Zurueck Milindapañha, Teil 4

6. Kapitel

 

Mil. 4.6.1. Hatte der Buddha einen Lehrer?

 

"Der Erhabene, ehrwürdiger Nāgasena, hat gesagt:

 

 

Andererseits aber hat er gesagt: <So also, ihr Mönche, stellte Alāra Kālāma, der doch mein Lehrer war, mich, seinen Schüler, ganz auf gleiche Stufe mit sich selber und erwies mir höchste Ehrfurcht.> (M.85 und M.100)

Ist also die eine Behauptung richtig, so muß die andere Behauptung falsch sein. Auch dies ist ein zweischneidiges Problem, das ich dir da stelle, und das du mir nun lösen sollst."

"Beides, o König, hat der Erhabene gesagt. Letzteren Ausspruch jedoch hat er getan, um anzudeuten, wen er zum Lehrer hatte vor seiner vollen Erleuchtung, damals als er noch nicht erleuchtet, sondern noch ein Bodhisatta war. Vor seiner vollen Erleuchtung nämlich, o König, hatte der Bodhisatta fünferlei Lehrer, durch die unterwiesen, er an verschiedenen Orten weilte. Und welches waren jene fünferlei Lehrer?

Jene acht Brahmanen, o König, die bei dem eben geborenen Bodhisatta die körperlichen Merkmale untersuchten - als wie Kāma, Dhaja, Lakkhana, Mantī, Yañña, Suyāma, Subhoja und Sudatta - und die über sein Wohlergehen berichteten und seine Überwachung übernahmen: diese waren seine ersten Lehrer.

Fernerhin: der Brahmana Sabbamitta, der aus edlem, vornehmen Geschlechte stammte und ein Sprachkundiger war, ein Grammatiker, in den sechs Hilfsbüchern des Veda bewandert, den des Bodhisattas Vater Suddhodana zu jener Zeit holen ließ und, während man das Weihwasser aus einem goldenen Gefäße ausgoß, dem Knaben als Lehrer übergab, mit den Worten: <Diesen Knaben mögest du unterweisen>: dieser war sein zweiter Lehrer. Jene Gottheit fernerhin, die den Bodhisatta in Unruhe brachte und deren Worte vernehmend, der Bodhisatta in Unruhe und Erregung geraten, in jenem Augenblicke hinauszog und dem Weltleben entsagte: diese war sein dritter Lehrer (Weder in der frühen noch in der späteren Pāli-Überlieferung findet sich ein solcher Bericht).

Fernerhin: Alāra Kālāma, der ihm den Weg zum meditativen Gebiet der Weder-Wahrnehmung-noch-Nicht-Wahrnehmung (siehe jhāna) wies: dieser war sein vierter Lehrer.

Sein fünfter Lehrer aber war Uddaka Rāmaputta.(siehe M.26) Das also, o König, sind die fünf Lehrer, die der Bodhisatta vor der Erreichung der vollkommenen Erleuchtung als noch Unerleuchteter gehabt hat. Und diese waren bloß seine Lehrer in weltlichen Dingen. Doch im überweltlichen Gesetze, o König, und zur Durchdringung der Allerkenntnis, da hatte der Vollendete keinen Unterweiser. Aus sich selber heraus geworden (sayam-bhū), o König, ist der Vollendete, ist ohne Lehrer. Eben aus diesem Grunde hat der Vollendete erklärt:

 

 

"Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena! So ist es, und so nehme ich es an."

 


Mil. 4.6.2. Warum leben in ein und demselben Weltsystem gleichzeitig niemals zwei Buddhas?

 

"Der Erhabene, ehrwürdiger Nāgasena, hat gesagt: <Unmöglich ist es, ihr Mönche, und kann nicht sein, daß in einem und demselben Weltsystem zu gleicher Zeit zwei Heilige, Vollkommen-Erleuchtete geboren werden; das ist unmöglich.> (A.I.25

Alle Vollendeten aber, ehrwürdiger Nāgasena, legen doch in ihren Vorträgen die siebenunddreißig zur Erleuchtung führenden Dinge (bodhipakkhiyā-dhammā) dar; sie erklären in ihren Belehrungen die vier edlen Wahrheiten, beim Unterweisen unterweisen sie in den drei Übungen (Das ist in der Übung Hoher Sittlichkeit, Hoher Geistigkeit (Meditation) und Hoher Weisheit), beim Ermahnen ermahnen sie zum Wege der Strebsamkeit. 

