Zurueck Milindapañha, Teil 2

1. Kapitel 

Fragen über charakteristische Merkmale

 

Der König ging nun auf den ehrwürdigen Nāgasena zu, begrüßte sich freundlich mit ihm, und nach Austausch höflicher und zuvorkommender Worte setzte er sich zur Seite nieder. Und der ehrwürdige Nāgasena erwiderte seinen freundlichen Gruß, wodurch er des Königs Herz zufrieden stimmte.  


Mil. 2.1.1. Unpersönlichkeit

 

Darauf wandte sich der König Milinda an den ehrwürdigen Nāgasena und sprach:

"Wie heißt du, Ehrwürdiger? Welchen Namen trägst du?"

"Ich bin als Nāgasena bekannt, o König, und mit Nāgasena reden mich meine Ordensbrüder an. Ob nun aber die Eltern einem den Namen Nāgasena geben oder Sūrasena oder Vīrasena oder Sīhasena, immerhin ist dies nur ein Name, eine Bezeichnung, ein Begriff, eine landläufige Ausdrucksweise, ja weiter nichts als ein bloßes Wort, denn eine Person ist da nicht vorzufinden."

(Mit der hier geleugneten <Person> puggala ist lediglich eine beharrende Ichsubstanz gemeint, eine beständige und in jeder Hinsicht identische Persönlichkeit)

Der König aber sprach: "Hört mich an, ihr fünfhundert Griechen und zahlreichen Mönche! Dieser Nāgasena behauptet, eine Person gebe es nicht. Wie kann man dem beipflichten?"

Und der König sprach zu dem ehrwürdigen Nāgasena:

"Wenn es, ehrwürdiger Nāgasena, keine Person gibt, wer ist es denn, der euch da die Bedarfsgegenstände, wie Gewand, Almosenspeise, Lagerstatt, Heilmittel und Arzneien spendet?

Wer ist es, der davon Gebrauch macht?

Wer ist es, der die Sittenregeln erfüllt, die Geistespflege übt, Pfad, Ziel und Erlösung verwirklicht?

(Über die vier Pfade und Ziele der Heiligkeit siehe B. Wtb: ariya-puggala)

Wer ist es, der tötet, stiehlt, ehebricht, lügt, trinkt und die unmittelbar nach dem Tode zur Hölle führenden Verbrechen (ānantarika kamma) begeht?

So gäbe es also weder etwas Heilsames oder etwas Unheilsames, noch einen Täter oder Verursacher guter und schlechter Taten, noch eine Frucht oder ein Ergebnis guter und schlechter Taten, und selbst derjenige, der dich töten würde, beginge keinen Mord.

Und auch du, Nāgasena, hättest weder einen Lehrer noch Berater noch überhaupt die Mönchsweihe. Nun behauptest du aber andererseits, daß deine Ordensbrüder dich mit Nāgasena anreden.

Wer ist denn dieser Nāgasena? Sind da etwa die Kopfhaare dieser Nāgasena, oder sind es Körperhaare, Nägel, Zähne, Haut, Fleisch, Sehnen, Knochen, Knochenmark, Niere, Herz, Leber, Zwerchfell, Milz, Lunge, Eingeweide, Gekröse, Mageninhalt, Kot, Galle, Schleim, Eiter, Blut, Schweiß, Fett, Tränen, Lymphe, Speichel, Rotz, Gelenköl, Urin oder das im Schädel befindliche Gehirn?"

"Nicht doch, o König!"

"Oder sind etwa der Körper, oder das Gefühl, oder die Wahrnehmung, oder die Geistesformationen, oder das Bewußtsein dieser Nāgasena?"

"Nicht doch, o König!"

"Dann sollen wohl vielleicht Körper, Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformationen und Bewußtsein (zusammen genommen), dieser Nāgasena ein?"

"Nicht doch, o König!"

"Oder soll dieser Nāgasena gar außerhalb von Körper, Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformationen und Bewußtsein existieren?"

"Nicht doch, o König!"

"Ich mag dich fragen, wie ich will, Verehrter: den Nāgasena aber kann ich nicht entdecken. Soll etwa das bloße Wort <Nāgasena> schon der Nāgasena selber sein?"

"Nicht doch, o König!"

"Nun, wer ist denn dieser Nāgasena? Eine Unwahrheit sprichst du, o Herr, eine Lüge, denn der Nāgasena existiert ja gar nicht!"

Und der ehrwürdige Nāgasena wandte sich zum Könige und sprach: "Du bist, o König, fürstlichen Luxus und äußerste Bequemlichkeit gewöhnt. Wenn du daher zur Mittagsstunde im heißen Sande zu Fuße gehst und mit den Füßen auf den harten, steinigen Kiessand trittst, bekommst du wehe Füße, dein Körper ermattet, dein Geist wird verstimmt, und körperliche Schmerzgefühle machen sich geltend. Bist du denn zu Fuße gekommen oder mit einem Gefährt?"

