Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung

M. 94. Ghotamukha Sutta (von K.E.N.)

DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit weilte der ehrwürdige Udeno bei Benares, im Mangohaine Khemiyos. Um diese Zeit nun war Ghotamukho der Priester in Benares angekommen, irgendein Geschäft zu erledigen.

Und Ghotamukho der Priester kam, auf einem Spaziergange lustwandelnd, nach dem Mangohaine Khemiyos. Damals nun erging sich der ehrwürdige Udeno gerade in einer Lichtung. Da trat denn der Priester Ghotamukho an den ehrwürdigen Udeno heran und tauschte höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit ihm, und an seiner Seite einherschreitend sprach er also:

"Lieber Mönch, es gibt keinen echten Asketen: das ist meine Ansicht; und zwar darum, weil ich keine solchen Ehrwürdigen gesehen habe, oder weil es eben so ist."

Auf diese Worte hielt der ehrwürdige Udeno mit seinem Gang inne; dann begab er sich nach der Klosterhalle und nahm auf seinem Sitze Platz. Und auch Ghotamukho der Priester unterbrach seinen Gang und begab sich zur Klosterhalle und stellte sich seitwärts hin. Und an Ghotamukho den Priester, der da seitwärts stand, wandte sich nun der ehrwürdige Udeno also:

"Es sind hier, Priester, Sitze bereit: wenn du willst setze dich."

"Das eben haben wir ja von Herrn Udeno erwartet, bevor wir uns setzen: denn wie könnte wohl meinesgleichen daran denken, uneingeladen Platz zu nehmen?"

Und Ghotamukho der Priester nahm einen von den niederen Stühlen zur Hand und setzte sich seitwärts hin. Seitwärts sitzend sprach nun Ghotamukho der Priester also zum ehrwürdigen Udeno:

"Lieber Mönch, es gibt keinen echten Asketen: das ist meine Ansicht; und zwar darum, weil ich keine solchen Ehrwürdigen gesehen habe, oder weil es eben so ist."

"Wenn du mir da, Priester, zugestehen magst was zugegeben werden kann, und abweisen was abgewiesen werden muß, und was du vom Sinn meiner Rede nicht verstehst eben da von mir weiter erfragen wirst, 'Wie ist das, o Udeno, was ist der Sinn davon': wenn du das tun willst, so mag da unter uns ein Gespräch statthaben."

"Was zugegeben werden kann werd' ich Herrn Udeno zugestehen, und abweisen was abgewiesen werden muß, und was ich da vom Sinn der Rede Herrn Udenos nicht verstehe werd' ich eben da von Herrn Udeno weiter erfragen, 'Wie ist das, o Udeno, was ist der Sinn davon': das will ich tun, möge da unter uns ein Gespräch statthaben!"

"Vier Arten von Menschen, Priester, finden sich hier in der Welt vor: welche vier? 

Welcher ist es, Priester, von diesen vier Menschen, der deinem Sinne zusagt?"

"Jener Mensch, o Udeno, der ein Selbstquäler, der Übung der Selbstqual eifrig ergeben ist, der sagt meinem Sinne nicht zu; und auch jener Mensch, o Udeno, der ein Nächstenquäler, der Übung der Nächstenqual eifrig ergeben ist, auch der sagt meinem Sinne nicht zu; und auch jener Mensch, o Udeno, der ein Selbstquäler, der Übung der Selbstqual eifrig ergeben ist, und ein Nächstenquäler, der Übung der Nächstenqual eifrig ergeben ist, auch der sagt meinem Sinne nicht zu; aber jener Mensch, o Udeno, der weder ein Selbstquäler, nicht der Übung der Selbstqual eifrig ergeben ist, noch ein Nächstenquäler, nicht der Übung der Nächstenqual eifrig ergeben ist: der ohne Selbstqual, ohne Nächstenqual schon bei Lebzeiten ausgeglüht, erloschen, kühl geworden ist, sich wohl fühlt, heilig geworden im Herzen: der sagt meinem Sinne zu."

