Zurueck Milindapañha, Die Fragen des Königs Milinda

Die äußere Erzählung (Teil 2)

Und der ehrwürdige Nāgasena sprach: «Das genügt, o Herr! Du brauchst es nicht nochmals vorzutragen; mit dem allein kann ich es nun rezitieren.»

Und der ehrwürdige Nāgasena begab sich zu der zahllosen Schar der Heiligen und sprach: «Ehrwürdige, ich möchte die ganze Sammlung der philosophischen Lehren ausführlich vortragen, indem ich dieselben unter drei Gesichtspunkten zusammenfasse, nämlich den heilsamen, unheilsamen und karmisch-neutralen Erscheinungen.»

«Nun gut, Nāgasena, so trage sie vor!»

Der ehrwürdige Nāgasena trug alsdann in sieben Monaten sämtliche sieben Bücher ausführlich vor. Und die Erde erbebte, die Gottheiten spendeten ihren Beifall, die Brahmas klatschten in die Hände, und himmlischer Sandelstaub und himmlisch leuchtende Korallenblüten regneten hernieder. Als nun der ehrwürdige Nāgasena sein zwanzigstes Lebensjahr erreicht hatte, gab ihm die zahllose Schar der Heiligen auf der «Geschützten Fläche» die volle Mönchsweihe.

(Zur Aufnahme als Mönch (bhikkhu), d.i. als vollberechtigtes Mitglied des buddhistischen Ordens (sangha) ist das vollendete 20.Lebensjahr erforderlich. Die Aufnahme als Novize (sāmanera) kann indessen schon im 7. Lebensjahr erfolgen.)

Nach Ablauf jener Nacht nun, am frühen Morgen, rüstete sich der ehrwürdige Nāgasena, der nun zum Mönche geweiht war, nahm Gewand und Schale und begab sich, zusammen mit seinem Berater, zum Dorfe um Almosen. Unterwegs stieg ihm folgender Gedanke auf: «Wahrlich, ein nichtiger Mensch ist doch mein Berater, ein Tor, daß er mich da zuerst im Abhidhamma unterwies und das übrige Buddha-Wort beiseite gelassen hat!»

Der ehrwürdige Rohana jedoch erkannte im Geiste die Gedanken des ehrwürdigen Nāgasena und sprach: «Einen unpassenden Gedanken erwägst du da, Nāgasena. Das ist nicht recht von dir.»

«Das ist doch wirklich seltsam und wunderbar», dachte der ehrwürdige Nāgasena, «wie da mein Berater im Geiste meine Gedanken durchschauen kann! Mein Berater ist doch wirklich weise! Wie, wenn ich ihn nun um Verzeihung bitte?» Und er sprach: «Verzeihe mir, o Herr! Nie will ich wieder solches denken.»

«So einfach, Nāgasena, werde ich dir nun doch nicht verzeihen», erwiderte ihm der ehrwürdige Rohana. «Es gibt da eine Stadt, Nāgasena, die Sāgalā heißt. Dort herrscht ein König, Milinda mit Namen, der die Gemeinde der Mönche belästigt, indem er ihr auf sophistische Weise Fragen stellt. Wenn du dort hingehst, jenen König in der Diskussion besiegst und ihn Vertrauen zur Buddha-Lehre gewinnen läßt, soll dir verziehen sein.»

«Sei es um diesen einen König Milinda, o Herr! Wenn selbst alle Könige des ganzen indischen Kontinents kommen und mir Fragen stellen sollten, so würde ich eben alle durch meine Antworten zu Schanden machen. Verzeihet mir also, o Herr!»

Als er jedoch auf diese Bitte noch immer eine abschlägige Antwort erhielt, sprach er: «Bei wem, o Herr, soll ich die drei Regenmonate (vassa) zubringen?»

