Zurueck Milindapañha, Teil 4

1. Kapitel 

Mil. 4.1.14. Die Dauer der Lehre

 

"Der Erhabene, ehrwürdiger Nāgasena, hat einst den Ausspruch getan: <Nun aber, Ananda, wird die gute Lehre bloß fünfhundert Jahre bestehen bleiben.> Andererseits aber wieder hat er zur Zeit seines völligen Erlöschens auf die Frage des Pilgers Subhadda erklärt: <Solange, Subhadda, die Mönche richtig leben, solange wird die Welt nicht ohne Vollkommen-Heilige sein.> Dieses sind ausschlaggebende, keine weitere Möglichkeit zulassende, unzweideutige Behauptungen. Wenn also die erste Behauptung richtig ist, muß die zweite falsch sein. Ist aber die zweite richtig, so ist eben die erste falsch. Dies ist wiederum ein zweischneidiges Problem, das ich dir da stelle, gestrüppiger denn ein Gestrüpp, dichter denn ein Dickicht, fester denn ein Knoten. Beweise nun hier die Größe deiner Wissenskraft, dem mitten im Meere lebenden Leviathan gleich!"

"Beides, o König, hat der Erhabene gesagt. Doch sind diese beiden Aussagen sowohl dem Sinne als auch dem Wortlaute nach ganz und gar verschieden. Die eine nämlich betrifft die Zeitdauer der Satzung, die andere aber deren Ausübung: zwei Dinge, die einander vollständig ausschließen und von einander so weit entfernt sind wie der Himmel von der Erde, oder wie die Hölle vom Himmel, oder wie das Gute vom Bösen, oder das Glück vom Leiden.

Dennoch, o König, soll deine Frage nicht umsonst sein. Ich will dir dieselbe erklären, indem ich beide Aussagen nach ihrem wesentlichen Sinne miteinander vergleiche. Wenn der Erhabene sagt, daß die Satzung nunmehr bloß fünfhundert Jahre lang bestehen bleibt, so hat er durch solche Angabe ihres Verfalles die Grenze der noch übrig bleibenden Zeit festgestellt. Daher sagt er: <Die gute Lehre, Ananda, möchte noch tausend Jahre bestehen bleiben, hätte man nicht die Nonnen in den Orden aufgenommen. Nun aber, Ananda, wird die gute Lehre nur noch fünfhundert Jahre bestehen bleiben.> Hat nun etwa der Erhabene durch solche Aussage den Untergang der guten Lehre angekündet oder das Verständnis derselben bemäkelt?"

"Das nicht, o Herr."

"Der Erhabene, o König, setzte fest, was verloren gegangen und das, was übrig geblieben war. Gleichwie ein Mann, o König, der an seinem Vermögen Einbuße erlitten hat, alles übrig Gebliebene an sich nehmen und den Leuten erklären sollte, daß ihm soviel Vermögen verloren, soviel übrig geblieben ist: ebenso auch, o König, erklärte der Erhabene den Göttern und Menschen das, was verloren gegangen, und das, was noch übrig geblieben war, wenn er sagte: <Nun aber, Ananda, wird die gute Lehre bloß fünfhundert Jahre bestehen bleiben.> Diese Aussage des Erhabenen, o König, besteht in einer Festlegung der Zeitdauer der guten Lehre. Was er aber vor seinem völligen Erlöschen dem Pilger Subhadda mitteilte, war eine Bemerkung, die der Lehre Ausübung betrifft. Du aber vermengst beide Dinge hinsichtlich ihres wesentlichen Sinnes. Wenn du es aber wünschst, werde ich dir die Übereinstimmung ihres wesentlichen Sinnes erklären. So höre denn gut zu und denke nach, mit unzerstreutem Geist!

Nimm an, o König, es befinde sich da ein Teich, der mit frischem Wasser gefüllt und bis zum Rand angeschwollen sei, eingefaßt, von einem Damm umgeben. Falls nun das Wasser in eben jenem Teich nicht abnimmt und außerdem noch beständig Regen fällt, wird da wohl das Wasser in jenem Teich abnehmen oder schwinden?"

