Zurueck Milindapañha, Teil 4

3. Kapitel 

 

Mil. 4.3.1. Die Verehrungswürdigkeit des Mönchsstandes

 

«Der Erhabene, ehrwürdiger Nāgasena, hat den Ausspruch getan: <Der Rechtschaffene, Vāsettha, ist der Erste unter allen Menschen, sowohl in dieser Welt als auch im Jenseits.> Der Laienanhänger jedoch andererseits, <der in den Strom eingetreten> (sotāpanna) und dem der Abweg verschlossen ist, der Erkenntnis erlangt hat und für die Lehre Verständnis besitzt, der hat einen Mönch oder Novizen - und sei derselbe auch nur ein (unbefreiter) Weltling (puthujjana) - ehrfurchtsvoll zu begrüßen und sich vor ihm zu erheben. Wenn also die erste Behauptung richtig ist, so muß die zweite falsch sein, ist aber die zweite Behauptung richtig, so ist eben die erste falsch. Auch dies ist wiederum ein zweischneidiges Problem, das ich dir da stelle und das du nun zu lösen hast.»

«Beides, o König, hat seine Richtigkeit. Das aber hat seinen Grund. Es gibt nämlich, o König, zwanzig Eigenschaften und zwei äußere Kennzeichen, die einen zum Asketen machen und zufolge deren der Asket es verdient, daß man ihn ehrfurchtsvoll begrüßt, sich vor ihm erhebt und ihm Achtung und Ehre erweist. Und welche sind diese?

Die beste Art der Zügelung, höchste Selbstbeherrschung, rechter Wandel, rechtes Verweilen (vihāra), Zurückhaltung, Zügelung der Sinne, Geduld, Liebenswürdigkeit, Pflege der Einsamkeit, Gefallen an Einsamkeit, Abgeschiedenheit, Schamgefühl und sittliche Scheu, Tatkraft, Unermüdlichkeit, das Aufsichnehmen der geistigen Übung, Studium, Befragung über die Lehre, Freude an Sittlichkeit, Sammlung und Weisheit, Begehrlosigkeit, Erfüllung der Sittenregeln, sowie das Tragen des fahlen Gewandes und das Geschorensein. Diese Eigenschaften eignet sich der Mönch an und wenn ihm keines dieser Dinge fehlt und er darin vollkommen ist, sie besitzt und mit ihnen ausgerüstet ist, dann betritt er das Gebiet eines «Schulungsledigen» (asekha), eines Vollkommen-Heiligen, betritt er das höchste aller Bereiche.

Weil nun ein Mönch gleichsam in die Nähe der Heiligkeit gegangen, ist es auch für einen in den Strom (zur Heiligkeit) eingetretenen Laienanhänger angebracht, einen Mönch, sei dieser auch nur ein Weltling, ehrfurchtsvoll zu begrüßen und sich vor ihm zu erheben.

Und er soll dies auch tun, weil der Mönch in die Gemeinschaft der Triebbefreiten eingetreten ist, während er selber diese Gelegenheit nicht hatte;

weil der Mönch sich der Schar der Edelsten anschloß, ihm selber aber diese Möglichkeit sich nicht bot;

weil der Mönch den Vortrag der Ordenssatzung hören kann, er selber aber nicht;

weil der Mönch andere als Novizen oder voll ordinierte Mönche aufnehmen und so die Religion des Meisters verbreiten kann, während er selber dies nicht zu tun vermag;

weil der Mönch sich auch in den geringsten Übungsregeln vervollkommnet, er selber aber mit diesen nicht befaßt ist;

weil der Mönch die Kennzeichen eines Asketen trägt, gemäß der Absicht des Erleuchteten, während er selber davon weit entfernt ist;

weil der Mönch, mit langen Haaren in der Achselhöhle und ungepflegt und ungeschmückt, doch vom Tugendduft umgeben ist, er selber aber noch an Schmuck und Zierat Gefallen findet;

weil ferner alle diese zum Asketen gehörigen zwanzig Tugenden und zwei äußere Kennzeichen nur in einem Mönche angetroffen werden und nur der Mönch diese Eigenschaften besitzt und andere darin unterweist, er selber aber an solcher Disziplin und am Unterweisen keinen Anteil hat, -

deshalb eben hat selbst der in den Strom eingetretene Laienanhänger einen Mönch, sei dieser auch nur ein Weltling, ehrfurchtsvoll zu begrüßen und sich vor ihm zu erheben.

Gleichwie nämlich, o König, ein königlicher Prinz, der bei seinem Hauspriester die Wissenschaften und Pflichten eines Adeligen erlernt hat, noch in späteren Jahren, selbst wenn er bereits gekrönt ist, seinem Lehrer ehrfurchtsvollen Gruß darbietet und sich vor ihm erhebt, weil er ihn eben als seinen Lehrer betrachtet: ebenso auch, o König, hat selbst der in den Strom eingetretene Laienanhänger einen Mönch - und sei dieser auch nur ein Weltling - ehrfurchtsvoll zu begrüßen und sich vor ihm zu erheben, denn dieser ist der Lehrer und Erhalter der Überlieferung.

Aber auch aus folgender Tatsache, o König, magst du die Größe und unvergleichliche Erhabenheit des Mönchstandes ersehen. Wenn da nämlich, o König, ein in den Strom eingetretener Laienanhänger die Vollkommene Heiligkeit verwirklicht, so bleiben ihm bloß zwei Wege offen, kein anderer: entweder er stirbt noch an eben demselben Tage, oder aber er tritt in den Mönchstand ein. Denn der Gang in die Hauslosigkeit, nämlich der Mönchstand, o König, ist etwas Unerschütterliches, Gewaltiges und äußerst Erhabenes.»

«Dieses tiefsinnige Problem, ehrwürdiger Nāgasena, hast du trefflich gelöst, du mächtiger, hoher Weiser. Und kein anderer wäre imstande gewesen, auf eine solche Weise dieses Problem zu lösen, sei er denn selber so weise wie du.»

