Visuddhi Magga XVII

Schlusskapitel vom Boden des Wissens

Die Bedingte Entstehung (paticca-samuppāda)

(Fortsetzung 1)


(a) "Nach dem Sinne soll man die Erklärung verstehen"

bedeutet: - mit Hinsicht auf den Sinn der Begriffe 'Unwissenheit' usw., nämlich:

 
(I) Im Sinne von etwas 'zum Anhäufen Ungeeignetem' gilt der schlechte Wandel in Werken, Worten und Gedanken als etwas Nichtfindenswertes (a-vindiya, von vid); und daß man dieses Nicht-findenswerte findet, gilt als "A-vijjā". Umgekehrt gilt der gute Wandel in Werken, Worten und Gedanken als das Findenswerte (vindiya), und daß man dieses Findenswerte nicht findet (na vindati) gilt als A-vijjā. Auch das gilt als A-vijjā, was den Sinn der Daseinsgruppen als Anhäufung 'nicht erkennen läßt' (aviditam karoti), und nicht den Sinn der Grundlagen als Betätigen, der Elemente als leer, der Fähigkeiten als das Vorherrschende, der Wahrheiten als Wirklichkeit. Auch das, was den erwähnten vierfachen Sinn des Leidens als Bedrückung usw. nicht erkennen läßt, auch das gilt als Avijjā. Auch das gilt als Avijjā, was die Wesen, durch alle Entstehungsschoße (yoni), Daseinsfährten (gati), Daseinssphären (bhava), Bewußtseinsstätten (viññāna-tthiti) und Wesenwelten (sattāvāsa) hindurch, diese endlose Daseinsrunde durcheilen läßt. Als Avijjā gilt auch das, was zu den im höchsten Sinne (paramatthato) unwirklichseienden (a-vijjamāna, wörtl. 'nicht zu findenden') Dingen wie 'Mann, Frau' usw. hintreibt, aber nicht zu den wirklich vorzufindenden Daseinsgruppen. Als Avijjā gilt auch das, was die (Beschaffenheit der jeweiligen Sinnenorgan-) Basen und Objekte des Sehbewußtseins usw. verdeckt, sowie auch die Bedingte Entstehung und die bedingt entstandenen Dinge verhüllt.

 

Das, wodurch bedingt (paticca) das Ergebnis eintritt (eti = ayati Öi), gilt als paccaya oder 'Bedingung' wobei 'bedingt' soviel bedeutet wie 'ohne welches nicht' (sine qua non), 'es nicht übergehend'; und 'eintritt' soviel wie aufsteigt, im Gange bleibt. Ferner hat 'Bedingung' (paccaya) den Sinn von Stütze. Insofern nun diese Unwissenheit (avijjā) eine Bedingung ist, so gilt sie als Unwissenheitbedingung (avijjāpaccayā); daher heißt es avijjāpaccayā 'infolge der Unwissenheitbedingung' (d.i. durch Unwissenheit bedingt).

 

(II) Die "Karmaformationen" (sankhāra) sind das, was das Geformte formt. Übrigens gibt es zweierlei Formationen: die durch Unwissenheit bedingten (Karma-) Formationen und die unter dem Namen 'Formation' überlieferten Gebilde.

Hierunter bilden die durch Unwissenheit bedingten (Karma-) Formationen sechs Arten: die drei als verdienstlich, unverdienstlich und unerschütterlich (puñña-, apuñña-, aneñjâbhisankharā) geltenden Formationen und die drei als körperlich, sprachlich und geistig geltenden (Karma-) Formationen, und alle diese gelten bloß als 'weltlich heilsamer' (lokiya-kusala) und 'unheilsamer' (akusala) Wille (cetanā).

Die unter dem Namen 'Formationen' (sankhāra) überlieferten Dinge sind vierfach: geschaffene Formationen, karmisch gewirkte Formationen, karmisch-wirkende Formationen, als Triebkraft geltende Formationen.