Wenn nun, ehrwürdiger Nāgasena, bei allen Vollendeten derselbe Vortrag, dieselbe Belehrung, dieselbe Übung und dieselbe Ermahnung gilt, warum sollten da denn nicht zwei Vollendete zu gleicher Zeit erstehen? Denn schon durch die Geburt eines einzigen Erleuchteten wird diese Welt aufgehellt, sodaß, wenn noch ein zweiter leben möchte, durch das Licht beider diese Welt in noch stärkerem Maße aufgehellt würde. Auch beim Ermahnen und Unterweisen möchten es zwei Erleuchtete leichter haben. Erkläre mir also den Grund hierfür, auf daß ich meine Zweifel los werde!"

"Dieses zehntausendfache Weltsystem, o König, vermag bloß einen einzigen Erleuchteten zu tragen, bloß die Tugend eines einzigen Erleuchteten. Sollte ein zweiter Erleuchteter erstehen, so vermöchte dieses zehntausendfache Weltsystem ihn nicht zu tragen, würde erzittern, erbeben, sich biegen und hin und her biegen, sich spalten, bersten, zerspringen und zugrunde gehen.

Gesetzt, o König, es befände sich da ein Boot, das nur einen einzigen Mann zu tragen imstande sei, und das, solange es ein einzelner Mann bestiegen hat, gerade noch über dem Wasserspiegel hervorrage. Sollte nun aber ein zweiter Mann dazukommen, ihm gleich an Lebenskraft, Aussehen, Alter, Größe, hager und stark in allen Gliedern, und sollte er auch noch in jenes Boot steigen, vermöchte da wohl, o König, das Boot alle beide zu tragen?"

"Nein, o Ehrwürdiger. Es möchte ins Schwanken kommen, brechen, auseinanderfallen, in Stücke gehen, untergehen und im Wasser versinken."

"Genau so, o König, möchte es der Erde ergehen, wenn ein zweiter Erleuchteter erstünde.

Oder: gesetzt, o König, ein Mann nähme nach Herzenslust Speise zu sich; und nachdem er sich bis zum Halse mit Speisen vollgepfropft habe, sei sein Hunger gestillt und er fühle sich satt und voll, träge und steif wie ein Stock. Nun aber verschlinge er von neuem noch einmal ebenso viele Speisen. Möchte da, o König, jener Mann sich etwa wohl fühlen?"

"Nein, o Ehrwürdiger. Nach nochmaligem Essen würde er sterben."

"Genau so, o König, möchte die Welt untergehen, sobald ein zweiter Erleuchteter erstünde."

"Wie, ehrwürdiger Nāgasena? Die Erde würde infolge der allzu großen Schwere des Gesetzes erzittern?"

"Nimm an, o König, es befänden sich da zwei bis zum Rande mit Juwelen angefüllte Wagen. Wenn man nun von dem einen Wagen die Juwelen herab nehmen und noch auf den anderen Wagen aufladen möchte, wäre da wohl, o König, dieser eine Wagen imstande, die Lasten aller beider zu tragen?"

"Nein, o Ehrwürdiger Die Naben der Räder würden ihm platzen, die Felgen springen, der Radreif abfallen und die Achse brechen."

"Sage, o König, wäre das wohl nicht eine Folge der allzu großen Last der Juwelen?"

"Gewiß, o Ehrwürdiger."

"Genau so, o König, möchte infolge des allzu großen Gewichtes des Gesetzes die Erde erzittern. 

