DAS WORT DES BUDDHA  

Die vier Edlen Wahrheiten

 

Namo tassa bhagavato arahato samma-sambuddhassa!

Verehrung Ihm, dem Erhabenen, Heiligen, Vollkommen-Erwachten!

6

D.16

Durch das Nichtverstehen, Nichtdurchdringen von vier Wahrheiten, ihr Jünger, haben sowohl ich als auch ihr diese lange Zeit das Dasein durcheilt, das Dasein durchwandert. Von welchen vier Wahrheiten? Durch das Nichtverstehen, Nichtdurchdringen der edlen Wahrheit vom Leiden, von der Leidens-Entstehung, von der Leidens-Erlöschung und dem zur Leidens-Erlöschung führenden Pfad. Durch das Nichtverstehen, Nichtdurchdringen dieser vier Wahrheiten haben sowohl ich als auch ihr diese lange Zeit das Dasein durcheilt, das Dasein durchwandert.

S.56.11

Solange, ihr Jünger, in mir der wahrheitsgemässe Erkenntnisblick hinsichtlich dieser vier edlen Wahrheiten nicht ganz klar war, so lange war ich ungewiss, ob ich die höchste Erleuchtung gewonnen hatte, die unübertroffen ist in der Welt mit ihren Himmelswesen, Göttern und Teufeln, unübertroffen unter den Scharen der Asketen und Brahmanen, Himmelswesen und Menschen. Sobald aber, ihr Jünger, in mir der wahrheitsgemässe Erkenntnisblick hinsichtlich der vier edlen Wahrheiten völlig klar war, da ging mir die Gewissheit auf, dass ich die höchste Erleuchtung gewonnen hatte, die unübertroffen ist in der Welt mit ihren Himmelswesen, Göttern und Teufeln, unübertroffen unter den Scharen der Asketen und Brahmanen, Himmelswesen und Menschen.

7

M.26

Und jene tiefe Wahrheit habe ich mir zu eigen gemacht die schwer zu erfassende, schwer zu verstehende, friedvolle, erhabene, den Vernunftschlüssen unzugängliche, subtile, nur den Einsichtigen erkennbare.

Die Welt jedoch ist dem Vergnügen hingegeben, findet an Vergnügen Freude und Gefallen. Solche aber, die dem Vergnügen hingegeben sind, an Vergnügen Freude und Gefallen finden, solche werden das Gesetz von der Abhängigkeit des Geschehens, die Bedingte Entstehung schwerlich verstehen. Schwer erkennbar auch wird ihnen sein der Stillstand alles karmischen Wirkens, das Fahrenlassen aller Daseinsgrundlagen, die Versiegung des Begehrens, die Loslösung, die Erlöschung, das Nirwahn (Nibbāna).

Es gibt jedoch einige unter den Wesen, deren Augen nur wenig getrübt sind: diese werden die Lehre verstehen. 


ERSTE WAHRHEIT

Die Edle Wahrheit vom Leiden

8

D.22

Was aber, ihr Jünger, ist die edle Wahrheit vom Leiden?

Geburt ist Leiden, Altern ist Leiden (Krankheit ist Leiden), Sterben ist Leiden, Sorge, Jammer, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung sind Leiden; mit Unliebem vereint sein, ist Leiden; von Liebem getrennt sein, ist Leiden; nicht erlangen, was man begehrt, ist Leiden; kurz gesagt, die fünf Anhaftungs-Gruppen sind Leiden.

9

Was aber ist die Geburt? Der Wesen in dieser oder jener Wesensgattung Geburt, Geborenwerden, Empfängnis, Insdaseintreten, das Erscheinen der Daseinsgruppen, das Erlangen der Sinnenorgane: das nennt man die Geburt.

10

Was aber ist das Altern? Was da bei diesen und jenen Wesen, in dieser oder jener Wesensgattung Altern ist und Altwerden, der Zerfall der Zähne, das Ergrauen und Runzeligwerden, das Versiegen der Lebenskräfte, das Absterben der Sinnenorgane: das nennt man das Altern.

