Lt. K hat der Buddha diese Sutte gesprochen, als zwischen den Sakyern und Kolyern ein Kampf um eine Wasserstelle auszubrechen drohte. Zwischen den beiden Heeren stehend, trug der Buddha diese Sutte vor und stiftete dadurch Frieden.
Zeile a. - Gewalt zeugt Schrecken. Attadandā, wtl.: aus der ergriffenen Waffe, d.h. durch Gewaltanwendung; oder: von einem, der zur Gewalt gegriffen hat. Atta bedeutet hier wiederum 'aufgenommen', 'ergriffen' (s. 787 Anm.) und nicht etwa 'selbst'. Danda bedeutet: Stock, Waffe, Gewalt, Macht; Strafe; Szepter (als Zeichen der Herrscher- und Strafgewalt). - Jāyati bhayam (entsteht Schrecken); bhaya bedeutet subjektiv 'Furcht', objektiv 'Gefahr'. Um beide hier sinngemäß zutreffenden Nuancen einzuschließen, wurde mit 'Schrecken' übersetzt.
K folgt hier MNidd, wo danda als der dreifach schlechte Lebenswandel (duccarita) in Taten, Worten und Gedanken erklärt wird. Dies wiederum mag zurückgehen auf den jainistischen Gebrauch von danda als Bezeichnung des dreifachen Wirkens (Karma); s. Majjh.-Nik. 56 "Upāli", wo K. E. N. diesen Begriff mit 'Streich' wiedergibt. K: "Furcht oder Gefahr entsteht aus der Ursache des eigenen schlechten Lebenswandels" (attano duccarita-kāranā). K nimmt also atta (entgegen besserem Wissen; s. unten) als 'selbst'. K. E. N. faßt attadando offenbar auf als "einen, der sich selbst züchtigt" und übersetzt "Selbstqual", es als Synonym für attantapo (Selbstquäler), nehmend.
Es besteht aber kein Zweifel, daß unsere obige Auffassung zutrifft und attadanda ein Synonym ist für ādinna-danda ādinnasattha in Vinaya I, 349 (PTS), d.h. aufgenommener Stock, aufgenommenes Schwert. Es bildet den Gegensatz zu dem in den Texten sehr häufig vorkommenden Ausdruck nidhāya dandam (z.B. vv. 35, 394, 629; 'abstehend von Gewalt' u. ähnl.), wtl.: die Waffe niedergelegt habend (also die buddhistische Entsprechung der modernen Friedensparole "Die Waffen nieder!"). In vv. 629/630 (= Dhammapada 405/406) finden sich diese beiden Begriffe in ausdrücklicher Gegenüberstellung, und hier, zu v. 630, erklärt K attadanda richtig als hatthagate dande vā satthe vā, avijjamāne pi paresam pahāradānato, d.i.: "mit in die Hand genommenem Stock oder Schwert, oder in Ermanglung dieser, dadurch, daß man den anderen Schläge versetzt ..."
Im Sanskrit hat unser Begriff, āttadanda, vor allem die Bedeutung 'das ergriffene Königs-Szepter', d.h. die ausgeübte Herrscher- und Strafgewalt, umschrieben mit grhīta-rājadandas; oder, auf die Person bezogen: rājadandadhārin, d.h. einer, der das Königs-Szepter trägt. Diese Bedeutung war zweifellos auch im Pali bekannt (wenn sie auch, u. W., nicht im Kanon belegt ist). Wir dürfen es daher für möglich halten, daß der Buddha selber diese Bedeutung mitgedacht hatte, als er jene Worte sprach und daß sie ihn an das von ihm ausgeschlagene 'Ergreifen des Königs-Szepters' erinnerten. Man möge versuchen, auch die unmittelbar folgenden Verse in diesem Sinne zu lesen, d.h. sie auf des Buddha eigene Erfahrung, auf die er ja auch hindeutet, zu beziehen.
Zeile b. - Empfunden ward von mir; K: als ein Bodhisatta.
936
Zeile a. - MNidd: Denn, wenn das Wasser knapp ist, müssen die Fische befürchten, von Vögeln angegriffen und verzehrt zu werden.
All ihre Teile sind durchzittert von Bewegung (sabbe disā sameritā); wtl.: "alle Himmelsrichtungen sind in Bewegung, im Erzittern oder in Vibration". MNidd: "Was es da in östlicher, westlicher usw. Richtung an Gebilden gibt, diese sind in ständiger Bewegung (erita), in starker Bewegung (samerita), im Zittern, in Vibration (calita); sie sind geschlagen mit Vergänglichkeit, ausgeliefert der Geburt, zersetzt von Alter, überwältigt von Krankheit, besiegt vom Tode, gegründet in Leiden; sie sind ohne Schutz, ohne Obdach, ohne Zuflucht, zufluchtlos."
