlosigkeit gezogen ist: Mögen sie auch Gute gewesen sein, so werden doch manche später schlecht. And're aber, einst schlecht gewesen, später Gute werden dann.

 

1010.  Gier nach Sinnen-Freuden, Übelwollen, Trägheit und Energielosigkeit, Stolz und Zweifel: Dies sind die fünf (möglichen) Befleckungen des Geistes eines Bhikkhu.

 

1011.  Wessen Konzentration infolge des Zustandes steter Besonnenheit unerschütterlich feststeht, ob Ehre ihm erwiesen wird oder auch nicht,

 

1012.  wer weise sich versenkt (= meditiert), unermüdlich fortschreitend, mit subtiler Anschauung ausgestattet Klarsicht übt, wer Freude findet in der Vernichtung des Verhaftetseins: Ihn einen guten Menschen (sappurisa) mag man nennen.

 

1013.  Der große Ozean nicht, nicht der Erdball, nicht das Gebirge noch der weite Himmelsraum geben ein Gleichnis ab für die Erhabenheit der Losgelöstheit des Meisters (des Buddha).

 

1014.  Das Rad (der Lehre) lässt er rollen, großes Wissen (im Sinne von Weisheit) besitzt er, fest steht sein Geist; der Erde, dem Wasser und dem Feuer gleich 179) kennt der Thera kein Verhaftetsein, keine Abneigung.

 

1015.  Vollkommenheit in der Weisheit hat er erreicht und höchste Einsicht, der Wissensmächtige. Ihn, der wissend und weise ist, mögen manche für einen langsamen Geist halten 180); also erloschen wandert er.

 

1016.  Dem Meister hab' ich aufgewartet, die Botschaft des Buddha ward verwirklicht. Die schwere Last ist abgelegt, bis auf den Grund zerstört ist der zum Werden führende Kanal (die tanhā). 181)

 

1017.  Ringet unermüdlich (um Läuterung und Loslösung)! Dies ist meine (letzte) Mahnung an euch. Vollkommen erlöschen werd' ich nun, ein völlig Losgelöster bin ich ja. 182)

Ānanda

1018.  Nicht soll der Kluge die Gesellschaft eines Übelwollenden, Jähzornigen oder Neidigen pflegen, eines, der am Unglück and'rer sich erfreut: Leidbringend ist der Umgang mit den Schlechten. 183)

 

1019.  Der Weise sollte sich dem zugesellen, der voll Vertrauen (in die Lehre und den Buddha) ist, friedfertig, weise und der die Lehre kennt: Zu Heil und Segen führt der Umgang mit den Guten.

 

1020.  Sieh nur (diesen Körper), einer Marionette gleich, eine offene Wunde, zusammengesetzt, der Krankheit unterworfen, von mancherlei Neigungen erfüllt, dem keine Dauer beschieden ist. 184)

 

1021.  Der Lehre echter Kenner ist er, wohl weiß er sie darzulegen, der Aufwärter des Buddha 185); nachdem er die Last abgelegt hat (d.h. nach Erreichung der Heiligkeit), von den Fesseln befreit, begibt sich der Gotamide 186) zur Ruhe.

 

1022.  Die Einflüsse hat er vernichtet, die Fesseln gesprengt; hinübergekommen  über die Verhaftungen ist er, erloschen; so trägt er seinen letzten Körper ab, nachdem er das Ufer jenseits von Geburt und Tod erreicht hat.

 

1023.  Auf dem nach Nibbāna führenden Pfad steht dieser Gotamide, in dem die Lehren des Buddha, des Sonnen-Sohnes, fest gegründet sind.

 

1024.  Zweiundachtzigtausend (Lehr-Reden) waren es, die ich vom Buddha hab' gehört; zweitausend von den Bhikkhus habe ich vernommen; alle diese vierundachtzigtausend sind mir gegenwärtig.

 

1025.  Wer wenig weiß (in heilsamen Dingen), der altert ganz nach Ochsenart: Er mag an Fleisch zunehmen, nicht aber wächst seine Weisheit.

