Visuddhi Magga VIII

Die vier übrigen Betrachtungen

1. Die Betrachtung über den Tod (marana-sati)
2. Die Betrachtung über den Körper
3. Achtsamkeit auf Ein- und Ausatmung (ānâpāna-sati)
4. Die Betrachtung über den Frieden (upasamânussati)


VIS. VIII. 1. Die Betrachtung über den Tod (marana-sati)
 

Nunmehr sind wir angelangt bei der Darstellung der Entfaltung der 'Betrachtung über den Tod', die (in der Aufzählung) unmittelbar hierauf (d.i. auf die Betrachtung über die Himmelswesen) folgt.
 

Als "Betrachtung über den Tod" gilt die betreffs des Todes aufgestiegene Betrachtung; damit bezeichnet man jene Achtsamkeit, die das Erlöschen der Lebenskraft zum Vorstellungobjekte hat.
 

Hierbei nun bedeutet 'Tod' das Erlöschen der durch ein einzelnes Dasein begrenzten Lebenskraft. Gemeint ist also nicht etwa der als Aufhebung des Leidens der Daseinsrunde geltende und 'in völliger Aufhebung bestehende Tod' ("d.i. der in der gänzlichen Erlöschung der Daseinsgruppen bestehende Tod des Arahat", Komm.), auch nicht der als das augenblickliche Abbrechen der Daseinsgruppen geltende und 'alle Augenblicke stattfindende Tod' (khanika-marana); auch ferner nicht das, was man in konventioneller Weise als Tod bezeichnet, wenn man z.B. von einem toten Baume, von totem Erz u. dgl. spricht. Sondern das, was hier gemeint ist, sind diese beiden Arten des Todes: der rechtzeitige Tod und der unzeitige Tod.
 

Von diesen erfolgt der rechtzeitige Tod (kāla-marana) durch Versiegung des Verdienstes (oder, im Falle einer leidvollen Daseinsfährte, wie als Tier usw., durch Versiegung des schuldvollen Karma), Versiegung der Lebensdauer, oder Versiegung beider. Der unzeitige Tod (akāla-marana) erfolgt durch ein die Früchte früheren Wirkens zerstörendes Wirken (Kamma).
 

Wenn z.B., trotz des Vorhandenseins der zum Lebensprozesse nötigen Bedingungen, lediglich infolge der ausgereiften Frucht des wiedergeburterzeugenden (früheren guten) Wirkens der Tod eintritt, so erfolgt dieser Tod durch Versiegung des Verdienstes. Wenn der Tod eintritt auf Grund der Versiegung des Lebens, wie bei den heutigen Menschen, deren Leben infolge Mangels an günstiger Daseinsform (wie sie etwa bei den Himmelswesen anzutreffen ist), Zeit (wie sie etwa bei den dem ersten Weltzeitalter angehörenden Wesen anzutreffen ist; diese sollen ein unermeßlich hohes Lebensalter erreicht haben". Kom.), Nahrung ("wie sie etwa den Bewohnern von Uttarakuru beschieden ist". Kom.) usw. nur noch mit hundert Jahren bemessen ist, so erfolgt dieser Tod durch Versiegung der Lebensdauer. Wenn aber, wie bei Dūsi-Māra (Mahr dem Verderber) (s. Therag. 1187), dem König Kalābu (s. Jāt.313, Jāt.522) u. a., der Tod der Lebensprozesse dadurch eintritt, daß sie zerstört werden durch eine Tat, die Einen plötzlich von der Stelle abscheiden lassen kann, oder dadurch, daß sie auf Grund vorgeburtlichen Wirkens zerstört werden durch Handlungen wie Erstechung usw., so ist dies ein unzeitiger Tod. Alles das nun ist eingeschlossen in der besagten Art des Erlöschens der Lebenskraft.
 