Unter diesen gelten als 'geschaffene' (sankhata) Formationen sämtliche mit Bedingungen verknüpften (sa-ppaccaya) Dinge, wie es heißt (D. 16):
"Vergänglich, ach, sind die Gebilde" usw. -



(*) Der Begriff 'geschaffene Formation' (sankhata-sankhāra) umschließt also sämtliche Gebilde überhaupt, während der Begriff 'karmisch-gewirkte Formation' (abhisankhata-sankhāra) bloß die karmagewirkten Dinge, und der Begriff 'karmisch-wirkende Formation' (abhisankharana-sankhāra) bloß die heilsamen und unheilsamen Karmaformationen (den karmischen Willen) bedeutet.

Der Begriff 'sankhāra' übrigens deckt sich, wörtlich wie auch der Bedeutung nach, vollkommen mit den Begriffen 'Gestaltung, Bildung, Formation', da diese genau wie das Wort 'sankhāra' sowohl die aktive Tätigkeit des Gestaltens, Bildens, Formens ausdrücken, als auch den passiven Zustand des Gestalteten, Gebildeten und Geformten.



 

Nicht aber bloß diese, sondern noch viele andere als Formationen bezeichneten Dinge sind uns überliefert, wie z.B. in den Worten (M. 44):

 

"In einem Mönche, Visākha, der in die Erlöschung von Wahrnehmung und Gefühl eintritt, schwinden zuerst die sprachlichen Formationen (Gedankenfassung und Diskursives Denken; nämlich durch die 2.Vertiefung), dann die körperlichen Formationen (Ein- und Ausatmung; durch die 4. Vertiefung), dann die geistigen Formationen (Gefühl, Wahrnehmung usw.; durch Eintritt in den Erlöschungszustand)."

 

Unter diesen nun gibt es keine einzige Formation, die nicht unter den als 'geschaffen' (sankhata) geltenden Formationen eingeschlossen wäre. -

 

Den Sinn der nun folgenden Aussagen, wie 'Durch die Karmaformationen bedingt ist das Bewußtsein usw.', hat man in der oben erklärten Weise zu verstehen.

 

Hinsichtlich des Nichterklärten aber gilt folgendes:

 

(III) "Bewußtsein" (viññāna) ist, was sich bewußt ist;

(IV) "Geist" (nāma): was sich (dem Objekte) zuneigt (Önam); "Körperlichkeit" (rūpa): was bedrückt (Örup);

(V) "Grundlagen" (āyatana): was die 'eindringenden Dinge' (āya) dehnt (Ötan) und das Ausgebreitete lenkt;

(VI) "Bewußtseinseindruck" (phassa): was beeindruckt (Öphus 'berührt');

(VII) "Gefühl" (vedanā): was fühlt;

(VIII) "Begehren" (tanhā, skr. trsnā, wörtl. Durst): was dürstet;

(IX) "Anhaftung" (upādāna): was anhaftet;

(X) "Werdeprozeß" (bhava): was wird und was werden läßt;

(XI) "Geburt": das Entstehen;

(XII) "Altern": das Altwerden; "Sterben": das, wodurch man stirbt; Sorge: das Sorgen; Klage: das Wehklagen; Schmerz (dukkha): das Schmerzempfinden oder was, im Sinne von Entstehungs- und Beharrungsmoment, (das Bewußtsein) 'in zwei Teile' (dvidhā) 'spaltet' (Ökhan); "Trübsinn" (domanassa = dur + manas + ya): der trübe Geisteszustand; Verzweiflung: die äußerste Entmutigung; 'kommen zum Entstehen': steigen auf. Nicht aber hat man bloß bei 'Sorge' usw. die Worte 'kommen zum Entstehen' (sambhavanti) zu ergänzen, sondern bei allen diesen Worten. Andernfalls würde ja, wenn man z.B. sagte 'Durch Unwissenheit bedingt ... die Karmaformationen', sich gar nicht zeigen, was mit diesen Dingen geschieht. Ergänzt man aber die Worte 'kommen zum Entstehen', so sind die Bedingung und das bedingt entstandene Ding festgelegt. Unwissenheit nämlich ist die Bedingung, die Unwissenheitbedingung, also: 'infolge der Unwissenheitbedingung (d.i. durch Unwissenheit bedingt) kommen die Karmaformationen zum Entstehen.' Die entsprechende Erklärung gilt überall.