11

Was aber ist das Sterben? Was da bei diesen und jenen Wesen das Abscheiden ist aus dieser oder jener Wesensgattung, Hinscheiden, Auflösung, Hinschwinden, Tod, Sterben, Ableben, Auflösung der Daseinsgruppen, das Zurücklassen der Leiche: das nennt man das Sterben.

12

Was aber ist die Sorge? Was da bei dem von irgendeinem Verlust oder Leiden Betroffenen Sorge ist, Besorgnis, Besorgtsein, innerliche Sorge, innerliches Besorgtsein: das nennt man Sorge.

13

Was aber ist Jammer? Was da bei einem von irgendeinem Verlust oder Leiden Betroffenen Jammer und Klage ist, Jammern und Klagen, Jammer- und Klagezustand: das nennt man Jammer.

14

Was aber ist Schmerz? Was da körperlich schmerzhaft und unangenehm ist, durch Körpereindrücke bedingt an schmerzlichem und unangenehmem Gefühl besteht: das nennt man Schmerz.

15

Was aber ist Trübsal? Was da geistig schmerzhaft und unangenehm ist, durch geistige Eindrücke bedingt an schmerzlichem und unangenehmem Gefühl besteht: das nennt man Trübsal.

16

Was aber ist Verzweiflung? Was da bei dem von irgendeinem Verlust oder Leiden Betroffenen Trostlosigkeit und Verzweiflung ist, trostloser und verzweifelter Geisteszustand: das nennt man Verzweiflung.

17

Was aber ist das Leiden im Vereintsein mit Unliebem? Was da für einen unerwünschte, unerfreuliche, unangenehme (Objekte sind, wie) Formen, Töne, Gerüche, Geschmäcke, Berührungen, Gedanken oder (Wesen,) die einem Schaden wünschen, Unheil, Unannehmlichkeit und Unsicherheit wünschen,—die Begegnung mit solchen, die Zusammenkunft, das Zusammentreffen, die Verbindung mit ihnen: das ist das Leiden im Vereintsein mit Unliebem.

18

Was aber ist das Leiden im Getrenntsein von Liebem? Was da für einen erwünschte, erfreuliche, angenehme (Objekte sind, wie) Formen, Töne, Gerüche, Geschmäcke, Berührungen und Gedanken oder (Wesen,) die einem Gutes wünschen, Glück, Wohlbefinden und Sicherheit wünschen, — der Begegnung mit solchen ermangeln, mit ihnen nicht zusammenkommen und zusammentreffen, mit ihnen nicht verbunden sein: das ist das Leiden im Getrenntsein von Liebem.

19

Was aber ist das Leiden beim Nichterlangen dessen, was man wünscht? Da steigt in den der Wiedergeburt unterworfenen Wesen der Wunsch auf: ,Ach, dass wir doch nicht mehr der Wiedergeburt unterworfen wären, dass uns doch keine Wiedergeburt mehr bevorstünde!' . . Den dem Altern, der Krankheit, dem Sterben, den Sorgen, Klagen, Schmerzen, der Trübsal und Verzweiflung unterworfenen Wesen steigt der Wunsch auf: ,Ach, dass wir doch nicht mehr diesen Dingen unterworfen wären. Dass uns doch diese Dinge nicht mehr bevorstünden!' Solches aber lässt sich nicht durch Wünschen erreichen. Das ist das Leiden beim Nichterlangen dessen, was man wünscht.

20

DIE FÜNF DASEINSGRUPPEN (kkhandha)

Inwiefern aber sind, kurz gesagt, die fünf Anhaftungsgruppen das Leiden? Es sind dies 

  • die Körperlichkeits-Gruppe, 
  • die Gefühls-Gruppe, 
  • die Wahrnehmungs-Gruppe, 
  • die Geistformationen-Gruppe und 
  • die Bewußtseins-Gruppe. 