Übrigens, o König, habe ich diesen Vergleich vorgebracht, um die Macht der Erleuchteten zu veranschaulichen. Aber höre noch einen weiteren treffenden Grund dafür, daß zwei Erleuchtete nicht zu gleicher Zeit erscheinen. Sollte nämlich dieses eintreten, so möchte unter ihren Anhängern Streit entstehen; und Ausdrücke gebrauchend, wie: <unser Buddha> und <euer Buddha> würden sie sich in zwei Parteien spalten, genau so wie es der Fall ist, wenn die Anhänger zweier mächtiger Minister in Streit geraten. Aber noch einen anderen, weiteren Grund sollst du hören. Möchten nämlich zu gleicher Zeit zwei Vollkommen-Erleuchtete erscheinen, so wäre es falsch, von dem Buddha als dem Höchsten zu sprechen, als dem Würdigsten, Besten, Vorzüglichsten, Erhabensten, Edelsten, der ohne Seinesgleichen, ohne Ebenbürtigen sei. Diesen Grund, o König, magst du als Erklärung dafür annehmen, daß zu gleicher Zeit nicht zwei Vollkommen-Erleuchtete erscheinen. 

Übrigens, o König, liegt es im Charakter und der Natur des Erleuchteten, der Erhabenen, daß jedesmal bloß einer in der Welt erscheint. Und warum? Weil eben die Tugenden der allerkennenden Buddhas gar gewaltig sind. Auch alles andere Große in der Welt, o König, tritt immer nur einzeln auf. Die Erde, o König, ist gewaltig: und nur diese eine gibt es. Das Meer ist gewaltig: und nur dieses eine gibt es. Der Sineru, der König der Berge, ist gewaltig: und nur diesen einen gibt es. Der Raum ist gewaltig: und nur diesen einen gibt es. Der Große Brahma ist gewaltig: und nur diesen einen gibt es. Der Vollendete, Heilige, Vollkommen-Erleuchtete ist gewaltig: und nur einen einzigen solchen mag es geben in der Welt. Wo immer in der Welt ein solcher erscheint, da ist für einen zweiten kein Platz mehr. Darum, o König, wird jedesmal nur ein einziger Vollendeter, Heiliger, Vollkommen-Erleuchteter in der Welt geboren."

"Vortrefflich aufgehellt, ehrwürdiger Nāgasena, hast du das Problem durch Gleichnis und Erklärungen. Sollte selbst ein unverständiger Mensch deine Worte vernommen haben, so möchte er damit zufrieden gestellt sein, um wie viel mehr einer, der solch großes Wissen besitzt wie ich! Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena! So ist es, und so nehme ich es an."

 


Mil. 4.6.3. Warum gilt die Gabe an die Mönchsgemeinde mehr als die an Buddha?

 

"Als, ehrwürdiger Nāgasena, dem Erhabenen von seiner Tante Mahā-Pajāpatī Gotamī ein Regengewand geschenkt wurde, hat der Erhabene gesagt: <Schenke es der Mönchsgemeinde, Gotamī! Denn hast du es der Mönchsgemeinde geschenkt, so hast du dadurch gleichzeitig mich und die Mönchsgemeinde geehrt.> (M.142

Sage, ehrwürdiger Nāgasena, ist der Vollendete nicht wohl hervorragender, bedeutender, der Gaben würdiger, als das Kleinod der Mönchsgemeinde? Warum aber ließ er dann der Mönchsgemeinde das ihm von seiner Tante angebotene Regengewand schenken, das jene aus selbst gekardeter, selbst zugeschnittener, selbst geschlagener Wolle hergestellt und selbst gesponnen und gewebt hatte? Wäre, ehrwürdiger Nāgasena, der Vollendete wirklich höher, erhabener und vorzüglicher, als das Kleinod der Mönchsgemeinde, so hätte er doch seine Tante jenes Regengewand nicht der Mönchsgemeinde schenken lassen, wissend, daß dieses, wenn es ihm geschenkt würde, den Gebern hohen Lohn bringen möchte. Er ließ es aber der Mönchsgemeinde schenken, weil er selber nicht davon profitierte, selber nicht davon abhing." (Die Wiedergabe dieser beiden Ausdrücke ist unsicher)