 

Das Wörtchen "so" (in dem Ausspruche: 'So kommt es zur Entstehung dieser ganzen Leidensmasse') zeigt die beschriebene Art und Weise an. Dadurch nämlich wird angedeutet, daß alles durch Unwissenheit usw. als Grund entstanden ist und nicht von einem Gottschöpfer erschaffen wurde u. dgl.

"dieser" (ganzen Leidensmasse) bedeutet: dieser genannten,

"ganz" bedeutet: unvermischt, vollständig.

"Leidensmasse" besagt, daß es sich um Leidensentstehung handelt, nicht aber um Entstehung eines Wesens oder Entstehung von etwas Glücklichem, Schönem u. dgl.

"Entstehung" ist: Insdaseintreten.

"findet statt" ist dasselbe wie 'entsteht'.

Auf diese Weise hat man hier die Erklärung zu verstehen mit Hinsicht auf den Sinn. 
 


(b) "Nach den Merkmalen usw. soll man die Erklärung verstehen"

bedeutet; mit Hinsicht auf die Merkmale usw. der Unwissenheit und der anderen Bedingungen, nämlich:

(I) "Unwissenheit" (avijjā) hat als Merkmal das Nichterkennen, als Wesen die Betörung, als Äußerung das Verhüllen, als Grundlage (oder: nächste Ursache; so auch im folgenden) die Triebe (āsava).

(II) Die "Karmaformationen" (sankhāra) haben als Merkmal das karmische Wirken (abhisankharana), als Wesen das Anhäufen (āyūhana, nach dem Kom. bedeutet dieses Wort hier entweder 'Anhäufen', "rāsi-karana", oder 'Tätigkeit, Streben', "vyāpāra"), als Äußerung den Willen (cetanā), als Grundlage die Unwissenheit.

(III) Das "Bewußtsein" (viññāna) hat als Merkmal das Erkennen, als Wesen das Führen, als Äußerung die Wiedergeburt (das Bewußtsein entsteht im Augenblick der Empfängnis, okkanti, gleichzeitig mit den übrigen Daseinsgruppen), als Grundlage die Karmaformationen (die vorgeburtlichen heilsamen und unheilsamen Karmaformationen nämlich sind die Ursache zu allem karmagewirkten (vipāka) Bewußtsein, wie Sehbewußtsein usw.), oder auch die Sinnenorgane und Objekte.

(IV) Das "Geistige" (nāmas) hat als Merkmal das Sichhinneigen (Önam) (zu den Objekten), als Wesen das Verbundensein, als Äußerung die Untrennbarkeit (der geistigen Gruppen), als Grundlage das Bewußtsein (denn alle in dem Begriffe des 'Geistigen', nāma, zusammengefaßten Gefühle, Wahrnehmungen und Geistesformationen sind durch die Anwesenheit des Bewußtseins bedingt). Das "Körperliche" (rūpa) hat als Merkmal das Bedrücktwerden, als Wesen das Sichauflösen, als Äußerung das Karmisch-neutrale (das Körperliche, rūpa, nämlich ist stets etwas Amoralisches, d.i. Karmischneutrales), als Grundlage das Bewußtsein (durch das Entstehen des Bewußtseins bei der Wiedergeburt ist die damit gleichzeitig entstehende Körperlichkeit des neuen Lebewesens bedingt).

(V) Die 6 "Grundlagen" (āyatana) haben als Merkmal das Ausdehnen (ā+Öyat) (der Daseinsrunde), als Wesen das Sehen, Hören usw., als Äußerung, daß sie die körperlichen Grundlagen und Pforten (des Bewußtseins) bilden, als Grundlage das Geistige und Körperliche (durch das Geistige und Körperliche, nāma-rūpa, nämlich sind die 6 Grundlagen, wie Sehorgan usw. bedingt. Ausführliches hierüber später).

(VI) Der "Bewußtseinseindruck" (phassa) hat als Merkmal das Beeindrücken, als Wesen das Verbinden, als Äußerung das Zusammentreffen (der 6 Sinnenorgane und 6 Objekte) 'als Grundlage die 6 Grundlagen.

(VIIl) "Gefühl" (vedanā) hat als Merkmal das Fühlen (von Angenehmem, Unangenehmem usw.), als Wesen das Empfinden des Reiches des Objektes, als Äußerung Wohl und Wehe, als Grundlage den Bewußtseinseindruck.

