Therigāthā - Achter-Bruchstück

Sīsūpacālā

196
SÍSÚPACĀLĀ:
Im Orden tapfer, tugendecht,
Beraten tüchtig, sinnbezähmt,
Gewinn' ich wohl der Ruhe Ziel,
So heilig ladend, lieblich hell.

197
DER VERSUCHER:
Der Dreiunddreißig Götter, ach,
Der Schattengötter denke du,
Der Götter selig, unbeschränkt,
Der Götter selbstgenugsam all:
Dahin, ja, sollst du sehnen dich,
O Nonne, wo du einst geweilt!

198 - 199
SÍSÚPACĀLĀ:
Der Dreiunddreißig Götter, ach,
Der Schattengötter denk' ich sChOn,
Der Götter selig, unbeschränkt,
Der Götter selbstgenugsam all:
Vernarrt, verfangen wieder neu
Von Sein zu Sein in Eigensucht,
Entgehn sie nie dem eignen Selbst,
Erstanden bald, erstorben bald.
 
200
In Flammen leuchtet alle Welt,
In Flammen lodert alle Welt,
In Flammen flackert alle Welt:
Entsetzt erzittert alle Welt!

(Vergl. M 38)

201
Was nicht erzittern, beben kann,
Was kein Gemeiner fassen mag,
Hat mir der Meister offenbart:
Beseligt also ist mein Sinn.
 
202
Sein Wort, ich nahm es willig auf,
Die frohe Botschaft merkt' ich wohl;
Drei Wissen fand ich, unvertrübt:
Erfüllt ist was der Herr befiehlt.
 
203
Und alle Neigung ist vertilgt,
Und Nacht und Nebel durchgeteilt;
Ich raun' es dir, Verruchter, zu:
Zermalmt ist deine Todesmacht.

  


Therigāthā - Neuner-Bruchstück

Die Mutter Vaddhos

204
DIE MUTTER:
O daß du, Vaddho, nimmer doch
Verlangen kenntest, weltbetört,
O daß du nimmer, teures Kind,
Erkürtest Leid um Leiden dir!

(Hierzu Therag.335ff)

205
Gar süß, o Vaddho, weilen sie,
Die Weisen, selig unbewegt:
Sie wanken nimmer, dürsten nicht,
Geduldig, sicher, wahnversiegt.
 
206
Den Weg, den sie gegangen sind
Um glaues Glück, die Seher dort:
Um alles Weh' zu tilgen aus,
O Vaddho, wähle jenen Gang!
 
207
VADDHO:
Erfahren bist du, redest recht,
O Mutter, die mir also rät!
Ich merk' es wohl, o Teure du:
Du kennst Verlangen nimmermehr.
 
208
DIE MUTTER:
Was irgend icht erscheinen mag
Als böse, gut, als mittelbar:
Auch noch so winzig, noch so fein
Erkenn' ich kein Verlangen mehr.
 
209
Versiegt ist was da Wähnen war
In ernstem Eifer, zäher Zucht,
Errungen dreifach Wissen rein,
Vollendet was der Meister will.
 
210
Erhaben, herrlich mahnte sie,
Gab Anstoß einst, die Mutter mein,
Zum höchsten Heile weisend hin
Den Sohn, aus Mitleid, Mitgefühl!
 
211
Ihr Wort, ich hab' es wohl gehört,
Was mir die Holde mild gesagt:
Beseligt von der Wahrheit Macht
Gewinnen mocht' ich sichern Hort.
 
212
Und unermüdlich mutbegabt,
Und kühn beharrlich Tag um Tag,
Von ihr entlassen, früh belehrt,
Erforscht' ich höchsten Friedenspfad.


 Therigāthā - Elfer-Bruchstück

Kisāgotamī

213
Die fromme Freundschaft hat der Herr
Gelobt im Leben oft und oft:
Wer frommen Freunden treu vertraut
Mag, unklug selbst, ein Kluger sein.
 

(Vergl. Therag. 75, 1019. Die berühmte Legende von der Kisāgotamī 'Kein Haus ohne Tod' ist im Kommentar überliefert.)

 
214
In edlem Umgang sei gesellt,
So wächst die Weisheit bald empor:
Wer edlen Umgang eifrig übt
Mag enden alles Leiden lind.
 
215
Man muß das Leiden merken recht,
was Leiden rüstet, Leiden rafft,
Aus Leiden kühn erretten kann:
Was heilig wahr ist hören wohl!

 (Vergl. v. 185f)

216 - 217
«Erbärmlich ist der Weiber Los»:
Der Völker Führer hat's gesagt!
Erbärmlich quält uns Eifersucht,
Und junge Mütter kann man sehn
Das Messer in die Brust sich stoßen selbst;
Ja, Gift genießen zarte Mädchen gern,
Geraubt von Räubern, mutig doch;
Und Frau und Jungfrau, ach, verdirbt und stirbt.
 
218
In Wehen eilt' ich einst nach Haus,
Erblickte plötzlich tot am Weg den Mann:
Da kam ich elend nieder, traun,
Getragen heim.
 
219
Und Sohn und Tochter fand ich tot,
Ich ärmste Witwe, gattenlos:
Und Mutter, Vater, Bruder gar
Auf gleichen Scheiten glühen schon!
 
220
O du verwaistes armes Weib,
Erlitten hast du grenzenloses Leid:
In Strömen floß der Tränen Flut
Durch viele tausend Leben dir!
 

(Kisāgotamī redet sich selbst an, erkennt, daß sie schon viele tausendmal dasselbe erfahren hat.)

 
221
Den Gatten sah ich lodern licht,
Und süße Kindesglieder flackern glutverzehrt;
Allein verlassen, fluchbedeckt geflohn,
In Todesgram erfand ich was kein Tod ergreift.
 
222
Gewandelt bin aus Tod ich hin
Auf heilig achtgebahnter Spur:
Erwirkt ist Wahnerlöschung hier,
Der Wahrheit Spiegel ward erspäht.

(Vergl. Therag. 171, 395)
 
223
Kein Stachel kann mich stechen mehr,
Bin lasterlöst,
Gewirkt ist was zu wirken war:
Ich, Kisāgotamī,
Bin köstlich froh befreit,
Und künd' es euch.


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