«Da ist, Nāgasena, der ehrwürdige Assagutta, der in der Vattanīya-Klause wohnt. Den suche auf, Nāgasena; verbeuge dich in meinem Namen ehrfurchtsvoll zu seinen Füßen und sprich: Mein Berater, o Herr, verbeugt sich ehrfurchtsvoll zu Füßen des ehrwürdigen Assagutta und erkundigt sich, ob der ehrwürdige Assagutta gesund sei, ohne Beschwerden, munter und rüstig, und sich wohl befinde. Mein Berater hat mich geschickt, um bei dir die drei Regenmonate zu verbringen. Wenn er nun nach dem Namen deines Beraters fragt, so sage ihm, daß es der Ordensältere Rohana sei. Wenn er aber fragen sollte, wie sein eigener Name laute, so erwidere ihm, daß dein Berater seinen Namen kenne.»

«Gut, o Herr», versetzte der ehrwürdige Nāgasena, verbeugte sich ehrerbietig vor dem ehrwürdigen Rohana und ging davon, indem er ihm die Rechte zugekehrt hielt. Dann nahm er Gewand und Almosenschale und wanderte von Ort zu Ort, bis er schließlich in der Vattanīya-Klause beim ehrwürdigen Assagutta anlangte. Dort angekommen, begrüßte er ehrfurchtsvoll den ehrwürdigen Assagutta und stellte sich zur Seite hin. Darauf tat er genau, wie es ihm sein Berater vorgeschrieben hatte. Und der ehrwürdige Assagutta sprach: «Gut, gut, Nāgasena! Lege Schale und Gewand zur Seite!»

Am folgenden Tage kehrte der ehrwürdige Nāgasena die Zelle aus und besorgte für den Ordensälteren Wasser zum Waschen des Gesichtes und ein Holzstäbchen zum Zähnereinigen. Der Ordensältere aber fegte den bereits gefegten Platz noch einmal, schüttete das Wasser aus und holte frisches Wasser, warf das Holzstäbchen zum Zähnereinigen weg und nahm ein neues. Und er ließ sich in keinerlei Gespräch ein. So vergingen sieben Tage, und als der ehrwürdige Assagutta dem ehrwürdigen Nāgasena an dem darauf folgenden Tage nochmals die früheren Fragen vorgelegt und genau dieselben Antworten wie früher erhalten hatte, gestattete er ihm, die Regenzeit bei ihm zu verbringen.

Zu der damaligen Zeit aber ließ, seit dreißig Jahren, eine Hauptanhängerin dem ehrwürdigen Assagutta ihre Unterstützung zuteil werden. Als nun die drei Monate um waren, kam jene Hauptanhängerin zum ehrwürdigen Assagutta und erkundigte sich, ob noch ein anderer Mönch bei ihm wohne, und auf seine Mitteilung hin, daß sich ein Mönch namens Nāgasena bei ihm befinde, lud sie ihn, zusammen mit Nāgasena, für den folgenden Tag zum Essen ein. Schweigend gewährte der ehrwürdige Assagutta ihre Bitte. Und nach Ablauf der Nacht rüstete sich der ehrwürdige Assagutta in der Frühe, nahm Gewand und Almosenschale und begab sich, zusammen mit dem ehrwürdigen Nāgasena als seinem Begleiter, zur Wohnung der Hauptanhängerin. Dort angelangt, setzte er sich auf dem angebotenen Sitze nieder. Und jene Hauptanhängerin bewirtete den ehrwürdigen Assagutta und den ehrwürdigen Nāgasena, indem sie ihnen eigenhändig mit auserwählten harten und weichen Speisen aufwartete. Als nun der ehrwürdige Assagutta mit dem Male fertig war und seine Hände von der Almosenschale zurückgezogen hatte bat er den ehrwürdigen Nāgasena, für die Hauptanhängerin die Danksagung zu sprechen (anumodanā). Darauf erhob er sich von seinem Sitze und ging weg.

Die Hauptanhängerin sprach sodann zum ehrwürdigen Nāgasena: «Ich bin nun schon alt, lieber (tāta, eine liebevolle Anrede, die gewöhnlich Eltern ihren Kindern gegenüber benutzen) Nāgasena. Mögest du mich daher mit einem tiefgründigen Vortrage über die Lehre erfreuen!»