(VIII) "Begehren" (tanhā) hat als Merkmal, daß es eine Wurzelbedingung ist, als Wesen das Gefallenfinden, als Äußerung die Unersättlichkeit, als Grundlage das Gefühl.

(IX) Das "Anhaften" (upādāna) hat als Merkmal das Festhalten, als Wesen das Nichtloslassen, als Äußerung heftiges Begehren und Ansichten, als Grundlage das Begehren.

(X) Der "Werdeprozeß" (bhava) hat als Merkmal das Karma und die Karmawirkung, als Werden das Werden und Werdenlassen, als Äußerung das karmisch Heilsame, Unheilsame und Neutrale (der Werdeprozeß bhava zerfällt nämlich in den aktiven oder 'karmischen Werdeprozeß' kamma-bhava und den passiven oder karmagewirkten 'Geburts-Werdeprozeß' uppatti-bhava. Ausführliches hierüber später), als Grundlage das Anhaften.

(XI-XII) Die Merkmale usw. von Geburt und den übrigen Dingen sind genau wie in der bei Darlegung der Wahrheiten gegebenen Erklärung zu verstehen.

Auf diese Weise hat man die Erklärung zu verstehen mit Hinsicht auf die Merkmale usw.

 


(c) "Nach der Vielartigkeit soll man die Erklärung verstehen": -

 
(I) Hier nun ist "Unwissenheit" (avijjā) ihrer Natur nach von einer einzigen Art, nämlich: Nichtwissen, Nichterkennen, Verblendung usw. Zweifach ist sie als Nichterkennen und verkehrtes Erkennen (*1), ebenso auch als vorbereitet (veranlaßt) oder unvorbereitet (*2), dreifach als verbunden mit den drei Arten der Gefühle (*3), vierfach als das Nichtdurchdringen der vier Wahrheiten, fünffach als das Elend der fünf Daseinsgruppen verhüllend. Mit Rücksicht auf die 6 Pforten und Objekte (Sehorgan, Hörorgan usw. und Sehobjekt, Ton usw.) (des Bewußtseins) aber hat man bei allen geistigen Dingen sechserlei Art anzunehmen. 


(*1) 'patipatti' wird hier in dem im Pali ungewöhnlichen Sinne von 'ñāna' und 'ditthi' gebraucht: 'Hinter-etwas-kommen, Einsehen' usw. Vgl. Kom.

(*2) d.i. 'unvorbereitet' bei den in Verblendung wurzelnden Bewußtseinsklassen (32, 33), 'vorbereitet' bzw. 'unvorbereitet' aber bei den in Gier und Haß wurzelnden Bewußtseinsklassen (22-31).

(*3) In gierhaftem Bewußtsein (22-29) nämlich mit Freude (22-25) oder Indifferenz (26-29), im Haßbewußtsein (30, 31) mit Trübsal, in verblendetem Bewußtsein (32, 33) mit Indifferenz


 

(II) Die "Karmaformationen" (sankhāra) sind von einer einzigen Art, insofern sie alle mit Trieben verknüpft sind (sâsava), der Karmawirkung ausgesetzte Dinge (vipākadhamma-dhamma) sind (es sei hier betont, die Karmaformationen sankhāra sind keine karmagewirkten Dinge, sondern sind das Karma (karmischer Wille) selber) usw.; zweifach als karmisch heilsam (kusala) oder unheilsam (akusala), ebenso als beschränkt oder entfaltet, niedrig oder mittelmäßig, bestimmt oder nicht bestimmt hinsichtlich des verkehrten Pfades; dreifach als verdienstlich, unverdienstlich oder unerschütterlich; vierfach als zu den 4 Daseinsschoßen (d.i. den ei-geborenen, leib-geborenen, feuchtigkeit-geborenen und spontan-geborenen Wesen) führend; fünffach als zu den 5 Daseinsfährten (gati: Hölle, Tierreich, Gepensterreich, Menschenwelt und Himmelswelt) führend.