"Wohl hat, o König, der Erhabene den Ausspruch getan. Doch geschah dies nicht, weil die ihm dargebrachte Verehrung etwa keinen Segen brächte, oder er nicht etwa der Erste wäre unter den der Gaben Würdigen. Sondern aus Wohlwollen und Mitleid wollte er durch seine Worte die in der Mönchsgemeinde anzutreffenden Vorzüge hervorheben, damit auch in den späteren Zeiten, nach seinem Dahinscheiden, die Mönchsgemeinde verehrt werden möchte. Er hat es genau so gemacht wie ein Vater, der noch bei seinen Lebzeiten mitten unter den Ministern, Soldaten, Heerführern, Torhütern, Leibwächtern und der Gefolgschaft, in des Königs Gegenwart die bei seinem Sohne anzutreffenden Vorzüge rühmt, damit dieser, wenn er einstmals hier angestellt wird, von der Menge geachtet werden möchte. Nicht ist, o König, schon wegen dieses bloßen Schenkens eines Regengewandes die Mönchsgemeinde höher und vorzüglicher als der Vollendete. Wenn da zum Beispiel, o König, die Eltern ihr Kind salben massieren, baden und abreiben, ist deswegen etwa schon das Kind höher und besser als seine Eltern?"

"Nein, o Ehrwürdiger. Gegen den Willen der Kinder handeln ja die Eltern so."

"Und gegen den Willen seiner Tante, o König, ließ der Vollendete jenes Regengewand der Mönchsgemeinde schenken. Wenn da, zum Beispiel, o König, irgend ein Mann dem Fürsten ein Geschenk bringt und der König dieses Geschenk nun einem seiner Soldaten, Boten, Feldherrn oder Hauspriester verehren möchte, wäre da wohl schon wegen des bloßen Empfangens dieses Geschenkes jener Mann höher und besser als der König?"

"Nein, o Ehrwürdiger. Jener Mann ist bloß ein bezahlter Diener des Königs, lebt vom Könige. Der König aber, der ihm das Geschenk macht, hat ihn ja in diese Stellung eingesetzt."

"Ebenso auch, o König, ist wegen dieses bloßen Schenkens eines Regengewandes die Mönchsgemeinde nicht höher und vorzüglicher als der Vollendete. Sondern die Mönchsgemeinde ist gleichsam bloß die Dienerin des Vollendeten, lebt durch den Vollendeten. Der Vollendete aber, der ihr das Regengewand schenken ließ, hat sie in diese Stellung eingesetzt. Überdies sagte sich der Vollendete, daß die Mönchsgemeinde ihrer Natur nach verehrungswürdig sei, und daß er ihr deshalb mit einem ihm selber gehörenden Gegenstande Ehre erweisen wolle. Und so ließ er ihr das Regengewand überreichen. 

Nicht lobt, o König, der Vollendete bloß die ihm selber dargebrachte Verehrung. Sondern bei allen, die in der Welt der Verehrung würdig sind, da lobt er die Verehrung. Auch sagte der Erhabene, der Gott der Götter, in der herrlichen Gabe der Sammlung der Mittleren Sutten, in der (Sutte von den Erben des Gesetzes), wo er den bedürfnislosen Wandel preist: <Eben jener erstere meiner Mönche ist der höher zu achtende, der höher zu preisende.> Kein Wesen aber in aller Welt, o König, ist verehrungswürdiger, höher, erhabener und edler als der Vollendete. Der Vollendete ist der Höchste, der Erhabenste, der Edelste In der herrlichen Sammlung der Gruppierten Sutten sagt der Göttersohn Mānava-Gāmika, als er vor dem Erhabenen stand, vor allen Göttern und Menschen:

 

 

 

Jene Verse aber, o König, hat der Göttersohn Mānava-Gāmika recht vorgetragen, nicht verkehrt vorgetragen, richtig verkündet, nicht falsch verkündet. Hat doch auch der Ordensältere Sāriputta, der Feldherr des Gesetzes, erklärt:

 

 

Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, hat erklärt: <Ein Wesen, ihr Mönche, das in der Welt ersteht, ersteht vielen Menschen zum Segen, vielen Menschen zum Wohle, aus Mitleid mit der Welt, zum Heile und Segen und Wohle der Götter und Menschen: welches eine Wesen? Es ist der Vollendete, der Heilige, der Vollkommen-Erleuchtete!>" (A.I.22)

"Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena! So ist es, und so nehme ich es an."