"Nein, o Herr."

"Und weshalb nicht?"

"Eben wegen dieses beständigen Regens, o Herr."

"Ebenso auch, o König, ist der glorreiche Behälter der guten Lehre des Siegers gefüllt und angeschwollen mit den ungetrübten, frischen Wasser der Ausübung eines reinen Wandels, der Sittlichkeit, Tugend und Pflicht. Und dieses Wasser steigt höher, bis es schließlich den Gipfel des Daseins erreicht. Wenn da nun die Jünger des Erleuchteten immer wieder von neuem solches Wasser nachfüllen, nachströmen lassen, so wird dieser glorreiche Behälter der guten Lehre des Siegers eben lange, lange Zeit bestehen bleiben und die Welt nicht ohne Vollkommen-Heilige sein. (Nāgasena will offenbar sagen, daß die Kenntnis der Lehre nur dann bloß fünfhundert Jahre bestehen bleibt, falls nicht immer wieder von neuem nachgefüllt wird, d.h. falls die Mönche die Lehre nicht wirklich ausüben)

Oder wenn da, o König, ein mächtiges Feuer brennen und man immer wieder von neuem dürres Stroh und Holz und ausgetrockneten Kuhmist darauf legen sollte, würde da vielleicht wohl, o König, jenes Feuer ausgehen?"

"Nein, o Herr. Immer stärker würde es lodern, immer mächtiger aufleuchten."

"Ebenso auch, o König, strahlt und leuchtet in dem tausendfachen Weltsystem die glorreiche Lehre des Siegers infolge der Ausübung eines reinen Wandels, der Sittlichkeit, Tugend und Pflicht. Wenn aber außerdem noch, o König, die Jünger des Erleuchteten, mit den fünf Kampfesgliedern (bala) ausgerüstet, allzeit unermüdlich weiterkämpfen, gefestigten Willens sich in den drei Schulungen (sikkhā) üben, die Gebote und Verbote vollkommen beachten, so wird eben diese glorreiche Lehre des Siegers lange, lange Zeit bestehen bleiben und die Welt nicht ohne Vollkommen Heilige sein. In diesem Sinne eben hat der Erhabene die Worte gesprochen: <Solange in dieser Lehre, Subhadda, die Mönche richtig leben, so wird die Welt nicht ohne Vollkommen-Heilige sein.>

Wenn man da, o König, einen blanken, glatten, ganz und gar reinen, glänzenden, fleckenlosen Spiegel immer wieder von neuem mit ganz feinem, weichem Kreidepulver polieren möchte, würden sich da wohl, o König, auf jenem Spiegel Flecken, Unreinigkeit, Schmutz und Staub bilden können?"

"Nein, o Herr. Immer reiner, wahrlich, würde der Spiegel werden."

"Ebenso auch, o König, ist die glorreiche Lehre des Siegers an sich fleckenlos, frei von dem Schmutze und Unrat der befleckenden Leidenschaften. Wenn da überdies die Jünger des Erleuchteten vermittels der in der Ausübung eines reinen Wandels, der Sittlichkeit, Tugend und Pflicht bestehenden Läuterung und Reinigung vom Schmutze die glorreiche Lehre des Siegers aufhellen, so wird dieselbe noch gar lange bestehen bleiben und die Welt nicht ohne Vollkommen-Heilige sein. In diesem Sinne eben hat der Erhabene gesagt: <Solange in dieser Lehre, Subhadda, die Mönche richtig leben, wird die Welt nicht ohne Vollkommen Heilige sein. Des Meisters Lehre, o König, wurzelt in ihrer Ausübung, in der Ausübung besteht ihr eigentliches Wesen. Solange also ihre Ausübung nicht schwinden wird, solange eben wird die Lehre bestehen bleiben.>"

"Du sprachst da, ehrwürdiger Nāgasena, von dem Schwinden der guten Lehre. Was ist darunter zu verstehen?"