 

1026.  Wer viel weiß, den wenig Wissenden jedoch infolge seines eig'nen Wissens verachtet: Wie ein Blinder, der eine Lampe vor sich trägt kommt mir jener vor.

 

1027. Man sollte sich einem anschließen, der viel (von der Lehre) weiß. Fernhalten sollte man jedweden Schaden von der Lehre; dies ist Bedingung (wörtl.: Wurzel) des heiligen Wandels; darum soll man die Lehre ganz verinnerlichen.

 

1028.  Die Texte wer vollständig kennt und deren Bedeutung wer recht versteht, wer wohl bewandert im Verständnis der Worte und ihres Sinnes ist und weise sie durchdringt, der, wahrlich, hat sie (die Lehre) recht verinnerlicht.

 

1029.  Infolge seiner Unermüdlichkeit übt er stetig (auf dem Pfad); während er also übt, prüft er (die Lehre); zur rechten Zeit strengt er sich an, befriedet, wohl konzentrierten Geistes.

 

1030.  Wer das Verständnis der Lehre recht erstrebt, der schließe sich einem Jünger des Buddha an, der ein Kenner der Lehre, in der Lehre wohl bewandert ist, mit Weisheit ausgestattet.

 

1031.  Ein Kenner der Lehre, in der Lehre wohl bewandert, ein Bewacher des Schatzes des Großen Sehers (= des Buddha), Auge dieser ganzen Welt, würdig der Verehrung, weise,

 

1032.  ein Bhikkhu, der Seligkeit in der Lehre findet, der an der Lehre sich erfreut, der in die Lehre weise sich versenkt, der Lehre stets gewahr ist: Ein solcher fällt nicht wieder von der wahren Lehre (saddhamma: Die wahre, die beste Lehre) ab.

 

1033.  Wie sollte einer als Samana in Wohlbefinden leben, der ganz dem körperlichen Wohlbehagen hingegeben ist und körperliche Lust erstrebt? Verkümmern wirst du (auf dem Pfad), wenn du dich nicht ernsthaft mühst!

 

1034.  Von Finsternis seh' ich umgeben mich, die Lehren sind entschwunden mir (d.h. meinem Gedächtnis); nun, da der edle Freund (Sāriputta) von uns gegangen ist, ist dunkel alles rings um mich. (Zu dieser Zeit war Ānanda noch kein Heiliger gewesen.)

 

1035.  Für einen, dessen Weggefährte von ihm gegangen ist und dessen Meister nicht mehr bei ihm weilt 187), gibt es keinen bess'ren Freund mehr als Besonnenheit gegenüber dem Körper. 188)

 

1036.  Die Älteren (d.h. die großen Mitmönche, die noch zu des Erhabenen Zeiten im Orden weilten) sind fortgegangen (verstorben), mit den Jüngeren komm' ich nicht zurecht. So pflege einsam nun Versenkung ich, wie ein Vogel, der zur Regenzeit einsam in seinem Neste weilt.

 

1037.  (Der Buddha:) Mögest du nicht jene, die aus verschied'nen Ländern hierher kommen, um mich zu sehen, daran hindern; mögen die, die mich sehen wollen, zu mir kommen! 189)

 

1038.  (Ānanda:) Eine Gelegenheit bietet ihnen der Lehrer, der Sehende verweigert sich denen nicht, die aus verschiedenen Gegenden angereist sind, um ihn zu sehen.

 

1039.  Fünfundzwanzig Jahre lang war ich ein Kämpfer 190); kein (einziger) Gedanke sinnlicher Lust ist während dieser Zeit in mir aufgestiegen. Sieh, wie wahr die Lehre ist!

 

1040. Fünfundzwanzig Jahre lang war ich ein Kämpfer; kein (einziger) Gedanke des Übelwollens ist während dieser Zeit in mir aufgestiegen. Sieh, wie wahr die Lehre ist!