Diese sind, kurz gesagt, das Leiden.

M.109

Alles Körperliche, ihr Jünger, ob vergangen, gegenwärtig oder zukünftig, eigen oder fremd, grob oder fein, gemein oder erhaben, fern oder nahe, das gilt als die Körperlichkeits-Gruppe; alles Gefühl . . . gilt als die Gefühls-Gruppe, alle Wahrnehmung . . . als die Wahrnehmungs-Gruppe, alle Geistformationen . . . als die Geistformationen-Gruppe, alles Bewußtsein, ob vergangen, gegenwärtig oder zukünftig, eigen oder fremd, grob oder fein, gemein oder erhaben, fern oder nahe, das gilt als die Bewußtseins-Gruppe.

 

Der Begriff "Anhaftungsgruppen" (upādāna-kkhandha) ist so zu verstehen, dass diese fünf Gruppen die Objekte des Anhaftens bilden. Wenn im Text das Wort "khandhā" allein vorkommt, wird es durchweg mit "Daseinsgruppe" übersetzt. Vgl. hierzu M. 144.

21

KÖRPERLICHKEITS-GRUPPE

M. 28

Was ist nun, ihr Jünger, die Körperlichkeits-Gruppe (rupa-kkhandha)? Es sind die vier (materiellen) Elemente und die davon abhängige Körperlichkeit.

 

VIER ELEMENTE

Was aber sind die vier Elemente?

Es sind dies 

  • das Feste Element, 
  • das Flüssige Element, 
  • das Hitze-Element und 
  • das Wind-Element.

 

Die vier Elemente (dhātu oder mahā-bhúta) —in Pali pathaví-dhātu, āpo-dhātu, tejo-dhātu, vāyo-dhātu—sind aufzufassen als die Grundeigenschaften der Materie, die mit wechselnden Übergewicht, in jedem materiellen Gebilde auftreten. Dem Abhidhamma zufolge sind sie zu verstehen als die Elemente der Ausdehnung (oder Härte) der Kohäsion, der Temperatur im Allgemeinen, der Vibration (oder Bewegung).

Als die von diesen vier Elementen abhängige Körperlichkeit (upādāya rupa oder upādā-rupa) gelten im Abhidhamma die folgenden 24 körperlichen Phänomene: Seh-, Hör-, Riech-, Schmeck- und Körperorgan. Seh-, Hör-, Riech- und Schmeckobjekt; Männlichkeit, Weiblichkeit, Vitalität, physische Grundlage des Denkens (s. B. Wtb.: hadaya-vatthu), körperliche Äußerung, sprachliche Äußerung, Raumbegrenzung, Leichtigkeit, Geschmeidigkeit, Anpassungsfähigkeit, Wachstum, Kontinuität Verfall, Vergänglichkeit, stoffliche Nahrung.

Das in körperlichen Eindrücken bestehende körperliche Berührungsobjekt (photthabba) wird hier nicht gesondert genannt, da es identisch ist mit dem Festen, Hitze- und Wind-Element; diese sind erkennbar durch Empfindung von Druck, Kälte, Hitze, Schmerz usw.

22

1. Was ist aber das Feste Element (pathaví-dhātu)? Das Feste Element mag eigen sein oder fremd. Was ist nun das eigene Feste Element? Was da jedesmal beim eigenen Körper an Hartem oder Festem karmisch erworben (upādinna) ist, als wie Kopfhaare, Körperhaare, Nägel, Zähne, Haut, Fleisch, Sehnen, Knochen, Knochenmark, Nieren, Herz, Leber, Innenhäute (wie Zwerchfell usw.), Milz, Lunge, Darm, Gekröse, Magen und Kot; und was da sonst noch jedesmal beim eigenen Körper an Hartem oder Festem karmisch erworben ist: das nennt man das eigene Feste Element. Was es aber an eigenem Festen Element gibt und was es an fremdem Festen Element gibt: beides eben ist das Feste Element; und da sollte man der Wirklichkeit gemäß und in rechter Einsicht also erkennen: ,Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Ich'.