Und der ehrwürdige Nāgasena gab ihr die Danksagung durch eine tiefgründige Lehrdarlegung, die vom Überweltlichen und der Leerheit (von Ich und Mein) handelte. Jener Hauptanhängerin aber ging, als sie noch auf ihrem Platze dasaß, das ungetrübte, unbefleckte Auge der Wahrheit auf: daß alles, was auch immer dem Gesetze des Entstehens unterworfen ist, auch dem Gesetze der Vergänglichkeit anheimfallen muß. Auch dem ehrwürdigen Nāgasena, der nach seinem Dankvortrage über die selber dargelegte Wahrheit nachsann und «Klarblick»* gewann, wurde, als er noch auf seinem Platze dasaß, des «Ziels des Stromeintrittes» (sotāpatti, siehe ariyapuggala) teilhaftig.

* (d.i. die klare Einsicht, vipassana in die Vergänglichkeit anicca, Leidhaftigkeit, dukkha und die Unpersönlichkeit, anattā aller körperlichen und geistigen Daseinsformen)

Als der ehrwürdige Assagutta aber, der gerade in diesem Augenblicke in der Vorhalle saß, erkannte, daß beiden das Auge der Wahrheit aufgegangen war, spendete er seinen Beifall, indem er ausrief: «Recht so, recht so, Nāgasena! Mit einem Schlage hast du zwei mächtige Körper gesprengt!» Und viele Tausende Gottheiten spendeten gleichfalls ihren Beifall.

Der ehrwürdige Nāgasena erhob sich sodann von seinem Sitze und begab sich zum ehrwürdigen Assagutta. Dort angelangt, begrüßte er ihn ehrfurchtsvoll und setzte sich zur Seite nieder. Und der ehrwürdige Assagutta sprach zu ihm: «Begib dich nach Pātaliputta, Nāgasena, denn dort bei der Stadt Pātaliputta, im Asoka-Kloster, wohnt der ehrwürdige Dhammarakkhita, unter dem du nun das Wort des Buddha lernen sollst.»

«Wie weit, o Herr, ist es wohl von hier bis Pātaliputta?»

«Hundert Meilen, Nāgasena.»

«Das ist ein gar weiter Weg, o Herr; und unterwegs kann man wohl schwerlich Almosen erhalten. Wie werde ich dahin gehen können?»

«Gehe nur, Nāgasena! Unterwegs wirst du schon Almosen erhalten, ja sogar gesichteten Reis nebst mancherlei Suppen und Gemüsen.»

«Nun gut, o Herr!» versetzte der ehrwürdige Nāgasena, verbeugte sich vor dem ehrwürdigen Assagutta und entfernte sich, indem er ihm die rechte Seite zugekehrt hielt (ein Zeichen der Ehrerbietung). Dann nahm er Gewand und Almosenschale und machte sich auf den Weg nach Pātaliputta.

Damals nun zog ebenfalls ein Großkaufmann aus Pātaliputta mit seinen fünfhundert Wagen die Straße entlang nach Pātaliputta. Und schon von Ferne sah derselbe den ehrwürdigen Nāgasena herankommen. Sobald er ihn aber erblickt hatte, ließ er die fünfhundert Wagen anhalten, ging dem ehrwürdigen Nāgasena entgegen, und begrüßte ihn ehrfurchtsvoll, indem er ihn fragte, wo er hin wolle.

«Nach Pātaliputta, Hausvater», lautete die Antwort.

«Gut, gut Verehrter. Auch wir wollen nach Pātaliputta. In unserer Begleitung kannst du bequem reisen.»