Somit gilt als 'Betrachtung über den Tod' das Gedenken des als Aufhebung der Lebenskraft geltenden Todes. Wer aber diese zu entfalten wünscht, begebe sich in die Einsamkeit, und abgeschieden stelle er in gründlicher Weise ("planmäßig" sagt der Kom.) die Erwägung an: 'Einst wird kommen der Tod; die Lebenskraft wird versiegen!'; oder: 'Sterben muß ich! Sterben muß ich!' Wer nämlich die Erwägung nicht gründlich anstellt ("nämlich planlos, und ohne Achtsamkeit, Ergriffenheit und Einsicht zu erwirken." Kom.), dem steigt Kummer auf, sobald er über den Tod geliebter Menschen nachsinnt, genau wie der leiblichen Mutter, wenn sie an den Tod ihres Kindes denkt; und beim Nachsinnen über den Tod unliebsamer Menschen steigt ihm Freude auf, genau wie den Feinden, wenn sie an den Tod ihres Feindes denken; beim Nachsinnen über den Tod eines ihm gleichgültigen Menschen aber kommt es zu keiner Ergriffenheit, genau so wenig wie in dem Leichenverbrenner beim Anblick einer Leiche; und beim Nachsinnen über den eigenen Tod steigt ihm Entsetzen auf, genau wie der einen Mörder mit gezücktem Schwert Erblickende voll Entsetzen ergriffen wird. Dies alles ist bedingt durch Mangel ('virahato' ist adverbial gebrauchte Abl. von 'vihara', Trennung, Abwesenheit, Mangel) an Achtsamkeit, Ergriffenheit und Einsicht.
 

So möge man denn, wenn man hier oder da Erschlagene oder andere Tote erblickt, nachsinnen über den Tod von solchen verstorbenen Wesen, die einst im Glücke gelebt haben, und möge die Achtsamkeit, Ergriffenheit und Einsicht anspornen und in den Worten: 'Eintreten wird der Tod usw.' die Erwägung anstellen. Wer nämlich in dieser Weise die Erwägung anstellt, der tut es gründlich, d.h. er stellt sie planmäßig an. Denn nur in einem, der sie so anstellt, werden die Hemmungen zurückgedrängt, festigt sich die Achtsamkeit infolge der Vorstellung des Todes und erreicht die geistige Übung die 'Angrenzende' Stufe.
 

Wem aber solches nicht vergönnt ist, möge auf folgende acht Weisen den Tod betrachten:
 
 

  1. wie einen vor ihm stehenden Mörder;
  2. mit Rücksicht auf Segen und Mißgeschick;
  3. mit Rücksicht auf die Schlußfolgerungen;
  4. mit Rücksicht darauf, daß der Körper vielen gemeinsam angehört;
  5. mit Rücksicht auf die Ohnmacht des Lebens;
  6. mit Rücksicht auf das Fehlen von Anzeichen;
  7. mit Rücksicht auf die Begrenztheit der Lebensdauer;
  8. mit Rücksicht auf die Kürze des Bewußtseinsaugenblickes.

 