"Nein, o Herr, ich bin nicht zu Fuße gekommen, sondern mit dem Wagen."

"Nun, wenn du mit dem Wagen gekommen bist, o König, so erkläre mir denn, was ein Wagen ist! Ist wohl vielleicht die Deichsel der Wagen?"

"Nicht doch, o Herr!"

"Oder die Achse?"

"Nicht doch, o Herr!"

"Oder sind die Räder, oder der Wagenkasten, oder der Fahnenstock oder das Joch, oder die Speichen, oder der Treibstock der Wagen?"

"Nicht doch, o Herr!"

"Dann sollen wohl diese Dinge, alle zusammen genommen, der Wagen sein?"

"Nicht doch, o Herr!"

"Oder soll etwa gar der Wagen außerhalb dieser Dinge existieren?"

"Nicht doch, o Herr!"

"Ich mag dich fragen, wie ich will, o König: den Wagen aber kann ich nicht entdecken. Soll etwa das bloße Wort <Wagen> schon der Wagen selber sein?"

"Nicht doch, o Herr!"

"Nun, was ist denn dieser Wagen? Eine Unwahrheit sprichst du, o König, eine Lüge, denn der Wagen existiert ja gar nicht. Du bist doch, o König, der oberste Herr über ganz Indien. Aus Furcht vor wem lügst du denn da? Hört mich an, ihr fünfhundert Griechen und zahlreichen Mönche! Dieser König Milinda behauptet, mit einem Wagen gekommen zu sein, doch auf meine Bitte hin, mir zu erklären, was ein Wagen ist, kann er mir einen solchen nicht nachweisen. Kann man so etwas wohl billigen?"

Auf diese Worte spendeten die fünfhundert Griechen dem ehrwürdigen Nāgasena ihren Beifall und sprachen zum König Milinda: "Nun antworte, o König, wenn es dir möglich ist!"

Und der König sprach zum ehrwürdigen Nāgasena:

"Ich spreche durchaus keine Lüge, ehrwürdiger Nāgasena. Denn in Abhängigkeit von Deichsel, Achsel, Rädern usw. entsteht die Benennung, die Bezeichnung, der Begriff, die landläufige Ausdrucksweise, das bloße Wort <Wagen>."

"Ganz richtig, o König, hast du erkannt, was ein Wagen ist. Gerade so aber auch, o König, entsteht in Abhängigkeit von Kopfhaaren, Körperhaaren, Zähnen, Nägeln usw. die Benennung, die Bezeichnung, der Begriff, die landläufige Ausdrucksweise, das bloße Wort <Nāgasena>. Im höchsten Sinne aber ist da eine Persönlichkeit nicht vorzufinden.

Auch die Nonne Vajirā, o König, hat in Gegenwart des Erhabenen gesagt: <Gerade wie man infolge des Zusammentreffens einzelner Bestandteile das Wort "Wagen" gebraucht, ebenso auch gebraucht man, wenn die fünf Daseinsgruppen (khandha) da sind, die konventionelle Bezeichnung "Wesen">."

(Dieser Text findet sich im S.5.10, dort spricht allerdings die Nonne Vajirā zu Māra, nicht zum Buddha)

"Wunderbar ist es, ehrwürdiger Nāgasena; außerordentlich ist es, ehrwürdiger Nāgasena, wie du so ausgezeichnet meine Fragen beantwortet hast. Ja, wenn der Erleuchtete noch am Leben wäre, möchte er dir ebenfalls seinen Beifall geben. Gut, gut, Nāgasena! Ganz vorzüglich hast du meine Fragen beantwortet!"


Mil. 2.1.2. Seniorität

 

"Wie viele Ordensjahre hast du, ehrwürdiger Nāgasena?"

"Sieben Ordensjahre, o König."

"Wer ist denn nun eigentlich diese Sieben, ehrwürdiger Nāgasena? Bist du diese Sieben, oder ist diese Sieben die Zahl (der Jahre)?"

In diesem Augenblicke fiel gerade der Schatten des Königs auf den Boden, und seine ganz mit Juwelen bedeckte, prächtig geschmückte Gestalt spiegelte sich in einem großen Topfe voll Wasser wider. Und der ehrwürdige Nāgasena sprach zum Könige Milinda: "Deinen Schatten erblickt man da auf dem Boden, und deine Gestalt spiegelt sich in jenem Gefäße voll Wasser wider. Wie denn, o König, bist du der König, oder ist dieses Spiegelbild der König?"