Und der Großkaufmann, dem die Manieren des ehrwürdigen Nāgasena gefielen, bediente ihn und wartete ihm eigenhändig mit auserlesener harter und weicher Speise auf. Als der ehrwürdige Nāgasena mit dem Mahle fertig war und seine Hände von der Almosenschale zurückgezogen hatte, nahm der Großkaufmann einen niedrigen Stuhl und setzte sich zur Seite hin, indem er sich zum ehrwürdigen Nāgasena wandte mit den Worten: «Wie heißt du, Verehrter?»

«Nāgasena ist mein Name, Hausvater.»

«Kennst du wohl, Verehrter, was man das Buddha-Wort nennt?»

«Ich kenne, Hausvater, die Texte des Abhidhamma.»

«Gesegnet sind wir, Verehrter! Wohl getroffen haben wir's, Verehrter! Denn ich, Verehrter, bin ebenso wie du, ein Kenner des Abhidhamma. Trage mir also einige Lehren aus dieser Sammlung vor!»

Und der ehrwürdige Nāgasena legte dem Großkaufmann aus Pātaliputta den Abhidhamma dar, und noch während des Vortrages ging dem Großkaufmann das ungetrübte, unbefleckte Auge der Wahrheit auf, und er erkannte: «Was irgend auch entstanden ist, muß alles wieder untergehen.»

Darauf schickte der Großkaufmann die fünfhundert Wagen voraus, und er selber folgte hinterher. An einer Zweigstraße unweit von Pātaliputta hielt er an und sprach zum ehrwürdigen Nāgasena: «Dies, Verehrter, dies ist der Weg zum Asoka-Kloster. Ich habe da, Verehrter, eine sechzehn Ellen lange und acht Ellen breite wertvolle Wolldecke. Habe Mitleid mit mir und nimm sie bitte an!»

Und von Mitleid bewogen nahm sie der ehrwürdige Nāgasena an. Froh und zufrieden, beglückten Herzens und voller Begeisterung und Freude verbeugte sich darauf der Kaufmann vor dem ehrwürdigen Nāgasena und zog weiter, indem er ihm die Rechte zugekehrt hielt.

Der ehrwürdige Nāgasena aber begab sich zum Asoka-Kloster, zum ehrwürdigen Dhammarakkhita. Bei seiner Ankunft begrüßte er ehrfurchtsvoll den ehrwürdigen Dhammarakkhita und teilte ihm den Grund seines Kommens mit. In drei Monaten eignete sich nun der ehrwürdige Nāgasena unter ihm, schon nach einer einmaligen Rezitation, den Wortlaut der in sämtlichen Drei Sammlungen (Ti-Pitaka) enthaltenen Worte des Erleuchteten an, und in den nächsten drei Monaten versenkte er sich in deren Sinn. Der ehrwürdige Dhammarakkhito aber sprach zu ihm: «Gleichwie da, Nāgasena, ein Kuhhirt seine Kühe hütet, andere aber die Milch der Kühe genießen, ebenso, Nāgasena, trägst du zwar die Drei Sammlungen der Worte des Erleuchteten mit dir im Kopfe herum, ein Anteil an wahrer Asketenschaft (d.h. die Heiligkeit) aber ist dir nicht beschieden.»

«Sei dem, wie es will, o Herr! Genug damit!» sagte der ehrwürdige Nāgasena. Und noch in der Nacht des selbigen Tages hatte er die Vollkommene Heiligkeit (arahatta) erreicht, samt dem Analytischen Wissen (patisambhidā). In dem Augenblicke aber, wo er die Wahrheit durchdringend schaute, spendeten ihm all die Gottheiten ihren Beifall, die Erde erbebte, die Götter klatschten in die Hände, und himmlischer Sandelstaub und himmlisch leuchtende Korallenblüten regneten hernieder.