1. 'Wie einen vor ihm stehenden Mörder' bedeutet hier: als ob ein Mörder vor ihm stehe. Er soll also denken: 'Gerade als ob ein Mörder mit gezücktem Schwerte vor uns stände und uns das Messer zur Kehle führte, um uns das Haupt abzuschlagen: genau so wartet der Tod auf uns'. Und inwiefern? Eben weil der Tod gleichzeitig mit der Geburt gekommen ist und uns des Lebens beraubt. Gerade wie der Keimling des Schlangenhutpilzes mit dem Kopfe die Erde auf sich nehmend emporsproßt, so auch nehmen die Wesen bei ihrer Geburt das Alter und den Tod auf sich. Denn sobald ihr Wiedergeburtsbewußtsein, unmittelbar nach dem Entstehen, den Verfall erreicht, gelangt es, zusammen mit den damit verbundenen Daseinsgruppen, zur Auflösung, genau wie der vom Gipfel des Berges herunterfallende Felsen zerschellt. Somit ist der 'alle Augenblicke stattfindende Tod' gleichzeitig mit der Geburt gekommen. Aber auch der hier gemeinte Tod ist, insofern er eben dem Geborenen mit Gewissheit beschieden ist, gleichzeitig mit der Geburt gekommen. Daher eilt dieses Wesen, von der Zeit der Geburt ab, gerade wie die aufgegangene Sonne beständig dem Untergange entgegen; und wo immer es hingelangt, von da kehrt es auch nicht für einen Augenblick mehr zurück. Oder gleichwie der reißende Gebirgsstrom mit seinen raschen Fluten dahinfließt, genau so eilt das Wesen, ohne auch nur für einen Augenblick mehr umzukehren, beständig dem Tode entgegen. Darum heißt es (Jātaka 510): "Von jener einen ersten Nacht ab, in der der Mensch im Mutterleibe weilt, eilt er, einer aufgestiegenen Wolke gleich, dahin; und dahineilend kehrt er nimmermehr zurück".
 
Gleichwie unter der Glut der Sommerhitze die Bäche versiegen, wie die Früchte der Bäume mit ihren von Feuchtigkeit durchdrungenen Stielen in der Frühe abfallen, wie mit dem Hammer angeschlagen die irdenen Gefäße zerbrechen, wie von den Sonnenstrahlen getroffen die Tautropfen zergehen: so auch ist dem also Dahineilenden der Tod jederzeit nahe. Darum heißt es:
 

 

(m.a.W.: 'Halte mich nicht ab von meinem Entschlusse, dem Weltleben zu entsagen'.- Das Gleichnis vom Tautropfen, sowie das obige Gleichnis vom reißenden Gebirgsstrom finden sich ausführlich in der weiter unten angeführten Sutte aus A.VII.70.)
 

So also ist der Tod - gleichsam wie ein Mörder mit gezücktem Schwerte - gleichzeitig mit der Geburt gekommen. Und wie der Mörder uns das Messer an die Kehle setzt und uns des Lebens beraubt, so auch beraubt uns der Tod des Lebens, und nimmermehr kehrt man zurück. Darum steht der Tod, sofern er eben gleichzeitig mit dem Leben gekommen ist und uns des Lebens beraubt, wie ein Mörder mit gezücktem Schwerte stets vor uns.
 

Auf diese Weise hat man den Tod zu betrachten wie einen vor uns stehenden Mörder.
 

2. 'Mit Rücksicht auf Segen und Mißgeschick' bedeutet hier: Nur solange leuchtet einem der Segen, solange einen das Mißgeschick nicht übermannt. Und keinen einzigen Segen gibt es, der dem Mißgeschicke entginge und dauernd wäre. So nämlich heißt es :

 

 

(König Asoka soll nach irgend einem Kommentare als Wurm in einer Nellifrucht wiedergeboren worden sein)
 
 

Überdies endet alles Gesundsein in Krankheit, alle Jugend im Verfall, alles Leben im Tode; und jede Daseinsform wird von Geburt gefolgt, von Verfall ereilt, vom Tode zerstört. Darum heißt es:
 
 

So hat man also über den Tod nachzusinnen mit Rücksicht auf Segen und Mißgeschick, indem man erwägt, daß des Lebens Segen im Mißgeschick des Todes endet.
 

3. 'Mit Rücksicht auf die Schlußfolgerungen' bedeutet: indem man von den anderen auf sich selber schließt. Hier nun hat man beim Nachsinnen über den Tod auf siebenfache Weise Schlußfolgerungen anzustellen: hinsichtlich der Größe des Ruhmes, der Größe des Tugendverdienstes, der Größe der Kraft, der Größe der magischen Fähigkeiten, der Größe des Wissens, hinsichtlich des Zustandes eines Einzelerleuchteten und hinsichtlich des Zustandes eines Allerleuchteten. Und in welcher Weise?