"Das Schwinden der guten Lehre, o König, ist dreierlei Art. Es gibt nämlich ein Schwinden ihrer Verwirklichung, ein Schwinden ihrer Ausübung und ein Schwinden ihrer äußeren Form. Zu einer Zeit nämlich, wo der guten Lehre Verwirklichung geschwunden ist, o König, da erlangt selbst der die Lehre richtig Ausübende keine Durchdringung derselben. Ist aber die Ausübung der Lehre geschwunden, so schwindet auch die in den Sittenregeln bestehende Vorschrift, und bloß die äußere Form bleibt bestehen. Wo aber die äußere Form der Lehre geschwunden ist, da ist auch ihre Überlieferung abgeschnitten. Dies, o König, ist das dreifache Schwinden der guten Lehre."

"Trefflich erklärt und enthüllt hast du das tiefsinnige Problem, den Knoten gelöst, die Behauptungen der Gegner zunichte gemacht und zerschmettert, und verloren haben sie ihren Glanz vor dir, dem besten und edelsten unter den Meistern."


Mil. 4.1.15. Krankheitsursachen

 

"Hatte wohl, ehrwürdiger Nāgasena, der Vollendete schon alles Böse in sich getilgt, als er die Allweisheit erlangte oder war noch ein Rest des Bösen in ihm?"

"Alles Böse, o König, war bereits in dem Erhabenen getilgt, als er die Allweisheit erlangte, und nichts mehr Böses war in ihm zurückgeblieben."

"Wieso denn, o Herr? Sind denn nicht dem Vollendeten ehemals körperliche Schmerzgefühle aufgestiegen?"

"Gewiß, o König. Zum Beispiel wurde ihm einmal zu Rājagaha von einem Felssplitter der Fuß aufgerissen; ein anderes Mal hatte er Ruhr; und es war damals, als er Verstopfung hatte, daß ihm Jīvaka ein Abführmittel bereitete; und einmal, als er Blähungen hatte, besorgte ihm sein Aufwärter, ein Ordensälterer, heißes Wasser."

"Falls der Vollendete bei Erlangung der Allweisheit bereits alles Böse in sich getilgt hatte, so muß eben die Behauptung, daß er noch krank wurde, falsch sein ("denn ohne böse Taten gibt es keine Leiden" - ist offenbar die stillschweigende Annahme des Königs). Ist letztere Behauptung aber dennoch wahr, so muß jene Behauptung, daß der Vollendete bei seiner Erlangung der Allweisheit bereits alles Böse in sich getilgt hatte, eben falsch sein. Denn ohne böse Tat, o Herr, gibt es keine Schmerzen; alle Schmerzen wurzeln im Wirken; zufolge des Wirkens (kamma) entstehen die Schmerzen. Dies ist ebenfalls ein zweischneidiges Problem, das ich dir da stelle, und das du nun zu lösen hast."

"Nein, o König. Nicht alle Schmerzen wurzeln im (früheren) Wirken (kamma). Aus acht Gründen nämlich mögen Schmerzen entstehen, und zufolge dieser haben viele Menschen Schmerzen zu leiden. Und welche sind diese acht? Einige Krankheiten, o König, entstehen zufolge der körperlichen Gase, einige zufolge der Galle, einige zufolge des Schleimes, einige zufolge der Zusammenwirkung der drei letzteren, einige zufolge des Temperaturwechsels, einige zufolge ungeregelter Lebensweise, einige zufolge von Verletzungen, einige als Ergebnis (früheren) Wirkens. Aus diesen acht Gründen, o König, haben so viele Menschen Schmerzen zu erleiden. Diejenigen Leute, die da sagen möchten, es sei (nur das frühere) Wirken, das die Wesen bedrückt, diese verwerfen die anderen sieben Gründe, und deren Aussage ist falsch."