Damals hatte sich gerade die zahllose Schar der Heiligen auf der «Geschützten Fläche» an den Abhängen des Himalaja zusammen gefunden. Und sie schickten einen Boten zum ehrwürdigen Nāgasena, durch den sie ihn einladen ließen zu kommen, da sie ihn zu sehen wünschten. Sobald er daher die Worte des Boten vernommen hatte, verschwand er aus dem Asoka-Kloster und trat vor den Augen der zahllosen Heiligen auf der «Geschützten Fläche» an den Abhängen des Himalaja wieder in Erscheinung (Nāgasena war nämlich inzwischen in den Besitz der magischen Kräfte gelangt, die ihm gestatteten, wo immer er wollte, zu verschwinden und zu erscheinen). Diese aber sprachen zu ihm: «Der König Milinda, Nāgasena, belästigt die Gemeinde der Mönche mit Rede und Gegenrede und mit seinen Fragen. Gehe, bitte, Nāgasena, und widerlege den König Milinda! »

«Sei es, Verehrte, um diesen einen König Milinda. Wenn selbst die Könige des gesamten indischen Kontinentes kommen und mir Fragen stellen sollten, Verehrte, so würde ich eben alle durch meine Antworten zunichte machen. Geht nur ganz ohne Furcht zur Stadt Sāgalā, Verehrte!»

Und die Ordensälteren begaben sich alsbald nach Sāgalā und ließen die ganze Stadt durch ihre goldgelben Gewänder erglänzen und von dem Tugenddufte der Weisen durchdringen.

Zu jener Zeit nun wohnte der ehrwürdige Ayupāla in der Sankheyya-Klause. Und der König Milinda wandte sich an seine Räte und sprach: «Welchen Asketen oder Priester könnte ich wohl heute aufsuchen, um mit ihm zu diskutieren und ihm meine Fragen vorzulegen?»

Auf diese Worte erwiderten die fünfhundert Griechen dem Könige Milinda: «Es gibt da, o König, einen Ordensälteren mit Namen Ayupāla, der ein Kenner des Dreikorbes ist, ein großes Wissen besitzt und mit der Überlieferung wohl vertraut ist. Jener wohnt gegenwärtig in der Sankheyya-Klause. Geh, König, und stelle jenem ehrwürdigen Ayupāla deine Fragen!»

«Gut, so meldet mich dem Ehrwürdigen!»

Darauf schickte der Astrologe des Königs einen Boten zum ehrwürdigen Ayupāla und ließ ihm mitteilen, daß ihn der König zu sprechen wünsche.

«Gut, möge er kommen!» versetzte der ehrwürdige Ayupāla.

Und der König Milinda bestieg seinen Staatswagen und begab sich, von den fünfhundert Griechen begleitet, zur Sankheyya-Klause, zum ehrwürdigen Ayupāla. Bei seiner Ankunft begrüßte er sich mit dem ehrwürdigen Ayupāla, und nach Austausch freundlicher und zuvorkommender Worte setzte er sich zur Seite nieder und sprach:

«Welchen Zweck, o Herr, hat eure Weltentsagung? Was ist euer höchstes Ziel?»

«Der Zweck unserer Weltentsagung, o König, ist ein rechter und gerader Wandel.»

«Gibt es wohl auch irgend einen unter den Laien, der einen rechten und geraden Wandel führt?»

«Gewiß, o König, gibt es auch Laien von rechtem und geradem Wandel. Als zum Beispiel der Erhabene an der Sehersteige im Gazellenhaine bei Benares das Reich der Wahrheit aufrichtete, gelangten achtzehn Myriaden Brahma-Götter nebst unzählbaren Gottheiten zur Durchdringung der Wahrheit; alle jene aber waren Laien, hatten keineswegs der Welt entsagt. 

Und ebenfalls, als der Erhabene 

da durchdrangen unzählige Gottheiten die Wahrheit (dhammābhi-samaya); alle jene aber waren Laien, hatten keineswegs der Welt entsagt.»

