Theragāthā - Sechser-Bruchstück

Kassapo von Uruvelā

375
DIE hohen Wunder sah ich wohl,
Die Gotamo, der Held, gewirkt:
Doch beugt' ich darum nicht mein Knie,
Betrogen von des Dünkels Trotz.
 
376
Da faßt' Er, der den Menschen führt,
Mich innig an, gemahnte mich:
Und mächtig ward ich aufgemischt,
Ergriffen schauernd im Gemüt.
 
377
Der Flechtenträger, der ich war,
Asket in armer Büßerkunst,
Der hat sich eilig losgelöst,
Dem Siegerorden zugesagt.
 
378
Der Opfer war ich einstens froh,
Auf Lohngelingen fromm bedacht:
Und Gier und Haß und Irre nur,
Ich ließ sie wachsen wieder auf.
 
379
Nun weiß ich was ich jeher war,
Das Aug' ist himmlisch abgeklärt,
Die Herzen schau' ich magisch durch,
Und Himmelsklänge klingen mir.
 
380
Warum ich aus dem Hause fort
Als Pilger hingezogen bin:
Ergründet hab' ich ihn, den Grund,
Denn alle Bande sind zersprengt.
 

Tekicchakāni

EIN BRUDER
381
DAS Korn ist kahl verdorrt, verdorben darr der Reis,
Kein Bissen wird gereicht: wie mag ich recht geruhn?
 
TEKICCHAKĀNI:
382
Des Meisters, unermeßlich mild, gedenke hold:
Von Heiterkeit gesättigt bald, wirst immerdar erhaben sein.
 
383
Der Lehre, unermeßlich mild, gedenke hold:
Von Heiterkeit gesättigt bald, wirst immerdar erhaben sein.
 
384
Des Ordens, unermeßlich mild, gedenke hold:
Von Heiterkeit gesättigt bald, wirst immerdar erhaben sein.

DER BRUDER:
385
Du willst im Freien rasten hier?
Die Nächte sind nun frostig rauh:
O denke, daß dich Kälte kümmern kann,
Und geh' zur Klause, wo dir Dach und Türe winkt!
 
TEKICCHAKĀNI:
386
Vier Unermeßlichkeiten winken mir,
In ihren Hulden will ich weilen hold:
Und keine Kälte kümmert mich
Unsehrbar sitzend selbstvertieft.
 

Mahānāgo

387
WER unter Jüngern echter Art
Zu Ehr' und Ansehn nicht gelangt,
In echter Tugend nimmt er ab,
Dem Fische gleich wo Wasser fehlt.
 
388
Wer unter Jüngern echter Art
Zu Ehr' und Ansehn nicht gelangt,
Gedeiht in echter Tugend nicht,
Wie fauler Same nicht gedeiht.
 
389
Wer unter Jüngern echter Art
Zu Ehr' und Ansehn nicht gelangt,
Die Wahnerlöschung kennt er schwer
Im Königreich des rechten Herrn.
 
 
390
Wer unter Jüngern echter Art
Zu Ehr' und Ansehn kommen kann,
In echter Tugend nimmt er zu,
Dem Fische gleich wo Wasser wellt.
 
391
Wer unter Jüngern echter Art
Zu Ehr' und Ansehn kommen kann,
Gedeiht in echter Tugend wohl,
Wie guter Same wohl gedeiht.
 
392
Wer unter Jüngern echter Art
Zu Ehr' und Ansehn kommen kann,
Die Wahnerlöschung kennt er leicht
Im Königreich des rechten Herrn.
 

Kullo

393
ZUR Leichenstätte stieg ein Mönch;
Er sah ein Weib verwesen dort,
Verlassen liegen im Gestein,
Von Würmern durch und durch zerwühlt.
 
394
«Den siechen, vollen, faulen Leih,
Sieh', Kullo, dir den Körper an,
Wo Eiter träufelt, Eiter trieft,
Der Toren Labsal, Toren Lust!»
 
395
So späht' ich in den Spiegel hin
Der Wahrheit, wollte wissend sein:
Gar deutlich sah ich diesen Leib,
Von außen hohl, von innen hohl!
 