23

2. Was aber ist das Flüssige Element (āpo-dhātu)? Das Flüssige Element mag eigen sein oder fremd. Was ist nun das eigene Flüssige Element? Was da jedesmal beim eigenen Körper an Flüssigem und Feuchtem karmisch erworben ist, als wie Galle, Schleim, Eiter, Blut, Schweiß, Fett, Tränen, Hautschmiere, Speichel, Rotz, Gelenkschmiere und Urin; und was da sonst noch jedesmal beim eigenen Körper an Flüssigem und Feuchtem karmisch erworben ist; das nennt man das eigene Flüssige Element. Was es aber an eigenem Flüssigen Element gibt und was es an fremdem Flüssigen Element gibt, beides eben ist das Flüssige Element; und da sollte man der Wirklichkeit gemäß und in rechter Einsicht also erkennen: ,Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Ich'.

24

3. Was aber ist das Hitze-Element (tejo-dhātu)? Das Hitze-Element mag eigen sein oder fremd. Was ist nun das eigene Hitze-Element? Was da jedesmal beim eigenen Körper an Hitze und Wärme karmisch erworben ist, wie das wodurch man erhitzt, verzehrt und verbrannt wird, wodurch, was man gegessen, getrunken, geschmeckt hat, zur völligen Verdauung gelangt; und was da sonst noch jedesmal beim eigenen Körper an Hitze und Wärme karmisch erworben ist: das nennt man das eigene Hitze-Element. Was es aber an eigenem Hitze1Element gibt und was es an fremdem Hitze-Element gibt, beides ist eben das Hitze-Element; und da sollte man der Wirklichkeit gemäß und in rechter Einsicht also erkennen: ,Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Ich'.

25

4. Was aber ist das Wind-Element (vayo-dhātu)? Das Wind-Element mag eigen sein oder fremd. Was ist nun das eigene Wind-Element? Was da jedesmal beim eigenen Körper an Winden und Gasen karmisch erworben ist, wie die auf- und absteigenden Winde, die Winde des Bauches und des Darms, die den ganzen Körper durchströmenden Winde, sowie Ein- und Ausatmung; und was da sonst noch jedesmal beim eigenen Körper an Winden und Gasen karmisch erworben ist: das nennt man das eigene Wind-Element. Was es aber an eigenem Wind-Element gibt und was es an fremdem Wind-Element gibt, beides ist eben das Wind-Element; und da sollte man der Wirklichkeit gemäß und in rechter Einsicht also erkennen: ,Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Ich'. Gerade wie man den durch Balken, Binsen, Rohr und Lehm zustande gekommenen Raum als Haus bezeichnet, ebenso auch bezeichnet man den durch Knochen, Sehnen, Fleisch und Haut gebildeten Raum als den Körper.

26

S.36.1

GEFÜHLS-GRUPPE (vedanā-kkhandha)

Dreierlei Gefühle gibt es, ihr Jünger. Welche drei? 

  • Freudiges Gefühl, 
  • leidiges Gefühl und 
  • weder freudiges noch leidiges Gefühl.

27

S.22.56

WAHRNEHMUNGS-GRUPPE (saññā-kkhandha). Was nun, ihr Jünger, ist Wahrnehmung? Diese sechs Wahrnehmungs-Klassen gibt es: Form-Wahrnehmung, Ton-Wahrnehmung, Geruchs-Wahrnehmung, Geschmacks-Wahrnehmung, Berührungs-Wahrnehmung und geistige Wahrnehmung.