 

(III) Das (karmagewirkte) "Bewußtsein" (viññāna) ist als weltlich und als Karmawirkung (*1) (vipāka) usw. (*2) von einer einzigen Art; zweifach als mit oder ohne Wurzelbedingung (*3) (Gierlosigkeit, Haßlosigkeit usw.); dreifach als in den 3 Daseinssphären (der sinnlichen, feinkörperlichen und unkörperlichen) eingeschlossen, oder als mit den 3 Gefühlen verbunden (*4), oder als wurzelfrei, mit 2 Wurzeln (Gierlosigkeit, Haßlosigkeit) verbunden oder mit 3 Wurzeln (als 3.: Unverblendung) verbunden; vierfach und fünffach mit Hinsicht auf die 4 Daseinsschoße und die 5 Daseinsfährten.

 


(*1) Es darf nicht vergessen werden, daß es sich beim 3. bis 7. Gliede des Paticcasamuppāda bloß um karmagewirkte (vipāka) Zustände handelt.

(*2) 'usw.' bezieht sich nach dem Kom. auf 'karmisch-neutral, bedingt, geschaffen' usw.

(*3) Wurzelverbunden (sa-hetuka) sind hier die den 8 heilsamen Bewußtseinszuständen der Sinnensphäre, den 5 der Feinkörperlichen und den 4 der Unkörperlichen Sphäre entsprechenden karmagewirkten Bewußtseinsklassen. Davon sind 44, 45, 48, 49 mit 2 Wurzeln (Gierlosigkeit, Haßlosigkeit) verbunden, 42, 43, 46, 47, 57-65 aber außerdem noch mit der 3. Wurzel (Unverblendung). Alle diese wurzelverbundenen karmagewirkten Bewußtseinsklassen mögen nur im Wiedergeburtsmomente, Unterbewußtsein und Sterbemomente entstehen. Alle übrigen während des Lebens als Oberbewußtsein auftretenden karmagewirkten Bewußtseinsklassen aber wie Sehbewußtsein usw. sind wurzelfrei (a-hetuka).

(*4) Mit angenehmem Gefühle (sukhā-vedanā) verbunden sind: 38, 40, 42-45, 57-59; mit unangenehmem Gefühle (dukkhā-vedanā): 54; mit indifferentem Gefühle (upekkhā-vedanā) die übrigen karmagewirkten Bewußtseinsklassen.


 

(IV) Das "Geistige und Körperliche" (nāma-rūpa) sind von einer einzigen Art, insofern beide auf dem Bewußtsein beruhen und durch Karma bedingt sind; zweifach als mit oder ohne Objekt (Das Geistige nāma ist mit Objekt, das Körperliche rūpa ohne Objekt); dreifach als vergangen, gegenwärtig oder zukünftig; vierfach und fünffach mit Hinsicht auf die 4 Daseinsschoße und die 5 Daseinsfährten.

 

(V) Die 6 "Grundlagen" (āyatana) sind alle von einer einzigen Art als Entstehungs- und Versammlungsstätte (für das Bewußtsein und die damit verbundenen Dinge); zweifach als physische Sensitivität (5 Sinnenorgane) oder als Bewußtsein (Geist-Grundlage) usw. (nach dem Kom. sollte 'usw.' besser fehlen); dreifach als mit dem Objekte in physische Berührung kommend (Riech-, Schmeck-, Körperorgan), oder nicht in physische Berührung kommend (Seh- und Hörorgan), oder als von diesen beiden Arten der Objekte frei (Geistgrundlage); vierfach und fünffach als in den 4 Daseinsschoßen und 5 Daseinsfährten eingeschlossen (Ausführlich dargelegt im Kom.).

 

(VI-XII) Genau so auch hat man die Vielartigkeit des Bewußtseinseindruckes und der übrigen Glieder zu verstehen.

 

Auf diese Weise hat man hier die Erklärung zu verstehen mit Hinsicht auf die Vielartigkeit.  