Der Tod hat doch ohne Zweifel selbst jene ruhmesgewaltigen, von großem Gefolge umgebenen, an Schätzen und Wagen reichen Könige befallen, wie Mahāsammata (Jāt. 422), Mandhātā (A.IV.15), Mahāsudassana, Dalha-Nemi, Nimippabhūti (s. Jāt. 541). Wie sollte er mich da wohl nicht befallen! (D.26).
 

Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die Größe des Ruhmes.
 

Und in welcher Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die Größe des Tugendverdienstes?

 

 

Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die Größe des Tugendverdienstes.

In welcher Weise aber hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die Größe der Kraft?
 

 

Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die Größe der Kraft.

In welcher Weise aber hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die Größe der magischen Fähigkeiten?
 

 
(Gemeint ist Mogallāna der nach Sāriputta der hervorragendste Jünger war und von allen Mönchen die höchsten magischen Kräfte besaß
 

Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die Größe der magischen Fähigkeiten.

In welcher Weise aber hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die Größe des Wissens?
 

 

Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die Größe des Wissens.

In welcher Weise aber hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf den Zustand eines Einzelerleuchteten?
 

,Selbst Jene, die durch eigene Erkenntnis und Willenskraft ihre Feinde, die trübenden Leidenschaften, vertilgt und den Zustand der Einzelerleuchtung errungen haben, die dem Nashorn (vergleiche die schönen Gleichnisse vom Nashorn in Snp. 35-75) Gleichenden, aus sich selber heraus Gewordenen, auch jene bleiben nicht verschont vom Tode. Wie sollte wohl ich davon befreit sein!'
 
 

 

Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf den Zustand eines Einzelerleuchteten.
 

In welcher Weise aber hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf den Zustand eines Allerleuchteten? (Pug. 28).

,Selbst jener Erhabene, dessen stofflicher Körper mit den 80 Nebenmerkmalen (welches diese Nebenmerkmale sind, ist mir nicht klar) ausgestattet und mit den 32 Kennzeichen eines großen Mannes geschmückt ist, und dessen Tugendkörper gesegnet ist mit den Tugendkleinodien, als wie mit dem in jener Hinsicht geläuterten Gebiete der Sittlichkeit, der Sammlung und des Wissens, der vollendet ist in hohem Ruhme, hohem Tugendverdienste, hoher Standhaftigkeit, hohen Geisteskräften, hohem Wissen, ohne seinesgleichen, ohne Ebenbürtigen, ohne Rivalen, der Heilige, Allerleuchtete: selbst er ist - gleichwie eine mächtige Feuermasse nach Eintritt eines Regenschauers erlischt - nach Eintritt des Todesschauers auf der Stelle erloschen.'
 
 

Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf den Zustand eines Allerleuchteten.
 

Wer also von den anderen, die mit solchem hohen Ruhme und den anderen hohen Dingen ausgestattet sind, hinsichtlich der Anteilschaft am Tode auf sich selber schließt, daß nämlich, gerade wie für solche hervorragenden Wesen auch für ihn der Tod eintreten wird, bei dem hat die Übung den 'angrenzenden' Zustand erreicht.

Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Hinsicht auf die Schlußfolgerungen.
 
 

4. 'Mit Rücksicht darauf, daß der Körper vielen angehört': Diesen Körper besitzen viele gemeinsam: achtzig Würmerarten gehört er gemeinschaftlich an. Die in der Oberhaut lebenden Wesen nähren sich von der Oberhaut; die in der Lederhaut lebenden von der Lederhaut, die im Fleische lebenden vom Fleische, die in den Sehnen lebenden von den Sehnen, die in den Knochen lebenden von den Knochen, die im Mark lebenden vom Mark. Dortselbst entstehen, altern und sterben sie, verrichten ihre Ausscheidung, und der Körper dient ihnen als Geburtsort, als Krankenhaus, Leichenfeld, Kotstätte und Harnbehälter. Und durch Erregung dieser Würmerarten verfällt er dem Tode. Wie nun der Körper den achtzig Würmerarten gemeinsam angehört, so auch ist er eine Beute für die den Tod bewirkenden vielen Hunderte von inneren Krankheiten und äußeren Anlässe wie Schlangen, Skorpione u. dgl.
 