"Warum aber, Priester, sagen jene drei Menschen deinem Sinne nicht zu?"

"Jener Mensch, o Udeno, der ein Selbstquäler, der Übung der Selbstqual eifrig ergeben ist, der läßt sich selber, der Wohl begehrt und Wehe verabscheut, Qual und Pein erleiden: darum sagt jener Mensch meinem Sinne nicht zu; und jener Mensch, o Udeno, der ein Nächstenquäler, der Übung der Nächstenqual eifrig ergeben ist, der läßt den Nächsten, der Wohl begehrt und Wehe verabscheut, Qual und Pein erleiden: darum sagt jener Mensch meinem Sinne nicht zu; und jener Mensch, o Udeno, der ein Selbstquäler, der Übung der Selbstqual eifrig ergeben ist, und ein Nächstenquäler, der Übung der Nächstenqual eifrig ergeben ist, der läßt sich wie den Nächsten, die Wohl begehren und Wehe verabscheuen, Qual und Pein erleiden: darum sagt jener Mensch meinem Sinne nicht zu; aber jener Mensch, o Udeno, der weder ein Selbstquäler, nicht der Übung der Selbstqual eifrig ergeben ist, noch ein Nächstenquäler, nicht der Übung der Nächstenqual eifrig ergeben ist: der ohne Selbstqual, ohne Nächstenqual schon bei Lebzeiten ausgeglüht, erloschen, kühl geworden ist, sich wohl fühlt, heilig geworden im Herzen: weil der weder sich noch den Nächsten, die Wohl begehren und Wehe verabscheuen, Qual und Pein erleiden läßt, darum sagt dieser Mensch meinem Sinne zu."

"Zwei Arten gibt es, Priester, von Leuten: welche zwei? Da sind, Priester, die einen Leute gierig erfreut an Schmuck und Geschmeide, sie begehren Weib und Kind, begehren Knecht und Magd, begehren Haus und Feld, begehren Silber und Gold. Da sind nun, Priester, die anderen Leute nicht gierig erfreut an Schmuck und Geschmeide, verlassen Weib und Kind, verlassen Knecht und Magd, verlassen Haus und Feld, verlassen Silber und Gold und ziehen aus dem Hause in die Hauslosigkeit hinaus. Was nun, Priester, jenen Menschen anlangt, der weder ein Selbstquäler, nicht der Übung der Selbstqual eifrig ergeben ist, noch ein Nächstenquäler, nicht der Übung der Nächstenqual eifrig ergeben ist, der ohne Selbstqual, ohne Nächstenqual schon bei Lebzeiten ausgeglüht, erloschen, kühl geworden ist, sich wohl fühlt, heilig geworden im Herzen: unter welchen Leuten, Priester, triffst du diesen Menschen zumeist an, unter den Leuten, die gierig erfreut an Schmuck und Geschmeide sind, Weib und Kind begehren, Knecht und Magd begehren, Haus und Feld begehren, Silber und Gold begehren, oder unter den Leuten, die nicht gierig erfreut an Schmuck und Geschmeide sind, Weib und Kind verlassen, Knecht und Magd verlassen, Haus und Feld verlassen, Silber und Gold verlassen und aus dem Hause in die Hauslosigkeit ziehen?"

"Was da, o Udeno, jenen Menschen anlangt, der weder ein Selbstquäler, nicht der Übung der Selbstqual eifrig ergeben ist, noch ein Nächstenquäler, nicht der Übung der Nächstenqual eifrig ergeben ist, der ohne Selbstqual, ohne Nächstenqual schon bei Lebzeiten ausgeglüht, erloschen, kühl geworden ist, sich wohl fühlt, heilig geworden im Herzen: diesen Menschen treff' ich zumeist unter den Leuten an, die nicht gierig erfreut an Schmuck und Geschmeide sind, Weib und Kind verlassen, Knecht und Magd verlassen, Haus und Feld verlassen, Silber und Gold verlassen und aus dem Hause in die Hauslosigkeit ziehen."