Heimstatt (bhavanam); MNidd: Schutz, Obdach, Zuflucht.
Unbewohnt (anositam); MNidd umschreibt mit anajjhositam (unbegehrt). Wie sich die Fische des Gleichnisses nach dem wenigen Wasser drängen, es sich streitig machen, so gibt es keinen Fleck in dieser Welt, den sich die Wesen nicht streitig machen, der nicht 'bewohnt' ist von ihrem Begehren. - MNidd: "Mit aller Jugend 'wohnt' (ositam) Alter; mit aller Gesuncheit 'wohnt' Krankheit; mit allem Leben 'wohnt' Tod- mit allem Gewinn 'wohnt' Verlust; mit allem Ruhm 'wohnt' Schande, mit allem Lob 'wohnt' Tadel, mit allem Glück 'wohnt' Leid."
In Bedrängnis (byāruddhe; wie in v. 936b); MNidd: "Die Jugend wünschenden Wesen sind durch Alter bedrängt (oder gehemmt; pativiruddha) . . . (entsprechend fortzusetzen mit den obigen Begriffen.)
Zeile b. - MNidd: "Man versinkt nicht in die vier Fluten (ogha), nämlich die Sinnlichkeits-Flut, die Daseins-Flut, die Ansichten-Flut, die Nichtwissens-Flut"
940 NUN FOLGEN DIE VERSE DER SCHULUNG:
Zeile a. - Nun folgen die Verse der Schulung (tattha sikkh'ānugiyanti); wtl.: "nun werden die 'Schulungen' rezitiert. - Diese im Versmaß überzähligen Worte wurden, Chalmers folgend, aufgefaßt als eine Einfügung der alten Text-Redaktoren, kennzeichnend den inhaltlich deutlich unterschiedenen zweiten Teil der Sutte, der sich mit der 'Schulung zum Nibbāna hin' (s. Zeile c) befaßt. MNidd und K beziehen allerdings diese Worte in den Text selber ein; hiernach wäre zu übersetzen:
941
Zeile d. - Dess' Geist nach dem Nibbāna hingewandt. Siehe Anhang A. 4.
943
Zeile d. - Begehrlichkeit (ākāsam; accus. neutri); in MNidd und K als 'Begehren' (tanhā) erklärt. Es hängt nicht, wie K annimmt, mit ākāso (masc.) (der Raum) zusammen, sondern entspricht dem Sanskrit-Wort ākarsa (das Heranziehen, die Anziehung). MNidd gebraucht daher in der folgenden Stelle das entsprechende Pali-Verb ākassati; ākāsam erscheint dort deutlich als ein Netrum. - MNidd. "weil man durch sein Begehren die Körperlichkeit, Gefühl usw., eine Wiedergeburt usw. heranzieht (ākassati), nahe heranzieht (samākassati), sie ergreift, daher wird 'Begehren' als ākāsam (das Heranziehen) bezeichnet."
Dies Gieren (gedham); K: d.i. die (in v. 944) 'ākāsa' genannte Begehrlichkeit.
Flut; K: "weil die Gier den Menschen mit sich fortreißt."
Ansaugen; in MNidd und vielen Textausgaben: ācamam das gewöhnlich, auch im Skr. 'Schlürfen' (d.i. Ansaugen mit dem Munde) bedeutet; PTS-Dict.: absorption, resorption. K liest hier ājavam (das Hineilen) (vielleicht 'die Stromschnelle'?).
Haltsuchen; das Textwort ;ārammanam ist hier lt. MNidd ein Accus. vom femininum ārammanā (der Anhalt); gleichfalls als 'Begehren' (tanhā) erklärt, weil es, lt. K, 'schwer loszulassen ist'.
Verlangen (pakappanam; so in MNidd und vielen Ausg.); gleichfalls als Begehren erklärt; siehe pakappita (Wunschgedanken) in v. 902. K liest (pa?) kampanam (Erzittern).
946
Von allem sich entäußert. MNidd: ",Alles' sind die zwölf Sinnen-Grundlagen: das Auge und die Sehobjekte usw. Wenn bei diesen inneren und äußeren Sinnen-Grundlagen die Willensgier aufgegeben, mit der Wurzel entrodet ist . . .. aufgegeben."