Wie nämlich an der am Treffpunkte vierer Straßen aufgestellten Zielscheibe die von allen Seiten heranfliegenden Pfeile, Speere, Lanzen und Steine anprallen, genau so fallen den Körper alle möglichen Bedrängnisse an. Und durch den Ansturm dieser Bedrängnisse verfällt er dem Tode. Darum hat der Erhabene gesagt (A.VIII.74):
 

"Sobald, ihr Mönche, der Tag zur Neige geht und die Nacht anbricht, da denkt der Mönch bei sich: 'Wahrlich, viele Möglichkeiten zum Sterben bestehen für mich: es möchte mich eine Schlange beißen, oder ein Skorpion oder ein Hundertfuß möchte mich stechen, und so möchte ich ums Leben kommen. Das aber wäre für mich ein Hindernis (nämlich zur Verwirklichung des heiligen Wandels und Erreichung des Zieles). Ich möchte straucheln und hinfallen, oder die genossene Speise möchte mir schlecht bekommen; oder Galle, Schleim oder stechende Gase möchten erregt werden, und so möchte ich ums Leben kommen. Das aber wäre für mich ein Hemmnis."
 

Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Rücksicht darauf, daß der Körper vielen angehört.
 

 

5. 'Mit Rücksicht auf die Ohnmacht des Lebens' (jīvita): Dieses Leben ist machtlos, ist ohnmächtig. Denn das Leben der Wesen ist an Ein- und Ausatmung gebunden, sowie an die verschiedenen Körperstellungen, an Hitze und Kälte, an die vier Hauptstoffe und an die Nahrung.
 

Nur solange das Leben eine gleichmäßige Tätigkeit der Ein- und Ausatmung erfährt, funktioniert es; sobald aber die Luft durch die Nase nach Außen tritt ohne wieder einzutreten, oder eintritt ohne wieder auszutreten, so gilt man als tot.
 

Nur solange das Leben eine gleichmäßige Tätigkeit der Körperstellungen erfährt, funktioniert es; durch ein Übermaß der einen oder anderen Körperstellung aber werden die Lebensfunktionen zerstört.
 

Nur solange das Leben gleichmäßige Hitze und Kälte erfährt, funktioniert es. Wer aber von übermäßiger Hitze oder Kälte bedrückt wird, dem schwindet das Leben.
 

Nur solange das Leben eine gleichmäßige Tätigkeit der vier Hauptstoffe erfährt, funktioniert es; bei Erregung aber irgend eines der vier Elemente, wie des festen, flüssigen usw. (d.i. des erhitzenden und flüchtigen), geht selbst eine kraftstrotzende Person zugrunde, sei es mit erstarrtem Körper, oder einem durch Ruhr feucht und faul gewordenen Körper, oder durch große Hitze erschöpft, oder mit zerrissenen Sehnenbändern.
 

Nur, wer zur richtigen Zeit stoffliche Nahrung erhält, bei dem funktioniert das Leben; wer aber keine Nahrung erhält, bei dem geht es zugrunde.
 

Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Rücksicht auf die Ohnmacht des Lebens.
 

6. 'Mit Rücksicht auf das Fehlen von Anzeichen' bedeutet: mit Rücksicht auf die Unbestimmtheit und das Fehlen einer Festlegung. Denn hinsichtlich des Todes der Lebewesen heißt es:
 
 

 

Hierunter nun ist die Lebensdauer insofern ohne Anzeichen, als man nicht feststellen kann, daß man so und so lange zu leben hat und nicht darüber hinaus. Denn zur Zeit des Kalala-, Abbuda-, Pesi- und Ghana-Stadiums* sterben Wesen, wie auch nach Verlauf von einem Monat, zwei, drei, vier, fünf und zehn Monaten, sowie zur Zeit des Austrittes aus dem Mutterleibe, und weiter noch innerhalb von hundert Jahren oder nachher.
 