"Ich, ehrwürdiger Nāgasena, bin der König, und nicht dieses Spiegelbild ist der König. Doch von mir ist die Entstehung des Spiegelbildes abhängig."

"Ebenso auch, o König, ist die Zahl der Ordensjahre sieben, und nicht bin ich diese Sieben. Von mir aber ist - genau so wie das Spiegelbild - die Entstehung der Sieben abhängig."

"Wunderbar ist es, ehrwürdiger Nāgasena, erstaunlich ist es, wie du so vorzüglich meine Fragen beantwortet hast!"


Mil. 2.1.3. Diskussion nach Art eines Weisen

 

Der König sprach: "Ehrwürdiger Nāgasena, möchtest du noch weiter mit mir diskutieren?"

"Wenn du nach Art der Weisen diskutieren willst, o König, dann wohl; willst du aber nach Art der Könige diskutieren, dann nicht."

"Wie diskutieren denn Weise, ehrwürdiger Nāgasena?"

"Bei den Diskussionen der Weisen, o König, zeigt sich ein Auf- und Abwickeln (des Themas), Widerlegung und Entgegnung, Differenzierung und Gegendifferenzierung (Dies sind Stadien und Methoden der Disputierkunst, auf deren genaue Erklärung hier verzichtet wurde). Und doch geraten die Weisen dabei nicht außer sich. So, o König, diskutieren Weise."

"Wie diskutieren nun aber Könige, ehrwürdiger Nāgasena?"

"Wenn Könige während einer Diskussion etwas behaupten und da irgend einer widerspricht, so geben sie den Befehl, diesen Menschen zu bestrafen. So, o König, diskutieren Könige."

"So will ich denn, Ehrwürdiger, nach Art eines Weisen diskutieren und nicht nach der eines Königs. Mögest du, Ehrwürdiger, ganz unbefangen mit mir diskutieren! Mögest du genau so frei mit mir reden, wie du es etwa mit einem Mönche, Novizen, Anhänger oder Klosterdiener tun würdest! Du hast nichts zu befürchten."

"Nun gut, König", stimmte der Ordensältere bei.

Der König sprach: "Darf ich dich etwas fragen, ehrwürdiger Nāgasena?"

"Ja, König, du magst mich fragen."

"Ich habe dich etwas gefragt, Ehrwürdiger."

"Das habe ich ja bereits beantwortet."

"Was hast du denn geantwortet, Ehrwürdiger?"

"Was hast du denn überhaupt gefragt?"

Da dachte der König Milinda: "Wahrlich, dieser Mönch ist weise und ist imstande, mit mir zu diskutieren. Und über gar viele Punkte habe ich ihn zu befragen. Doch die Sonne möchte untergehen, bevor ich ihm all diese Fragen gestellt hätte. Wie, wenn ich morgen im Palaste meine Diskussion mit ihm fortsetzte?" Und der König sprach zu Devamantiya: "Devamantiya, teile dem Ehrwürdigen mit, daß die Diskussion mit dem Könige morgen im Palaste fortgesetzt werden solle!"

Mit diesen Worten erhob sich der König von seinem Sitze und verabschiedete sich vom Ordensälteren Nāgasena. Darauf bestieg er sein Pferd und ritt davon, indem er beständig das Wort "Nāgasena, Nāgasena" vor sich hin murmelte.

Und Devamantiya teilte dem ehrwürdigen Nāgasena den Auftrag des Königs mit. "Gut!" versetzte der Ordensältere, indem er seine Einwilligung gab.

Und nach Ablauf jener Nacht begaben sich Devamantiya, Anantakāya, Mankura und Sabbadinna zum Könige Milinda und sprachen: "Soll nun der verehrte Nāgasena kommen, o König?"

"Ja, laßt ihn kommen!"

"Mit wie vielen Mönchen aber soll er kommen?"

"Mit so vielen, wie er will."

Sabbadinna aber sprach: "Laß ihn mit zehn Mönchen kommen, o König!"

Doch der König blieb bei seinem Wort. Als ihn indessen Sabbadinna zum zweitenmale und drittenmale mit seinem Vorschlage anging, sprach der König: "Jede Art Fürsorge ist getroffen. Also, ich sage, er mag mit so vielen Mönchen kommen, wie er will, wenn auch Sabbadinna etwas anderes sagt. Sollten wir denn wirklich nicht imstande sein, so viele Mönche zu speisen?"

Durch diese Worte aber wurde Sabbadinna ganz eingeschüchtert.

Darauf begaben sich Devamantiya, Anantakaya und Mankura zum ehrwürdigen Nāgasena und teilten ihm mit, was ihnen der König aufgetragen hatte. Und es kleidete sich der ehrwürdige Nāgasena am frühen Morgen an und begab sich, mit Gewand und Schale versehen, in Begleitung zahlreicher Mönche nach Sāgalā.  