"Eben zuvor aber hast du ja, Priester, gesagt, wir wissen es noch: 'Lieber Mönch, es gibt keinen echten Asketen: das ist meine Ansicht; und zwar darum, weil ich keine solchen Ehrwürdigen gesehen habe, oder weil es eben so ist.'"

"In der Tat, o Udeno, ich hab' es gesagt, um anzuregen. Es gibt echte Asketen: das ist meine Ansicht, und mög' es mir nur Herr Udeno glauben! - Die vier Arten von Menschen nun, die Herr Udeno in der Kürze bezeichnet, nicht ausführlich dargestellt hat, möchte wohl Herr Udeno so gut sein, mir diese ausführlich darzustellen, von Mitleid bewogen!"

"So höre denn, Priester, und achte wohl auf meine Rede."

"Gewiß, Herr!" erwiderte da aufmerksam Ghotamukho der Priester dem ehrwürdigen Udeno. Der ehrwürdige Udeno sprach also:

"Was ist das nun, Priester, für ein Mensch, der ein Selbstquäler, der Übung der Selbstqual eifrig ergeben ist? 

"Was ist das aber, Priester, für ein Mensch, der ein Nächstenquäler, der Übung der Nächstenqual eifrig ergeben ist? 

"Was ist das aber, Priester, für ein Mensch, der ein Selbstquäler, der Übung der Selbstqual eifrig ergeben ist, und der ein Nächstenquäler, der Übung der Nächstenqual eifrig ergeben ist? 

"Was ist das aber, Priester, für ein Mensch, der weder ein Selbstquäler, nicht der Übung der Selbstqual eifrig ergeben ist, noch ein Nächstenquäler, nicht der Übung der Nächstenqual eifrig ergeben ist: der ohne Selbstqual, ohne Nächstenqual schon bei Lebzeiten ausgeglüht, erloschen, kühl geworden ist, sich wohl fühlt, heilig geworden im Herzen? 

"Diese Lehre hört ein Hausvater, oder der Sohn eines Hausvaters, oder einer, der in anderem Stande neugeboren ward. Nachdem er diese Lehre gehört hat, faßt er Vertrauen zum Vollendeten. Von diesem Vertrauen erfüllt denkt und überlegt er also: 'Ein Gefängnis ist die Häuslichkeit, ein Schmutzwinkel; der freie Himmelsraum die Pilgerschaft. Nicht wohl geht es, wenn man im Hause bleibt, das völlig geläuterte, völlig geklärte Asketentum Punkt für Punkt zu erfüllen. Wie, wenn ich nun, mit geschorenem Haar und Barte, mit fahlem Gewande bekleidet, aus dem Hause in die Hauslosigkeit hinauszöge?' So gibt er denn später einen kleinen Besitz oder einen großen Besitz auf, hat einen kleinen Verwandtenkreis oder einen großen Verwandtenkreis verlassen, und ist mit geschorenem Haar und Barte, im fahlen Gewande von Hause fort in die Hauslosigkeit gezogen.