*(Dies sind die 4 in den Texten erwähnten Embryonalstadien, denen bisweilen noch ein fünftes, nämlich 'pasākhā', wörtl. 'Abzweigungen', beigefügt ist. Siehe S.10.1.)

 

Hinsichtlich der Krankheit aber gibt es insofern kein Anzeichen, als man nicht feststellen kann, daß die Wesen gerade an dieser oder jener Krankheit sterben und an keiner anderen; denn sowohl an einer Augenkrankheit mögen die Wesen sterben, als auch an einer Ohrenkrankheit, oder an irgend einer anderen Krankheit.
 

Hinsichtlich der Zeit aber gibt es insofern kein Anzeichen, als man nicht feststellen kann, daß man gerade zu dieser oder jener Tageszeit zu sterben hat und nicht zu einer anderen; denn sowohl in der Frühe mögen die Wesen sterben als auch zur Mittagszeit wie zu irgend einer anderen Zeit.
 

Hinsichtlich des Sterbeortes aber gibt es insofern kein Anzeichen, als man nicht feststellen kann, daß die Sterbenden gerade da oder dort umkommen müssen und nicht anderswo; denn die im Dorfe Geborenen mögen außerhalb des Dorfes umkommen, und die außerhalb des Dorfes Geborenen im Dorfe, ebenso die auf dem Lande geborenen Wesen im Wasser, und die im Wasser geborenen auf dem Lande: so läßt sich dies auf vielerlei Weise weiter ausführen.
 

Hinsichtlich der Daseinsfährte (gati) gibt es insofern keine Anzeichen, als man nicht feststellen kann, ob der von hier Abgeschiedene hier wiedergeboren wird; denn die von der Welt der Himmelswesen Abgeschiedenen mögen unter den Menschen wiedergeboren werden, und die von der Menschenwelt Abgeschiedenen irgendwo unter den Himmelswesen oder in anderen Welten. Und so eilt man in der Welt der fünf Daseinsfährten im Kreise herum wie ein an die Ölmühle gespannter Ochse.
 

Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Rücksicht auf das Fehlen von Anzeichen*.

 

*[Obige Wahrheiten finden ihren bündigen Ausdruck
in dem Ausspruche des Abraham a Santa Clara:
 

 

7. 'Mit Rücksicht auf die Begrenztheit der Lebensdauer': Das Leben der Menschen hat gegenwärtig eine kurze Dauer. Wer lange lebt, lebt hundert Jahre oder etwas darüber. Darum sagt der Erhabene (S.4.10):
 

"Gar kurz, ihr Mönche, ist das Leben. Ins Jenseits müssen wir wandern. Gutes sollte man tun, einen heiligen Wandel führen, denn kein Geborener entgeht dem Tode. Wer, ihr Mönche, lange lebt, lebt hundert Jahre oder etwas mehr." (S.4.9).
 

 

Ferner hat der Erhabene gesagt (A.VII.70):

"Einst, ihr Mönche, da lebte ein Meister namens Araka": diese ganze mit sieben Gleichnissen ausgeschmückte Sutte ist weiter auszuführen.

("Einst, ihr Mönche, da lebte ein Meister und Glaubensstifter namens Araka, der der Sinnenlust entfremdet war. Der Meister Araka aber, ihr Mönche, hatte viele Hunderte von Jüngern. Diesen verkündete er das Gesetz:

"'Gar kurz, Brahmane, ist das Leben der Menschen, begrenzt und flüchtig, voller Leiden und Qualen. Weise sollte man dies erkennen, sollte Gutes tun und einen heiligen Wandel führen, denn kein Geborener entrinnt dem Tode.