Mil. 2.1.4. Keine Seele

 

Und Anantakāya, der ihm zur Seite ging, sprach zu ihm: "Wenn ich da das Wort <Nāgasena> gebrauche, o Ehrwürdiger, was ist denn da unter <Nāgasena> zu verstehen?"

"Was meinst du denn wohl, was da <Nāgasena> sei?"

"Ich denke mir, o Herr, daß diese Seele (jīva, Lebensgeist, Lebenskraft), die da als innerliche (Atem-) Luft ein- und ausströmt, der Nāgasena ist."

"Wenn nun aber dieser Atem ausströmt, ohne zurückzukehren, oder einströmt ohne wieder auszuströmen, wird wohl da der Mensch noch leben können?"

"Gewiß nicht, Ehrwürdiger."

"Wenn nun aber ein Muschel-Trompeter oder ein Pfeifer oder Hornbläser in ihre Instrumente blasen, kehrt da etwa deren Wind wieder zu ihnen zurück?"

"Gewiß nicht, Ehrwürdiger."

"Und warum sterben sie dann nicht?"

"Ich bin nicht imstande mit einem solchen Gegner, wie dir, zu diskutieren. So erkläre mir denn, bitte, die Sache, Ehrwürdiger!"

"Das ist keine Seele. Ein- und Ausatmung sind körperliche Funktionen." Damit gab er ihm einen Ausspruch aus dem Abhidhamma.

Und Anantakāya erklärte sich alsbald als einen Anhänger (upāsaka).


Mil. 2.1.5. Ziel der Weltentsagung

 

Der ehrwürdige Nāgasena traf nun im Palaste des Königs Milinda ein und setzte sich auf dem angewiesenen Sitze nieder. Und der König bewirtete ihn samt seinem Gefolge, indem er ihnen eigenhändig mit vorzüglichen harten und weichen Speisen aufwartete. Auch beschenkte er einen jeden der Mönche mit einem Gewänderpaar (das ist Ober- und Untergewand; bei den "drei Gewändern" kommt noch das Doppelgewand hinzu), den ehrwürdigen Nāgasena aber mit den drei Gewändern, und sprach: "Mögest du, ehrwürdiger Nāgasena, mit zehn Mönchen hier bleiben. Die übrigen lasse gehen."

Und sobald der König bemerkte, daß der ehrwürdige Nāgasena mit dem Mahle fertig war und seine Hand von der Almosenschale zurückgezogen hatte, nahm er einen niedrigen Sitz und setzte sich zur Seite hin. Darauf sprach er zu ihm: "Worüber sollen wir diskutieren, ehrwürdiger Nāgasena?"

"Da wir alle nach einem Ziele streben, o König, so laß uns von diesem Ziele sprechen!"

Und der König sprach: "Welches Ziel verfolgt ihr denn bei eurem Mönchtum (pabbajjā), ehrwürdiger Nāgasena? Was ist euer höchstes Ziel?"

"Was anderes als dieses (gegenwärtige) Leiden eben schwinden und kein anderes (neues) Leiden mehr aufkommen zu lassen, dies ist das Ziel unseres Mönchstums, o König. Hanglose Erlösung (anupādā-parinibbāna, siehe nibbāna): das ist unser höchstes Ziel."

"Sag, ehrwürdiger Nāgasena, ziehen wohl alle dieses Zieles wegen ins Mönchtum hinaus?"

"Nicht doch, o König. Einige zwar tun es dieses Zieles wegen, andere aber aus Furcht vor der Strafe des Königs, wieder andere, da sie von Schulden bedrückt sind, und manche tun es gar, um sich dadurch ihren Lebensunterhalt zu erwerben. Wer aber auf rechte Weise Mönch wird, der tut es eben dieses höchsten Zieles wegen."

"Du aber, ehrwürdiger Nāgasena, bist doch wohl dieses höchsten Zieles wegen Mönch geworden?"

"Ich war noch ein Knabe, o König, als ich ins Mönchstum hinauszog. Ich konnte daher noch nicht wissen, daß ich dieses Zieles wegen Mönch werden sollte. Ich sagte mir nur: <Weise sind diese Asketen des Sakyersohnes. Die werden mich wohl belehren können.> Von diesen aber belehrt, weiß ich und erkenne ich nun, daß dies das wahre Ziel des Mönchstumes ist."

"Gar klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"  


Mil. 2.1.6. Wiedergeburt

 

Der König sprach: "Gibt es wohl irgend einen, ehrwürdiger Nāgasena, der nach dem Tode nicht mehr wiedergeboren wird?"

"Der eine wird wiedergeboren, der andere nicht."

"Wer aber wird wiedergeboren und wer nicht?"

