SUTTA-NIPĀTA, Lehr-Dichtungen
IV.10. Vor dem Zerfall (Purābheda-Sutta)
848 (DER FRAGENDE)
- Wie soll man denken und wie leben,
- Daß man als 'friedvoll-heilig' gelten kann?
- Solch' höchsten Menschen, Gotama,
- O künde ihn, von mir befragt!
849 DER ERHABENE
- Vor dem Zerfall (des Körpers) schon begehrensfrei,
- Hängt nicht sein Geist an dem, was früher war.
- Unergründlich in der Mitte (dieser Gegenwart),
- Kennt nicht Erwartung er (und Zukunftswünsche).
Zeile a. - Vor dem Zerfall (des Körpers; purā bhedā);
Zusatz in Klammern lt. MNidd. Diese Anfangsworte bilden den Titel der Sutte.
Zeile d. - Dies ist eine sinngemäße Umschreibung von tassa natthi
purekkhatam, "für den kein (geistiges) Vorwegnehmen (der Zukunft) besteht."
Vgl. 844c: apurekkharāno. MNidd
erklärt es wie dort als die Erwartungen und Wünsche hinsichtlich der Zukunft und
Wiedergeburt.
850
- Wer zornlos, ohne Furcht und Prahlsucht, ruhigen Gewissens,
- Besonnen sprechend, unerregt, - er ist ein Muni, der im Wort gezügelt.
851
- Nicht hängt er an die Zukunft sich, und der Vergangenheit klagt er nicht
nach.
- Im Sinnen-Eindruck dessen Leerheit schauend,
- läßt er von Ansicht sich nicht mehr verleiten.
Im Sinnen-Eindruck dessen Leerheit schauend (vivekadassī
phassesu). MNidd: "Die Sinnen-Eindrücke sind 'abgesondert' (im Sinne von
suññā, 'leer') von einem Ich und einem Ich Angehörigen, von etwas
Beständigem, Ewigem, Unveränderlichem. Die vergangenen Eindrücke sind
'abgesondert' von den gegenwärtigen und künftigen usw. Die Sinnen-Eindrücke des
Heiligen sind 'abgesondert' (frei) von Gier, Haß und Wahn."
852
- Abgelöst und ohne Trug, von Habsucht frei und ohne Neid,
- Bescheiden, unanstößig lebt er, Verleumdung sprechen wird' er nicht.
853
- Nicht ist er zugetan den angenehmen Dingen,
- von Überheblichkeit hält er sich frei.
- Milde ist er, scharf ist seine Einsicht;
- nicht ist er gläubig, und er hegt nicht Abscheu.
Den angenehmen Dingen, d.h. den erwünschten fünf
Sinnen-Objekten.
Nicht ist er gläubig (asaddho); MNidd zitiert hierzu
Dhammapada v. 97, Samyutta-Nikāya V, p. 220 (PTS)
und erklärt: "In der von ihm selber erkannten, persönlich erfahrenen Lehre
vertraut er keinem, weder einem anderen Asketen oder Brahmanen, noch einem
Götterwesen, Māra oder Brahma."
Hegt nicht Abscheu (na virajjati); vgl.
v. 795 m. Anm.,
813 m. Anm. - K: "Zwecks Vernichtung der
Gier bestand Abscheu, jetzt aber (als Heiliger) fühlt er keinen Abscheu."
854
- Nicht weil er Gaben wünscht, pflegt er die Übung,
- wird nicht verdrossen, wenn er nichts erhält.
- Unbehelligt ist er von Begehren,
- und nach Geschmäcken kommt ihm keine Gier.
855
- Gleichmütig ist er, immer achtsam; er dünkt nicht gleich sich in der Welt,
- Nicht besser und auch minder nicht; kein Hochmut findet sich in ihm.
856
- Abhängigkeiten gibt es nicht für ihn: die Lehre kennend ist er unabhängig.
- Nicht findet sich in ihm Begehren,
- zum Dasein nicht und auch nicht zur Vernichtung.
Abhängigkeiten (nissayatā, sing.); MNidd:
Abhängigkeit von Begehren und Ansichten. Vgl. vv.
752-753.
857
- Den nenn' ich 'friedvoll', der nach Lüsten nicht mehr trachtet,
- Für den es Fesseln nicht mehr gibt, der alles Hangen überwand.
858
- Nicht sind ihm Kinder eigen, auch nicht Herden, Feld und Gut.
- Kein Greifen, kein Verwerfen wird bei ihm gefunden.
Kein Greifen, kein Verwerfen . . (attam vā pi
nirattam vā . .); vgl. v. 787c.
859
- Was da ein Weltling von ihm reden könnte oder Priester und Asketen,
- Nicht läßt er dadurch sich bestimmen, ist vom Gerede daher unbewegt.
860
- Von Ehrgeiz frei und ohne Eifersucht, wird sich ein Muni nicht
- Zu Überlegenen oder Gleichen, nicht zu Unterlegenen zählen.
- Der unbegreifbar, geht nicht ein in die Begreifbarkeit.
Zeile c. - kappam n'eti akappiyo; vgl.
v. 521.
861
- Wem in der Welt nichts als sein eigen gilt,
- wer über nicht Vorhandenes nimmer klagt
- Und nicht den Dingen nachgeht, - der heißt 'friedvoll'.
Wer über nicht Vorhandenes nimmer klagt (asatā ca na socati); so auch
v. 950. MNidd gibt zwei Erklärungen für
asatā:
- 'nicht da Seiendes', d.h. Verlorenes oder nicht Erlangtes;
- 'Unliebsames', Leidvolles. Vers 944b
spricht für die erste Erklärung.