"Doch auch die anderen sieben Gründe, ehrwürdiger Nāgasena, sie alle haben ihren Ursprung eben bloß im (früheren) Wirken; eben durch (früheres) Wirken kommen sie alle zum Entstehen."

"Wenn, o König, alle Krankheiten bloß durch (früheres) Wirken verursacht wären, so hätten sie ja gar keine unterscheidenden Merkmale. 

Die Erregung der körperlichen Gase nämlich mag aus folgenden zehn Gründen eintreten: 

Von diesen treten die neun ersten Gründe weder im vergangenen noch im zukünftigen Dasein auf, sondern bloß in diesem gegenwärtigen Dasein. Deshalb darf man nicht sagen, daß sämtliche Schmerzen durch (früheres) Wirken verursacht sind. 

Die Erregung der Galle mag eintreten aus drei Gründen: 

Die Erregung des Schleimes mag eintreten aus diesen drei Gründen infolge der Kälte oder infolge der Hitze oder infolge des Essens und Trinkens. Wenn die körperlichen Gase, die Galle und der Schleim erregt werden und zusammenwirken, so ziehen sie jedesmal das ihnen eigentümliche Schmerzgefühl nach sich. 

Die übrigen Schmerzen entstehen 

Und die durch Verletzungen bedingten körperlichen Schmerzen entstehen entweder 

Also bloß diese letzteren entstehen durch früher begangene Werke. Somit, o König, sind die durch früheres Wirken verursachten Schmerzen seltener, bei weitem häufiger aber alle übrigen. Es gehen eben darin die Toren zu weit, wenn sie behaupten, daß alles bloß das Ergebnis früheren Wirkens sei. Jenes frühere Wirken kann man doch, ohne das Wissen eines Erleuchteten zu besitzen, gar nicht feststellen.

 

[Unter den "durch (unheilsames) Wirken verschuldeten Krankheiten" (kammavipākajā ābādhā) sind solche Krankheiten zu verstehen, die ausschließlich durch frühere schlechte Werke bedingt, also gänzlich unabhängig sind von den erwähnten äußeren Entstehungsbedingungen. Nichtsdestoweniger aber setzen auch die anderen Krankheiten sämtlich die immoralischen Taten als unerläßliche Bedingungen voraus, ja, als die eigentlichen, wirklichen Ursachen. Nach dem Abhidhamma sind nämlich sämtliche körperlichen Schmerzgefühle, ebenso wie sämtliche körperlichen Wohlgefühle, unter allen Umständen "kamma-vipākā" (Kamma-Wirkungen), d.i. verursacht entweder durch vorgeburtliches oder in diesem Leben begangenes Wirken.]

 

Die Schmerzen des Erhabenen, o König, die damals entstanden, als sein Fuß durch einen Felsensplitter verletzt wurde, sind weder durch körperliche Gase hervorgerufen, noch durch Galle oder Schleim, auch nicht durch das Zusammenwirken dieser drei, noch durch Temperaturwechsel oder ungeregelte Lebensweise, noch auch sind sie eine Wirkung früherer Werke. Bloß infolge einer Verletzung sind sie entstanden. Devadatta nämlich hegte viele hunderttausende Geburten hindurch Haß gegen den Vollendeten. Und von jenem Hasse erfüllt, nahm er einen mächtigen, schweren Steinblock und ließ ihn (einen Berg) hinabrollen, damit er auf das Haupt des Vollendeten falle. Zwei andere Felsen jedoch die im Wege waren, fingen jenen Stein auf, bevor er den Vollendeten erreicht hatte. Und infolge dieses Zusammenpralles sprang ein Felsstück los und traf gerade auf den Fuß des Erhabenen, so daß derselbe zu bluten begann. Diese Schmerzen müssen also entweder ein Ergebnis früheren Wirkens (kamma-vipāka) sein oder aber die Folge eines bloßen physischen Vorganges, denn darüber hinaus gibt es keine weiteren Schmerzen. Gerade so nämlich, wie es bloß eine Folge des schlechten Bodens oder des schlechten Samens sein kann, wenn letzterer nicht aufgeht, oder gerade, wie es bloß eine Folge entweder des schlechten Wassers oder der verdorbenen Speise sein kann, wenn dieselbe nicht verdaut wird: - ebenso auch müssen diese Schmerzen des Erhabenen entweder ein Ergebnis früheren Wirkens sein oder aber die Folge eines bloßen physischen Vorganges. Trotzdem, o König, der Erhabene keine durch früheres Wirken verursachte Schmerzen mehr zu empfinden hatte oder solche, die eine Folge ungeregelter Lebensweise sind, so stiegen ihm immerhin noch aus den sechs übrigen Gründen Schmerzen auf. Solcherart Schmerzen aber hätten den Erhabenen nie das Leben kosten können. Es befallen eben, o König, diesen aus den vier Elementen entstandenen Körper erwünschte und unerwünschte Gefühle, angenehme und unangenehme. Wenn da zum Beispiel ein Klumpen Erde, den man in die Luft geworfen hat, die Erde trifft, ist das wohl das Ergebnis früheren (üblen) Wirkens der Erde?"