"Der mit Leidenschaften Befleckte, o König, wird wiedergeboren, der Fleckenlose aber nicht."

"Wirst du wohl aber wiedergeboren, Ehrwürdiger?"

"Wenn ich (in der Sterbestunde) noch an der Welt hänge, werde ich wiedergeboren, sonst nicht."

"Gar klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 2.1.7. Aufmerksamkeit und Weisheit

 

Der König sprach: "Daß einer nicht wiedergeboren wird, ist dies, ehrwürdiger Nāgasena, etwa eine Folge gründlicher Aufmerksamkeit (yoniso manasikāra)?"

"Eine Folge gründlicher Aufmerksamkeit sowohl, o König, als auch eine Folge der Weisheit und anderer guter Eigenschaften."

"Ist denn aber nicht, o Ehrwürdiger, gründliche Aufmerksamkeit dasselbe wie Weisheit?"

"Nein, o König. Eines ist Aufmerksamkeit, ein anderes aber Weisheit. Denn auch die Schafe, Ochsen, Büffel, Kamele und Esel zeigen Aufmerksamkeit, Weisheit aber besitzen sie nicht!"

"Gar klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"

 

Der König sprach: "Was, o Ehrwürdiger, ist das charakteristische Merkmal der Aufmerksamkeit (manasikāra), und was dasjenige der Weisheit (paññā)?"

"Die (geistige) Einstellung ist das charakteristische Merkmal der Aufmerksamkeit, o König, das Abtrennen aber dasjenige der Weisheit."

"Inwiefern aber? Gib mir ein Beispiel!"

"Weißt du wohl, o König, wie es die Schnitter machen, wenn sie die Gerste mähen?"

"Gewiß weiß ich das, Ehrwürdiger."

"Nun, wie machen sie es denn, o König?"

"Mit der linken Hand, o Herr, faßt der Schnitter die Gerste zu einem Büschel zusammen, und mit der rechten Hand schneidet er sie vermittelst einer Sichel ab."

"Genau so, o König, faßt der in der Geistessammlung sich Übende vermittelst der Aufmerksamkeit seinen Geist zusammen, und vermittelst der Weisheit schneidet er die Leidenschaften ab. Insofern also, o König, ist die (geistige) Einstellung das charakteristische Merkmal der Aufmerksamkeit und das Abtrennen dasjenige der Weisheit."

"Ja, gar klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena."


Mil. 2.1.8. Sittlichkeit

 

Und der König fuhr fort: "Du hattest da eben, ehrwürdiger Nāgasena, noch von anderen guten Eigenschaften gesprochen, Welche sind dies?"

"Sittlichkeit, o König, Vertrauen, Willenskraft, Achtsamkeit und Sammlung: dies sind jene guten Eigenschaften."

"Welches charakteristische Merkmal aber, o Ehrwürdiger, besitzt die Sittlichkeit (sīla)?"

"Daß sie als Grundlage dient, o König, denn die Sittlichkeit bildet die Grundlage zu sämtlichen guten Geisteszuständen:

Solange einer die Sittlichkeit zur Grundlage hat, geht er all dieser guten Geisteszustände nicht verlustig."

"Gib mir eine nähere Erläuterung!"

"Gleichwie, o König, sämtliche Arten von Keim- und Pflanzenleben, bei denen sich ein Gedeihen, Wachsen und Entfalten zeigt, eben alle in Abhängigkeit von der Erde, eben dadurch, daß sie die Erde zur Grundlage haben, gedeihen, wachsen und sich entfalten: genau so, o König, bringt der in Sammlung des Geistes sich Übende - eben indem er sich auf Sittlichkeit stützt, die Sittlichkeit zur Grundlage nimmt - die fünf geistigen Fähigkeiten zur Entfaltung, nämlich Vertrauen, Willenskraft, Achtsamkeit, Sammlung und Weisheit."

"Gib mir noch ein anderes Gleichnis!"

"Gleichwie, o König, alle Kraft erfordernden Arbeiten eben in Abhängigkeit von der Erde ausgeführt werden, die Erde zur Grundlage haben: genau so, o König, bringt der in Sammlung sich Übende - eben indem er sich auf Sittlichkeit stützt, die Sittlichkeit zur Grundlage nimmt - die fünf geistigen Fähigkeiten zur Entfaltung."

"Gib mir noch ein Gleichnis!"

"Gleichwie ein Stadtbaumeister, o König, wenn er eine Stadt bauen will, zuerst einen Platz für die Stadt lichten läßt, sodann denselben von Baumstümpfen und Dornen befreit, ebnet und nach einiger Zeit daran geht, denselben in Straßen, Plätze, Kreuzungspunkte usw. einzuteilen und auf diese Weise die Stadt baut: genau so, o König, bringt der in Sammlung sich Übende - eben indem er sich auf Sittlichkeit stützt, die Sittlichkeit zur Grundlage nimmt - die fünf geistigen Fähigkeiten zur Entfaltung."

