SUTTA-NIPĀTA, Lehr-Dichtungen

I.2. Dhaniya (Dhaniya Sutta)

 

18

DHANIYA, der Herdenbesitzer
Bereitet ist mein Reis, gemolken ist die Milch,
Am Mahi-Ufer wohne ich gesellt den Meinen,
Die Hütte ist gedeckt, das Feuer brennt;
Wohlan, o Wolke, regne, wenn du willst!

 


Dhaniya, d.i. der Reiche, war, lt. K, ein wohlhabender Herdenbesitzer. K schildert anschaulich das Milieu unserer Sutte:

"Rinderhirten haben keinen festen Wohnsitz.

In den vier Monaten der Regenzeit leben sie auf höher gelegenen Plätzen, in den übrigen acht Monaten des Jahres dort, wo sich reichlich Gras und Wasser findet, nämlich an Fluß- oder See-Ufern.

Auch Dhaniya hatte kurz vor der Regenzeit seinen Wohnplatz verlassen. Einen geeigneten Platz für die Herde suchend kam er zu einer Stelle, wo sich der Fluß, die Große Mahi, gabelt. Der eine Fluß-Arm hat den Namen Schwarze Mahi, der andere heißt weiter Große Mahi. Diese beiden Fluß-Arme vereinigen sich wieder in der Nähe des Meeres und bilden so in der Mitte eine Insel. Auf dieser Insel errichtete Dhaniya Stallungen für die Herde, für sich ein Haus und nahm dort Wohnung. Sieben Söhne besaß er, sieben Töchter, sieben Schwiegertöchter und vieles Dienstvolk.

Hirten nun verstehen sich auf die Vorzeichen, welche Regen ankünden: Wenn z.B. die Vögel ihre Nester hoch auf den Baumwipfeln bauen, die Krabben ihre Löcher in Wassernähe verschließen und solche in höher gelegenem Land aufsuchen, dann entnehmen die Hirten daraus, daß der kommende Regen stark sein wird. Wenn aber die Vögel ihre Nester am Wasser entlang an niedrig gelegenen Plätzen bauen, wenn die Krabben ihre höher gelegenen Löcher verschließen und solche in Wassernähe beziehen, dann entnehmen die Hirten daraus, daß nur schwacher Regen kommen wird.

Dhaniya hatte nun die Vorzeichen für einen starken Regenfall beobachtet, und als die Regenzeit näher rückte, verließ er die Insel.

Am anderen Ufer der Großen Mahi, auf einem Platz, der auch bei einem siebenmal sieben Tage währenden Regen nicht überflutet wird, dort errichtete er für sich eine Wohnstätte, sowie für das Vieh rings umzäunte Stallungen und übersiedelte dorthin. Und bald, nachdem Futtergras und Brennholz aufgestapelt war - alle Familienangehörigen, Diener und Arbeiter hatten dabei geholfen - und nachdem ein Vorrat an Lebensmitteln bereitgestellt war, da erschienen in allen vier Richtungen des Horizontes die Regenwolken. Nachdem alle Arbeiten verrichtet waren: die Kühe gemolken, das Vieh in den Ställen festgebunden, ringsum schwelende Schutzfeuer angezündet waren, nachdem all das Volk Dhaniyas gegessen hatte, nahm auch er selbst Reis und Milch zu sich. Auf hohem Lager sitzend blickt er nun auf seinen Wohlstand. Das Grollen des Donners hörend lehnt er sich zufriedenen Gemütes zurück und ruft aus: 'Bereitet ist mein Reis . . .'"


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DER ERHABENE *
Geschwunden ist mein Zorn, bin schlackenfrei**,
Am Mahi-Ufer wohn' ich eine Nacht,
Die Hütte** hat kein Dach, das Feuer ist gestillt
Wohlan, o Wolke, regne, wenn du willst!

* Der Buddha antwortet mit Wortspielen, auf deren Wiedergabe verzichtet wurde, um die Wörtlichkeit der Übersetzung zu wahren z.B.: Dhaniya: pakk'odano 'gekochter Reis'; Der Buddha: akkhodano 'zornlos'. K: "Die Gegenstrophe ist den Silben nach ähnlich, doch nicht dem Sinne nach. Dem Sinne nach kommen diese und die folgenden Begriffe so wenig zusammen wie die beiden Ufer des Meeres."


** Schlackenfrei (vigata-khilo)

Khila ist die Unfruchtbarkeit und Brache des Bodens, bei der, wie K sagt, "auch wenn es vier Monate regnet, das Korn nicht wächst." Im übertragenen Sinne ist es der Mangel an spiritueller Empfänglichkeit oder menschlicher Aufgeschlossenheit, die Trägheit des Herzens und Dürre des Geistes, die geistige Verhärtung, die Unwilligkeit und Unfähigkeit zu spiritueller Übung.

