THERAGĀTĀ

Solasanipāta

Aññākondañña 120)

673.  Als ich die hehre Botschaft vernahm, ward ich von beseligendem innerem Frieden erfüllt. Als die Versiegung der Leidenschaften (der Begierden) wurde die Lehre dargelegt, als das restlose Vernichten allen Anhaftens.

 

674.  Mannigfach und farbenfroh sind in dieser weiten Welt die Formen; sie verwirren den Geist; sie lassen die Begierden anwachsen, indem sie das Denken in Begehrlichkeit einhüllen.

 

675.  Gleichwie der Regen den vom Winde aufgewirbelten Staub niederzwingt, so kommen die Vorstellungen in dem zur Ruhe, der weise schauend sich versenkt.

 

676.  Wenn man in Weisheit alle Hervorbringungen 121) (sankhārā) als vergänglich (anicca) durchschaut, wird man der Leidenswelt überdrüssig (= löst man sich los); dies der Weg zur Reinheit ist.

 

677.  Wenn man in Weisheit alle Hervorbringungen als leidbringend (dukkha) durchschaut, wird man der Leidenswelt überdrüssig; dies der Weg zur Reinheit ist.

 

678.  Wenn man in Weisheit alle Hervorbringungen als Nicht-Selbst (anattā) durchschaut, wird man der Leidenswelt überdrüssig; dies der Weg zur Reinheit ist.

 

679.  Kondañña, der Ordensälteste, der die Lehre des Buddha verwirklicht hat: Ausgerüstet mit unbeugsamer Energie hat er Geburt und Tod überwunden, hat den heiligen Wandel vollendet.

 

680.  Die Fluten, die Schlinge, der fest eingerammte Pflock, der Fels, der schwer zu spalten ist 122): Zerschneide die Schlinge, reiß aus den Pflock, spalte den Fels und überquere die Fluten; hinüber an das andere Ufer gelangt, ist der weise sich Versenkende befreit, erlöst von Māras Fesseln.

 

681.  Ist ein Bhikkhu hoffärtig, unkonzentriert, und pflegt er Umgang mit schlechten Freunden, so wird er, von ihren mächtigen Wellen erfasst, in den Fluten (des Samsāra) untergehen.

 

682.  Ist er aber nicht hoffärtig, konzentriert, voll Energie (auf dem Pfad), allseits gezügelt, und pflegt er Umgang mit dem edlen Freund (kalyānamitta), wird er ein Ende bereiten dem Leiden.

 

683.  Seht hier einen, der gar mager ist, knochendürr, mit hervorstehenden Venen, nicht nach Nahrung begierig noch nach Trank, unverdrossenen Geistes weilend. 123)

 

684.  Mögen ihn im Walde weilend auch Stechmücken und beißendes Ungeziefer quälen, so bleibt er doch standhaft, besonnen, dem Elefanten gleich im Schlachtgetümmel. 124)

 

685.  Ich sehne mich nicht nach dem Tod, ich hänge nicht am Leben; ich warte, bis die Zeit gekommen, wie der Diener auf seinen Lohn wartet.

 

686.  Ich sehne mich nicht nach dem Tod, ich hänge nicht am Leben; ich warte, bis die Zeit gekommen, klar bewusst, besonnen. 125)

 

687.  Dem Meister hab' ich aufgewartet, die Botschaft des Buddha ward verwirklicht. Die schwere Last ist abgelegt, bis auf den Grund zerstört ist der zum Werden führende Kanal. 126)

 

688.  Jenes Ziel, um dessentwillen ich vom Haus in die Heimlosigkeit gezogen bin, hab' ich erreicht; wie sollt' ich mich da unter die Vielen begeben? 127)

Udāyin

689.  Der Vollkommen Erwachte ist wohl bezähmt unter den Menschen, konzentriert; den heiligen Wandel lebt er, sich am Frieden des Geistes erfreuend.

 

690.  Ihn, der über alle Dinge 3) hinübergekommen ist, verehren selbst die Götter; so habe ich's, ein Arahat (ein Heiliger), vernommen.

 

691.  Alle Fesseln hat er hinter sich gelassen, das Dickicht (des Nichtwissens) hat er verlassen, um das Nibbāna zu erlangen, beseligt im Freisein von sinnlicher Lust, losgelöst wie das Gold vom Quarze.

 

692.  Dieser Elefant 128), wahrlich, überragt alle anderen, wie der Himālaya alle anderen Berge überragt. Von all denen, die als Elefant bezeichnet werden, wird dieser (= der Buddha) zu Recht so genannt: Unübertroffen ist er ja.

 

693.  Diesen Elefanten (= den Buddha) preis' ich hoch, denn er allein ist frei vom  Übel. Seine mächt'gen Vorderfüße sind Sanftmut und Gewaltlosigkeit,

 

694. Besonnenheit und Klarbewusstheit die zwei and'ren Füße sind, Vertrauen ist des mächt'gen Elefanten Rüssel, Gleichmut die weißen Stoßzähne,

 

695. Achtsamkeit ist sein Hals, Weisheit das Haupt, das Ertasten (mit dem Rüssel) weises Erwägen im Geiste; der Hort des Dhamma sein Inn'res ist, Abgeschiedenheit der Schweif.