 


Mil. 4.3.2. Buddhas Wohlwollen

 

«Ihr behauptet da, ehrwürdiger Nāgasena, daß der Vollendete von allen Wesen das Unheilsame fernhielt und sie mit dem Heilsamen versah. Andererseits aber sagt ihr, daß während der Darlegung des Feuergleichnisses (A.VII.68) sechzig Mönchen das heiße Blut aus dem Munde quoll. Durch diesen Vortrag, o Herr, hielt der Vollendete von den Wesen doch gerade das Heilsame ab und brachte ihnen Unheil. Ist demnach die erste Behauptung richtig, so ist die zweite falsch; ist aber die zweite Behauptung richtig, dann muß die erste falsch sein. Dies ist wiederum ein zweischneidiges Problem, das ich dir da stelle und das du mir zu lösen hast.»

«Beide Aussagen, o König, treffen zu. Doch geschah es nicht durch eine Handlung des Vollendeten, sondern bloß zufolge der eigenen Taten jener Mönche, daß ihnen das Blut aus dem Munde quoll.»

«Wenn nun aber, ehrwürdiger Nāgasena, der Vollendete nicht diesen Lehrvortrag gehalten hätte, wäre da wohl den Mönchen das heiße Blut aus dem Munde gequollen?»

«Gewiß nicht, o König. Doch wegen ihres schlechten Lebenswandels befiel sie beim Hören des Lehrvortrags ein Fieber im Körper und infolge dieses Fiebers quoll ihnen das heiße Blut aus dem Munde.»

«So geschah es also dennoch, o Herr, infolge der Handlung des Vollendeten, daß ihnen das heiße Blut aus dem Munde quoll, und der Vollendete war eben der Hauptgrund zu ihrem Verderben. Gesetzt, ehrwürdiger Nāgasena, eine Schlange kriecht in einen Termitenhaufen und ein Mann, der nach Lehmerde sucht, zerbricht denselben und nimmt sich den Lehm. Beim Nehmen des Lehmes aber verstopft sich das Loch des Termitenhaufens, und jene Schlange bekommt keine Luft mehr und geht zugrunde. Ist da nicht wohl, o Herr, die Schlange infolge der Handlung dieses Mannes umgekommen?»

«Gewiß, o König.»

«Ebenso aber auch, ehrwürdiger Nāgasena, war der Vollendete der Hauptgrund, daß jene Mönche zu Fall kamen.»

«Der Vollendete, o König, wies die Lehre, ohne irgendwelche Zuneigung oder Abneigung an den Tag zu legen. Frei von Zuneigung und Abneigung legte er die Lehre dar. Diejenigen unter den Hörern dieses Lehrvortrages, die einen guten Lebenswandel geführt hatten, gelangten zur Erkenntnis; diejenigen aber, die einen schlechten gehabt hatten, kamen zu Fall.

Gerade wie etwa, wenn ein Mann einen Mango-, Rosenapfel- oder Honig-Baum schüttelt, die gesunden, festhängenden Früchte noch daran bleiben ohne herabzufallen, während die lose hängenden Früchte, deren Stengel an einem Ende abgefault sind, zu Boden fallen. Oder wie ein Bauer, der Korn säen will, sein Feld pflügt und dabei viele hunderte und tausende von Gräsern umkommen: ebenso auch, o König, legte der Vollendete, während er die geistig reifen Wesen belehrte, frei von Zuneigung und Abneigung die Wahrheit dar, und während seiner Darlegung gelangten die gut Wandelnden zur Erkenntnis, während die schlecht Wandelnden wie die Gräser umkamen. Oder gleichwie, o König, wenn die Menschen zur Gewinnung von Zuckersaft das Zuckerrohr in einer Mühle pressen und die dabei in die Öffnung der Mühle geratenen Insekten zermalmt werden: ebenso auch, o König, drehte der Vollendete, während er die geistig reifen Wesen belehrte, die Wahrheitsmühle, und dabei kamen die schlecht Wandelnden wie die Insekten um.»

«Jene Mönche, ehrwürdiger Nāgasena, sind also doch wohl infolge jenes Lehrvortrages zu Fall gekommen.»

«Kann denn wohl, o König, ein Zimmermann einen Baumstamm gerade und glatt machen, wenn er ihn unangetastet liegen läßt?»

«Nein, o Herr. Dadurch, daß er die schlechten Stellen entfernt, macht er den Baumstamm gerade und glatt.»

«Ebenso auch, o König, kann der Vollendete, wenn er die Menschen unangetastet läßt, die erkenntnisfähigen Wesen nicht belehren. Sondern nur dadurch, daß er diejenigen mit schlechtem Wandel entfernt, kann er die erkenntnisfähigen Wesen zur Erkenntnis führen. Also durch ihre eigene Handlung, o König, kamen jene schlecht Wandelnden zu Falle.

Oder wie, o König, sowohl der Pisang als auch der Bambus als auch der Maulesel infolge ihrer eigenen Frucht zugrunde gehen: ebenso auch, o König, richten sich Menschen schlechten Wandels durch ihre eigenen Taten zugrunde und kommen um.

Oder gleichwie, o König, die Räuber infolge ihrer eigenen Taten sich die Blendung, die Pfählung und die Enthauptung selber zuziehen: ebenso auch, o König, gehen die Übelgesinnten infolge ihrer eigenen Taten zugrunde und fallen ab von der Lehre des Siegers. Daß also den sechzig Mönchen das heiße Blut aus dem Munde quoll, geschah weder infolge einer Handlung des Erhabenen noch infolge der Taten eines anderen, sondern war eben bloß eine Folge ihrer eigenen Taten.

Nimm an, o König, einer verabreichte aller Welt den Unsterblichkeitstrank, und diejenigen, die davon genössen, würden gesund, langlebig und von jedem Siechtum befreit, während einer unter ihnen durch dessen Mißbrauch beim Genusse sich den Tod zuzöge. Würde wohl deshalb, o König, jenen Spender des Unsterblichkeitstrankes irgendwelche Schuld treffen?»