"Gib mir noch ein weiteres Gleichnis!"

"Gleichwie, o König, ein Akrobat, wenn er seine Kunststücke zeigen will, erst die Erde umgräbt, dann die Steine und den harten Kies entfernt, den Boden ebnet und so auf weichem Boden seine Kunststücke vorführt: genau so, o König, bringt der in Sammlung sich Übende - eben indem er sich auf Sittlichkeit stützt, die Sittlichkeit zur Grundlage nimmt - die fünf geistigen Fähigkeiten zur Entfaltung. Auch der Erhabene, o König, hat gesagt:

 

 

(Diese Verse finden sich im Samyutta-Nikāya. Buddhaghosa gebraucht dieselben als Motto und Richtschnur für sein großes Fundamentalwerk Visuddhi-Magga, Der Weg zur Reinheit.)

 

"Gar klug bist du, Ehrwürdiger Nāgasena."


Mil. 2.1.9. Vertrauen

 

Der König sprach: "Welches charakteristische Merkmal, o Herr, besitzt das Vertrauen (saddhā)?"

"Die Läuterung (sampasādana), o König, und das Vorwärtsstreben: dies sind die charakteristischen Merkmale des Vertrauens."

"Inwiefern aber, o Ehrwürdiger, ist die Läuterung ein charakteristisches Merkmal des Vertrauens?"

"Sobald das Vertrauen aufsteigt, o König, bringt es die geistigen Hemmungen (nīvarana) zum Schwinden. Der ungehemmte Geist aber ist klar, lauter, ungetrübt. Insofern, o König, ist die Läuterung ein charakteristisches Merkmal des Vertrauens."

"Gib mir ein Beispiel!"

"Angenommen, o König, ein Weltherrscher durchschreitet mit seiner vierfachen Heeresmacht auf dem Marsche ein kleines Gewässer, und durch die Elefanten, Pferde, Wagen und Soldaten aufgewühlt, wird das Wasser trübe, schmutzig und schlammig. Der Herrscher aber ist bei seiner Ankunft am anderen Ufer durstig und befiehlt seinen Leuten, Trinkwasser für ihn zu besorgen. Und nimm an, der Herrscher besitzt einen wasserreinigenden Zauberstein, und die Leute werfen auf seinen Befehl jenen Zauberstein in das Wasser. So würden im selben Augenblicke die Muscheln und Wasserpflanzen verschwinden und der Schlamm sich setzen. Das Wasser aber würde hell, durchsichtig und klar sein. Und von diesem Wasser würde man dem Herrscher zum Trinken bringen. -

Unter dem Wasser nun hat man den Geist zu verstehen, unter den Leuten den in der Sammlung sich Übenden, unter den Muscheln, Pflanzen und dem Schlamme die geistigen Trübungen (kilesa) und unter dem wasserreinigenden Zauberstein das Vertrauen. Insofern nun, o König, ist die Läuterung ein charakteristisches Merkmal des Vertrauens."

"Inwiefern aber, o Ehrwürdiger, ist das Vorwärtsstreben ein charakteristisches Merkmal des Vertrauens?"

"Wenn, o König, der in der Sammlung sich Übende merkt, wie andere die Erlösung des Geistes gewinnen, so strebt er alsbald ebenfalls nach dem Ziele des Stromeintrittes, der Einmal-Wiederkehr, der Nie-Wiederkehr oder der Vollkommenen Heiligkeit (arahatta, siehe ariya-puggala). Und er strengt sich an, um das Unerreichte zu erreichen, das Unerrungene zu erringen, das Unverwirklichte zu verwirklichen. Insofern, o König, ist das Vorwärtsstreben ein charakteristisches Merkmal des Vertrauens."

"Gib mir eine Erläuterung hierzu!"

"Gesetzt, o König, oben im Gebirge entlüde sich eine mächtige Regenwolke und das Wasser füllte beim Herabfließen die Gebirgstäler und verzweigten Schluchten und ergösse sich alsdann in einen Bach, so daß dessen beide Ufer überschwemmt würden. Und eine große Schar von Menschen käme des Wegs daher und bliebe furchtsam und zaudernd am Ufer stehen, da sie nicht weiß, ob der Bach seicht oder tief ist. Es käme aber ein Mann dazu, der sich seiner eigenen Kraft und Stärke bewußt ist. Der bände sein Lendentuch fest zum Schurze zusammen und setzte in einem Sprunge zum anderen Ufer über. Sobald ihn aber die Menschen am anderen Ufer erblickten, sprängen sie ebenfalls hinüber. Genau so, o König, ist es mit dem in der Sammlung sich Übenden. Sobald er nämlich merkt, wie andere die Erlösung des Geistes gewinnen, strebt er alsbald ebenfalls nach dem Ziele des Stromeintrittes, der Einmal-Wiederkehr, der Nie-Wiederkehr oder der Vollkommenen Heiligkeit. Insofern, o König, ist das Vorwärtsstreben ein charakteristisches Merkmal des Vertrauens. Auch der Erhabene, o König, sagt in der trefflichen Gruppierten Sammlung (Samyutta-Nikaya):

 

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!" 