 


Mil. 4.6.4. Was ist besser: Hausleben oder Hauslosigkeit?

 

"Der Erhabene, ehrwürdiger Nāgasena, hat gesagt: 

<Den guten Wandel, ihr Mönche, lobe ich, ob beim Hausbewohner oder beim Hauslosen. Wer als Hausbewohner oder als Hausloser einen rechten Wandel führt, der befolgt dadurch den rechten Weg, die heilsame Lehre.> Weiß gekleidet, Schätze genießend, im Gedränge von Frauen und Kindern wohnend, feinstes Sandelpulver gebrauchend, Blumen, Riechstoffe und Salben verwendend, Gold und Silber annehmend, bunte mit Gold und Edelsteinen besetzte Turbane tragend: wenn bei solchem Leben der Hausbewohner durch seinen rechten Wandel genau so den rechten Weg, die heilsame Lehre erfüllen mag wie der recht wandelnde Hauslose, der kahl geschoren ist, fahle Gewänder trägt, bei anderen um Almosen geht, die vier Gebiete der Sittlichkeit pünktlich erfüllt, die hundertundfünfzig Ordensregeln auf sich nimmt und befolgt und die dreizehn Asketenübungen (dhutanga) restlos pflegt was besteht denn da eigentlich noch für ein Unterschied zwischen dem Hausbewohner und dem Hauslosen? Dann ist ja alle Asketenarbeit fruchtlos, zwecklos die Weltentsagung, nichtig die Befolgung der Ordensregeln, eitel das Aufsichnehmen der Asketenübungen! Was soll man sich da noch abplagen, wenn man auf so leichte Weise die Glückseligkeit erlangen kann?"

"Wohl hat, o König, der Erhabene den Ausspruch getan. Und was er gesagt hat, o König, das verhält sich so, denn der Höchste ist der, der einen rechten Wandel führt. Wenn aber der Hauslose, obzwar er weiß, daß er ein Hausloser ist, dennoch keinen guten Wandel führt, so ist er eben fern der Asketenschaft, fern der Heiligkeit, um wie viel mehr der weißgekleidete Hausbewohner! Der Hausbewohner, o König, ebenso wie der Hauslose, befolgt, wenn er einen rechten Wandel führt, den rechten Weg, die heilsame Lehre. Trotzdem aber, o König, ist der Hauslose der Herr und Meister der Askese. Gar viele, zahlreiche, unermeßliche Vorzüge besitzt die Weltentsagung (Hauslosigkeit), und unmöglich ist es, alle ihre Vorzüge aufzuzählen. Die Weltentsagung ist wie das alle Wünsche erfüllende Edelsteinjuwel, bei dem man den Geldeswert nicht ermessen und nicht sagen kann, daß es so und so viel koste. Die Weltentsagung ist wie das Weltmeer, bei dem man die Wellen nicht alle zählen und sagen kann, daß es so und so viele seien. Was immer, o König, der Hauslose zu erwirken hat, das alles gelingt ihm sehr bald und nicht erst nach langer Zeit. Und warum? Weil eben der Hauslose bescheiden ist, genügsam, abgeschieden, abgelöst, voll Willenskraft, ohne Anhänglichkeit, ohne Heimstatt, von vollkommener Sittlichkeit und geläutertem Wandel, und tüchtig in der Befolgung der Asketenregeln.

Gleichwie, o König, ein Pfeil, ohne Knoten, geglättet, gut poliert, kerzengerade und unversehrt, richtig abgeschossen gar schnell das Ziel erreicht: ebenso auch gelingt dem Hauslosen, was immer er zu erreichen hat, sehr bald und nicht erst nach langer Zeit."

"Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena! So ist es, und so nehme ich es an."

 


Mil. 4.6.5. Lehrte der Buddha die Schmerzensaskese?

 

"Damals, ehrwürdiger Nāgasena, als der Bodhisatta die Schmerzensaskese ausübte, da fand man nirgendwo Gleichartiges an Anstrengung, an Anspannung, an Bekämpfung der Leidenschaften, an Zerstörung der Heerschar des Todes (das ist Māras), an Nahrungsbeschränkung und Schmerzensaskese. Da der Bodhisatta aber bei solcher Anstrengung keinerlei Genugtuung empfand, wandte er seinen Geist davon ab, indem er sich sagte: <Nimmer erreiche ich durch diese bittere Schmerzensaskese das übermenschliche Ziel des völlig heiligen Erkenntnisblickes. Sollte der Weg zur Erleuchtung nicht doch wohl ein anderer sein?> Und sich davon abwendend, erlangte er auf einem anderen Pfade die Allerkenntnis. Dann aber ermahnt und ermutigt er wieder seine Jünger zu jenem Pfade, wenn er sagt:

 

Aus welchem Grunde nun, ehrwürdiger Nāgasena, ermahnte und ermutigte der Vollendete seine Jünger zu einem Pfade, vor dem er selber Überdruß und Abneigung empfand?"

"Es ist immer derselbe (achtfache) Pfad, o König, damals so gut wie heute. Und auf eben diesem Pfade wandelnd hat der Bodhisatta die Allerkenntnis erlangt. Damals jedoch, o König enthielt sich der Bodhisatta während seiner übermäßigen Anstrengungen jeglicher Nahrung. Dadurch aber trat bei ihm eine geistige Schwächung ein; und infolge jener Schwäche war er außerstande, die Allerkenntnis zu erlangen. Als er aber nach und nach wieder etwas feste Nahrung zu sich nahm, erlangte er auf eben jenem Pfade nach gar nicht langer Zeit die Allerkenntnis. Das eben, o König, ist der Pfad, auf dem alle Vollendeten das allerkennende Wissen erlangen.

Gleichwie, o König, die Nahrung die Grundlage bildet für alle Wesen, und alle Wesen, auf die Nahrung gestützt, sich des Wohlseins erfreuen: ebenso auch, o König, ist dies der Pfad, auf dem alle Vollendeten die allwissende Erkenntnis erlangen. Nicht lag also der Fehler an der Anstrengung, nicht an der Anspannung, nicht an der Bekämpfung der Leidenschaften, daß der Vollendete damals noch nicht die Allerkenntnis erlangt hatte, sondern einzig und allein daran, daß der Bodhisatta sich der Nahrung enthielt; denn der Pfad ist allezeit in Bereitschaft. Wenn da, zum Beispiel, ein Mann in allzu großer Hast über die Straße rennt und er sich infolge dessen lahme oder verkrüppelte Glieder holt und unfähig wird, sich auf dem Erdboden fortzubewegen, ist dann wohl die Erde daran schuld?"

"Nein, o Ehrwürdiger. Die Erde ist allezeit bereit. Wie sollte diese wohl daran schuld sein. Die Schuld liegt eben in der übergroßen Anstrengung des Mannes."

"Oder: wenn da, o König, ein Mann ein schmutziges Gewand trägt, er dasselbe aber nie wäscht, so ist doch das Wasser nicht daran schuld, sondern der Mann selber, denn das Wasser ist allezeit bereit. Ebenso auch lag der Fehler nicht an der Anstrengung, nicht an der Anspannung, nicht an der Bekämpfung der Leidenschaften, daß der Vollendete damals noch nicht die Allerkenntnis erlangt hatte, sondern einzig und allein daran, daß der Bodhisatta sich der Nahrung enthielt, denn der Pfad ist allezeit in Bereitschaft.

Und darum ermahnte und ermutigte der Vollendete seine Jünger zu eben diesem Pfade. Somit also, o König, ist der Pfad allezeit bereit, frei von Tadel."

"Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena! So ist es, und so nehme ich es an."


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