K: "Selbst wenn Regen da ist, d.h. Bedingungen für das Gute, wie das Hören der Lehre, so kann (im Zustand von khila) das Gute doch nicht wachsen." Im Kommentar zu Majjh. 16 wird ceto-khila erklärt als die Verhärtung des Geistes, seine Kehricht-Natur (d. i.: Verunreinigung) und Baumstumpf-Natur (d.i.: obstruktive Verholzung (cittassa thaddhabhāvā kacavarabhāvā khānukabhāvā). Als Übersetzung wurde daher das verwandte Bild der Verschlackung gewählt. -

Vgl. Ceto-khila-sutta, Majjh. 16; ferner Angutt.Nik., Fünfer-Buch No. 205-206.


** Hütte bezeichnet, lt. K, die Persönlichkeit. Diese 'Hütte' des Erhabenen liegt 'offen', insofern sie nicht bedeckt ist von den Befleckungen, wie Begehren, Dünkel, Ansichten usw. Gerade deswegen, sagt K, könne der Regen von Gier, Haß und Wahn nicht eindringen.


 

20 DHANIYA

Stechfliegen, Mücken sind hier nicht zu finden,
Die Rinder weiden auf dem frischen Wiesengras
Wenn Regen kommt, sie können ihn ertragen:
Wohlan, o Wolke, regne, wenn du willst!

 

21 DER ERHABENE

Gebunden war das Floß, war wohl gefügt*,
Flutüberwindend kam ich hin zum Anderen Ufer.
Da dies erreicht, tut nun kein Floß mehr not**.
Wohlan, o Wolke, regne, wenn du willst!

* Laut K sieht der Buddha vor dem Hause Dhaniyas das Floß liegen, das dieser für die Fahrt von der Insel zum Festland benutzt hatte.

K umschreibt den Sinn dieses Verses wie folgt:

"Du hast dir ein Floß gebunden, o Dhaniya, hast die Mahi gekreuzt und bist nun zu diesem Platz gekommen. Doch wieder wirst du ein Floß zu binden und einen Fluß zu kreuzen haben, denn dieser Platz bietet keine Sicherheit.

Ich aber habe, in einem einzigen Gedanken (nämlich dem der Erleuchtung) die Pfad-Glieder zusammenfassend, mir ein Floß gebunden mit dem Band der Erkenntnis.

Weil die dieses (geistige) Floß bildenden 37 'zur Erleuchtung führenden Dinge' (bodhipakkhiyadhamma) infolge ihrer einheitlichen Richtung und ihres Aufeinander-Abgestimmtseins zur Vollendung gekommen sind, darum bedarf es nicht mehr der Anstrengung einer wiederholten Bindung des Floßes und darum kann diese Bindung auch von niemandem, sei es Gott oder Mensch, gelöst werden. Insofern ist dieses mein Floß 'wohl gefügt'."


** Tut nun kein Floß mehr not. Vgl. Majjh. 22; "Als Floß, ihr Mönche, will ich euch die Lehre weisen: zum Entrinnen tauglich, nicht zum Festhalten."


 

22 DHANIYA

Mein Weib ist fügsam und voll Züchten (alolo),
Seit langer Zeit mir teuere Gefährtin.
Nicht irgend Schlechtes höre ich von ihr:
Wohlan, o Wolke, regne, wenn du willst!

 

23 DER ERHABENE

Mein Geist ist fügsam, er ist ganz befreit,
Seit langer Zeit durchaus entfaltet und bezähmt.
Nicht irgend Schlechtes findet sich in mir:
Wohlan, o Wolke, regne, wenn du willst!

 

24 DHANIYA

Der Lohn aus eigner Arbeit fristet mir das Leben.
Die Söhne, bei mir lebend, sind gesund.
Nicht irgend Schlechtes höre ich von ihnen:
Wohlan, o Wolke, regne, wenn du willst!

 

25 DER ERHABENE

Kein Löhnling bin ich irgend wem.
Von dem Erdienten lebend zieh ich durch die Welt.
Da dies erreicht, tut nun kein Lohndienst not*:
Wohlan, o Wolke, regne, wenn du willst!