28

GEISTFORMATIONEN-GRUPPE (sankhāra-kkhandha)

Der Ausdruck »Geistformationen" (sankhāra) ist ein Sammelbegriff für jene zahlreichen Funktionen oder Aspekte der Geist-Tätigkeit, welche, neben dem Gefühl und der Wahrnehmung, in einem einzelnen Bewußtseinsmoment auftreten können. Im Abhidhamma werden fünfzig solcher Geistformationen aufgezählt. Ihre Anzahl und Zusammensetzung verändert sich je nach dem Charakter des betreffenden Bewußtseinszustandes. Als Hauptvertreter dieser Gruppe werden im Sutta (M. 9) aufgezählt: Wille (cetanā), (sechsfacher) Bewußtseins-Eindruck (phassa) und Aufmerken (manasikāra). Von diesen dreien wiederum ist Wille, als der hauptsächliche "formende" Faktor, für die "Geistformationen-Gruppe" besonders charakteristisch und wird daher in der folgenden Textstelle herausgegriffen:

S.22.56

Was nun, ihr Jünger, sind die Geistformationen? Diese sechs Willens-Klassen (cetana-kāyā) gibt es: 

  • Wille nach Formen (rupa-sañcetanā), 
  • Wille nach, Tönen, 
  • nach Gerüchen, 
  • Geschmäcken, 
  • Körpereindrücken und 
  • Geistesobjekten. 

Das, ihr Jünger, nennt man »Geistesformationen".

29

BEWUSSTSEINS-GRUPPE (viññāna-kkhandha)

S.22.56

Was nun, ihr Jünger, ist das Bewußtsein? Diese sechs Bewußtseins-Klassen gibt es: 

  • Seh-Bewußtsein, 
  • Hör-Bewußtsein, 
  • Riech-Bewußtsein, 
  • Schmeck-Bewußtsein, 
  • Körper-Bewußtsein und 
  • geistiges Bewußtsein. 

Das, ihr Jünger, nennt man Bewußtsein.

M.28

BEDINGTE ENTSTEHUNG DES BEWUSSTSEINS

Ist das eigene Auge wohl, unversehrt, es fallen aber die äußeren Sehobjekte nicht in den Gesichtskreis und es findet kein Aufeinanderwirken statt, so kommt es zu keiner Bildung des betreffenden Bewußtseins-Aspektes. Oder aber, wenn das eigene Auge unversehrt ist und die äußeren Sehobjekte in den Gesichtskreis fallen, doch es findet kein Aufeinanderwirken statt, so kommt es auch dann noch zu keiner Bildung des entsprechenden Bewußtseins-Aspektes. Ist aber das eigene Auge unversehrt, die äußeren Sehobjekte fallen in den Gesichtskreis, und es findet ein Aufeinanderwirken statt, dann kommt es zur Bildung des entsprechenden Bewußtseins-Aspektes.

M.38

Bedingt entstanden ist das Bewußtsein (viññāna), und ohne die Bedingungen kommt es nicht zu seiner Entstehung. Eben nach der Bedingung, durch die das Bewußtsein jedesmal zum Entstehen kommt, danach wird es benannt. Bewußtsein, das durch Sehorgan und Sehobjekt bedingt entsteht, nennt man Seh-Bewußtsein. (Und so ist es mit Hör-, Riech-, Schmeck- und Körper-Bewußtsein.) Bewußtsein, das durch Geist und Geistobjekte (dhamma) bedingt entsteht, nennt man Geist-Bewußtsein.

M.28

Was bei solcher Gelegenheit an Körperlichkeit (rupa) besteht, das gehört zur Anhaftungsgruppe Körperlichkeit; was da an Gefühl (vedanā) besteht, zur Anhaftungsgruppe Gefühl; was da an Wahrnehmung (saññā) besteht, zur Anhaftungsgruppe Wahrnehmung; was da an Geistformationen (sankhāra) besteht, zur Anhaftungsgruppe Geistformationen; was da an Bewußtsein (viññāna) besteht, zur Anhaftungsgruppe Bewußtsein.

