Digha Nikāya - Die Längere Sammlung

34.6 Dasuttara Sutta, Die Zehnerfolge

Sechs Dinge:

Sechs Dinge, ihr Brüder, sind wertzuhalten, sechs Dinge auszubilden, sechs Dinge zu durchschauen, sechs Dinge aufzuheben, sechs Dinge bringen Nachteil, sechs Dinge bringen Vorteil, sechs Dinge sind schwer zu treffen, sechs Dinge sind zu erzeugen, sechs Dinge sind zu verstehen, sechs Dinge sind zu verwirklichen.

«Was für sechs Dinge sind wertzuhalten? Die sechs nicht zu vergessenden Dinge: 

das sind sechs Dinge, die nicht zu vergessen sind, hoch und hehr gehalten werden, die zum allgemeinen Verträgnis, zum Frieden, zur Eintracht führen; diese sechs Dinge sind wertzuhalten.

Was für sechs Dinge sind auszubilden? Der sechsfache Anlaß zur Andacht: 

diese sechs Dinge sind auszubilden.

Was für sechs Dinge sind zu durchschauen? Die sechs inneren Bereiche: 

diese sechs Dinge sind zu durchschauen (*126).

Was für sechs Dinge sind aufzuheben? Die sechs Durstkreise: 

diese sechs Dinge sind aufzuheben.

Was für sechs Dinge bringen Nachteil ? Die sechs Arten der Mißachtung: da hat, ihr Brüder, ein Mönch 

diese sechs Dinge bringen Nachteil.

Was für sechs Dinge bringen Vorteil? Die sechs Arten von Achtung: da hat, ihr Brüder, ein Mönch 

diese sechs Dinge bringen Vorteil.

Was für sechs Dinge sind schwer zu treffen? Die sechs Arten der Entrinnung: da mag, ihr Brüder, ein Mönch 

diese sechs Dinge sind schwer zu treffen.

Was für sechs Dinge sind zu erzeugen? Die sechs Dauerzustände: hat da, ihr Brüder, ein Mönch 

diese sechs Dinge sind zu erzeugen.

Was für sechs Dinge sind zu verstehen? Die sechs Arten von Unübertrefflichkeit: 

diese sechs Dinge sind zu verstehen.

Was für sechs Dinge sind zu verwirklichen? Die sechs Wissensziele: 

diese sechs Dinge sind zu verwirklichen.

 

So sind das sechzig Dinge, wahre, echte, wirkliche, nicht unwirkliche, unveränderliche, die der Vollendete vollkommen erkundet hat. -


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(*126) Back Um die Durchschauung der sechs inneren Bereiche mit Erfolg zu üben ist weiterhin noch an zahlreichen Stellen im Samyuttakanikāyo Wink und Anleitung dem ehrlich und ernst Vorschreitenden, dem rüstigen Kämpfer, dem vertrauten und zielbewußten Mönche, zu möglichst raschem Gelingen übermittelt, so z.B. vol. II p. 99, wo die Art und Weise gezeigt wird, wie man sich bei der Berührung durch das Gesicht, Gehör usw., zu verhalten habe: 

der heilige Jünger durchblickt die Berührung, die sechsfach immer reizt und reißt, d. h. er sieht sie als Nährboden an wie bei der geschundenen Kuh, die noch lebendig, wo immer sie auch sei, an einer Mauer, an einem Baume, am Wasser, am Felde, mit ihrem offenen Fleisch eben überall Bremsen und Mücken, Asseln und Käfern, Würmern und Milben, und was sonst noch irgend von Lebewesen an Wasser oder an Luft gebunden ist, als Gegenstand des Angriffes dient; wer also Berührung durchblickt hat, hat alles Gefühl durchblickt: und hat er alles Gefühl durchblickt, so bleibt ihm nichts mehr zu tun übrig. 