 

696.  Also beseligt sich versenkend, Seligkeit nur atmend ein und aus, ist dieser mächt'ge Elefant wohl konzentriert im Geist, wohl konzentriert wenn er geht, wohl konzentriert wenn still er steht;

 

697.  wohl konzentriert ist er, wenn er ruht und wenn er sitzt. Zu jeder Zeit gezügelt ist jener Elefant (der Buddha): Dies ist eines Elefanten Vollendung.

 

698.  Makellos, untadelig (= gewaltlos erlangt und zubereitet) ist des Elefanten Nahrung, nicht nimmt er Tadelnswertes zu sich. Zufrieden mit dem, was ihm zuteil wird,

 

699.  hat er jedwede Fessel, jede Verknüpfung, ob stark, ob schwach, ganz abgestreift; wohin auch immer er gehen will, dorthin eben begibt er sich, ohne zu haften.

 

700.  Wie die Lotosblume, im Wasser geboren, vom Wasser nicht befleckt wird, betörend duftend stets und lieblich anzuseh'n,

 

701.  so wurde der Buddha in der Welt geboren, weilt er in der Welt, ohne von der Welt befleckt zu werden, dem Lotos gleich im Wasser.

 

702.  Wenn der Brennstoff restlos aufgebraucht ist, erlischt das Feuer, und dessen Asche dann erloschen wird genannt. 129)

 

703.  Dieses Gleichnis wurde vom Weisen gelehrt, um die Bedeutung (des Nibbāna bzw. des Erlöschens) klar zu machen; die (wahrhaft) großen Elefanten werden das Gleichnis vom Elefanten verstehen, wie es der (große) Elefant (der Buddha) gelehrt hat.

 

704.  Befreit von der Gier, befreit vom Hass, befreit vom Nichtwissen, befreit von den Einflüssen, wird der Elefant diesen Körper zurücklassen, in der Versiegung der Einflüsse vollkommen erloschen.


Anmerkungen:

3)         Die Dinge = Insbesondere die fünf Haftensgruppen, d.h. Körper und Geist bzw. die Persönlichkeit; darüber hinaus die ganze Erscheinungswelt.

120)    Aññākondañña war einer der fünf ersten Mönche des Buddha.

121)    Sankhārā: Die Hervorbringungen (auch Daseinsgebilde genannt): Alles Entstandene, Gewordene, Erkennbare überhaupt, insbesondere die fünf Haftensgruppen, und von diesen vor allem die vierte, nämlich die der Gemütsre-gungen.

122)    Die Fluten, die Schlinge, der Pflock, der Fels: Es handelt sich hier um Metaphern für die verschiedenen Äußerungen des Durstes bzw. des Nichtwissens.

123)    s. Nr. 243

124)    Die Nrn. 683-684 gleichen den Nrn. 196 und 243-244.

125)    Die Nrn. 685 und 686 gleichen den Nrn. 606-607 u. 654-655.

126)    Nr. 687 gleicht Nr. 604 u. 656.

127)    Diese Frage Aññākondaññas wird oft wie folgt übersetzt: „Was soll mir da das Weilen im Wald?" Die sich daraus ergebende Abwertung des Lebens eines Waldeinsiedlers aber zwingt den Leser, ihre Bedeutung zu hinterfragen: sanda = dicht, undurchdringlich, sandavihāra = als Waldeinsiedler leben (PTS-Dictionary). Da aber sanda nicht Wald, sondern dicht bedeutet (sandachāya = dichten Schatten spendend), dürfte, jedenfalls sinngemäß, Neumann richtig liegen, wenn er übersetzt: „Was sollt' ich machen mich gemein?": Wie sollt' ich mich da unter die Masse begeben, Umgang mit Unedlen pflegen? (Möglicherweise wurde sanda irrtümlich für einen ähnlichen Begriff eingesetzt, der tatsächlich „Menschen-Ansammlung“, „Haufen" bedeutet. Diese Deutung des Textes scheint ihm denn auch den einzig nachvollziehbaren Sinn zu verleihen, es sei denn, der Mönch gab das Wald-Einsiedlertum aus gesundheitlichen Gründen wieder auf.

128)    Udāyin sieht, wie eine große Menschenmenge den mächtigen Elefanten König Pasenadis bewundert, was ihn dazu veranlasst, auf die Größe des Buddha hinzuweisen, der metaphorisch u.a. als Elefant, Löwe usw. bezeichnet wird. In den vorliegenden Versen Udāyīns wird zuweilen statt auf einen Elefanten auch metaphorisch auf ein großes Wesen hingewiesen (nāga).

129)    Erloschen = nibbuto. Dieser Begriff bezieht sich nicht nur auf das Erlöschen des Feuers, sondern insbesondere auch auf das Erlangen des Nibbāna, das auch als das Erlöschen (der Flammen der Gier, des Hasses und der Verblendung) bezeichnet wird.


  Oben