«Demnach, ehrwürdiger Ayupāla, ist ja eure Weltentsagung ganz zwecklos; und es ist wohl bloß infolge der in einem früheren Leben begangenen bösen Tagen, daß die Asketen des Sakyersohnes die Welt verlassen und die strengen «Läuterungsübungen» (dhutanga) auf sich nehmen. Gewiß waren jene Mönche, ehrwürdiger Ayupāla, die da bloß während einer einzigen Sitzung speisen, in einem früheren Leben Diebe und haben andere ihrer Nahrung beraubt. Dafür nämlich, daß sie damals andere ihrer Nahrungsmittel beraubt haben, nehmen sie jetzt zur Strafe für jene Taten bloß während einer einzigen Sitzung Nahrung zu sich und können nicht etwa dann und wann essen. Das ist also bei ihnen keine Sittlichkeit, keine Askese, kein heiliger Wandel. Diejenigen Mönche nun, ehrwürdiger Ayupāla, die unter freiem Himmel leben, müssen in einem früheren Leben Räuber gewesen sein und ganze Dörfer verwüstet haben. Dafür nämlich, daß sie damals der anderen Häuser zerstört haben, wohnen sie jetzt zur Strafe für jene Taten unter freiem Himmel und bekommen keine Wohnstätte zum Schlafen. Das ist also bei ihnen keine Sittlichkeit, keine Askese, kein heiliger Wandel. Diejenigen Mönche aber, ehrwürdiger Ayupāla, die da sitzend schlafen, waren gewiß in einem früheren Leben Räuber und Wegelagerer. Dafür nämlich, daß sie damals die Wanderer überfallen und, mit gefesselten Händen und Füßen, in sitzender Stellung zurückgelassen haben, müssen sie jetzt zur Strafe für jene Taten sitzend schlafen und bekommen zum Schlafen kein Ruhelager. Das ist also bei ihnen keine Sittlichkeit, keine Askese, kein heiliger Wandel.»

Auf diese Worte blieb der ehrwürdige Ayupāla stumm und konnte nichts mehr entgegnen. Die fünfhundert Griechen aber versicherten nichtsdestoweniger dem Könige Milinda, daß der Ordensältere zwar gelehrt sei, aber infolge seiner Schüchternheit nicht zu widersprechen wage.

Der König Milinda jedoch, der den ehrwürdigen Ayupāla stumm dasitzen sah, klatschte in die Hände und rief aus: «Wahrlich, nichtig ist doch dieses Indien! Einer leeren Hülse gleicht es. Denn nicht einen einzigen gibt es hier unter den Asketen und Priestern, der imstande wäre, mit mir zu diskutieren und meine Zweifel zu lösen!»

Als aber der König die gesamte Schar der Griechen überblickte und bemerkte, wie sie alle so ganz ohne Zagen und Aufregung waren, dachte er: «Zweifellos muß es da noch irgend einen anderen gelehrten Mönch geben, der imstande ist, mit mir zu diskutieren und meine Zweifel zu lösen, denn das dürfte wohl der Grund sein, weshalb diese Griechen gar nicht in Verlegenheit geraten.» Und er sprach: «Gibt es denn wohl noch irgend einen anderen gelehrten Mönch, der imstande ist, mit mir zu diskutieren und meine Zweifel zu lösen?»

Zu jener Zeit nämlich war gerade der ehrwürdige Nāgasena, nachdem er viele Dörfer, Städte und Residenzen durchwandert hatte, in Sāgalā eingetroffen und wohnte dort, zusammen mit zahlreichen Mönchen, in der Sankheyya-Klause. 

Er hatte eine Schar von Asketen um sich versammelt, war das Haupt einer Gemeinde und Jüngerschar, einer Jüngerschar Lehrer, anerkannt, berühmt und von vielen hochgeachtet, gelehrt, klug, weise, scharfsinnig und verständig, ein überzeugender Redner, voll Beherrschung und Selbstvertrauen. 

Er war im Besitze umfangreicher Kenntnisse, ein Kenner des Dreikorbes, vollendet im Wissen, von durchdringendem Verstande, mit der Botschaft wohl vertraut und hatte sich das Analytische Wissen zu eigen gemacht. 