Es sind also die sechs Sinnesbereiche nur der Nährboden, der da den Einflüssen, āsavā, von Gier, Haß und Irre jederzeit offen steht; ist aber das Gefühl richtig durchblickt, so kann man die Einflüsse versiegen lassen und den stetigen Kampf und Zwiespalt der wechselnden Gebilde untereinander aufheben, das heißt die Bedingungen auflösen, deren eine immer nur durch die andere besteht und selbst wieder aufgerieben wird: man kann es dahinbringen, daß jene Einflüsse und Krankheitserreger keine geeignete Stätte mehr finden um den Giftstoff zu erzeugen und wieder neu zu übertragen, es geht durch die planmäßig nach und nach durchgeführte Vertrocknung der Gefühle die brandige Lebenserscheinung zu Ende. Damit ist die Gesundheit erreicht: im Indischen nur ārogyam, d.i. Nichtkrankheit, genannt. Es kann also Gesundheit oder besser Nichtkrankheit mit Gefühl nicht bestehen. - 

Das Verhältnis der inneren Bereiche zur Außenwelt wird ferner auch in einer längeren Parabel veranschaulicht, Samyuttakanikāyo IV 198-300. Da werden die sechs Sinne auseinanderstrebenden, ganz verschiedenartigen Tieren verglichen, die ein Mann mit einem starken Seile verstrickt hätte, und deren jedes sehnsüchtig anderswo sich ergötzen, anderswohin entweichen möchte eine Schlange zum Termitenbau, ein Delphin zum Wasser, ein Stoßvogel in die Luft, ein Hund nach dem Dorfe, ein Schakal nach dem Leichenplatz, ein Affe in den Wald. Aber der Mönch als Herr dieses Getiers hat ein jedes gefesselt und sie insgesamt an die feste Säule der auf den Körper gerichteten Einsicht gebunden; in dem so begrenzten Umkreis müssen sie nun bleiben: so daß die Schlange oder das Auge nicht den angenehmen Gestalten nachgleiten kann und an die unangenehmen gewöhnt wird, so daß das Ohr oder der Delphin usw., der Geist oder der Affe nicht den angenehmen Gedanken nachschweifen kann und an die unangenehmen gewöhnt wird. 

Das ist der Schutz, den sich der Mönch schafft: denn sonst wäre er ja im Bereich der sechs Sinne der Willkür jedes einzelnen verfallen, und welches der Tiere je zuweilen das stärkere wäre, dem müssten die anderen nachgeben, nachgehen, folgen; gleichwie wenn ein Mann das Seil, mit dem er sie alle an der Säule festhalten kann, etwa locker ließe. Das aber geschieht alltäglich hundertmal beim gewöhnlichen, unerfahrenen Menschen, der darum nie seiner Pein zu entrinnen vermag, dem schwachen Herrn, dem das Getier gebietet: ohne Gnade und Rast wird es ihn in alle Ewigkeit herumziehen und hetzen wie den verdammten Wilden Jäger, der durch Wald und Feld dahinflieht, laut heulend Weh und Ach; 

Doch durch die ganze weite Welt 
Rauscht bellend ihm die Hölle nach. 

Die folgenden sechs Durstkreise sind in der 22. Rede, 392-395, vollständig gezeigt. 

Die Erfahrung von der Unersättlichkeit des Verlangens, der Unstillbarkeit des Dürstens, ist in einer Sage behandelt, die saftig und urwüchsig aus dem Osten, wie schon GRIMM bemerkt hat, uns durch spätere Mittler zugekommen, auch in Finnland und anderwärts erhalten ist. GRIMM gibt sie, nach RUNGES Aufzeichnung in der behäbigen pommerschen Mundart, als sein 19. Märchen. 

Ein Fischer hatte einen Butt gefangen, auf dessen Bitte aber wieder ins Meer entlassen. Der war nun ein verwunschener Prinz, und die Frau des Fischers drängt ihren Mann, für die gute Tat doch einen Lohn zu fordern. Der Fischer geht also an das Gestade, beschwört den Fisch und bittet, wie die Frau ihm aufgetragen, an Stelle des ekligen Pissputt, wo sie hausen, um eine kleine Hütte an der See. Der Wunsch wird erfüllt. Aber das Weib wünscht nun bald ein Schloß. Als sie das haben, will die Frau die Königswürde. König geworden will sie Kaiser werden. Auch das erfüllt der zaubermächtige dankbare Butt. Als Kaiser aber will sie der Papst werden; und nachdem sie sogar das geworden ist, kann sie es nicht aushalten und hat keine ruhige Stunde mehr, weil sie nicht selbst kann Sonne und Mond aufgehen lassen, aus eigener Macht: sie will also der liebe Gott werden und da sitzt sie denn wieder im Pissputt, wie die Geschichte vom Durst immer endet. 