 


* K: "Seit ich zu Füßen des Buddhas der Vorzeit, Dipankara den Entschluß zur Erlangung der Buddhaschaft faßte, bis zu meiner völligen Erleuchtung, so lange 'diente' ich noch um die Allwissenheit. Seit sie aber erreicht ist, lebe ich in eben diesem 'erworbenen' Zustand der Allwissenheit und im Glück überweltlicher Sammlung. Der ich nichts mehr darüber hinaus zu erwirken habe, der ich ungleich solchen, die der Wiedergeburt noch nicht entronnen sind, nichts mehr zu erreichen habe, - für mich 'tut nun kein Lohndienst not'."


 

26 DHANIYA

Ich habe Rinder, Kälber, die noch saugen,
Und trächtige Kühe, Zuchtvieh auch.
Ein Stier ist da, der Herr der Herde:
Wohlan, o Wolke, regne, wenn du willst!

 

27 DER ERHABENE

Nicht hab ich Rinder oder Kälber, die noch saugen,
Nicht trächtige Kühe und kein Zuchtvieh auch.
Kein Stier ist da, der Herr der Herde:
Wohlan, o Wolke, regne, wenn du willst!

 

28 DHANIYA

Eingetrieben, unbeweglich, sind die Pfähle,
Aus Munja-Gras sind neue Stricke fest geflochten.
Nicht werden Kälber sie zerreißen können:
Wohlan, o Wolke, regne, wenn du willst!

 

29 DER ERHABENE

Gleichwie ein Stier, der seine Bande sprengt,
Dem Elefanten gleich, der Schlinggewächs durchbricht,
Geh' nie mehr in den Mutterschoß ich ein:
Wohlan, o Wolke, regne, wenn du willst!

 

30

Niederung und Höhen überflutend,
Barst alsbald aus großer Wolke Regen.
Hörend, wie des Himmels Regen strömte,
Sprach nun Dhaniya dieses Wort:

 

31 (DHANIYA)

Gar hoher Segen wurde uns zuteil,
Die wir erblicken durften den Erhabenen!
Zu Dir, o Klargeäugter, nehmen wir die Zuflucht!
Sei Du der Meister uns, o großer Muni!

 

32

Mein Weib und ich, wir wollen treu ergeben
Bei dem Gesegneten den Reinen Wandel führen!
Zum Jenseits gehend von Geburt und Tod,
Ein Ende machen wollen wir dem Leid!

 

33 MARA, der Böse

(Laut K erscheint nun Māra, um die beiden vom Gang in die Hauslosigkeit abzuhalten.)

Es freut an seinen Kindern sich, wem Kinder eigen.
Der Herden-Eigner auch freut sich an seinen Kühen.
Denn, wahrlich, Lebensstützen* sind des Menschen Freude!
Der hat nicht Freude, wer der Lebensstützen ledig!

* Lebens-Stützen (upadhi). In diesem von Māra gesprochenen Vers bedeutet es: Lebensnotwendigkeiten, Besitz u.ä.; im folgenden Vers hat es die philosophische Bedeutung 'Daseins-Substrat'. Vgl. Sn v. 364; Sn v.728.


 

34 DER ERHABENE

Es sorgt um seine Kinder der, dem Kinder eigen.
Der Herden-Eigner auch, er sorgt um seine Kühe.
Denn, wahrlich, Lebensstützen sind des Menschen Sorge
Der hat nicht Sorge, wer der Lebensstützen ledig!

 


Diese beiden letzten Verse finden sich auch in Samyutta-Nikāya 1.12 und S.4.8.

In der letztgenannten Stelle wird der Vers, ebenso wie hier, von Māra gesprochen, in der erstgenannten von einer Gottheit.

K. E. Neumann allerdings schreibt beide Verse dem Buddha zu und gibt ihnen die Bedeutung, daß der Heilige über Freude und Trauer steht.

Dies wäre dann im Sinne der in der Anm. zu Sn v. 950 zitierten Textstelle. Die Einführung Māras erscheint allerdings entbehrlich, und man braucht den späteren Textredaktoren, die für die Zuweisung der einzelnen Verse verantwortlich sind, gewiß nicht blindes Vertrauen zu schenken.

Andererseits aber ist es nicht angängig, daß sich der Übersetzer, wie es K. E. N. tut, über die überlieferte Text-Gestaltung oder -Anordnung hinwegsetzt und an deren Stelle seine eigenen, wenn auch noch so plausiblen Vermutungen substituiert. -

Es mag recht wohl sein, daß diese beiden Verse 33 und 34 spätere, aus dem Samyutta oder dessen Quelle, entnommene Anfügung sind, wobei vielleicht der in ihnen erwähnte Herden-Eigner die Anknüpfung an unseren Herdenbesitzer Dhaniya bildete. Auch ohne diese beiden Verse würde die Sutte einen befriedigenden Abschluß haben.


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