Fussnote 66 von D.33

Alle Wesen bestehn durch Nahrung, sabbe sattā āhāratthitikā, ist ein Kernspruch, den Gotamo den Jüngern zum eifrigen Nachdenken anheimgegeben, A.X.27:

«Ein Ding ist es, ihr Mönche, an dem der Mönch durchaus überdrüssig, durchaus abgewandt, durchaus abgelöst, durchaus des letzten Zieles ansichtig, durchaus über den Sinn sich klar geworden noch bei Lebzeiten dem Leiden ein Ende machen kann: und an was für einem Dinge? Alle Wesen bestehen durch Nahrung. An diesem einen Dinge, ihr Mönche, kann der Mönch durchaus überdrüssig, durchaus abgewandt, durchaus abgelöst, durchaus des letzten Zieles ansichtig, durchaus über den Sinn sich klar geworden noch bei Lebzeiten dem Leiden ein Ende machen.»

Wer erkennt, daß alles Dasein immer nur durch gegenseitiges Sichverzehren bestehn kann - «einer den anderen auffressen ist da der Brauch», Mittlere Sammlung 962.

In diesen Zusammenhang gehört dann noch die Ausführung im Samyuttakanikāyo, Bojjhanga-Samyutta 2:

«Gleichwie etwa, ihr Mönche, dieser Körper durch Nahrung besteht, durch Nahrung bedingt ist, ohne Nahrung aber nicht bestehn kann: ebenso nun auch, ihr Mönche, sind die fünf Hemmungen durch Nahrung bestanden, durch Nahrung bedingt und können nicht ohne Nahrung bestehn.

Was ist aber, ihr Mönche, die Nahrung um einen noch nicht entstandenen Wunscheswillen sich entwickeln und einen schon entstandenen sich weiter entfalten und ausbreiten zu lassen?

Man kann sich, ihr Mönche, Schönes vorstellen: was dabei an seichten Gedanken mehr und mehr aufgeht, das ist die Nahrung um einen noch nicht entstandenen Wunscheswillen sich entwickeln und einen schon entstandenen sich weiter entfalten und ausbreiten zu lassen.

Was ist aber, ihr Mönche, die Nahrung um eine noch nicht entstandene Gehässigkeit sich entwickeln und eine schon entstandene sich weiter entfalten und ausbreiten zu lassen?

Man kann sich, ihr Mönche, Widerliches vorstellen: was dabei an seichten Gedanken mehr und mehr aufgeht, das ist die Nahrung um eine noch nicht entstandene Gehässigkeit sich entwickeln und eine schon entstandene sich weiter entfalten und ausbreiten zu lassen.

Was ist aber, ihr Mönche, die Nahrung um eine noch nicht entstandene matte Müde sich entwickeln und eine schon entstandene sich weiter entfalten und ausbreiten zu lassen?

Man kann sich, ihr Mönche, unrüstig, lässig, schläfrig fühlen, nach dem Essen behaglich, trägen Geistes werden: was dabei an seichten Gedanken mehr und mehr aufgeht, das ist die Nahrung um eine noch nicht entstandene matte Müde sich entwickeln und eine schon entstandene sich weiter entfalten und ausbreiten zu lassen.

Was ist aber, ihr Mönche, die Nahrung um einen noch nicht entstandenen stolzen Unmut sich entwickeln und einen schon entstandenen sich weiter entfalten und ausbreiten zu lassen?

Es gibt, ihr Mönche, eine geistige Unruhe: was dabei an seichten Gedanken mehr und mehr aufgeht, das ist die Nahrung um einen noch nicht entstandenen stolzen Unmut sich entwickeln und einen schon entstandenen sich weiter entfalten und ausbreiten zu lassen.

Was ist aber, ihr Mönche, die Nahrung um eine noch nicht entstandene Zweifelsucht sich entwickeln und eine schon entstandene sich weiter entfalten und ausbreiten zu lassen?

Es gibt, ihr Mönche, bezweifelbare Dinge: was dabei an seichten Gedanken mehr und mehr aufgeht, das ist die Nahrung um eine noch nicht entstandene Zweifelsucht sich entwickeln und eine schon entstandene sich weiter entfalten und ausbreiten zu lassen.

Gleichwie etwa, ihr Mönche, dieser Körper durch Nahrung besteht, durch Nahrung bedingt ist, ohne Nahrung aber nicht bestehen kann: ebenso nun auch, ihr Mönche, sind diese fünf Hemmungen durch Nahrung bestanden, durch Nahrung bedingt und können nicht ohne Nahrung bestehen.»