Mil. 2.1.10. Willenskraft

 

Der König sprach: "Welche charakteristische Eigenschaft, o Herr, besitzt die Willenskraft (vīriya)?"

"Die Eigenschaft, daß sie als Stütze dient, denn solange die guten Eigenschaften alle durch Willenskraft gestützt sind, können sie nicht schwinden."

"Erläutere mir dies!"

"Wie ein Mann, o König, sein Haus, wenn es einzustürzen droht, durch einen Balken stützt und so vor dem Einstürzen bewahrt: genau so, o König, besitzt die Willenskraft die Eigenschaft, daß sie als Stütze dient, denn solange die guten Eigenschaften alle durch Willenskraft gestützt sind, können sie nicht schwinden."

"Gib mir noch ein weiteres Gleichnis!"

"Wenn, o König, ein großes Heer ein kleines gesprengt hat, der König des kleinen Heeres aber darauf andere Truppen hinzuzieht und zur Verstärkung nachschickt, so mag wohl, mit jenen vereint, das kleine Heer das große besiegen. In gleicher Weise, o König, besitzt die Willenskraft die Eigenschaft, daß sie als Stütze dient, denn solange die guten Eigenschaften alle durch Willenskraft gestützt sind, können sie nicht schwinden. Auch der Erhabene, o König, hat gesagt: <Durch Willenskraft unterstützt, o Mönche, überwindet der heilige Jünger das Schlechte und erweckt das Gute, überwindet er das Tadelige und erweckt das Untadelige und bewahrt sein Herz in Reinheit>"

"Ja, gar klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 2.1.11. Achtsamkeit

 

Der König sprach: "Welche charakteristische Eigenschaft, o Herr, hat die Achtsamkeit?"

"Die Eigenschaft, nichts aus dem Gedächtnis entfahren zu lassen, o König, und die Eigenschaft des Festhaltens."

"Inwiefern aber, Ehrwürdiger, hat die Achtsamkeit die Eigenschaft, nichts aus dem Gedächtnis entfahren zu lassen?"

"Solange die Achtsamkeit gegenwärtig ist, o König, läßt sie nichts von allen den Dingen aus dem Gedächtnisse entfahren, weder gute noch schlechte, tadelige noch untadelige, gemeine noch edle, noch die Gegensätze von Gut und Böse, und man erkennt:

- Auf diese Weise hegt der in Sammlung sich Übende die zu hegenden Eigenschaften, und die nicht zu hegenden hegt er nicht, pflegt die zu pflegenden Eigenschaften, und die nicht zu pflegenden pflegt er nicht. Insofern, o König, hat die Achtsamkeit die Eigenschaft, nichts aus dem Gedächtnisse entfahren zu lassen."

"Erläutere mir dies!"

"Es ist gerade so, o König, wie wenn der Schatzmeister eines Weltherrschers seinen Fürsten früh und spät an seine Macht erinnern möchte, indem er spräche: <So viele Elefanten, Pferde, Wagen und Soldaten hast du; so viel beträgt dein Geld, Gold und Reichtum. Möge sich das der Herr vergegenwärtigen!> Und auf solche Weise ließe er dem Könige die Erinnerung an seinen Reichtum nicht aus seinem Gedächtnisse entfahren. Genau so, o König, hat die Achtsamkeit die charakteristische Eigenschaft, nichts aus dem Gedächtnisse entfahren zu lassen."

"Inwiefern aber, o Ehrwürdiger, hat die Achtsamkeit die Eigenschaft des Festhaltens?"

"Wenn die Achtsamkeit gegenwärtig ist, o König, erforscht man den Ausgang der heilsamen und schädlichen Dinge - ob diese oder jene Dinge heilsam oder unheilsam, nützlich oder schädlich sind. Darauf läßt der in der Sammlung sich Übende die unheilsamen und schädlichen Dinge fahren, und die heilsamen und nützlichen hält er fest. Insofern, o König, hat die Achtsamkeit die charakteristische Eigenschaft des Festhaltens."

"Gib mir eine Erläuterung!"

