SUTTA-NIPĀTA, Lehr-Dichtungen

II:10. Rafft euch auf! (Utthāna-Sutta)

 

331

Rafft auf euch! Setzet nieder* euch zum Werk!
Welch Heil kann euch durch Träumen kommen?
Wie kann für Sieche Schlaf es geben,
Die pfeilgetroffen Qual erdulden?

 


K: "Setzet euch nieder mit verschränkten Beinen, um das Meditationsobjekt zu üben."


 

332

Rafft auf euch! Setzet nieder euch zum Werk
Und strebet kraftvoll nach dem inneren Frieden!
Laßt nicht, wenn er als Lässige euch weiß,
Den Todesfürsten euch betören und bemeistern!

 

333

Wonach verlangend Gott und Mensch gefangen bleiben,
Begehren hiernach* überwindet! Versäumet nicht den rechten Augenblick!
Die diesen Augenblick versäumt, sie klagen, wenn der Hölle sie verfallen!

 


* Begehren hiernach (etain visattikam); wtl.: 'dieses Ausgebreitete'; eine Bezeichnung für tanhā, das Begehren. Zu den letzten beiden Verszeilen vgl. Theragāthā v. 403.


 

334

Lässigkeit ist Schmutz und Schmutz auch, was aus Lässigkeit* erwächst!
Durch wache Achtsamkeit** und Wissen
entferne man den Pfeil im eigenen Herzen!
 

K: "Lässigkeit (pamāda) bedeutet in Kürze: Abwesenheit der Achtsamkeit (sati). Weil sie einen Makel des Geistes darstellt, wird sie hier als 'Schmutz' bezeichnet. Pamādānupatito bedeutet: das auf die Lässigkeit folgende; wegen des Folgens auf die (zuerst entstandene) Lässigkeit ist auch die später auftretende 'Schmutz'. Wahrlich, nicht gibt es irgend welche Lässigkeit, die nicht Schmutz wäre! Es soll hiermit zum Ausdruck gebracht werden: Tröstet euch nicht damit: 'Noch sind wir jung, später werden wir Wissen erwerben!' Auch in der Jugend ist Lässigkeit Schmutz, ebenso in mittlerer Lebenszeit und im Alter. Aus der Lässigkeit folgend entsteht eine ganze Menge Schmutz, ja ein ganzer Kehrichthaufen! Es ist, wie wenn in einem Hause alle ein bis zwei Tage ein klein wenig Schmutz entsteht. Doch wenn er durch viele Jahre hindurch anwächst, wird es eben ein ganzer Kehrichthaufen."

** Durch wache Achtsamkeit (appamādena); wtl.: durch Nicht-Lässigkeit. Appamāda traditionell mit Rechter Achtsamkeit (sammā-sati) erklärt. Das folgende Wissen (vijjā) könnte dann der Wissensklarheit (sampajañña) gleichgesetzt werden.

Gleichlautend mit Theragāthā v. 404. Auch dort ist die erste Zeile offenbar unvollständig: pamādo rajo . . . pamādānupatito rajo. In die Lücke fügt ein für die PTS-Edition benutztes Theragāthā-Manuskript sabbadā (stets) ein.


II:11. Rāhula (Rāhula-Sutta)

 

(K: "Als Rāhula (des Erhabenen Sohn) im Novizenstande herangewachsen war, erhielt er vom Ehrwürdigen Sāriputta die volle Mönchsweihe, und der Ehrwürdige Mahā-Moggallāna war sein Ordinations-Lehrer (kammavācācariya). Da dachte der Erhabene: 'Dieser Jüngling ist von edler Geburt und besitzt viele andere Vorzüge. Möge er nur nicht auf Grund seiner Geburt, seiner Abstammung, seiner Familie und seiner Schönheit Stolz oder weltliche Neigungen in sich entwickeln!' Während Rāhulas ganzer Jugend, bis er den Rang des Heiligen erreichte, ermahnte ihn der Erhabene immer wieder, indem er häufig zu ihm diese Sutte sprach. Daher heißt es am Ende dieser Sutte: 'Auf eben solche Weise ermahnte immer wieder der Erhabene den Ehrwürdigen Rāhula mit diesen Versen.'")

 

 

335 (DER ERHABENE)

Trotz ständigen Beisammenlebens verachtest* du auch nicht den Weisen?
Der Menschheit Fackelträger**, wird er gebührend auch von dir verehrt?

 


* Verachtest du . . .; K: "auf Grund von Geburt usw." Vielleicht ist hier auch an das Überdrüssigwerden durch häufigen Verkehr zu denken, wie es von nicht völlig gereiften Charakteren selbst im Umgang mit hochstehenden und liebenswerten Menschen empfunden werden mag.

** Der Fackelträger der Menschheit ist, lt. K, Sāriputta; mit dem 'Weisen' ist gleichfalls Sāriputta oder Mahā-Moggallāna gemeint.


 

336 (RAHULA)

Trotz ständigen Beisammenlebens verachte ich den Weisen nicht.
Der Menschheit Fackelträger verehr' ich ständig nach Gebühr.

 

337 (DER ERHABENE)

Fünffache Sinnenlust hast du verlassen,
So lieb gehalten, die das Herz erfreut.
Vertrauensvoll zogst aus dem Hause du,
So werde nun ein Endiger des Leids!