"'Gleichwie, Brahmane, der Tautropfen an der Grashalmspitze beim Aufgehen der Sonne gar schnell zergeht, nicht lange bleibt: so auch, Brahmane, ist das dem Tautropfen gleichende Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig.

"'Oder gleichwie, Brahmane, beim Herabgießen einer mächtig geballten Regenwolke die Blasen auf dem Wasser gar schnell zergehen, nicht lange bleiben: so auch, Brahmane, ist das der Wasserblase gleichende Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig.

"'Oder gleichwie, Brahmane, die mit einem Stocke im Wasser gezogene Furche gar schnell verschwindet, nicht lange bleibt: so auch, Brahmane, ist das der Wasserfurche gleichende Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig.'

"'Oder gleichwie, Brahmane, der fernhin eilende, schnell strömende, alles mit sich fortreißende Gebirgsstrom auch nicht für einen Augenblick, eine Weile, eine Minute, stille steht, sondern immer weitereilt, weiterfließt, weiterströmt: so auch, Brahmane, ist das dem Gebirgsstrom gleichende Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig.

"'Oder gleichwie, Brahmane, ein kräftiger Mann mit der Zungenspitze einen Speichelkloß bildet und ohne jede Anstrengung ausspeit; so auch, Brahmane, ist das dem Speichelkloß gleichende Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig.

"'Oder gleichwie, Brahmane, wenn zur Mittagszeit man in einen glühend heißen Metalltopf ein Stück Fleisch wirft, dasselbe gar schnell zergeht, nicht lange bleibt: so auch, Brahmane, ist das dem Fleischklumpen gleichende Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig.

"'Oder gleichwie, Brahmane, das zum Schlachten bestimmte Schlachtvieh - ganz gleich welchen Fuß es auch erhebt - ganz nahe am Rande des Todes steht: so auch, Brahmane, ist das dem Schlachtvieh gleichende Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig, voller Leiden und Qualen' . . .")

Und fernerhin hat der Erhabene gesagt (A.VIII.73): "Wer da, ihr Mönche, von den Mönchen die Betrachtung über den Tod übt, indem er denkt: 'Ach, daß es mir doch vergönnt sei, noch einen Tag und eine Nacht am Leben zu bleiben - noch einen Tag - noch solange wie ein Almosenmahl dauert - wie das Zusammenballen und Hinunterschlucken von vier oder fünf Bissen Reis dauert! Ich möchte des Erhabenen Weisung noch überdenken. Gar viel möchte ich noch erwirken': von einem solchen Mönche, ihr Mönche, sagt man, daß er lässig lebt, daß er auf langsame Weise die Betrachtung über den Tod übt, um die Versiegung der üblen Einströmungen zu erreichen. Wer da aber, ihr Mönche, von den Mönchen die Betrachtung über den Tod übt, indem er denkt: 'Ach, daß es mir doch vergönnt sei, noch so lange am Leben zu bleiben, wie das Zusammenballen und Hinunterschlucken von einem Bissen Reis dauert - noch die kurze Zeitspanne am Leben zu bleiben, die zwischen einer Ein- und Ausatmung oder einer Aus- und Einatmung liegt! Ich möchte des Erhabenen Weisung noch überdenken. Gar viel möchte ich noch erwirken!': von diesem Mönche, ihr Mönche, sagt man, daß er unermüdlich verweilt und voll Eifer die Betrachtung über den Tod übt, um die Versiegung der üblen Einströmungen zu erreichen."

So kurz ist die Lebensdauer, daß sie ungewiß ist selbst für die Zeit, während man vier oder fünf Bissen ißt. Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Rücksicht auf die Begrenztheit der Lebensdauer.