"Er ist nun Pilger geworden und hat die Ordenspflichten der Mönche auf sich genommen. Lebendiges umzubringen hat er verworfen, Lebendiges umzubringen liegt ihm fern: ohne Stock, ohne Schwert, fühlsam, voll Teilnahme, hegt er zu allen lebenden Wesen Liebe und Mitleid. Nichtgegebenes zu nehmen hat er verworfen, vom Nehmen des Nichtgegebenen hält er sich fern: Gegebenes nimmt er, Gegebenes wartet er ab, nicht diebisch gesinnt, rein gewordenen Herzens. Die Unkeuschheit hat er verworfen, keusch lebt er: fern zieht er hin, entraten der Paarung, dem gemeinen Gesetze. Lüge hat er verworfen, von Lüge hält er sich fern: die Wahrheit spricht er, der Wahrheit ist er ergeben, standhaft, vertrauenswürdig, kein Heuchler und Schmeichler der Welt. Das Ausrichten hat er verworfen, vom Ausrichten hält er sich fern: was er hier gehört hat erzählt er dort nicht wieder, um jene zu entzweien, und was er dort gehört hat erzählt er hier nicht wieder, um diese zu entzweien; so einigt er Entzweite, festigt Verbundene, Eintracht macht ihn froh, Eintracht freut ihn, Eintracht beglückt ihn, Eintracht fördernde Worte spricht er. Barsche Worte hat er verworfen, von barschen Worten hält er sich fern: Worte, die frei von Schimpf sind, dem Ohre wohltuend, liebreich, zum Herzen dringend, höflich, viele erfreuend, viele erhebend, solche Worte spricht er. Plappern und Plaudern hat er verworfen, von Plappern und Plaudern hält er sich fern: zur rechten Zeit spricht er, den Tatsachen gemäß, auf den Sinn bedacht, der Lehre und Ordnung getreu, seine Rede ist reich an Inhalt, gelegentlich mit Gleichnissen geschmückt, klar und bestimmt, ihrem Gegenstande angemessen.

"Sämereien und Pflanzungen anzulegen hat er verschmäht. Einmal des Tags nimmt er Nahrung zu sich, nachts ist er nüchtern, fern liegt es ihm zur Unzeit zu essen. Von Tanz, Gesang, Spiel, Schaustellungen hält er sich fern. Kränze, Wohlgerüche, Salben, Schmuck, Zierrat, Putz weist er ab. Hohe, prächtige Lagerstätten verschmäht er. Gold und Silber nimmt er nicht an. Rohes Getreide nimmt er nicht an. Rohes Fleisch nimmt er nicht an. Frauen und Mädchen nimmt er nicht an. Diener und Dienerinnen nimmt er nicht an. Ziegen und Schafe nimmt er nicht an. Hühner und Schweine nimmt er nicht an. Elefanten, Rinder und Rosse nimmt er nicht an. Haus und Feld nimmt er nicht an. Botschaften, Sendungen, Aufträge übernimmt er nicht. Von Kauf und Verkauf hält er sich fern. Von falschem Maß und Gewicht hält er sich fern. Von den schiefen Wegen der Bestechung, Täuschung, Niedertracht hält er sich fern. Von Raufereien, Schlägereien, Händeln, vom Rauben, Plündern und Zwingen hält er sich fern.

"Er ist zufrieden mit dem Gewande, das seinen Leib deckt, mit der Almosenspeise, die sein Leben fristet. Wohin er auch pilgert, nur mit dem Gewande und der Almosenschale versehn pilgert er. Gleichwie da etwa ein beschwingter Vogel, wohin er auch fliegt, nur mit der Last seiner Federn fliegt, ebenso auch ist der Mönch mit dem Gewande zufrieden, das seinen Leib deckt, mit der Almosenspeise, die sein Leben fristet. Wohin er auch wandert, nur damit versehn wandert er.

"Durch die Erfüllung dieser heiligen Sittlichkeit empfindet er ein inneres fleckenloses Glück.

"Erblickt er nun mit dem Auge eine Form, so faßt er keine Neigung, faßt keine Absicht. Da Begierde und Mißmut, böse und schlechte Gedanken gar bald den überwältigen, der unbedachten Auges verweilt, befleißigt er sich dieser Bewachung, er hütet das Gesicht, er wacht eifrig über das Gesicht.

"Hört er nun mit dem Gehöre einen Ton,

"Riecht er nun mit dem Geruche einen Duft,

"Schmeckt er nun mit dem Geschmacke einen Saft,

"Ertastet er nun mit dem Körper-Element einen Körpereindruck,

"Erkennt er nun mit dem Geist-Element ein Geist-Objekt, so faßt er keine Neigung, faßt keine Absicht. Da Begierde und Mißmut, böse und schlechte Gedanken gar bald den überwältigen, der unbewachten Gedenkens verweilt, befleißigt er sich dieser Bewachung, er hütet das Gedenken, er wacht eifrig über das Gedenken.