"Nein, o Herr. Es gibt für die Erde keine Ursache, daß sie das Ergebnis guten oder bösen Wirkens erfahren sollte. Es ist eben infolge eines gegenwärtigen, von früherem Wirken ganz unabhängigen Grundes, daß jener Klumpen die Erde trifft."

"Wie die große Erde aber, o König, hat man den Vollendeten anzusehen. Und gleichwie jener Erdklumpen unabhängig von früherem Wirken die Erde trifft, ebenso auch, o König, hat unabhängig von früherem Wirken jener Stein den Fuß des Vollendeten getroffen. Oder wenn da, o König, die Menschen die Erde hacken und aufwühlen, ist das wohl ein Ergebnis früheren Wirkens (der Erde)?"

"Nein, o Herr."

"Genau so aber auch, o König, verhält es sich mit dem Abspringen des Felssplitters. Auch die Ruhr, die den Erhabenen befiel, ist nicht zufolge früheren Wirkens entstanden, sondern eben nur durch das Zusammenwirken von körperlichen Gasen, Galle und Schleim. Und was auch immer für körperliche Leiden den Erhabenen befielen, so waren diese niemals ein Ergebnis früheren Wirkens, sondern entstanden lediglich aus den sechs erwähnten Gründen. Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, hat in der herrlichen Gabe der Gruppierten Sammlung (Samyutta-Nikaya) in der Antwort auf Moliyasīvakas Frage gesagt:

<Einige Schmerzen, Sīvaka, entstehen infolge der Galle, einige infolge des Schleimes, einige infolge der körperlichen Gase, einige infolge des Zusammenwirkens dieser drei, einige infolge des Temperaturwechsels, einige infolge ungeregelter Lebensweise, einige infolge von Verletzungen, einige infolge früherer Werke. Und man kann es selber erkennen, daß es so ist. Auch in der Welt ist es anerkannt, daß die Schmerzen auf solche Art entstehen. Wenn da nun Sīvaka, gewisse Asketen und Brahmanen behaupten und der Ansicht sind, daß die sämtlichen Gefühle, die ein Mensch empfindet - angenehme, unangenehme oder indifferente durch früheres Wirken bedingt seien (dies ist eine der Lehren der Jainas), so gehen eben diese über die Erfahrung hinaus, und über das in der Welt als wahr Anerkannte setzen sie sich hinweg. Darum, sage ich, sind jene im Unrecht.> (Vedanā-Samyutta).

Somit also, o König, sind nicht alle Schmerzen das Ergebnis früheren Wirkens. Und erst nach Tilgung alles Unheilsamen, o König, hat der Erhabene die Allweisheit erlangt. Das merke dir."

"Gut, ehrwürdiger Nāgasena. Das ist so, und so nehme ich es an."