Die neunfache Satzung (sāsana) des Meisters beherrschte er und hatte in der Lehre des «Siegers» die Vollkommenheit erreicht. Mit Leichtigkeit verstand er, in den Sinn und Wortlaut der Lehre einzudringen. 

Von unversiegbarer, vielseitiger Schlagfertigkeit war er, ein vielseitiger Redner von edler Beredsamkeit, der schwerlich zu erreichen oder gar zu überflügeln, dem schwer zu widersprechen war, dem man nicht widerstehen und ihn nicht widerlegen konnte. Unwandelbar war er wie das Meer und unerschütterlich wie der König der Berge. 

Der Lust entfremdet und das Dunkel verscheuchend, ließ er das Licht hell leuchten. Ein mächtiger Redner war er, der die Anhängerschaft der anderen Sektenhäupter über den Haufen warf, die Andersgläubigen zu Schinden machte. Mönche, Nonnen, Anhänger, Anhängerinnen, Fürsten und königliche Beamte verehrten und würdigten ihn, zeigten ihm Ehrfurcht, Achtung und Hochschätzung. 

Die Bedarfsgegenstände wie Gewand, Almosenspeise, Lagerstatt, Heilmittel und Arzneien wurden ihm reichlich zuteil. Ja, in der Erlangung von Geschenken und Ansehen hatte er den Gipfelpunkt erreicht. Den Weisen und Verständigen, die auf ihn hörten, wies er das Kleinod der neunfachen Satzung des Siegers, den Wahrheitspfad; und er ließ leuchten das Licht der Wahrheit, richtete auf den heiligen Wahrheitspfeiler und brachte dar die Opfergabe der Wahrheit; er ließ das Wahrheitsbanner schwingen, aufrichten die Flagge der Wahrheit, blasen die Wahrheitstrompete und die große Trommel der Wahrheit erdröhnen, ließ erschallen den Löwenruf und erkrachen den Donner des Indra; und er durchsättigte die ganze Erde mit der in lieblichem Klange erbebenden mächtigen Nektarwolke der Wahrheit, die umzuckt wird von den dichten Blitzen höchster Erkenntnis und durchschwängert ist vom Wasser des Mitleids. Darum heißt es:

 

 

 

 

 

 

Die «fünf Bände» (nikāya) oder Teile des Sutta-Pitaka sind die Lange Sammlung (Digha-Nikāya), die Mittlere Sammlung (Majjhima-Nikāya); die Angereihte Sammlung (Anguttara-Nikāya), die Gruppierte Sammlung (Samyutta-Nikāya) und die Sammlung der kurzen Texte (Khuddaka-Nikāya), welche 15 Bücher enthält.

Die «vier Bände» beziehen sich wahrscheinlich auf die ersten vier der oben genannten Sammlungen.

 

 

Und Devamantiya wandte sich an den König Milinda und sprach: «Nur Geduld, o König! Es gibt da einen Ordensälteren mit Namen Nāgasena, der verständig, aufgeklärt und weise ist, voll Beherrschung und Selbstvertrauen, ein wissensreicher, vielseitiger, mit edler Beredsamkeit begabten Redner, der es zur Vollendung gebracht hat in dem Analytischen Wissen, nämlich des wahren Sinnes, des Wortlautes, der Worterklärungen und der Schlagfertigkeit.

Dieser Mönch aber weilt gegenwärtig hier in dem Sankheyya-Kloster. Gehe, König, und lege dem ehrwürdigen Nāgasena deine Fragen vor, denn er ist imstande, mit dir zu diskutieren und deine Zweifel zu lösen.» Kaum aber hatte der König den Namen Nāgasena vernommen, als ihn plötzlich Angst und Schrecken befiel und ihm die Haare sich sträubten. Und er sprach zu Devamantiya: «Wie? Der Mönch Nāgasena sollte wirklich imstande sein, mit mir zu diskutieren?»