 

1041.  Fünfundzwanzig Jahre lang diente ich dem Gesegneten mit liebevoller Tat, ihn nie verlassend, dem Schatten gleich.

 

1042.  Fünfundzwanzig Jahre lang diente ich dem Gesegneten mit liebevollen Worten, ihn nie verlassend, dem Schatten gleich.

 

1043.  Fünfundzwanzig Jahre lang diente ich dem Gesegneten mit liebevollem Denken, ihn nie verlassend, dem Schatten gleich.

 

1044.  Schritt für Schritt folgte ich dem Buddha, während er auf und ab ging. Während die Lehre von ihm dargelegt wurde, stieg Wissen in mir auf.

 

1045.  Ein Ringender bin ich (noch), einer, der noch nicht alles vollbracht hat, dessen Geist noch nicht völlig entfaltet ist; und nun (da es sich so verhält) ist der Meister völlig erloschen (von mir gegangen, verstorben), er, der von Erbarmen mit mir erfüllt war!

 

1046. Da (als ich mir dieser Situation bewusst wurde) wurde ich zutiefst erschüttert; aufgerüttelt wurde ich durch des Vollkommen Erwachten völliges Erlöschen, dessen, der alles Edle in sich barg.

 

1047.  (Die im Konzil versammelten Theras:) Der Kenner der Lehre, der in der Lehre wohl Bewanderte, der Bewacher des Schatzes des Großen Sehers (= des Buddha), Auge dieser ganzen Welt: Ānanda ist nun vollkommen erloschen. 191)

 

1048.  Der Kenner der Lehre, der in der Lehre wohl Bewanderte, der Bewacher des Schatzes des Großen Sehers, Auge dieser ganzen Welt, der die Finsternis (des Nichtwissens) in den (geistig) Geblendeten vertreibt,

 

1049.  der Unermüdliche, Besonnene, der Bewahrer der wahren Lehre, die Schatztruhe: Der Älteste Ānanda (ist vollkommen erloschen).

 

1050.  (Ānanda:) Dem Meister hab' ich aufgewartet, die Botschaft des Buddha ist verwirklicht. Die schwere Last ist abgelegt, bis auf den Grund zerstört ist der zum Werden führende Kanal. 192)


Anmerkungen:

90)      Papañca = Ausbreitung, Welt-Ausbreitung, Entfaltung, Vielheit; wird in den Kommentaren als Summe der drei Wurzeln des Übels angesehen, d.h. von Gier, Hass und Verblendung (Nichtwissen). In den alten Sutten (z.B. Majjh.18) wird papañca als die individuelle Einfärbung der auf den Menschen zukommenden äußeren Welt durch seine eigenen Vorstellungen erklärt. — Vgl. Nippapañca = Nicht-Ausbreitung: s. Endn. 161.  

161)    Nippapañca, Nicht-Ausbreitung der Welt: Hier dürfte es sich um das völlig objektive, von keinem Drang mehr beeinflusste Wahrnehmen der Welt handeln, das als solches keinerlei karmische Folgen mehr nach sich ziehen kann. (Zu papañca s. Endn. 90)

169)    ajjhattarato: Dieser gar nicht so seltene Begriff bedeutet wörtlich: Das eigene Selbst liebend; sämtliche Nikāyas beinhalten ihn. In Sam.III,8 und Udāna V,1 heißt es beispielsweise: „Wer das eigene Selbst liebt – attakāmo – sollte keinem and'ren Leid zufügen". Dass diese eigentliche Bedeutung von ajjhattarato (und attakāmo) in einigen der frühbuddhistischen Lehre fremd gegenüberstehenden Übersetzern ganz offensichtlich schwere Gewissensnöte auslöst, ändert nichts an den Tatsachen.

170)    Ein Hinweis auf die korrekte Sitzhaltung bzw. auf den korrekten Umgang mit dem Mönchs-Gewand.