30

S.22.53

ZUSAMMENENTSTEHUNG DER FÜNF GRUPPEN

Es ist unmöglich, daß jemand das Heraustreten aus einem Dasein und den Wiedereintritt in ein neues Dasein oder das Wachsen, Zunehmen und die Entwicklung des Bewußtseins unabhängig von Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung und Geistformationen erklären kann.

31

A.III.134

DIE DREI MERKMALE (ti-lakkhana)

Alle Gebilde sind vergänglich (anicca); alle Gebilde sind dem Leiden (dukkha) unterworfen; alle Dinge sind unpersönlich (anattā).

S.22.59

Körperlichkeit ist vergänglich, Gefühl ist vergänglich, Wahrnehmung ist vergänglich, Geistformationen sind vergänglich, und Bewußtsein ist vergänglich. Was aber vergänglich ist, das ist dem Leiden unterworfen; und was vergänglich, leidvoll und dem Wechsel unterworfen ist, da kann man nicht mit Recht behaupten: ,Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Ich'.

Was es daher an Körperlichkeit gibt, an Gefühl, Wahrnehmung, Geistformationen und Bewußtsein, ob vergangen, gegenwärtig oder zukünftig, eigen oder fremd grob oder fein, gemein oder erhaben, fern oder nahe da sollte man der Wirklichkeit gemäß in rechter Einsicht also erkennen: ,Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Ich'.

32

DIE ANATTA-LEHRE

Unser sogenanntes individuelles Dasein ist, ebenso wie die gesamte Welt, nichts weiter als ein bloßer Prozeß dieser in den fünf Daseinsgruppen zusammengefaßten, sich unaufhörlich verändernden geistigen und körperlichen Vorgänge. Dieser Prozess war bereits für unermeßliche Zeiten vor dieser unserer augenfälligen Geburt im Gange und wird sich auch nach dem Tode für unermeßliche Zeiten fortsetzen. Die vorhergehenden Texte haben gezeigt, daß diese fünf Daseinsgruppen weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit eine wirkliche, in sich bestehende Ich-Einheit (attā) bilden und daß auch außerhalb dieser Gruppen keinerlei Ichheit oder Wesenheit als deren Besitzer zu finden ist. Der Glaube an eine wirkliche und beharrende Ichheit, Persönlichkeit oder an eine "ewige Seele" muß daher angesichts der ausnahmslosen Veränderlichkeit und Bedingtheit alles Geschehens als eine bloße Illusion gelten.

Gerade wie das, was wir als ,Wagen' bezeichnen, unabhängig von Achsen, Rädern, Deichsel usw. kein Dasein hat; oder wie ,Haus' bloß ein konventioneller Ausdruck (vohāra-vacana) ist für Baumaterialien, die auf eine gewisse Weise zusammengefügt einen Raum ergeben, aber das Haus unabhängig von diesen Dingen nicht da ist: genau so ist das, was wir in konventioneller Weise als ,Wesen, bezeichnen, als Individuum, Person, Ich usw. in Wirklichkeit (paramatthena) bloß ein beständig wechselnder Prozeß geistiger und körperlicher Phänomene und hat an sich keinerlei Existenz.

Dies ist die berühmte Anatta- oder Nicht-ich-Lehre des Buddha, d. i. die Lehre von der Unpersönlichkeit und Substanzlosigkeit alles Geschehens. Es ist dies die Kernlehre des ganzen Buddhismus, die für das wahre Verständnis und damit auch für die Verwirklichung der Buddha-Lehre unerläßlich ist. Die Anattā-Lehre ist das notwendige Ergebnis der in der Lehre von den Daseinsgruppen (khandha) vollzogenen gründlichen Analyse der Wirklichkeit, die mit den hier gegebenen Texten nur angedeutet werden konnte. Die Anatta-Lehre schließt nicht nur den Gedanken des ,Ich', Sondern auch den des ,Mein' aus; d. h. sie besagt, daß die Daseinsgruppen weder ein Selbst bilden (anattā), noch einem außerhalb ihrer vorgestellten Selbst angehören (anattaniya).