«Gewiß nicht, o Herr.»

«Ebenso auch, o König, spendete der Vollendete den Menschen und Göttern des zehntausendfachen Weltsystems die unsterbliche Gabe der Wahrheit, so daß die Fähigen unter ihnen durch den Unsterblichkeitstrank der Wahrheit zur Erkenntnis gelangten, während die Unfähigen daran zugrunde gingen und erlagen. Die Nahrung, o König, ist zwar dasjenige, was alle Menschen am Leben erhält. Doch kommt es vor, daß einige nach ihrem Genusse an der Ruhr sterben. Trifft aber wohl deshalb den Spender der Speise irgendwelche Schuld?»

«Gewiß nicht, o Herr.»

«Ebenso auch, o König, spendete der Vollendete den Menschen und Göttern des zehntausendfachen Weltsystems die unsterbliche Gabe der Wahrheit, so daß die Fähigen unter ihnen durch den Unsterblichkeitstrank der Wahrheit zur Erkenntnis gelangten, während die Unfähigen daran zugrunde gingen und erlagen.»

«Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena! So ist es, und so nehme ich es an.»

 


Mil. 4.3.3. Buddhas harte Worte

 

«Der Ordensältere Sāriputta, o Herr, der Heerführer der Lehre, hat einstmals folgenden Ausspruch getan: <Ein lauteres Benehmen in Worten eignet dem Vollendeten, ihr Brüder. Und nicht gibt es für den Vollendeten ein schlechtes Benehmen in Worten, so daß er sich etwa in Acht zu nehmen brauchte, damit dies kein anderer erfahre.> Damals jedoch, als der Vollendete hinsichtlich des Vergehens des Ordensälteren Sudinna, des Kalanders, das erste <mit Ausstoßung verbundene Vergehen> (pārājikā) bekannt machte, gebrauchte er harte Worte und den Ausdruck <nichtiger Mensch>. Wegen jener Worte aber geriet der Ordensältere vor seinem Lehrer in Furcht und wurde von Gewissensbissen verzehrt, so daß er nicht imstande war, den heiligen Pfad zu verwirklichen.

 

[Das hier erwähnte erste «mit Ausstoßung verbundene Ordensvergehen» (pārājikā, wörtl.: «Niederlage») ist der Geschlechtsakt. Der Fall des Mönches Sudinna findet sich in dem dieses Vergehen behandelnden ersten Teil des Sutta-Vibhanga (Vinaya-Pitaka). Dort wird allerdings nicht erwähnt, daß Sudinna nach des Buddha strengen Worten «Furcht und Gewissensbisse» empfand, obwohl es psychologisch wahrscheinlich ist, daß sich in ihm die schon vorher empfundene Reue verstärkt hatte. Formell gesehen hatte er, wie die Kommentare bemerken, noch keine Ordensregel gebrochen, da die hierauf bezügliche erst durch seinen Fall veranlaßt wurde.]

 

Wenn nun der Vollendete wirklich ein lauteres Benehmen in Worten hatte, so muß diese letztere Behauptung falsch sein. Ist diese aber richtig, dann ist eben die erstere falsch. Auch dies ist wiederum ein zweischneidiges Problem, das ich dir da stelle und das du mir nun lösen magst.»

«Beide Aussagen sind richtig, o König. Daß jedoch der Vollendete harte Worte gebrauchte, geschah nicht etwa erbosten Herzens oder aus Wut, sondern bloß um eine Tatsache festzustellen. Denn wer da, o König, in diesem Leben, die vier Wahrheiten nicht durchdringt, dessen Menschsein gilt eben als nichtig. Und was ein solcher auch immer unternimmt, das fällt stets anders aus. Deshalb heißt man ihn eben einen nichtigen Menschen. Somit hat also, o König, der Erhabene den Ehrwürdigen Sudinna, den Kalander, mit einem zutreffenden Wort angeredet, nicht mit einem unwahren.»

«Wenn aber, o Herr, jemand Tatsachen mit Schimpfworten vorbringt, so belegen wir ihn dennoch mit einem Groschen Strafe. Denn er macht sich schuldig, wenn er aus irgendeinem Anlaß die normale Sprechweise verläßt und ins Schimpfen gerät.»

«Hast du wohl schon jemals gehört, o König, daß man einen Verbrecher ehrfurchtsvoll begrüßt, sich vor ihm erhebt, ihm Achtung erweist und Geschenke darbringt?»

«Gewiß nicht, o Herr. Wie und wo auch immer ein Mensch ein Verbrechen begangen hat, da verdient er Tadel und Vorwurf. Und man enthauptet, foltert, bindet oder tötet ihn oder zieht ihm seine Güter ein.»

«Somit hat also der Erhabene, o König, etwas Rechtes getan und nichts Unrechtes.»

«Auch wenn jemand, ehrwürdiger Nāgasena, etwas Rechtes tut, hat er es auf eine rechte und angemessene Weise zu tun. Daher, o Herr, werden die Menschen samt den Göttern, selbst wenn sie nur von einem <solcherart beschaffenen Wesen> (Tathāgata) hören, von sittlicher Scheu und Scham ergriffen, mehr aber noch bei dessen Anblick, und bei weitem mehr, wenn er sich ihnen nähert oder in ihrer Gesellschaft weilt.»

«Möchte wohl, o König, wenn bei einem Kranken der ganze Organismus angegriffen ist und alle Säfte erregt sind, ein Arzt milde Arzneien verschreiben?»

«Nein, o Herr. Da der Arzt auf seine Gesundheit bedacht ist, verschreibt er dem Kranken scharfe, einschneidende Arzneien.»