«Ja, o König!» versetzte Devamantiya. «Er ist sogar imstande, mit Indra, Yama, Varuna, Kuvera, Pajāpati, Suyāma und Santusita zu diskutieren; ja gar mit dem Urahnherrn, dem Großen Brahma und den Beschirmern der Welt kann er diskutieren, geschweige denn mit einem menschlichen Geschöpfe.»

«So schicke denn, Devamantiya, dem Ehrwürdigen einen Boten!» sagte der König.

«Ja, o Herr!» erwiderte Devamantiya, und schickte dem ehrwürdigen Nāgasena die Botschaft, daß ihn der König Milinda zu sehen wünsche. «So möge er denn kommen!» lautete die Antwort des ehrwürdigen Nāgasena.

Zu jener Stunde gerade saß der ehrwürdige Nāgasena, von einer großen Schar von Mönchen umgeben, in der Versammlungshalle. Und schon von ferne erblickte der König die Versammlung des ehrwürdigen Nāgasena, und bei ihrem Anblicke sprach er: «Zu wem, Devamantiya, gehört diese mächtige Versammlung?»

«Zum ehrwürdigen Nāgasena», war die Antwort. Und obzwar der König die Versammlung bloß erst aus der Ferne erblickte, befiel ihn Angst und Schrecken, seine Haare sträubten sich, und er kam sich vor wie ein von Nashörnern umzingelter Elefant, oder wie eine von Garulavögeln umschwärmte Kobra oder wie ein Schakal, um den eine Riesenschlange sich gewunden hat, oder wie ein von Büffeln umzingelter Bär. Ja, gleichsam wie ein Frosch fühlte er sich, den eine Schlange verfolgt, oder wie ein Hirsch, der von einem Tiger gehetzt wird, oder wie eine Schlange in den Händen des Schlangenbändigers, oder wie eine Ratte in den Klauen der Katze, oder wie ein Gespenst im Banne des Geisterbeschwörers, oder wie der Mond im Rachen des Rahu, oder wie eine im Korbe gefangen gehaltene Schlange, oder wie ein Vogel im Käfig, oder ein Fisch in den Schlingen des Netzes, oder wie ein Mann, der in einen Wald voll wilder Tiere geraten ist, oder wie ein Gespenst, das sich gegen den Dämonenkönig vergangen hat, oder wie ein Göttersohn an seinem Lebensende. Voll Furcht und Unruhe war er, ängstlich, aufgeregt, verstimmt und bedrückt, zerstreut und geistig zerfahren. Um aber von den Leuten nicht mit Verachtung behandelt zu werden, faßte er Mut und sprach zu Devamantiya: «Du brauchst mir den ehrwürdigen Nāgasena gar nicht zu zeigen, Devamantiya, denn ohne weiteres werde ich ihn herausfinden.»

«Gut, König, finde ihn selber heraus!»

In jener Mönchsversammlung nun hatte der ehrwürdige Nāgasena weniger Ordensjahre als die vor ihm sitzenden Mönche und mehr Ordensjahre als die hinter ihm sitzenden. Aber trotz der Entfernung sah der König, während er seinen Blick über die ganze Mönchsschar, vom, hinten und in der Mitte, schweifen ließ, den ehrwürdigen Nāgasena einem Löwen gleich, inmitten der Mönchsversammlung sitzen, frei von Angst und Beklemmung, ohne jede Aufregung, Furcht oder Scheu. Und kaum waren seine Blicke auf ihn gefallen, so erkannte er auch schon an seinem Äußeren, daß er der Nāgasena war. Und er zeigte ihn dem Devamantiya mit den Worten: «Dieser da, Devamantiya, ist sicherlich der ehrwürdige Nāgasena.»

«Ja, König, das ist er. Richtig hast du ihn erkannt.»

Und der König freute sich in dem Gedanken, daß er ohne irgendwelche Andeutung den ehrwürdigen Nāgasena selber herausgefunden hatte. Doch, sobald er seine Blicke wieder auf ihn richtete, befielen ihn Angst und Schrecken, und seine Haare sträubten sich.

Darum heißt es:

 

 

 


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