Über die Khandha-Lehre vgl. Vis. XIV und B.Wtb.

33

S.22.95

Angenommen ein Mann mit Sehvermögen betrachte sich die vielen Wasserblasen auf dem Ganges, und er beobachte und untersuche sie gründlich; nachdem er dies aber getan habe, erschienen ihm diese leer, unwirklich und wesenlos. In derselben Weise betrachtet der Mönch alles Körperliche, alle Gefühle, alle Wahrnehmungen, alle Geistformationen, alles Bewußtsein, ob vergangen, gegenwärtig oder zukünftig, eigen oder fremd, grob oder fein, gemein oder erhaben, fern oder nahe; und er erkennt alle diese Dinge als leer, nichtig und wesenslos.

Dem Schaumball gleichet dieser Leib,
Der Wasserblase das Gefühl,
Wahrnehmung ist dem Luftbild gleich,
Die Geistgebilde dem Bananenstamm,
Bewußtsein aber ist wie Gaukelwerk.

 

S.22.29

Wer sich, ihr Jünger, des Körperlichen erfreut oder der Gefühle, der Wahrnehmungen, der Geistformationen oder des Bewußtseins, der erfreut sich des Leidens; und wer sich des Leidens erfreut, der wird von, Leiden nicht erlöst.

 

Dhp. 146, 147, 149

Was soll das Lachen, was die Lust,
Wo alles ständig brennt und flammt?
In Finsternis seid ihr gehüllt!
Warum sucht ihr nicht nach dem Licht?

 

Schaut diesen Balg schön aufgeputzt,
Den Leib voll Löcher, wohl gefügt,
Den siechen, wunschesschwangeren,
Der Dauer und Bestand nicht hat.

 

Wer diese grauen Knochen sieht,
Die man dort hingeworfen hat,
Den Kürbissen zur Herbstzeit gleich,
Wie kann wohl der noch Lust verspür'n?

 

34

A.III.35

Drei Himmelsboten

Sahest du, o Mensch, nicht unter den Menschen den ersten Himmelsboten erscheinen? Sahest du nie eine Frau oder einen Mann von 80, 90 oder 100 Jahren, abgelebt, gekrümmt wie Dachsparren, gebückt, auf eine Krücke gestützt, schlotternden Ganges dahinschleichend, siech, mit verwelkter Jugend, mit abgebrochenen Zähnen und ergrauten Haaren, oder kahl, mit wackelndem Kopfe, voller Runzeln, die Glieder mit Flecken bedeckt? Und dachtest du da nicht, o Mensch, der du Verstand besitzest und alt genug bist: ,Auch ich bin dem Alter unterworfen, kann dem Alter nicht entgehen. So laß mich denn Gutes tun in Werken, Worten und Gedanken'? O Mensch, aus Leichtsinn hast du weder in Werken, Worten, noch Gedanken Gutes getan.

Wahrlich, o Mensch, jene böse Tat wurde weder von deiner Mutter getan, noch von deinem Vater, deinem Bruder, deiner Schwester, noch von deinen Freunden und Genossen, deinen Vettern und Blutsverwandten, noch von Geistern, Asketen oder Priestern. Du allein hast jene böse Tat begangen, du allein sollst deren Frucht erfahren.

Sahest du, O Mensch, nicht unter den Menschen den zweiten Himmelsboten erscheinen? Sahest du nie unter den Menschen eine Frau oder einen Mann, krank, elend, schwer leidend, sich im eigenen Kot und Urin umher wälzend, der von anderen aufgerichtet, von anderen niedergelegt werden muß? Und dachtest du da nicht, O Mensch, der du Verstand besitzest und alt genug bist: ,Auch ich bin der Krankheit unterworfen, kann der Krankheit nicht entgehen. So laß mich denn Gutes tun in Werken, Worten und Gedanken'? . . .