«Ebenso auch, o König, gibt der Vollendete seine Unterweisung zur Stillung aller Übel der Leidenschaften. Auch selbst die scharfen Worte des Vollendeten, o König, machen die Wesen sanft und mild. Gleichwie etwa, o König, selbst das kochende Wasser einen zu erweichenden Gegenstand biegsam und weich macht: ebenso auch, o König, waren selbst die harten Worte des Vollendeten segensreich und voll von Mitleid. Oder gleichwie, o König, die Worte eines Vaters zu seinen Kindern segensreich und voll von Mitleid sind: ebenso auch, o König, waren selbst die harten Worte des Vollendeten segensreich und voll von Mitleid. Ja, auch die harten Worte des Vollendeten, o König, führen die Wesen zur Überwindung ihrer Leidenschaften. Gleichwie nämlich, o König, selbst durch das Trinken des übelriechenden Rinderurins oder das Einnehmen widerlich schmeckender Arzneien der Wesen Leiden geheilt werden mögen: ebenso auch, o König, waren selbst die harten Worte des Vollendeten segensreich und voll von Mitleid. Oder gleichwie, o König, selbst ein großer Knäuel Baumwolle, der jemandem auf den Körper fällt, keine Schmerzen hervorruft: ebenso auch, o König, gereichen selbst die harten Worte des Vollendeten keinem zum Leiden.»

«Gut gelöst, o Herr, hast du das Problem mit Hilfe vielartiger Beweisgründe. Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena. So ist es, und so nehme ich es an.»

 

[Rinderurin gilt in ganz Indien seit Jahrtausenden als eine wirksame Arznei. Es dürfte wohl hauptsächlich der Gehalt an Harnstoff sein - der auch in der europäischen medizinischen Wissenschaft eine große Rolle spielt - dem man die mitunter geradezu wunderwirkende Heilkraft des Urins zuzuschreiben hat. In Angereihter Sammlung, Vierer-Buch, Nr. 27, heißt es: «Fauler Rinderurin, ihr Jünger, ist unter den Arzneien unscheinbar, ist leicht zu erlangen und ist untadelhaft.»]


Mil. 4.3.4.  Der redende Baum

(Dieser Abschnitt ist der ersten Auflage von 1914 entnommen. Ist in der 2. Auflage von 1985 nicht enthalten. WG)

"Der Vollendete, ehrwürdiger Nāgaseno, hat folgenden Auspruch getan:

,Der du stets rüstig, stark und wohlgemut Und selber doch Verstand besitzest, Was fragst, Brahmane du den tauben Baum, Der weder Wissen noch Bewußtsein hat?

"An einer anderen Stelle dagegen heißt es:

,Darauf nun sprach der Espenbaum Und gab die Antwort ihm zurück:- ,Auch mir die Sprache eigen ist; So, Bhāradvājo, hör' mich an!'

"Wenn, ehrwürdiger Nāgaseno, ein Baum ohne Bewußtsein ist, so ist die Behauptung, daß der Espenbaum zu Bhāradvājo gesprochen habe, eben falsch. Hat aber der Espenbaum wirklich zu Bhāradvājo gesprochen, dann muss die Behauptung, daß der Baum ohne Bewußtsein sei, falsch sein. Auch dies ist wiederum ein zweischneidiges Problem, das ich dir da stelle und das du nun zu lösen hast." "Wohl hat, o König, der Erhabene den Baum als bewußtlos bezeichnet, und dennoch hat der Espenbaum zu Bhāradvājo gesprochen. Doch diese letzteren Worte sind nur im Sinne einer landläufigen Ausdrucksweise gebraucht, denn ein bewußt-loser Baum kann nicht reden, o König. Der Baum ist nämlich hierbei bloß eine Bezeichnung der auf ihm lebenden Gottheit. Wenn es also heißt, daß der Baum spreche, so ist dies bloß ein landläufiger Ausdruck. Es nennt ja auch das Volk einen mit Getreide beladenen Wagen einen Getreidewagen - obzwar der Wagen doch keineswegs aus Getreide sondern aus Holz besteht - eben weil derselbe mit Getreide beladen ist. Oder wenn jemand Milch schlägt, sagt man, daß er Butter schlage, obzwar es doch keine Butter ist, die er schlägt, sondern Milch. Oder wenn jemand etwas herstellen will - das also doch noch gar nicht da ist - und man sagt, daß er etwas noch nicht Daseiendes herstelle, also etwas Nichthergestelltes als etwas Hergestelltes bezeichnet, so ist dies eben bloß eine landläufige Ausdrucksweise. - 

Ebenso auch, o König, kann ein Baum nicht reden, da er ohne Bewußtsein ist. Und der Baum ist hier bloß eine Bezeichnung der in ihm hausenden Gottheit. Wenn es also heißt, daß der Baum redet, so ist dies bloß eine landläufige Ausdrucksweise. Selbst bei Darlegung der Lehre machte der Erhabene Gebrauch von jener landläufigen Ausdrucksweise, deren sich das Volk im Verkehre miteinander bedient." "Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgaseno. So ist es, und so nehme ich es an."


Mil. 4.3.5. Buddhas letztes Mahl

 

«Von den Ordensälteren, o Herr, die die Rezitation der Lehre vornahmen (*), wurde folgendes vorgetragen:

 

 

(*) [Das hier gemeinte erste Konzil (sangīti, wörtl. Rezitation) soll zu Rājagaha, unmittelbar nach des Buddhas Tode, von fünfhundert Vollkommen-Heiligen abgehalten worden sein, die unter dem Vorsitze des Ordensälteren Mahākassapa die jetzt in den Sammlungen der Ordensdisziplin und der Lehrreden (Vinaya- und Sutta-Pitaka) vorliegenden Texte vortrugen.]

 

Andererseits aber sagte der Erhabene: <Zwei Almosenspenden, Ananda, zeitigen genau die gleichen Früchte, die gleiche Wirkung und sind bei weitem verdienstvoller als alle die anderen Almosenspenden. Und welche sind diese beiden? Diejenige Almosenspende, nach deren Genuß der Vollendete die unvergleichliche, vollkommene Erleuchtung errang, und diejenige Almosenspende, nach deren Genuß der Vollendete in dem von jedem Daseinsrest freien Element der Erlösung (Nibbāna) gänzlich erlosch: diese beiden Almosenspenden sind es.> (Beide Texte stammen aus D.16, dem Mahā-Parinibbāna-Sutta, wo über das letzte Mahl des Buddha berichtet wird.)