171)    Sāriputta will damit sagen, dass er mit dem Erreichen der Heiligkeit spontan auch die höheren geistigen Fähigkeiten besaß; dies war nur aufgrund einer gegebenen Veranlagung möglich, die nicht jedem, auch nicht jedem Arahat, zuteil und übrigens auch nicht Voraussetzung für das Verwirklichen des höchsten Zieles, des Nibbāna ist.

172)    Upatissa: Name Sāriputtas vor seinem Eintritt in den Orden.

173)    Die Bezeichnung Sāriputtas als Höchster (unter den Mönchen) in der Weisheit wurde ihm durch den Erhabenen selbst zuteil.

174)    Avitakka, der Zustand einer Versenkung (jhāna) jenseits des Denkens, stellt sich ab der zweiten Versenkung ein.

175)    Nr. 1001 gleicht Nr. 652.

176)    Die Nrn. 1002-1003 gleichen den Nrn. 196, 606-607, 654-655 und 685-686 (manchmal in umgekehrter Reihenfolge).

177)    d.h. ob man nach vorwärts, zum Alter hin, oder rückwärts, auf die Jugend blickt.

178)    Vgl. Nr. 653.

179)    Einen den drei Elementen gleichenden Geist besitzen: Gleichmütig, unerschütterlich sein, so wie die Elemente unerschütterlich bleiben, womit auch immer sie in Berührung kommen, (s. Majjh.62 u.a.).

180)    d.h. er brüstet sich nicht mit seinem Wissen und seiner Weisheit. (Vgl. Nr. 501)

181)    Nr. 1016 gleicht den Nrn. 604, 656, 687, 792, 891 und 918.

182)    Nr. 1017 gleicht Nr. 658.

183)    Dieser Vers enthält offensichtlich eine Warnung vor dem Umgang mit Devadatta.

184)    Nr. 1020 gleicht Nr. 769.

185)    Ānanda war jahrzehntelang der persönliche Aufwärter des Buddha; es heißt, dass er diesem „wie ein Schatten folgte". Er zeichnete sich durch ein außerordentlich gutes Gedächtnis aus, das es ihm ermöglichte, sämtliche Lehrreden, die der Buddha über Jahrzehnte gehalten hatte, wortgetreu im Gedächtnis zu behalten und dann auch wiederzugeben. Die Heiligkeit erreichte er erst nach dem Tode des Erhabenen. – Einige der Verse, in denen Ānanda gepriesen wird, sollen anlässlich des großen Konzils bei seinem Erscheinen gesprochen worden sein.

186)    Der Gotamide: Ānanda war ein Vetter des Buddha und somit ein Angehöriger des Stammes der Gotamiden.

187)    Nach Sāriputta war dann auch der Buddha gestorben.

188)    Die Besonnenheit gegenüber dem Körper lässt diesen im Sinne der drei Merkmale als vergänglich, leidbringend und als nicht das Selbst durchschauen, was unweigerlich zur völligen Loslösung und damit zur Aufhebung des Leidens führt.

189)    Worte des Buddha kurz vor seinem Tod, als Ānanda aus Rücksicht auf die körperliche Schwäche des Erhabenen angereiste Mönche oder Asketen davon abhalten wollte, ihn aufzusuchen (Dīgha 16).

190)    Sekha: Ein auf dem Pfad gegen die Einflüsse des Durstes bzw. des Nichtwissens noch Ringender, Kämpfender. Die Übersetzung von sekha als „Übender" dürfte in vielen Fällen weder dem Ernst des Ringens um Loslösung noch dem u.U. bereits erzielten hohen Stand auf dem Pfad, z.B. im Falle eines „Nie-Wiederkehrenden" (anāgāmi) gerecht werden: Erst der Arahat, der vollkommen Heiliggewordene, wird nicht mehr als sekha bezeichnet, hat doch erst er alles „getan, was ihm zu tun oblag".

191)    Vgl. Nr. 1047 mit Nr. 1031.

192)    Nr. 1050 gleicht den Nrn. 604, 656, 687, 792, 891, 918 und 1016.


  Oben