Mil. 4.1.16. Abgeschiedenheit

 

"Ihr behauptet da, ehrwürdiger Nāgasena, daß, was der Vollendete zu erreichen hatte, er dies alles bereits am Fuße des Bodhibaumes völlig erreicht hat, und daß er weder etwas weiteres zu erreichen, noch das Erreichte zu vervollständigen hatte. Andererseits aber wieder heißt es, daß der Vollendete drei Monate lang in der Abgeschiedenheit verweilte (an vielen Stellen des Kanons wird berichtet, daß der Erhabene von Zeit zu Zeit kürzer oder länger, bis auf drei Monate, in der Abgeschiedenheit verweilte). Wenn das erstere wahr ist, so ist die Behauptung, daß er drei Monate lang in der Abgeschiedenheit verweilte, falsch. Ist aber diese Behauptung richtig, dann muß die erstere Behauptung falsch sein. Denn einer, der seine Aufgabe erfüllt hat, braucht sich nicht mehr in die Abgeschiedenheit zurückziehen, sondern nur einer, der noch zu kämpfen hat. Es braucht doch nur ein Kranker Arznei, nicht aber etwa ein Gesunder; und nur der Hungrige braucht Essen, nicht der Gesättigte. Dieses ist wiederum ein zweischneidiges Problem, das ich dir da stelle. So löse es denn!"

"Beide Aussagen, o König, sind richtig. Abgeschiedenheit aber, o König, hat mancherlei gute Eigenschaften. Alle Vollendeten haben in der Abgeschiedenheit die Allwissenheit errungen, und eingedenk der guten Eigenschaften der Abgeschiedenheit suchen sie dieselbe immer wieder auf. Sie gleichen darin einem Manne, der im Dienste des Königs zu hohem Rang und Reichtum gelangt ist, und der nun, eingedenk der guten Eigenschaften des Königs, immer wieder zu ihm geht und ihm aufwartet. Oder auch gleichwie ein siecher, elender, schwer kranker Mann einen Arzt aufsucht, Heilung erlangt und, eingedenk der guten Eigenschaften jenes Arztes, ihn auch nachher häufig besucht: so auch haben alle die Vollendeten in der Abgeschiedenheit die Allweisheit errungen, und eingedenk der guten Eigenschaften der Abgeschiedenheit suchen sie dieselbe immer wieder auf.

Achtundzwanzig gute Eigenschaften, o König, besitzt die Abgeschiedenheit. Und eingedenk dieser Eigenschaften, suchen die Vollendeten die Abgeschiedenheit auf. Welche aber sind diese? 

Diese achtundzwanzig guten Eigenschaften, o König, besitzt die Abgeschiedenheit. Und dieser Eigenschaften eingedenk suchen die Vollendeten die Abgeschiedenheit auf.

Auch wenn sie das stille, selige Glück der Vertiefungen zu genießen wünschen, pflegen sie die Abgeschiedenheit, mit einer darauf gerichteten Absicht. Auch noch aus folgenden vier Gründen suchen die Vollendeten die Abgeschiedenheit auf: weil sie ein Zustand des Wohlbefindens ist; wegen ihrer vielen untadelhaft-guten Eigenschaften; als ein Weg aller Heiligen; als von allen Buddhas gelobt, gepriesen und geschätzt. Auch aus diesen vier Gründen suchen sie die Abgeschiedenheit auf.

Somit, o König, suchen sie die Abgeschiedenheit nicht etwa deshalb auf, weil sie noch etwas zu erringen hätten oder das Errungene erweitern wollten, nein, weil sie die hervorragenden Eigenschaften der Abgeschiedenheit erkannt haben, nur deshalb suchen sie dieselbe immer wieder auf."

"Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena. So ist es, und so nehme ich es an."