Wenn nun, ehrwürdiger Nāgasena, nach dem Mahle des Cunda im Erhabenen wirklich eine heftige Krankheit ausbrach und starke tödliche Schmerzen sich einstellten, dann muß doch diese letzte Behauptung falsch sein. Sollte vielleicht gar, ehrwürdiger Nāgasena, jene letzte Almosenspende deshalb verdienstvoller sein, weil sie Giftiges enthielt, Krankheit erzeugte, lebensvernichtend wirkte und den Erhabenen das Leben kostete? Begründe mir denn diese Sache zur Überführung der Gegner. Denn die Leute denken törichterweise, daß diese Ruhr durch Überessen, also durch Gier, verursacht wurde. Dieses zweischneidige Problem sei dir gestellt. So löse es denn.»

«Die Ordensälteren haben tatsächlich jene erste Aussage gemacht. Und dennoch hat der Erhabene beide Almosenspenden gleichgestellt: diejenige vor seiner Erleuchtung und sein letztes Mahl. Diese letzte Almosenspende nämlich besaß viele Vorzüge und brachte mancherlei Segen. Erfreut und frohen Geistes, o König, flößten die Gottheiten himmlischen Saft in das Gericht Eberpilze, da sie wußten, daß dies des Erhabenen letztes Mahl war. Und jenes Gericht war völlig gar gekocht, lecker, äußerst schmackhaft und leicht verdaulich für den Magen. Nicht etwa wegen dieser Speise, o König, ist im Erhabenen die zuvor noch nicht bestehende Krankheit ausgebrochen, sondern nur, weil der Körper des Erhabenen schon an und für sich schwach und seine Lebenskraft gewichen war, konnte die ausgebrochene Krankheit sich stärker entwickeln. Gerade wie etwa ein gewöhnliches Feuer stärker brennt, sobald man frischen Brennstoff auflegt - oder wie ein gewöhnlicher Strom bei starkem Regen mächtig anschwillt und überfließt - oder auch wie einem der Leib von normalem Körperumfang bei neuer Nahrungszufuhr noch dicker anschwillt. So auch, o König, konnte sich die Krankheit des Erhabenen nur deshalb stärker entwickeln, weil sie in einem schon an und für sich schwachen Körper entstand, in dem die Lebenskraft bereits erschöpft war. Die Schuld liegt also nicht an jener Almosenspende, o König. Ihr kann man keinerlei Schuld zuschreiben.»

«Aus welchem Grunde, ehrwürdiger Nāgasena, zeitigen nun aber jene beiden Almosenspenden genau die gleichen Früchte, die gleiche Wirkung und sind bei weitem verdienstvoller als alle die anderen Almosenspeisen?»

«Wegen der damit verbundenen Erreichung des Eintritts in geistige Zustände.»

«Welcher geistigen Zustände, o Herr?»

«Wegen des fortschreitenden und rückschreitenden Eintretens in die Folge der neun meditativen Erreichungszustände.» 

(anupubba-vihāra-samāpatti, die Folge dieser neun Erreichungszustände besteht aus den vier feinkörperlichen und den vier unkörperlichen Vertiefungen, jhāna, sowie dem Zustand der Erlöschung von Gefühl und Wahrnehmung, s. nirodha-samāpatti)

«Geschah denn solches, o Herr, bloß an diesen beiden Tagen in einem erhöhten Maße?»

«Ja, o König.»

«Wunderbar ist es, ehrwürdiger Nāgasena, unglaublich ist es, daß selbst die unvergleichlich erhabenste Gabe an den Buddha mit diesen beiden Almosenspenden sich nicht vergleichen läßt. Wunderbar ist es, o Herr, unglaublich ist es, wie gewaltig die Erreichungen der neun meditativen Folgezustände sind, insofern nämlich dadurch einer Gabe um so höhere Frucht und höherer Segen beschieden ist. Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena. So ist es, und so nehme ich es an.»

 


Mil. 4.3.6. Reliquienverehrung

 

«Der Vollendete, o Herr, hat einst gesagt <Kümmert euch nicht, Ananda, um Verehrung der Körperreste des Vollendeten.> Andererseits jedoch hat er wieder den Ausspruch getan:

 

 

Wenn also die erste Behauptung richtig ist, dann muß die zweite falsch sein. Ist aber die zweite Behauptung richtig, so ist eben die erste falsch. Dies ist wiederum ein zweischneidiges Problem, das ich dir da stelle und das du nun zu lösen hast.»

«Beide Aussprüche, o König, hat wohl der Erhabene getan. Doch nicht für alle, sondern nur mit Bezug auf die Jünger des Siegreichen - die Mönche - hat der Erhabene den Ausspruch getan: <Kümmert euch nicht, Ananda, um Verehrung der Körperreste des Vollendeten.> Denn das Darbringen von (kultischer) Verehrung ist keine Beschäftigung für die Jünger des Siegreichen. Das Erfassen der Daseinsgebilde, weise Erwägung, Betrachtung der <Grundlagen der Achtsamkeit>, das Aufnehmen der Essenz beim (Meditations-) Objekt, gegen die geistigen Trübungen ankämpfen und um das eigene Heil ringen: das ist die Aufgabe für Mönche. Alle übrigen, Götter wie Menschen, mögen (kultische) Verehrung darbringen.

Die königlichen Prinzen in aller Welt haben sich abzugeben mit Elefanten, Pferden, Wagen, Bogen und Schwertern, müssen das Schreiben und die Zeichensprache erlernen, sich bekannt machen mit der Staatsverwaltung, sowie den Traditionen und Konventionen der Adligen, sie haben auch zu kämpfen und Kriege zu führen; während Ackerbau, Handel und Viehzucht die Aufgabe ist für die übrige große Masse aus der Bürger- und Dienerkaste. Ebenso wenig wie dies ist (kultische) Verehrung eine Tätigkeit für Mönche.