(d) "Nach Feststellung der Einzelglieder soll man die Erklärung verstehen": -

,Sorge u. dgl. werden hier genannt, um die ununterbrochene Fortdauer des Daseinsrades zu zeigen; denn jene Dinge entstehen in dem Toren, wenn er von Alter und Tod betroffen wird. Wie es heißt (vgl. A. V. 48):

"Von körperlichem Wehgefühl (kāyikā dukkhā vedanā) berührt, ihr Mönche, klagt der unwissende Weltling, quält sich, jammert, schlägt sich die Brust, verfällt dem Wahnsinn." Solange aber die Dinge noch entstehen, solange entsteht auch die Unwissenheit, und damit entstehen immer wieder, durch die Unwissenheit bedingt, die Karmaformationen, und so dreht sich das Daseinsrad rastlos weiter.
Indem man also diese Dinge (wie Sorge usw.) mit Altern und Sterben zusammenfaßt, erhält man die 12 Glieder der Bedingten Entstehung, wie einzusehen.

 

Auf diese Weise hat man die Erklärung zu verstehen mit Hinsicht auf die Feststellung der Glieder. Dies ist jedoch hier vorerst die kurzgefaßte Erklärung. Folgendes aber ist die ausführliche Erklärung: -

 

(I) "Unwissenheit" (avijjā) gilt als das Nichtwissen, u. zw. nach der Suttenerklärung als das Nichtwissen
mit Hinsicht auf 4 Dinge, nämlich:

Nach der Abhidhamma-Erklärung aber noch außerdem mit Hinsicht:

also mit Hinsicht auf 8 Dinge.

So nämlich wurde gesagt (Dhs. § 1162):

"Was ist da nun die Unwissenheit?
Nichtwissen hinsichtlich des Leidens, der Leidensentstehung, der Leidenserlöschung und des zur Leidenserlöschung führenden Pfades, hinsichtlich der Vergangenheit, der Zukunft, der Vergangenheit und Zukunft, hinsichtlich der Bedingtheit des einen durch das andere und der bedingt entstandenen Dinge. Obgleich da - abgesehen von den beiden überweltlichen Wahrheiten (*) (der 3ten und 4ten) - bei den übrigen 6 Dingen die Unwissenheit auch als Objekt aufsteigen mag, so ist sie doch hier bloß im Sinne des Verhüllens aufzufassen. Ist sie nämlich einmal aufgestiegen, so hält sie die Wahrheit vom Leiden versteckt und verhindert, ihr wahres und wesentliches Merkmal zu durchdringen. Genau so tut sie es mit der Leidensentstehung, der Leidenserlöschung und dem Pfade dorthin. Die Unwissenheit hält die als Vergangenheit geltenden vergangenen 5 Daseinsgruppen (ihrem wahren Wesen nach als vergänglich, elend, unpersönlich) versteckt, ebenso die als Zukunft geltenden 5 zukünftigen Daseinsgruppen, und die als Vergangenheit und Zukunft geltende zweifache Daseins-Fünfergruppe, ferner die Bedingte Entstehung des einen durch ein anderes, und die bedingt entstandenen Dinge. Und nicht läßt sie da ihr wahres und wesentliches Merkmal erkennen, wie: 'Dies ist die Unwissenheit, dies sind die Karmaformationen usw.' Darum bezeichnet man sie als das Nichtwissen hinsichtlich des Leidens usw., als das Nichtwissen hinsichtlich der Bedingtheit des einen durch ein anderes, und hinsichtlich der bedingt entstandenen Dinge.

 

(*) Als dritte Wahrheit gilt das Nirwahn. Die vierte Wahrheit, d.i. der achtfache Pfad, aber gilt als überweltlich (lokuttara) nur in dem Augenblicke, wo seine Glieder mit dem durch Hellblick (vipassanā) gezeugten überweltlichen Bewußtsein einer der 4 edlen Stufen der Heiligkeit (Stromeintritt usw.) verbunden sind. Über das Wesen des achtfachen Pfades s. XVI Anmerkung

 