396
«Wie Dieses ist ist Jenes dort,
Wie Jenes wieder Dieses da,
Das Unten gleicht dem Oben hier,
Das Oben hier dem Unten gleich;
 
397
«Wie lichter Tag so Mitternacht,
Wie Mitternacht so lichter Tag,
Und vorher gilt wie nachher gilt,
Und nachher wieder wie zuvor.»
 
398
Sogar Musik im Fünferspiel
Beseligt keinem so den Sinn
Wie klar vollbrachte Wissenschaft
Der Wahrheit in der eignen Brust.
 

Mālunkyaputto (I)

399
DER Menschensohn, der leicht und lässig lebt,
Läßt wachsen wirr die Lust lianengleich
Schweift eilig hin von Sein zu Sein,
Wie früchtefroh der Aff' im Walde schweift.
 
400
Wen diese niedre Lebenslust,
Die Weltbeherrscherin, beherrscht,
Dem schießen Qualen quellend auf,
Wie Flechtengras im Wiesengrund.
 
401
Doch wer sie, diese Lebenslust,
Die schwer bezwingbar ist, bezwingt,
An dem kann haften keine Qual,
Wie Wasser nicht den Lotus netzt.
 
402
Das will ich sagen, hört es wohl,
Zum Heil euch allen um mich her:
Des Wollens Wurzel grabet aus,
Gleichwie der Wurzelgräber gräbt!
Damit euch nicht, wie Wasser Schilf,
Der Tod zerreiße wieder neu.
 
403
Vollzogen sei das Meisterwort
Beharrlich jeden Augenblick:
Wer oft nur einen Augenblick
Verpaßt, erholt sich Höllenpein.
 
404
Ermüden muß der schlaffe Mann,
Ermüdung mehr nur macht ihn schlaff,
Wer unermüdlich Wissen wirbt,
Er bringt den Pfeil sich aus der Brust.
 

Sabbadāso

405
DURCH volle fünfundzwanzig Jahr',
Solang' ich wandre, Pilger bin,
Solange fand ich keine Rast,
Im Herzen keine Ruhe je.
 
406
Den Geistesfrieden fand ich nicht,
Gequält von wilder Leidenschaft:
Die Hände streckt' ich jammernd aus,
Ging fort vom Kloster, weit hinweg.
 
407
«Ein Schwert, das will ich finden mir:
Was kann mir Dasein nutzen noch?
Dem Orden untreu will den Tod
Ich nicht erwarten abgewandt!»
 
408
Den Stahl, den lichten, faßt' ich fest,
Saß nieder auf die Lagerstatt,
Den Dolch, ich hielt ihn hell gezückt,
Zu trennen rasch die Ader durch -:
 
409
Da ward ich gründlich aufgemischt,
Ergriffen innig im Gemüt:
Das Elend sah ich offenbar,
Den Unrat ragen rings umher.
 
410
Und alle Fesseln fielen ab -
O sieh' wie stark die Lehre wirkt -
Das Wissen ging mir dreifach auf,
Das Meisterwort, es war erfüllt.
 

Kaccāyano

411
STEH' auf, Kaccāyano, sitz' nieder hier,
Von schlaffem Schlafe löse dich, sei wohl erweckt!
Auf daß dich lässig treffe kein Betrug
Des Todesherrn, der Träge leicht belistet.
 
412
Wie wilde Springflut näher wogt und näher,
So überwältigt Leben dich und Sterben:
Du selber sei das feste Felseneiland,
Ein andrer Schutz ist nirgends dir beschieden.
 
415
Der Meister hat erstiegen wohl den Steg,
Aus Leid und Leben rettend, Grab und Graus,
Von Anfang bis zum Ende rot gekerbt:
Betritt ihn ernst, und unverdrossen kehr' empor!
 
414
Gewohnte Fesseln, wirf sie fort von hinnen,
Im Kittel gehend, kahlgeschoren, bettelnd,
Und leichte Lust und träge Träume,
Die lasse fahren, selbstvertieft, Kaccāyano!
 
415
Ein Seher, Sieger sei, Kaccāyano:
Du kennst gar wohl den Weg zum sichern Gipfel;
Ist höchste Klarheit erst erklommen,
Lischt aus dein Licht wie Fackelglut im Wasser.
 