"Durch die Erfüllung dieser heiligen Sinnenzügelung empfindet er ein inneres ungetrübtes Glück.

"Klar bewußt kommt er und geht er, klar bewußt blickt er hin, blickt er weg, klar bewußt regt und bewegt er sich, klar bewußt trägt er des Ordens Gewand und Almosenschale, klar bewußt ißt und trinkt, kaut und schmeckt er, klar bewußt entleert er Kot und Harn, klar bewußt geht und steht und sitzt er, schläft er ein, wacht er auf, spricht er und schweigt er.

"Treu dieser heiligen Sittlichkeit, treu dieser heiligen Sinnenzügelung, treu dieser heiligen klaren Achtsamkeit sucht er einen abgelegenen Ruheplatz auf, einen Hain, den Fuß eines Baumes, eine Felsengrotte, eine Bergesgruft, einen Friedhof, die Waldesmitte, ein Streulager in der offenen Ebene. Nach dem Mahle, wenn er vom Almosengange zurückgekehrt ist, setzt er sich mit verschränkten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet, und pflegt der Achtsamkeit. »

Weltliche Begierde hat er verworfen; mit einem von Begierde freien Geiste verweilt er, von Begierde läutert er seinen Geist.

Zorneserregung hat er verworfen, haßlosen Geistes verweilt er; zu allen lebenden Wesen und Geschöpfen von Wohlwollen und Mitgefühl erfüllt, läutert er seinen Geist von Zorneserregung.

Stumpfheit und Mattheit hat er verworfen, frei von Stumpfheit und Mattheit verweilt er; lichten Geistes, achtsam, klarbewußt läutert er seinen Geist von Stumpfheit und Mattheit.

Aufgeregtheit und Gewissensunruhe hat er verworfen, ohne Aufregung verweilt er, innerlich im Geiste ge stillt, läutert er seinen Geist von Aufgeregtheit und Gewissensunruhe.

Den Zweifel hat er verworfen, dem Zweifel entronnen verweilt er, ohne Schwanken im Guten läutert er seinen Geist vom Zweifel.

"Er hat nun diese fünf Hemmungen (nivarana) aufgehoben, hat die Schlacken des Geistes kennen gelernt, die lähmenden; gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen lebt er in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Verzückung, in der Weihe der ersten Vertiefung (jhāna).

"Weiter sodann, Priester: nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens gewinnt der Mönch die innere Meeresstille, die Einheit des Geistes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Vertiefung geborene selige Verzückung, die Weihe der zweiten Vertiefung.

"Weiter sodann, Priester: in heiterer Ruhe verweilt der Mönch gleichmütig, achtsam, klar bewußt, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: 'Glückselig weilt der Gleichmütige, der Achtsame'; so gewinnt er die Weihe der dritten Vertiefung.

"Weiter sodann, Priester: nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erreicht der Mönch die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmütig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Vertiefung.

"Solchen Gemütes, innig, geläutert, gesäubert, gediegen, gereinigt, geschmeidig, biegsam, fest, unversehrbar, richtet er das Gemüt auf die erinnernde Erkenntnis früherer Daseinsformen. So kann er sich an manche verschiedene frühere Daseinsform erinnern, als wie an ein Leben, dann an zwei Leben, dann an drei Leben, dann an vier Leben, dann an fünf Leben, dann an zehn Leben, dann an zwanzig Leben, dann an dreißig Leben, dann an vierzig Leben, dann an fünfzig Leben, dann an hundert Leben, dann an tausend Leben, dann an hunderttausend Leben, dann an die Zeiten während mancher Weltenentstehungen, dann an die Zeiten während mancher Weltenvergehungen, dann an die Zeiten während mancher Weltenentstehungen-Weltenvergehungen. 'Dort war ich, jenen Namen hatte ich, jener Familie gehörte ich an, das war mein Stand, das mein Beruf, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, so war mein Lebensende; dort verschieden trat ich anderswo wieder ins Dasein: da war ich nun, diesen Namen hatte ich, dieser Familie gehörte ich an, dies war mein Stand, dies mein Beruf, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, so war mein Lebensende; da verschieden trat ich hier wieder ins Dasein': so erinnert er sich mancher verschiedenen früheren Daseinsform, mit je den eigentümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Beziehungen.