Die Brahmanenjünglinge wiederum haben die Pflicht, sich bekannt zu machen mit dem Rigveda, Yajurveda, Sāmaveda und Atharvaveda, mit den Körpermerkmalen, den Volkssagen, den Purānas, dem Wörterverzeichnis, der Dichtkunst, Wortzergliederungslehre, Lautlehre, Grammatik, Ethymologie, der Deutung von Omen, Träumen und Zeichen, mit den sechs Hilfsbüchern der Veden, der Sonnen- und Mondfinsternis, mit dem Fluge der Kometen, der Opposition von Mond und Planeten, dem Donnern der Götter, den Konjunktionen, dem Fallen von Sternschnuppen, dem Erdbeben, dem Wetterleuchten, mit irdischen und himmlischen (Vorzeichen), Astronomie, Naturphilosophie, der (astrologischen) Hund-Runde, Wild-Runde und Zwischen-Runde, (sā-cakka miga-cakka antara-cakka, der letztgenannte Begriff stammt aus der indischen Astrologie und dies dürfte daher auch für die beiden vorhergehenden zutreffen, die Wiedergabe von cakka mit «Runde» ist unsicher) mit gemischten Omen und mit dem Zwitschern und Schreien der Vögel. Die übrige große Masse aus der Bürger- und Dienerkaste aber hat sich mit Ackerbau, Handel und Viehzucht zu beschäftigen.

In derselben Weise nun aber auch, o König, ist das Darbringen von (kultischer) Verehrung keine Beschäftigung für Mönche. Das Erfassen aller Daseinsgebilde, weise Erwägung, Betrachtung der <Grundlagen der Achtsamkeit>, das Aufnehmen der Essenz beim (Meditations-) Objekt, gegen die geistigen Trübungen ankämpfen und ums eigene Heil ringen: das ist die Aufgabe für die Jünger des Siegreichen. Alle übrigen aber, Götter wie Menschen, mögen (kultische) Verehrung darbringen. Und eben damit sich seine Jünger keiner verkehrten Beschäftigung hingeben, sondern ihre Pflicht erfüllen, darum hat der Vollendete den Ausspruch getan: <Kümmert euch nicht, Ananda, um Verehrung der Körperreste des Vollendeten!> Wenn dies nämlich, o König, der Vollendete nicht gesagt hätte, so möchten die Mönche gar ihre eigene Almosenschale und ihr Gewand hergeben, um sich bloß noch mit der Verehrung des Buddha zu beschäftigen.»

«Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena. So ist es, und so nehme ich es an.»


Mil. 4.3.7. Buddhas Verletzung

 

«Ihr behauptet da, ehrwürdiger Nāgasena: Wenn der Vollendete über diese bewußtlose Erde dahin schreitet, so bewirkt dieselbe, daß die Versenkungen sich heben und die Erhebungen sich senken. Andererseits aber behauptet ihr, daß der Erhabene von einem Steinsplitter am Fuße verletzt wurde. Warum konnte denn jener Steinsplitter, der den Erhabenen auf den Fuß traf, nicht ebenso gut von seinem Fuß abgeleitet werden? Wenn also die erste Behauptung richtig ist, so muß diese zweite Behauptung falsch sein. Ist diese aber richtig, so ist die erstere falsch. Dies ist wiederum ein zweischneidiges Problem, das ich dir da stelle und das du nun zu lösen hast.»

«Beide Behauptungen treffen zu, o König. Doch ist jener Steinsplitter nicht etwa aus eigenem Antrieb herabgefallen, sondern durch den Eingriff Devadattas. Devadatta nämlich hegte durch viele hunderttausende von Geburten hindurch Haß gegen den Vollendeten. Und von jenem Haß erfüllt, nahm er einen mächtigen, schweren Steinblock in der Größe eines Giebelhauses und ließ ihn (den Berg) hinabrollen, damit er auf das Haupt des Vollendeten falle. Aber zwei andere Felsen erhoben sich aus der Erde und fingen jenen Steinblock auf, und infolge ihres Zusammenpralles sprang von dem Steinblock ein Splitter ab, und indem dieser hier und dorthin flog, traf er auch auf den Fuß des Erhabenen.»

«Gerade aber, ehrwürdiger Nāgasena, wie die beiden Felsen den Steinblock auffangen konnten, ebensogut hätte doch auch wohl der Steinsplitter aufgefangen werden können.»

«Auch aufgefangen mag etwas immerhin noch durchschlüpfen, entgleiten und entgehen. So mögen zum Beispiel Milch, Buttermilch, Honig, ausgelassene Butter, Fisch- oder Fleischbrühe, wenn man sie mit der Hand schöpft, wieder zwischen den Fingern durchsickern. Oder wenn man feinen, staubartigen Sand in der geschlossenen Hand hält, mag er zwischen den Fingern wieder durchrinnen. Oder von einer Handvoll Reis, die man in den Mund gesteckt hat, mag etwas wieder herausfallen. Genau so, o König, sprang infolge des Zusammenpralles des Steinblockes mit den beiden Felsen - die, um ihn aufzufangen, zusammengetroffen waren - ein Steinsplitter ab, und indem dieser hier und dorthin flog, traf er auf den Fuß des Erhabenen.»

«Gut, ehrwürdiger Nāgasena, es sei zugegeben, daß der Steinblock von den beiden Felsen aufgefangen wurde. Doch hätte der Steinsplitter dem Erhabenen nicht ebensogut Achtung erweisen können wie die Erde?»

«Folgende zwölf, o König, kennen keine Ehrfurcht, und zwar: 

Diese Zwölf, o König, kennen keine Ehrfurcht.