Mil. 4.1.17. Die Macht der Magie

 

"Der Erhabene, ehrwürdiger Nāgasena, hat folgendes gesagt: <Der Vollendete, Ananda, hat die Vier Machtfährten (iddhi-pādā) erweckt, großgezogen, entwickelt, verwirklicht, ausgeübt, entfaltet und zur vollen Vollendung gebracht. Wünscht es der Vollendete, Ananda, so kann er noch ein volles Zeitalter am Leben bleiben oder die Spanne, die an einem vollen Zeitalter fehlt.> Andererseits aber hat er gesagt: <Heute in drei Monaten wird der Vollendete völlig erlöschen.> Wenn also die erste Aussage richtig ist, dann muß die zweite falsch sein. Ist aber die zweite richtig, so ist eben die erste falsch. Auch brüsten sich die Vollendeten nicht mit Unmöglichem. Die Erleuchteten reden keine leeren Worte. Nur die unzweideutige Wahrheit sprechen sie, die Erhabenen. Dies ist wieder einmal ein zweischneidiges Problem, das ich dir da stelle, ein tiefsinniges, verstecktes, schwer ausdenkbares. Zerreiße denn das Netz der Ansichten, werfe es beiseite, und zerschmettere die Behauptungen der Gegner!"

"Beide Aussprüche, o König, hat wohl der Erhabene getan. Doch hat man hier unter einem Zeitalter (kappa) ein Lebenszeitalter zu verstehen. Und nicht etwa seine eigene Macht wollte der Erhabene mit diesen Worten rühmen, sondern eben bloß die Macht der Magie (abhiññā). Nimm an, o König, ein Fürst besitze ein edles, flinkes Roß, das mit Windesgeschwindigkeit laufen kann. Und vor seinen Räten, vor Städtern, Landvolk, Söldnern, Kriegern, Brahmanen und Bürgern preise er die Macht seiner Geschwindigkeit, indem er spreche: <Dies mein edles Roß könnte, wenn es wollte, die von dem Meere umgrenzte, weite Erde durcheilen und in einem Augenblicke wieder hier zurück sein.> Wenn nun auch der König jener Menschenmenge das Geschwindigkeitsvermögen seines Rosses nicht zeigt, so besitzt es dennoch diese Geschwindigkeit und ist imstande, in einem Augenblicke die weite, von dem Meere umgrenzte Erde zu durcheilen (Im D.17. werden diese Eigenschaften dem Rosse des sagenhaften Königs Mahāsudassana beigelegt). 

Ebenso auch, o König, pries der Erhabene die Macht der Magie, als er inmitten der dreiwissensmächtigen und sechsfach geistesmächtigen Heiligen, der Unbefleckten, Wahnerlösten, sowie der Götter und Menschen dasaß und die Worte sprach: <Der Vollendete, Ananda, hat die Vier Machtfährten erweckt, großgezogen, entwickelt, verwirklicht, ausgeübt, entfaltet und zur vollen Vollendung gebracht. Wünscht es der Vollendete, Ananda, so kann der Vollendete noch ein volles Zeitalter am Leben bleiben oder die Spanne, die an einem vollen Zeitalter fehlt.> Der Erhabene besaß jene magische Kraft, o König, und war zufolge derselben imstande, noch ein volles Lebenszeitalter am Leben zu bleiben oder die Spanne, die an einem vollen Lebenszeitalter fehlt, auszuleben. Aber dennoch hat der Erhabene diese Fähigkeit den Menschen nicht gezeigt. Denn der Erhabene, o König, hatte keinerlei Begehren nach irgendwelchen Daseinsformen. Jegliche Daseinsform hat er verschmäht. Übrigens hat der Erhabene ja doch selber gesagt: <Gleichwie, ihr Mönche, selbst schon ein wenig Kot gar übel riecht, so finde ich am Dasein nicht den geringsten Gefallen, und wäre es für einen bloßen Augenblick.> Möchte da wohl der Erhabene, o König, der doch jegliche Arten und Formen des Daseins als Kot achtet, dieser magischen Kraft zuliebe nach Dasein begehren?"

"Gewiß nicht, o Herr."

"So war es also bloß, o König, um die Macht der Magie zu zeigen, daß er solchen Löwenruf erschallen ließ."

"Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena! So ist es, und so nehme ich es an."


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