"Solchen Gemütes, innig, geläutert, gesäubert, gediegen, gereinigt, geschmeidig, biegsam, fest, unversehrbar, richtet er das Gemüt auf die Erkenntnis des Verschwindens-Erscheinens der Wesen. So kann er mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Grenzen hinausreichenden, die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen sehn, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, er kann erkennen wie die Wesen je nach den Taten wiederkehren. 'Diese lieben Wesen sind freilich in Taten dem Schlechten zugetan, in Worten dem Schlechten zugetan, in Gedanken dem Schlechten zugetan, tadeln Heiliges, achten Verkehrtes, tun Verkehrtes; bei der Auflösung des Leibes, nach dem Tode, gelangen sie auf den Abweg, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in untere Welt. Jene lieben Wesen sind aber in Taten dem Guten zugetan, in Worten dem Guten zugetan, in Gedanken dem Guten zugetan, tadeln nicht Heiliges, achten Rechtes, tun Rechtes; bei der Auflösung des Leibes, nach dem Tode, gelangen sie auf gute Fährte, in selige Welt': so kann er mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Grenzen hinausreichenden, die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen sehn, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, er kann erkennen wie die Wesen je nach den Taten wiederkehren.

"Solchen Gemütes, innig, geläutert, gesäubert, gediegen, gereinigt, geschmeidig, biegsam, fest, unversehrbar, richtet er das Gemüt auf die Erkenntnis der Wahnversiegung. 'Das ist das Leiden' (sacca) erkennt er der Wahrheit gemäß. 'Das ist die Leidensentwicklung' erkennt er der Wahrheit gemäß. 'Das ist die Leidensauflösung' erkennt er der Wahrheit gemäß. 'Das ist der zur Leidensauflösung führende Pfad' erkennt er der Wahrheit gemäß. 'Das ist der Wahn' erkennt er der Wahrheit gemäß. 'Das ist die Wahnentwicklung' erkennt er der Wahrheit gemäß. 'Das ist die Wahnauflösung' erkennt er der Wahrheit gemäß. 'Das ist der zur Wahnauflösung führende Pfad' erkennt er der Wahrheit gemäß.

"Also erkennend, also sehend wird da sein Gemüt erlöst vom Wunscheswahn, erlöst vom Daseinswahn, erlöst vom Nichtwissenswahn (āsava). 'Im Erlösten ist die Erlösung', diese Erkenntnis geht auf. 'Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt' versteht er da.

"Den heißt man, Priester, einen Menschen, der weder ein Selbstquäler, nicht der Übung der Selbstqual eifrig ergeben ist, noch ein Nächstenquäler, nicht der Übung der Nächstenqual eifrig ergeben ist: der ohne Selbstqual, ohne Nächstenqual schon bei Lebzeiten ausgeglüht, erloschen, kühl geworden ist, sich wohl fühlt, heilig geworden im Herzen."

Nach diesen Worten wandte sich Ghotamukho der Priester also an den ehrwürdigen Udeno:

"Vortrefflich, o Udeno, vortrefflich, o Udeno! Gleichwie etwa, o Udeno, als ob man Umgestürztes aufstellte, oder Verdecktes enthüllte, oder Verirrten den Weg wiese, oder Licht in die Finsternis brächte: 'Wer Augen hat, wird die Dinge sehn': ebenso auch ist von Herrn Udeno die Lehre gar vielfach gezeigt worden. Und so nehm' ich bei Herrn Udeno Zuflucht, bei der Lehre und bei der Jüngerschaft: als Anhänger möge mich Herr Udeno betrachten, von heute an zeitlebens getreu."