Jener Steinsplitter aber, der infolge des Zusammenpralles absprang, flog ganz unbestimmt in irgend eine Richtung und traf dabei den Erhabenen auf den Fuß, gleichwie etwa auch ganz feiner, dünner Staub, vom Winde fortgeweht, ganz unbestimmt in irgend einer Richtung zerstiebt. Wenn jener Steinsplitter, o König, sich nicht von dem Steinblock losgelöst hätte, so hätten auch ihn jene beiden emporragenden Felsen aufgefangen. Doch jener, Steinsplitter, o König, hatte weder am Boden noch in der Luft einen Halt und fiel, nachdem er durch die Gewalt des Anpralles abgesprungen war, ganz unbestimmt in irgend eine Richtung, wobei er den Erhabenen auf den Fuß traf, gleichwie etwa ein durch einen Wirbelwind aufgewehtes Blatt ganz unbestimmt in irgend eine Richtung fliegt. Ja, o König, nur zum Leiden gereichte es dem undankbaren, unedlen Devadatta, daß jener Steinsplitter den Erhabenen auf den Fuß traf.»

«Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena. So ist es, und so nehme ich es an.»


Mil. 4.3.8. Der wahre Asket

 

«Der Erhabene, ehrwürdiger Nāgasena, hat gesagt: <Durch das Schwinden der Triebe (āsavā) wird man zum Asketen.> Andererseits aber wieder hat er den Ausspruch getan:

 

 

Diese vier Bedingungen aber sind: 

Alle diese Eigenschaften aber mag auch einer besitzen, der noch nicht von den Trieben frei, also noch mit geistigen Trübungen behaftet ist. Wenn man somit, ehrwürdiger Nāgasena, erst nach dem Schwinden der Triebe zum Asketen wird, dann muß die Behauptung, daß nur der mit den vier Bedingungen Ausgerüstete ein Asket sei, eben falsch sein. Gilt aber nur der mit den vier Bedingungen Ausgerüstete als Asket, dann ist eben jene Behauptung falsch, daß man erst nach dem Schwinden der Triebe zum Asketen wird. Dies ist wiederum ein zweischneidiges Problem, das ich dir da stelle und das du nun zu lösen hast.»

«Beide Aussagen, o König, hat der Erhabene wohl getan. Wenn er jedoch gesagt hat, daß man durch diese vier Eigenschaften zum Asketen wird, so hat er es nur mit Hinsicht auf gewisse Menschen gesagt. Die Behauptung aber, daß man nach dem Schwinden der Triebe zum Asketen wird, ist eine allumfassende Aussage. Denn wenn man alle die um Überwindung der geistigen Trübungen Kämpfenden der Reihe nach miteinander vergleicht, so gilt derjenige Asket als der beste, in dem die Triebe geschwunden sind. Auch unter den auf der Erde oder im Wasser wachsenden Blumen gilt der Jasmin als die beste; alle die übrigen zahlreichen Blumenarten gelten eben einfach als Blumen. Unter ihnen nämlich ist der Jasmin die bei den Menschen beliebteste und geschätzteste Blume. Auch gilt zum Beispiel unter allen den Kornarten der Reis als bestes. Denn wenn man den Reis mit allen den übrigen zahlreichen als Speisen zur Ernährung des Körpers dienenden Kornarten der Reihe nach miteinander vergleicht, so gilt eben der Reis als die beste Nahrung. Genau so auch, o König, gilt unter allen denen, die um Überwindung der Trübungen kämpfen, der triebfreie Asket als der beste.»

«Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena. So ist es, und so nehme ich es an.»


Mil. 4.3.9. Buddhas Selbstlob

 

«Der Erhabene, o Herr, hat einst folgenden Ausspruch getan: <Wenn, o Mönche, andere über mich oder die Lehre oder die Jüngerschaft ihr Lob sprechen sollten, so möget ihr da nicht etwa entzückt oder erfreut oder aufgeblasen sein.> Als jedoch der Brahmane Sela dem Vollendeten sein der Wahrheit entsprechendes Lob aussprach, war der Vollendete so entzückt, erfreut und begeistert, daß er seine eigenen Vorzüge noch außerdem selber in folgenden Worten verherrlichte:

 

 

Wenn, o Herr, die erste Behauptung richtig ist, dann muß die zweite falsch sein; ist aber die zweite Behauptung richtig, dann ist eben die erste falsch. Dies ist ein zweischneidiges Problem, das ich dir da stelle und das du nun lösen sollst.»

«Beide Aussprüche hat zwar der Erhabene getan, o König. Doch geschah der erste bloß deshalb, um die echte, unverfälschte, wirkliche, wahre, innere Natur, Beschaffenheit und Eigenart der Lehre zu beleuchten. Und es war nicht etwa des Gewinnes oder Ruhmes wegen oder um Anhänger und Schüler zu gewinnen, sondern bloß aus Wohlwollen, Mitleid und Liebe - damit nämlich dadurch jener Brahmane und weitere dreihundert Brahmanenjünglinge die Durchschauung der Wahrheit gewinnen möchten - daß er den Ausspruch tat:

 

 

«Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena! So ist es, und so nehme ich es an.»

 


Mil. 4.3.10. Züchtigung

 

«Der Vollendete, o König, hat einst den Ausspruch getan:

 

 

Andererseits aber sagt er:

 

 

Das Strafen, ehrwürdiger Nāgasena, besteht aber doch im Abschneiden von Händen und Füßen, im Schlagen, Binden, Foltern, Töten und in dauernder Schädigung. Solche Worte passen sich doch nicht für den Erhabenen, und nicht darf der Erhabene solche Rede führen. Wenn also die erste Behauptung richtig ist, dann ist die zweite falsch. Ist aber die zweite richtig, dann ist die erste falsch. Auch dieses ist ein zweischneidiges Problem, das ich dir da stelle und das du mir nun lösen magst.»