 

338

Zu edlen Freunden sollst du dich gesellen,
Erwähle fern entlegene Wohnstatt dir,
Die einsam ist, dem Lärm entzogen!
Beim Mahle kenne wohl das Maß!

 

339

Nach Mönchsgewand und Brockenspeise,
Nach Wohnstatt und Arznei für Krankheit,
Hiernach sollst nimmer du Begehren hegen,
Damit zur Welt du nicht mehr wiederkehrst!

 

340

Gezügelt sei in dieses Ordens Regel,
Bei den fünf Sinnen auch sei du bewacht!
Die "Achtsamkeit beim Körper" sei dir eigen,
Den Abscheu mache in dir stark!

 

341

Meide Gedanken-Bild, das lieblich*,
Das mit Begierde ist verquickt!
An dem, was unrein**, reife deinen Geist***,
Damit er einig, wohl gesammelt sei!
 

* Meide Gedanken-Bild, das lieblich (nimittam parivajjehi subham). K: "Entledige dich seiner durch Nicht-Beachten." Hiermit ist wohl ein Hinweis auf die entsprechende 3. Methode der 'Stillung übler Gedanken' (vitakkasanthāna) in der gleichnamigen 20. Rede der Mittleren Sammlung beabsichtigt. - Von den verschiedenen Bedeutungen des Wortes nimitta, hier frei mit (Gedanken-)Bild wiedergegeben, kommen hier die folgenden in Betracht: 1) Kennzeichen, Merkmal; 2) Vorstellung.

Letztere Bedeutung hat es z.B., wenn es, wie auch in unserem Vers, als eine Entstehungs-Bedingung der Hemmung 'Sinnengier' angeführt wird: subha-nimitta (liebliche Vorstellung).

In unserem Falle ist aber vielleicht außerdem noch eine Gegenüberstellung mit a-nimitta, dem 'Bildlosen' (v. 342) beabsichtigt. Wenn dies zutrifft, so hat an beiden Stellen der Ausdruck 'Bild' noch die Nebenbedeutung von 'Trug-Bild' d.i. falsche Vorstellung, Illusion. Der Begriff animitta wird nämlich (z.B. in animitta-cetovimutti 'trugbildlose Geistes-Erlösung') erklärt als "ohne das nimitta von Gier, Haß und Wahn, von Ansichten der Beständigkeit, Erfreulichkeit und Wesenhaftigkeit." D.h. solche trugbildlose Geistes-Befreiung hat bei den Wahrnehmungen nicht mehr die falschen 'Vorstellungen' (nimitta) der Beständigkeit usw.; die Wahrnehmungen werden nicht mehr mit den durch Gier, Haß oder Wahn bedingten 'Kennzeichen' (nimitta) oder wertenden 'Vorzeichen' versehen. Lediglich reine oder leere Vorgänge (suddha-dhamma) werden wahrgenommen.

Die Vorstellungen des unerlösten Durchschnittsmenschen (puthujjana) aber sind nicht nur gefolgt von Trug-Bildern und Trug-Wertungen, sondern sie sind durch lange Gewohnheit unmittelbar mit ihnen verquickt (upasamhita, wtl.: verbunden, begleitet), wie es in der folgenden Verszeile heißt. Aus diesem Grunde eben ist die Erreichung des 'trugbildlosen Zustandes' eine so schwierige Aufgabe.

** An dem was unrein . . . (asubhāya). Dies bezieht sich auf die Meditation des Unreinen (asubha-bhāvanā), d.i. die Betrachtung des lebendigen und des leblosen Körpers als unrein und abstoßend. Diese Meditation wird als ein Gegenmittel gegen die Sinnenlust empfohlen.

***. . .reife deinen Geist (cittam bhāvehi), wtl.: 'entwickle' oder 'entfalte' ihn, nämlich durch bhāvanā, d.i. durch Geistes-Entfaltung, von der, was wir 'Meditation' nennen, nur ein, wenn auch wichtiges, Teilgebiet ist.


 

342

Bildlosigkeit* laß in dir reifen,
Die Dünkels-Neigung treibe aus!
Wenn alles Dünken** du getilgt,
Befriedet wirst du leben dann!

 

Auf eben solche Weise ermahnte immer wieder der Erhabene den ehrwürdigen Rāhula mit diesen Versen.


* Bildlosigkeit (animittam); siehe nimitta.

** Dünkels-Neigung (mān'anusayam). Māna (s. auch folg. Anm.) ist nicht nur Dünkel im Sinne von Stolz, sondern hat, wie aus vielen kanonischen Stellen hervorgeht, auch noch die umfassendere Bedeutung jeglichen 'Dünkens' und 'Vermeinens' (maññana); dieses letztere wird auch in der Niddesa-Definition von māna angeführt.

Wenn alles Dünken du getilgt (mān'ābhisamayā). Abhisamaya hat hier vielleicht nicht die übliche Bedeutung von 'Durchschauung (auf dem Pfad)', sondern, wie manchmal (z B. in v. 876) das präfixlose samaya, die Bedeutung von Aufgeben, Aufheben (pahāna). Atthasālinī, ein Abhidhamma-Kommentar, gibt unser Kompositum, das auch anderweitig vorkommt, als Beleg für diese Bedeutung von samaya. - K: "Nach Durchschauung des Dünkens durch den Edlen, nach dessen Tilgung. Aufhebung, Entäußerung."


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