416
Die Leuchte, trübe flackernd, strahlenarm,
Der Sturm zerfegt sie wie Lianen bald;
So lösch' auch du, nicht haftend irgend an,
Die Todesfackel aus als Hindusohn:
Im Reich der Sinnenmächte sinnenrein
Wart' ab die Zeit, im Leben schon erlöst.
 

Migajālo

417
DER selber sieht hat offenbart,
Der wache Herr, der Sonnenheld,
Den Retter, der die Ketten kappt,
Den Tilger dieser Wandelwelt,
 
418
Den Führer, der uns über fährt,
Im Herzen alle Lust verdorrt,
Vom Gifte heilt, genesen läßt,
Erlösung licht entsprießen heißt,
 
419
Um Trug zu treffen bis ins Mark
Den Tatentrieb in Trümmer schlägt,
Den Strahl der Weisheit weithin wirft
Auf alle bunten Bilder hier,
 
420
Der was man fühlt erkennen lehrt,
Vom Lebenshange heilen kann,
Der mit der Weisheit Wolkenguß
Das Dasein löscht wie Kohlenglut,
 
421
Ein Ozean, gar köstlich tief,
Der Altern spült und Sterben fort -
Der Pfad ist's, heilig, achtgeteilt,
Der herrlich alle Leiden löst:
 
422
Die Tat, er deckt als Tat sie auf,
Die Folge weist er folgerecht,
Wie eines aus dem andern folgt,
Erscheinung annimmt, zeigt er klar,
Der selig höchste Sicherheit,
Vollendung hold gewähren will.
 

Jento / Der Sohn des Hofpriesters (II)

423
VOM Dünkel der Geburt betört,
Von Rang und Reichtum baß berauscht,
War Kaste, Stellung, Wohlgestalt
Erquickung meinem Übermut.
 
424
Als ebenbürtig, edler gar
Erkannt' ich keinen irgend an:
Der überstolz verstockte Tor,
Den Hochmut hatt' er starr gehißt!
 
415
Die Mutter, ja den Vater selbst,
Und wen man sonst noch ehren soll,
Ich mochte niemand grüßen mehr,
Höffäartig, aller Ehrfurcht bar.
 
426
Den besten Führer fand ich da,
Den Lenker, der wie keiner lenkt:
So strahlend, wie die Sonne strahlt,
So schritt er vor den Jüngern her.
 
427
Da warf ich allen Hochmut ab:
Erheitert, innig aufgeklärt,
Zu Füßen fallend bot ich Gruß
Dem größten Wesen aller Welt!
 
428
Und Hoffart wich, Verachtung wich,
Gebannt auf immer, ausgetilgt:
Der Eigendünkel war zerstört,
Zerstoben aller Eigensinn.
 

Sumano (II)

429
ALS Neuling noch im Orden hier,
An Jahren jung, erst sieben alt,
Ein Schlangenhaupt, emporgebäumt,
Ich hatt' es magisch fortgebannt,
 
430
Und brachte nun vom Kühlen See
Erlabung meinem Lehrer dar:-
Da sah der Meister hin auf mich,
Er kam heran, er sprach alsbald:
 
431
«Betrachte, Sāriputto, sieh'
Den Knaben da, der näher tritt,
Mit seinem Wasserkrüglein voll,
So still zufrieden, still erfreut,
 
432
«Der fröhlich wandelt, licht und leicht,
Gelassen seine Glieder regt,
In Demut Anuruddho'n dient,
Magiegewaltig wohl bewährt,
 
433
«Vom Auserwählten auserwählt,
Vom edlen Mann geadelt echt,
Von Anuruddho recht belehrt,
Und reif gediehn in eigner Zucht:
 
434
«Erfunden hat er höchstes Heil,
Errungen Unverrückbarkeit-
Und dieser Jünger wünscht sich nun:
'Man soll nicht merken was ich bin!'»
 

Nahātakamuni

EIN BRUDER:
435
VON Gliederreißen gleich versucht
Im wilden Walde, hainbehaust,
In rauher Regel, zäher Zucht,
Wie magst du, Mönch, beharren so?
 
NAHĀTAKAMUNI:
436
Mit reiner heller Seligkeit
Will satt ich saugen diesen Leib,
Und also auch in rauher Zucht
Im Walde weilen unverzagt.
 