 

8. 'Mit Rücksicht auf die Kürze des Bewußtseinsaugenblickes': Im höchsten Sinne (paramatthato) haben die Wesen nur einen sehr kurzen Augenblick zu leben, nur solange wie ein Bewußtseinsmoment dauert. Gleichwie das Wagenrad beim Rollen wie, beim Stillstehen sich jedesmal bloß auf einem einzigen Punkte der Peripherie befindet: genau so währt das Leben der Wesen nur für die Dauer eines einzigen Bewußtseinsmomentes. Sobald dieser Bewußtseinsmoment erloschen ist, gilt auch das Wesen als erloschen. Denn es heißt:

"Das Wesen des vergangenen Bewußtseinsmomentes (citta-kkhana) hat gelebt, lebt jetzt nicht mehr, wird auch später nicht mehr leben. Das Wesen des zukünftigen Bewußtseinsmomentes hat noch nicht gelebt, lebt auch jetzt noch nicht, wird erst später leben. Das Wesen des gegenwärtigen Bewußtseinsmomentes hat früher noch nicht gelebt, lebt nur jetzt, wird aber später nicht mehr leben."
 

Auf diese Weise hat man über den Tod nachzusinnen mit Rücksicht auf die Kürze des Bewußtseinsmoments.

Wer also in der einen oder anderen von diesen acht Weisen nachsinnt, dessen Geist erlangt durch wiederholtes Erwägen Fertigkeit darin, infolge der Vorstellung des Todes festigt sich die Achtsamkeit, die Hemmungen werden gelähmt, und die Vertiefungsglieder steigen auf. Weil das Objekt eine gegenständliche Natur hat (sabhāva; wtl.: Eigennatur) und weil es zur Ergriffenheit führt, erreicht die Vertiefung nicht die 'volle', sondern bloß die 'angrenzende' Stufe. Die 'überweltliche' Vertiefung " zwar, sowie die zweite und vierte Vertiefung in der formlosen Sphäre, erreichen, trotz ihrer gegenständlichen Beschaffenheit, eben infolge der Vorzüglichkeit der Entfaltung die 'volle' Stufe; denn die 'überweltliche' Vertiefung erreicht die 'volle' Stufe durch fortschreitende Entfaltung der Reinheitsstufen, und die formlose Vertiefung durch Übung in der Überwindung der Vorstellung. Die in die 'volle' Stufe eingetretene Vertiefung besteht dabei bloß in Überwindung des Objekts (der vorhergehenden Vertiefung) der Vorstellung. Hier jedoch gibt es dies beides nicht, darum erreicht die Vertiefung hier bloß die 'angrenzende' Stufe. Weil nun diese Vertiefung auf Grund der Betrachtung über den Tod aufgestiegen ist, so wird sie auch selber als die Betrachtung über den Tod bezeichnet.

Der Mönch aber, der dieser Betrachtung über den Tod hingegeben ist, ist allzeit unermüdlich, erreicht hinsichtlich aller Daseinsformen die Vorstellung der Begehrlosigkeit, verliert die Begierde zum Leben, verabscheut das Böse, speichert nichts auf, ist hinsichtlich der Bedarfsartikel frei vom Schmutze des Geizes, die Vorstellung der Vergänglichkeit wird ihm vertraut, und während er diese noch weiter verfolgt, wird ihm die Vorstellung des Leidens und der Ichlosigkeit gewärtig.

Wie nun die Wesen, die die Betrachtung über den Tod nicht entfaltet haben, in der Sterbestunde in Angst, Schrecken und Verstörung geraten, als ob sie plötzlich von wilden Tieren, Gespenstern, Schlangen, Räubern oder Mördern überfallen würden: so stirbt ein solcher, ohne in einen derartigen Zustand zu geraten, frei von Furcht und Verstörung. Und sollte er nicht schon bei Lebzeiten das Todlose erreichen, so ist ihm doch beim Zerfall des Leibes eine glückliche Daseinsfährte beschieden.
 

Hier nun endet die ausführliche Darlegungsweise der Betrachtung über den Tod.


 Home Oben Zum Index Zurueck Voraus