 

Durch Nahrung aufgefüttert entwickeln sich also die fünf Hemmungen (nivarana), die die Weltauflösung vereiteln. Gotamo aber hatte die gesamte Lebensmittelkunde der Welt in dem Doppelsatz angegeben, Bruchtücke der Reden v. 747: «'Was irgend an Leiden sich entwickelt ist alles aus Nahrung entstanden': das ist der eine Anblick; 'Ebendiese Nahrung vollkommen restlos vernichten läßt kein Leiden entwickeln': das ist der andere Anblick.

«Was irgend auch an Leid entsteht,
Die Nahrung geht im Grunde vor;
Die Nahrung wo man schwinden läßt,
Nicht kann da Leid entwickelt sein.»

An diese wohlbekannte Reihe von Begriffen erinnert Sāriputto im Text oben, indem er den Hauptsatz über das eine Ding anführt: «Alle Wesen bestehen durch Nahrung», mit dem Zusatz «alle Wesen bestehen durch Unterscheidung». Hatte der Vordersatz die Grundlage der Daseinsmöglichkeit angegeben, so weist dann der Nachsatz auf die Lehre von der Erkennbarkeit hin: daß nämlich die Eigenart eines jeden Lebewesens in der Unterscheidung besteht, daß ein Wesen sein nichts anderes heißt als sich selbst von fremden verschieden wahrnehmen, von anderen unterschieden, d.i. mit Unterscheidung behaftet sein.

Vergl. die sehr wichtigen Belege hierzu im letzten Absatz der Anm. 4, 15. Rede. Das eigentümliche Merkmal eines Wesens ist also, der Erkenntnislehre gemäß von außen betrachtet, das sich von anderen verschieden erkennen, gesondert erkennen, die unterscheidende Tätigkeit, die Unterscheidung: und die wurzelt im Nichtwissen, im Unwissen, in der avijjā, Mittlere Sammlung 872: aus Unwissen entstehen Unterscheidungen; ist aber Unwissen ohne Überrest aufgelöst, lösen sich Unterscheidungen auf.

Der von Sāriputto angeführte Nachsatz «alle Wesen bestehn durch Unterscheidung» ist demnach gleichbedeutend mit dem anderen berühmten Kernspruch Gotamos «Alle Wesen sind in Unwissen», sabbe pānā avijjā: ein Ausspruch, den der Meister in einer Unterredung mit bekannten, hochangesehenen Pilgern, wie Annabhāro, Varadharo, Sakuludāyī und vielen anderen, als die erste der vier Wahrheiten der Heiligen bezeichnet, Anguttarantkāyo, IV.185:

«Alle Wesen sind in Unwissen»; ein Heiliger, der also die Wahrheit, keine Unwahrheit sagt, führt nun Gotamo weiter aus, wird sich darum nicht als einen Asketen oder Heiligen betrachten, wird sich darum weder besser noch minder bedünken und auch nicht gleichstellen: jedoch was daran wahr ist, das hat er verstanden und wird an den Wesen nicht mehr aufgebracht werden, wird ihnen mit Erbarmen begegnen. Denn er weiß ja: «Alle Wesen sind in Unwissen.»

Eine weitere Erklärung zu diesem Unwissen ist im Samyuttakanikāyo 22.49 gegeben, wo Gotamo den jungen Sono belehrt:

«Wer auch immer als ein Asket oder ein Priester bei der Vergänglichkeit, Leidigkeit, Wandelbarkeit der Form, des Gefühls, der Wahrnehmung, der Unterscheidungen des Bewußtseins sich etwa für besser hält, oder anderen sich gleichstellt, oder sich für minder hält: was wär es anders als ein Nichtsehn der Wirklichkeit? 

Darum aber gilt eben durchaus von der Form, vom Gefühl, von der Wahrnehmung, von den Unterscheidungen, vom Bewußtsein, von vergangenem, künftigem, gegenwärtigem, innen und außen, ob grob oder fein, ob gemein oder edel, ob fern oder nahe, überall <Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst>: so ist das, der Wirklichkeit gemäß, mit vollkommener Weisheit anzusehn.» «Was sind aber, ihr Mönche, die Unterscheidungen? Sechs gibt es, ihr Mönche, der Verstandeskreise Verstand bei Formen, Verstand bei Tönen, Verstand bei Düften, Verstand bei Säften, Verstand bei Tastungen, Verstand bei Gedanken. Das heißt man, ihr Mönche, die Unterscheidungen. Wenn sich Berührung entwickelt, entwickelt sich Unterscheidung: wenn sich Berührung auflöst, löst sich Unterscheidung auf.»


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