437
Erwirken will ich siebenfach
Erweckung, mächtig, sinnbegabt.
In Schauung innig eingesenkt
Verweilen ledig, wahnerlöst.
 
438
Wo nimmer Unrat haften kann,
Das Herz, so heiter wie Kristall,
Das will ich prüfen für und für,
Verweilen ledig, wahnerlöst.
 
439
Was einst verborgen, offenbar
Als Wähnen mir im Busen wuchs,
Gerodet ist es redlich aus,
Kann wachsen nimmer wieder neu.
 
440
Der Fünferstrunk (khandha), er ist erforscht,
Er ist gefällt am Wurzelkamm,
Die Leiden alle sind versiegt,
Und nimmer gibt es Wiedersein.
 

Brahmadatto

441
Wo käme Zorn her ohne Zorn?
Der Selbstbesieger, wohl gefaßt,
Vollkommen weise losgelost,
Beschwichtigt will er heilig sein.
 
442
Verderbter dünken muß der Mann,
Der Zornerregtem widerzürnt:
Wer Zornerregtem nimmer zürnt,
Errungen hat er seltnen Sieg!
 
443
Das Beste wirkt er beiden aus,
Das eigne Wohl, des andern Wohl,
Der, wie sich einer zornig zeigt,
Alsbald verstummend stiller wird.
 
444
Genesung wirkt er beiden aus,
Ist eigner Arzt, ist andrer Arzt;
Die Welt, sie wähnt «'s ist nur ein Narr»,
Die Welt, die keine Wahrheit kennt.
 
445
Erhebt sich Zorn, so halte dir
Das 'Gleichnis von der Säge' vor;
Erhebt sich Gier nach Wohlgeschmack,
Das 'Kindermahl', o merk' es gut!
 
446
Will ungebärdig sein das Herz,
Nach Wunsch und Willkür schweifen wild,
So wehr' ihm witzig, unverwandt,
Gleichwie man Vieh vom Felde jagt.
 

Sirimando

447
Bewölkterer Himmel regnet reich,
Der wolkenreine regnet nicht:
So lasse Wolken weiterziehn,
Und keine Güsse gibt es mehr.
 
448
Vom Tode wird die Welt gehetzt,
Das Alter lauert rings umher,
Der Durst nach Dasein stachelt stets,
Begierden flammen, ungekühlt.
 
449
Vom Tode wird die Welt gehetzt,
Das Alter lauert überall:
Bedürftig darbt sie, ewig arm,
Dem Bettler gleich am Wanderstab!
 
450
Wie Feuer brünstig näherbrennt
Erfaßt uns Alter, Seuche, Tod:
Kein Widerstand erweist sich stark,
Kein flüchtig Fliehen schnell genug.
 
451
O nütze tüchtig deinen Tag,
In kleinem Wirken, großem Werk:
Mit jedem Tage, jeder Nacht
Wird karg und kärger unsre Frist.
 
452
Und ob du wandelst, ob du weilst,
Und ob du sitzen, liegen magst:
Die letzte Stunde stellt sich ein,
Die Zeit ist kurz und ungekannt.
 

Sabbakāmo

453
ZWEIBEINIG steht es, das Gestell,
Haucht üble Düfte unrein aus,
Mit mancher Jauche vollgefüllt,
Lebendig sickernd Saft um Saft.
 
454-455
Durch List verlockt man scheues Wild,
Der Fisch, er beißt am Angel an,
Der Affe greift und grapst in Leim;
Der Mensch verfängt sich maschig fest
In Form und Ton, Gedüft, Geschmack,
In Tastung, labend, lustbegabt:
Den fünfgefügten Sinnenfron,
Man kennt ihn wohl als Weiberleib!
 
456
Wer ihnen dient, ein Erdensohn,
Entflammt im Herzen, heiß entfacht,
Der schichtet Leichen scheußlich an,
Geboren neu, gestorben neu.
 
457
Doch wer sie wie den Viperkopf,
Der nach der Ferse faucht, umgeht,
Entkommt aus dieser geilen Welt,
Gewitzigt, ohne Wiederkehr.
 
458
In Elend endet Liebeslust,
Entsagend ahn' ich Sicherheit:
Von allen Wünschen losgelöst
Erlischt mein Sehnen, wahnversiegt. 


  Oben