"Nicht bei mir, Priester, wolle du Zuflucht nehmen: sondern bei Ihm, dem Erhabenen, nimm Zuflucht, bei dem ich Zuflucht genommen."

"Wo aber, o Udeno, weilt Er jetzt, der Erhabene, der Heilige, vollkommen Erwachte?"

"Erloschen ist Er nun, Priester, der Erhabene, der Heilige, vollkommen Erwachte."

"Wenn wir da hörten, o Udeno, Er, der Herr Gotamo, sei dreißig Meilen fern, so würden wir eben dreißig Meilen wandern, Ihn, den Herrn Gotamo zu sehn, den Heiligen, vollkommen Erwachten. Wenn wir da hörten, o Udeno, Er, der Herr Gotamo, sei sechzig Meilen fern, sei neunzig Meilen, hundertzwanzig Meilen, hundertfünfzig Meilen fern, so würden wir eben hundertfünfzig Meilen wandern, Ihn, den Herrn Gotamo zu sehn, den Heiligen, vollkommen Erwachten. Und wenn wir da hörten, o Udeno, dreihundert Meilen sei Er, der Herr Gotamo, fern, so würden wir eben dreihundert Meilen wandern, Ihn, den Herrn Gotamo zu sehn, den Heiligen, vollkommen Erwachten. Weil nun aber, o Udeno, Er, der Herr Gotamo, erloschen ist, so nehmen wir eben bei Ihm, dem Herrn Gotamo, der erloschen ist, unsere Zuflucht, und bei der Lehre und bei der Jüngerschaft: als Anhänger möge mich Herr Udeno betrachten, von heute an zeitlebens getreu. - Es hat mir, o Udeno, der König von Bengalen einen ständigen Tagesunterhalt ausgesetzt: einen davon widme ich Herrn Udeno."

"Was hat dir denn, Priester, der König von Bengalen als ständigen Tagesunterhalt ausgesetzt?"

"Fünfhundert Gulden, o Udeno (*1)."

"Nicht kommt es uns, Priester, zu, Gold und Silber anzunehmen."

"Wenn das Herrn Udeno nicht zukommt, so werd' ich eine Wohnstätte für Herrn Udeno erbauen lassen."

"Hast du schon, Priester, die Absicht, eine Wohnstätte für mich erbauen zu lassen, so lasse doch der Mönchgemeinde zu Pataliputtam einen Empfangsaal erbauen."

"Dadurch hat mich Herr Udeno nur noch viel mehr zufrieden und froh gemacht, daß mich Herr Udeno zu einer Gabe an die Mönchgemeinde ermuntert. Und so will ich, o Udeno, mit diesem Tagesunterhalt, und noch einem anderen dazu, der Mönchgemeinde zu Pataliputtam einen Empfangsaal erbauen lassen."

Und Ghotamukho der Priester ließ mit diesem Tagesunterhalt, und noch einem anderen dazu, der Mönchgemeinde zu Pataliputtam einen Empfangsaal erbauen. Dieser wird heute 'Ghotamukher' genannt (*2).


(*1) 'kahapano', Gulden, wiegt etwa 11 1/3 gramm; es kann nur die Silbermünze, bzw. deren Werteinheit gemeint sein, die unserem Zweimarkstück ungefähr entspricht.

(*2) Eine ähnliche Schenkung ist Ende der 52. Rede vorgekommen. Der Altüberlieferten Sitte ist denn Auch Asoko nachgefolgt, der auf dem Paderia-Edikt u.a. berichtet, er habe nächst dem Dorfe Lumpini (im nepalischen Grenzgebiet, heute Rummin-dei bei Bhagvanpur), an der Geburtstätte des Meisters, ein steinernes Schutzhaus errichten lassen. 


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