"Es ist gerade so, o König, wie wenn der höchste Ratgeber (wörtlich: "Ratgeber-Juwel"; das ist eines der sieben Juwelen oder kostbaren Besitztümer eines Weltherrschers) eines Weltherrschers genau weiß, wer seinem Fürsten wohlgesinnt und wer ihm übelgesinnt ist: <Diese Leute sind wohlgesinnt, jene sind übelgesinnt; diese sind nützlich, jene aber schädlich.> So hält er dann die Übelgesinnten und Schädlichen fern, und an den Wohlgesinnten und Nützlichen hält er fest. Ebenso, o König, hat die Achtsamkeit die Eigenschaft des Festhaltens. Auch der Erhabene, o König, sagt:

<Die Achtsamkeit, o Mönche, ist überall von Nutzen>."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"

 



Mil. 2.1.12. Sammlung

 

Der König sprach: "Welche charakteristische Eigenschaft, o Herr, besitzt die Sammlung (samādhi)?"

"Die Eigenschaft, daß sie als Führer dient, o König, denn die guten Eigenschaften haben alle die Sammlung zum Führer, haben eine Neigung und einen Hang zu ihr, haben sie alle zum Treffpunkte."

"Mache mir dies durch ein Gleichnis verständlich!"

"Wie, o König, die Dachsparren eines Giebelhauses sämtlich zum Giebel hinführen, zum Giebel geneigt sind, im Giebel sich treffen und der Giebel da als Höchstes gilt: ebenso, o König, haben die guten Eigenschaften alle die Sammlung zum Führer, haben eine Neigung und einen Hang zu ihr, haben sie zum Treffpunkte."

"Gib mir noch ein weiteres Gleichnis!"

"Gleich wie, o König, wenn ein Fürst mit seiner vierfachen Heeresmacht in die Schlacht zieht, ihn seine sämtlichen Truppen - Elefanten, Pferde, Wagen und Schützen - zum Führer haben, zu ihm hinstreben, ihn zur Richtung nehmen und sich alle um ihn versammeln: ebenso, o König, haben die guten Eigenschaften alle die Sammlung zum Führer, haben eine Neigung und einen Hang zu ihr, haben sie zum Treffpunkte. Insofern, o König, hat die Sammlung die Eigenschaft, daß sie als Führer dient. Auch der Erhabene, o König, sagt:

<Übt Sammlung, ihr Mönche, denn der Gesammelte erkennt alle Dinge der Wirklichkeit gemäß.>"

"Ja, gar klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 2.1.13. Weisheit

 

Der König sprach: "Welche charakteristische Eigenschaft, o Herr, besitzt die Weisheit (paññā)?"

"Ich habe dir ja, o König, bereits erklärt, daß die Weisheit die charakteristische Eigenschaft des Abtrennens besitzt. Sie besitzt auch außerdem die Eigenschaft des Aufhellens."

"Inwiefern aber, o Herr, besitzt die Weisheit die Eigenschaft des Aufhellens?"

"Die Weisheit, o König, zerstreut bei ihrem Aufsteigen das Dunkel des Nichtwissens und gebiert die Helligkeit des Wissens. Sie sendet der Erkenntnis Strahlen aus und offenbart die Edlen Wahrheiten, so daß der in der Sammlung sich Übende mit vollkommener Weisheit die Vergänglichkeit (Anicca), das Leiden (Dukkha) und die Ichlosigkeit (Anattā) zu schauen vermag."

"Gib mir ein Gleichnis hiefür!"

"Gleichwie, o König, wenn ein Mann eine Lampe in ein dunkles Gemach bringt, die Lampe das Dunkel zerstört, Helle erzeugt und Licht verbreitet, so daß die Gegenstände sichtbar werden: in derselben Weise, o König, besitzt die Weisheit die Eigenschaft der Erleuchtung."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!


Mil. 2.1.14. Der Zweck aller guten Eigenschaften

 

Der König sprach: "Erfüllen, ehrwürdiger Nāgasena, diese so verschiedenen Eigenschaften wohl alle einen und denselben Zweck?"

"Ja, o König, alle diese Eigenschaften erfüllen trotz ihrer Verschiedenheit dennoch alle den einen Zweck, daß sie die geistigen Trübungen (Leidenschaften) zerstören."

"Inwiefern, Ehrwürdiger? Erläutere mir dies!"

"Gleichwie, o König, die Truppenteile - Elefanten, Pferde, Wagen und Schützen - trotz ihrer Verschiedenheit dennoch alle das eine Ziel haben, in der Schlacht das Feindesheer zu besiegen: genau so, o König, erfüllen diese Eigenschaften trotz ihrer Verschiedenheit dennoch alle den einen Zweck, daß sie die geistigen Trübungen zerstören."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


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