(II) Als "Karmaformationen" (sankhāra) gelten die bereits früher in Kürze erwähnten 6 Dinge, nämlich die drei als verdienstlich, unverdienstlich und unerschütterlich, und die drei als körperlich, sprachlich und geistig geltenden Formationen.
Genauer aber gesagt, gelten als "verdienstliche Formation" (puññâbhisankhāra) die 13 Willensäußerungen (cetanā), nämlich die bei Almosengeben, Sittlichkeit usw. entstehenden 8 heilsamen (kusala) Willenszustände der Sinnensphäre (Tab. I, 1-8) und die bloß durch Geistesentfaltung entstehenden 5 heilsamen Willenszustände (Vertiefungen) der Feinkörperlichen Sphäre (ib. 9 bis 13).
Als "unverdienstliche Karmaformation" (apuññâbhisankhāra) gelten die beim Töten usw. entstehenden 12 unheilsamen (akusala) Willenszustände (ib. 22 bis 33).
Als "unerschütterliche Karmaformation" (aneñjabhisankhāra) gelten bloß die durch Geistesentfaltung entstehenden 4 heilsamen Willenszustände der Unkörperlichen Sphäre (ib. 14 bis 17).
Somit bilden die drei Karmaformationen 29 Willensklassen.

 

Von den 3 übrigen Karmaformationen (körperliche, sprachliche, geistige) aber gilt als "körperliche Karmaformation" (kāya-sankhāra) der in körperlichem Karma (Wirken) sich äußernde Wille (kāya-sañcetanā), als sprachliche Karmaformation" (vacī-sankhāra) der in sprachlichem Karma sich äußernde Wille (vacī-sañcetanā), als "geistige Karmaformation" (citta-sankhāra) der in geistigem Karma sich äußernde Wille (mano-sañcetanā).
Diese Dreiergruppe wurde gelehrt um zu zeigen, daß die verdienstlichen und übrigen Karmaformationen im Augenblicke des Karma-Anhäufens (kammâyūhana) auf Grund der drei Karmapforten (Körper, Sprache, Geist) zum Entstehen kommen.

 

Als "körperliche Karmaformationen" (kāya-sankhāra) gelten zusammen 20 Willensklassen, nämlich die die körperliche Äußerung (kāya-viññatta) hervorrufenden und auf Grund der körperlichen Karmapforte (kāya-dvāra) entstehenden 8 heilsamen Willenszustände der Sinnensphäre (ib. 1 bis 8) und die 12 unheilsamen Willenszustände (22 bis 33).

Diese Willenszustände aber gelten, sofern sie die sprachliche Äußerung (vacī-viññatti) hervorrufen und auf Grund der sprachlichen Karmapforte (vacī-dvāra) entstanden sind, als "sprachliche Karmaformation" (vacī-sankhāra).

Der mit den Höheren Geisteskräften (abhiñña; s. XII, XIII) verbundene Wille aber wird hier nicht angeführt, da er als etwas außerhalb Liegendes keine Bedingung bildet für das (bei der Wiedergeburt eintretende karmagewirkte) Bewußtsein (viññāna).

Und wie es hiermit ist, ist es auch mit dem bloß mit Aufgeregtheit verbundenen Willen (der bloß von Aufgeregtheit, uddhacca und nicht von Zweifeln usw. begleitete verblendete Willenszustand (33) ist zu schwach, um im nächsten Leben irgend welche Karmawirkung hervorzurufen) (33).

Daher ist auch dieser Willenszustand von den für das Bewußtsein nötigen Bedingungen fernzuhalten. Durch Unwissenheit aber sind alle diese Willenszustände bedingt.

Als "geistige Karmaformationen" (citta-sankhāra) aber gelten alle an der Geistpforte (mano-dvāra) entstehenden 29 Willenszustände (1 bis 17; 22 bis 33), sofern diese nicht die beiden Äußerungen (körperliche oder sprachliche) hervorrufen.
So fällt denn diese Dreiergruppe (körperliche, sprachliche, geistige Karmaformation) mit der früheren Dreiergruppe (verdienstliche, unverdienstliche, unerschütterliche Karmaformation) zusammen.

Auf diese Weise ist, dem Sinne nach, die Unwissenheit eben als die Bedingung für die verdienstlichen und übrigen Karmaformationen zu betrachten.

 

Nun möchte da einer einwerfen: 'Woher aber kann man wissen, daß diese Karmaformationen durch die Unwissenheit bedingt sind?' - Eben daher, daß, wo immer die Unwissenheit ist, auch jene Karmaformationen sind. In wem nämlich das als Unwissenheit geltende Nichtwissen hinsichtlich des Leidens usw. noch nicht überwunden ist, der hält, infolge seiner Unwissenheit hinsichtlich des Leidens und der Vergangenheit usw., an der Meinung fest, daß das Samsāra-Elend ein Glück sei, und daher erzeugt er die die Ursache dazu bildenden drei Arten von Karmaformationen.