947
948
Was früher war, das trockne aus (visosehi; so in MNidd; eine häufige und alte Lesart ist auch visodhehi, 'reinige'); MNidd: "Diejenigen Leidenschaften, welche auf Grund vergangener Gestaltungen auftreten möchten, die trockne aus (sukkhāpehi), gib auf und vernichte. Eine andere Erklärung: Diejenigen Karma-Gestaltungen, deren Karma-Ergebnis (vipāka) noch nicht gereift ist, trockne aus, (indem du ihre) Keimraft beseitigst (abājam karohi, wtl: mache heimlos) (und sie dadurch) aufgibst und vernichtest."
Nicht sei dir künftig irgendwas (pacchā te m'āhu kiñcanam); vgl. v. 645. MNidd: "Was dir im Hinblick auf künftige Gestaltungen an 'Etwasheiten' (kiñcanāni, Weltlichkeiten) aufsteigen könnte, wie denen der Gier, des Hasses, der Verblendung, des Dünkels, der Ansichten, der Leidenschaften, des schlechten Lebenswandels, diese mögen dir nicht sein, mögen sich bei dir nicht zeigen, sie mögest du nicht erzeugen, und (in diesem Sinne) sollst du sie aufgeben und vernichten."
Wenn in der Mitte du nicht greifen wirst; MNidd: "Wenn du die gegenwärtigen körperlichen Vorgänge, Gefühle, Wahrnehmungen usw., die gegenwärtigen Gebilde nicht mittels Begehren oder falscher Ansichten aufgreifen, dich nicht an sie klammern, dich nicht an ihnen ergötzen wirst . . ."
MNidd: "Für wen es kein Greifen nach und kein Hangen an irgendwelcher Körperlichkeit, irgendwelchem Gefühl usw. gibt, derart: 'Dies gehört mir; dies gehört anderen', - für einen solchen gibt es keinen Verlust.
Es heißt (in Samyutta-Nik., 2, 18): ",Freust du dich, o Asket?' - 'Was ist gewonnen, Bruder?' - 'So trauerst du denn, o Asket?' - 'Was ist verloren, Bruder?' - 'Dann freust du dich also nicht, noch trauerst du, o Asket?' - 'So ist es, Bruder.'"
951
Hierzu bringt MNidd unter anderen Zitaten die folgenden Verse:
Die ersten fünf Zeilen stammen aus Theragatha vv. 716-719; der Schluß lautet jedoch dort abweichend: mamattam so asamvindam natthi me'ti na socati, d.i. genau so wie die letzte Zeile in unserem Vers 950.
Zum Gleichnis vom Gras und Reisig siehe Majjh. 22 und S.22.33 und S.35.101.
952
Zeile b. - Einzugreifen (viyārambha); vgl. ārambha in v. 744 m Anm.; die Vorsilbe vi hat verstärkenden Sinn. K: "die mannigfache auf verdienstliches usw. Wirken gerichtete Anstrengung" (vi-vidhā . . . ārambhā). MNidd gibt die gleiche Erklärung wie für nisankhiti (s. vorher).
Der sieht sich überall in Sicherheit (khemam passati sabbadhi); oder: der sieht den Frieden überall. MNidd: "Wenn (durch Abstehen vom karmischen Eingreifen) die gefahr- und furchtschaffenden Dinge (bhaya-kara), wie Gier, Haß, Verblendung usw. aufgegeben sind, so sieht man überall Sicherheit, Furcht-Freiheit (abhayam) und Ruhe."
". . . Von einem solchen (d.i. heiligen) Mönch heißt es: Weder löst er auf, noch häuft er an; in beendetem Auflösen verharrt er. Weder gibt er auf, noch ergreift er, in beendetem Aufgeben verharrt er (neva pajahati na upādiyati; pajahitvā thito). Weder stößt er ab, noch ist er zugeneigt . . . Weder bringt er zum Verlöschen, noch bringt er zum Brennen . . . Und was gibt er weder auf, noch ergreift er es? Körperlichkeit, Gefühl usw." - Der Sinn hiervon soll natürlich nicht bloß die Feststellung der Selbstverständlichkeit sein: daß, wer schon aufgegeben hat, nicht nochmals aufzugeben braucht, sondern es soll offenbar auch hier der übergegensätzliche Charakter der ariyabhūmi, der 'Stätte der Heiligen' angedeutet werden, von dem das Sutta-Nipāta so häufig und nachdrücklich spricht.