«Beides, o König, hat zwar der Erhabene gesagt. Daß man nämlich seinem Nächsten nicht wehe tun, sondern zu jedermann mild und gut sein soll, das, o König, lehren alle Vollendeten. Das ist ihr Gebot, das ist ihre Weisung. Das wesentliche Merkmal der Lehre ist eben das Wohlwollen (ahimsā, wörtl.: das Nichtschädigen, Gewaltlosigkeit). Dieses ist also ein wahrer Ausspruch. Wenn aber andererseits der Vollendete sagt, daß man den Strafwürdigen bestrafen und dem, der Gunst verdient, seine Gunst schenken soll, so bedeuten diese Worte folgendes: die hochfahrende Gesinnung soll man niederzwingen, die demütige Gesinnung aber aufsteigen lassen; die schlechte Gesinnung niederzwingen, die gute Gesinnung aber aufsteigen lassen; die unweise Erwägung niederzwingen, die weise Erwägung aber aufsteigen lassen; und den auf dem üblen Pfad Befindlichen soll man niederzwingen, den auf dem guten Pfad Befindlichen aber hochhalten; den Unheiligen niederzwingen, den Heiligen aber hochhalten; den Gauner niederzwingen, den Ehrlichen aber hochhalten.»

«Das sei zugegeben, ehrwürdiger Nāgasena. Doch jetzt bist du auf meinen Punkt zurückgekommen. Die Sache nämlich, um die ich dich befragen wollte, hast du nun selber berührt, nämlich auf welche Weise der Strafende einen Gauner bestrafen soll.»

«Folgendermaßen, o König, hat der Strafende einen Gauner zu bestrafen: der zu Tadelnde gehört getadelt, der zu Strafende bestraft, der zu Verbannende verbannt, der zu Fesselnde gefesselt und der Hinzurichtende hingerichtet.»

«Haben denn wohl, ehrwürdiger Nāgasena, die Vollendeten die Hinrichtung eines Gauners gut geheißen?»

«Gewiß nicht, o König.»

«Warum haben sie aber die Unterweisung eines Gauners gut geheißen?»

«Wenn jemand hingerichtet wird, o König, so geschieht dies nicht mit Gutheißung des Vollendeten; sondern infolge seiner eigenen Tat erleidet er den Tod. Aber er wird auf gerechte Weise belehrt. Würde denn wohl, o König, ein vernünftiger Mensch je imstande sein, einen Mann, der nichts verbrochen hat und ruhig seiner Wege zieht, festzunehmen und hinrichten zu lassen?»

«Gewiß nicht, o Herr.»

«Und warum nicht, o König?»

«Weil jener ja gar nichts verbrochen hat, o Herr.»

«Ebenso auch, o König, wird ein Gauner nicht mit Gutheißung der Vollendeten umgebracht, sondern auf Grund seiner eigenen Tat erleidet er den Tod. Trifft da den Unterweiser also irgend welche Schuld?»

«Gewiß nicht, o Herr.»

«So ist also die Unterweisung der Vollendeten, o König, eine gerechte Unterweisung.»

«Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena. So ist es, und so nehme ich es an.»

 


Mil. 4.3.11. Buddhas Haßlosigkeit

 

Der Erhabene ehrwürdiger Nāgasena, hat einmal gesagt: <Ohne Zorn bin ich, von jedem Haß befreit.> Ein anderes mal aber hat er die Ordensälteren Sāriputta und Moggallāna mitsamt der Jüngerschar entlassen. Geschah dieses letztere wohl aus Verdruß oder voller Zufriedenheit? Finde heraus, wie sich das verhält! Wenn es nämlich aus Verdruß geschah, ehrwürdiger Nāgasena, so hatte der Vollendete eben den Zorn noch nicht überwunden; geschah es aber voller Zufriedenheit, so hatte er eben die Jünger ohne Grund und aus Unwissenheit fortgeschickt. Dies ist wiederum ein zweischneidiges Problem, das ich dir da stelle und das du nun zu lösen hast.»

«Wohl hat, o König, der Erhabene gesagt, daß er frei sei von Zorn und Haß, und trotzdem hat er die Jüngerschaft entlassen. Dies geschah nämlich nicht aus Verdruß. Wenn da zum Beispiel jemand über eine Wurzel oder einen Stumpf oder einen Stein oder über Scherben oder unebenen Grund stolpert und zu Boden fällt, ist es da wohl in diesem Falle die Erde, o König, die aus Zorn seinen Fall verursacht?»

«Gewiß nicht, o Herr. Denn die Erde empfindet weder Verdruß noch Vergnügen, ist frei von Zuneigung und Abneigung. Es kommt eben bloß von der eigenen Unachtsamkeit, daß jener stolpert und fällt.»

«Ebenso aber auch, o König, empfinden die Vollendeten weder Verdruß noch Vergnügen. Befreit von Neigung und Abneigung sind sie, diese Vollendeten, Heiligen, Vollkommen-Erleuchteten. Und nur infolge ihres eigenen, selbstverschuldeten Vergehens wurden die Jünger entlassen. Wenn zum Beispiel das Meer keinen Leichnam in sich duldet und ihn schleunigst wieder auswirft und ans Land schwemmt, handelt da wohl das Meer aus Verdruß?»

«Nein, o König. Das Meer empfindet weder Verdruß noch Vergnügen, ist frei von Zuneigung und Abneigung.»

«Ebenso aber auch, o König, empfinden die Vollendeten weder Verdruß noch Vergnügen. Befreit von Zuneigung und Abneigung sind sie, diese Vollendeten, Heiligen, Vollkommen-Erleuchteten. Und eben nur infolge ihres eigenen, selbstverschuldeten Vergehens wurden die Jünger entlassen. Gleichwie nämlich, o König, wenn jemand über den Boden stolpert, zu Falle kommt oder ein im Meere befindlicher Leichnam ausgeworfen wird, ebenso auch wird, wer in der erhabenen Lehre des Siegers stolpert, entlassen. Daß aber, o König, der Vollendete damals die Jünger entlassen hat, geschah ihrem eigenen Wohl, Heil und Glück und ihrer Erlösung zuliebe. Denn er wußte, daß jene dadurch die Erlösung erlangen würden von Geburt, Alter, Krankheit und Tod.»

«Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena. So ist es, und so nehme ich es an.»


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