Sahest du, o Mensch, nicht unter den Menschen den dritten Himmelsboten erscheinen? Sahest du nie unter den Menschen eine Frau oder einen Mann, einen oder zwei oder drei Tage nach dem Tode, aufgeschwollen, blau verfärbt, mit Eiter bedeckt? Und dachtest du da nicht, o Mensch, der du Verstand besitzest und alt genug bist: ,Auch ich bin dem Tode unterworfen, kann dem Tode nicht entgehen. So laß mich denn Gutes tun in Werken, Worten und Gedanken'? O Mensch, aus Leichtsinn hast du weder in Werken, Worten noch Gedanken Gutes getan. Wahrlich, o Mensch, jene böse Tat wurde weder von deiner Mutter getan, noch von deinem Vater, deinem Bruder, deiner Schwester, noch von deinen Freunden und Genossen, deinen Vettern und Blutsverwandten, noch von Geistern, Asketen oder Priestern. Du allein hast jene böse Tat begangen, du allein sollst deren Frucht erfahren.

 

Obige drei Himmelsboten (deva-dúta) findet man in den buddhistischen Ländern vielfach bildlich dargestellt. In Majjhima-Nikaya 130 finden sich neben diesen dreien noch zwei weitere, nämlich Geburt und Bestrafung von Übeltätern.

35

S.15.3

SAMSARA

Unausdenkbar ist ein Anfang dieser Daseinsrunde, nicht zu entdecken ist ein Beginn der von Unwissenheit gehemmten und von Begehren gefesselten Wesen, die immer wieder den Samsāra durcheilen, den Samsāra durchwandern. Was glaubt ihr, o Jünger, was ist wohl mehr: der Tränenstrom, den ihr auf dieser langen Daseinsrunde, mit Unerwünschtem vereint und von Erwünschtem getrennt, klagend und weinend vergossen habt oder das Wasser der vier Weltmeere? Lange Zeit hindurch habt ihr den Tod von Vater und Mutter, Sohn und Tochter erfahren, den Verlust von Verwandten und Schätzen, das Unglück der Krankheit. Und dabei habt ihr mehr Tränen vergossen, als sich Wasser in den vier Weltmeeren befindet. So habt ihr denn lange Zeiten hindurch Leiden erfahren, Qualen erfahren, das Unglück der Krankheit erfahren und das Leichenfeld vergrößert, wahrlich genug, um sich von allen Daseinsgebilden abzuwenden, loszulösen und zu befreien!

 

Samsāra, wtl. ,wiederholtes Wandern', Daseinswanderung" Daseinsrunde, ist die Bezeichnung für das ewig rastlose, auf- und abwogende Meer des Daseins, das Abbild des unaufhörlichen Prozesses des immer und immer wieder Geborenwerdens, Alterns, Leidens und Sterbens. Genauer gesagt. Samsāra ist die ununterbrochene Kette der von Augenblick zu Augenblick beständig wechselnden, durch unabsehbare Zeiten hindurch sich aneinander reihenden fünf Daseinsgruppen, worin eine einzelne sogenannte Lebensdauer nur einen verschwindend kleinen Bruchteil ausmacht. Um die erste Wahrheit wirklich zu verstehen, hat man also seinen Blick auf den Samsāra zu richten und nicht etwa bloß auf einen kleinen Bruchteil desselben, denn dieser mag als einzelne Erscheinung in der Tat weniger leidvoll sein.

Die erste Wahrheit bezieht sich nicht etwa bloß auf das aktuelle Leiden, d. h. das Leiden als körperliches oder geistiges Schmerzgefühl, sondern lehrt, daß infolge des universalen Gesetzes der Vergänglichkeit alle Dinge, selber die höchsten Glückszustände, dem Wechsel und Untergang unterworfen, also elend, unzulänglich und unbefriedigend sind und ohne Ausnahme den Keim des Leidens in sich tragen.


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