 

Infolge seines Nichtwissens hinsichtlich der Leidensentstehung erzeugt er die die Leidensursache bildenden und von Begehren begleiteten Karmaformationen, indem er diese für die Ursache des Glückes hält.

 

Infolge seines Nichtwissens hinsichtlich der Leidensaufhebung und des Pfades hält er eine die Leidensaufhebung nicht bildende höhere Daseinsfährte (etwa die Brahmawelt) für die Leidensaufhebung; und die nicht den Pfad zur Leidensaufhebung bildenden Opfer und der Unsterblichkeit halber ausgeübte Askese u. dgl. hält er für den Pfad; und in der Hoffnung auf Leidensaufhebung erzeugt er durch Opfergaben und der Unsterblichkeit halber ausgeübte Askese u. dgl. die drei Arten der Karmaformationen (d.i. körperliche, sprachliche und geistige).

 

Ferner, da in ihm jene Unwissenheit hinsichtlich der vier Wahrheiten nicht geschwunden ist, erzeugt er vor allen Dingen in Werken, Worten und Gedanken verdienstliche Werke, um jenes als die Wirkung verdienstlichen Karmas geltende Leiden zu erreichen, da er eben diese Wirkung nicht als etwas Elendes erkennt, als etwas, das vermischt ist mit vielerlei Leiden, wie Geburt, Altern, Krankheit, Tod usw.

So gleichet er einem, der im Verlangen nach einer himmlichen Nixe sich von einem Felsenabhange hinabstürzt. Nicht erkennend, daß jene als Glück betrachtet Wirkung des verdienstvollen Karmas schließlich in dem so große Qualen erzeugenden Elend des Wechsels und in Unzufriedenheit endet, erzeugt er die die Bedingungen dazu bildenden und oben erwähnten verdienstlichen Karmaformationen (puññâbhisankhāra).

Er gleichet darin einer Motte, die sich in die Flamme einer Lampe stürzt; oder einem Manne, der aus Gier nach einem Tröpfchen Honig die scharfe Schneide eines mit Honig beschmierten Messers ableckt. Das Elend der sinnlichen und anderen Genüsse mit ihren üblen Folgen nicht erkennend, hält er sie für eine Wonne und erzeugt, von Leidenschaften überwältigt, die durch die 3 Karmapforten entstehenden unverdienstlichen Karmaformationen (apuññâbhisankhāra).

Darin gleichet er einem Kinde, das mit Kot spielt, oder einem Lebensmüden, der Gift schluckt. Und auch bei den karmischen Wirkungen der Unkörperlichen Welt das Elend der Vergänglichkeit der Gebilde nicht erkennend, erzeugt er, infolge seiner verkehrten Auffassung von Ewigkeit usw., die in geistigen Karmaformationen bestehenden 'unerschütterlichen Karmaformationen' (aneñjâbhisankhāra).

Darin gleichet er einem Menschen, der vom Wege abirrend geradewegs auf eine Gespensterstadt zueilt. Weil somit die Karmaformationen nur dann entstehen, wenn noch Unwissenheit vorhanden ist, nicht aber wenn keine Unwissenheit mehr da ist, darum hat man diese Karmaformationen als durch Unwissenheit bedingt zu betrachten.

Auch heißt es: "Der Unwissende, ihr Mönche, der Verblendete, erzeugt verdienstliche Karmaformationen, unverdienstliche Karmaformationen und unerschütterliche Karmaformationen. Ist aber, ihr Mönche, die Unwissenheit geschwunden, das Wissen erwacht, so erzeugt er, nach Schwinden des Nichtwissens und Aufsteigen des Wissens, selbst nicht einmal mehr verdienstliche Karmaformationen."

 

(Was für alle anderen Wesen als karmisch-heilsam (kusala) gelten würde, sind für den vollkommen Heiligen bloß rein-funktionelle (kiriya) Willensäußerungen, die keine Karmawirkung mehr hervorrufen, da eben aller lebensbejahende und wiedergeburterzeugende Daseinstrieb in einem Solchen restlos geschwunden ist)


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