GRIMMS Vorlage geht zuletzt auf die Sage von König Mandhātā zurück, dem schon in der Rksamhitā X 134 genannten, hochberühmten Weltbeherrscher Māmdhātā, der dann in Smrti und Purānam eine volkstümliche Gestalt wurde. Die Legende über ihn ist kurz im 258. Jātakam, ausführlich im 17. Divyādānam p. 210-228 erzählt. 

Er hatte viele Jahrtausende als König Erderoberer in unermeßlicher Fülle und Macht geherrscht, konnte aber den Wunschesdurst nicht stillen, unzufrieden gequält. Im Vollgefühl seiner hohen Verdienste schätzte er die Kaiserwürde gering, er rüstete sich und zog mit seiner Heeresmacht aus, um die himmlischen Reiche der vier Weltgegenden zu erobern. Dann herrschte er auch dort lange Zeiten hindurch, konnte aber auch so den Durst nicht stillen, unzufrieden gequält. Darum zog er denn immer weiter empor, bis zum nächsthöheren Gipfel des formhaften Daseins, und eroberte den Himmel der Dreiunddreißig Götter. Dort führte er dann, von Sakko dem Götterherrn freundlich empfangen und anerkannt, ebenbürtig mit ihm, dem lieben Gott jener mittleren himmlischen Sphären, die Oberherrschaft unermeßliche Zeiten hindurch; er hatte endlich sechsunddreißigmal immer einen lieben Gott um den anderen dort überlebt: auch Sakko nämlich schwindet und erscheint wieder im Wandel der Jahrmillionen, nur Amt und Würde besteht unter wechselnder Person gleichmäßig fort. Wie nun so die Äonen dahinflossen, wuchs ihm der Wunschesdurst heftig und immer nur heftiger an: «Was soll mir gemeinsame Herrschaft? Ich will Sakko umbringen und Alleinherrschaft haben.» Nun kann aber Sakko der Götterherr nicht umgebracht werden, und der Durst danach war schon Verderben. Denn er wurde alsogleich greis und gebrechlich, schwand hinweg aus der Götterwelt, kam herab in seinen Erdenhof und starb da. Darum heißt es in den Liedern der Nonnen v. 486

Der Weltbeherrscher Mandhātā, 
Genossen hat er höchste Lust; 
Doch ungesättigt starb auch er: 
Sein Sehnen, das war nicht gestillt. 

(*127) Back Die ersten fünf der hier genannten sechs zu verwirklichenden Dinge haben bei Gotamo offenbar nicht viel gegolten. Denn der Meister stellt einmal an den ehrwürdigen Udāyī die Frage: 

«Wie viel sind es wohl, Udāyī, der Dinge, an die man sich erinnern soll?» Worauf der Jünger erst keine Antwort weiß, dann aber von der Erinnerung an früheres Dasein usw. spricht. Da wendet sich Gotamo an Anando und sagt: «Ich hab' es ja gewußt, Anando, daß dieser Udāyī, verwirrt, wie er ist, keinem hohen Gedenken nachhängt; wie viel gibt es also, Anando, der Dinge, an die man sich erinnern soll?» - «Fünf Dinge gibt es, o Herr», erwidert Anando, «an die man sich erinnern soll: und welche fünf?» 

Es sind, wie der besser erfahrene Jünger nun ausführt, die ersten drei Schauungen, sodann die Entwicklung des selbstleuchtenden Gemütes und zuletzt die Körperbetrachtung (wie in unserer 22. Rede), die zu der vierten Schauung einmündet. Diese Darstellung billigt der Meister gern und fügt abschließend hinzu: «So magst du dir denn, Anando, noch das als sechstes Ding zur Erinnerung merken: da ist, Anando, ein Mönch wohlbewußt beim Kommen, wohlbewußt beim Gehn, wohlbewußt steht er, sitzt er und liegt er, wohlbewußt versieht er sein Werk. Das ist, Anando, ein Ding zur Erinnerung, das also geübt, also gepflegt, zur Erwerbung klaren Bewußtseins taugt.» Anguttaranikāyo, Chakkanipāto No. 29

Das erste der sechs zu verwirklichenden Dinge, das Sāriputto oben im Text angibt, nämlich die Machtentfaltung mit ihren verschiedenen magischen Phänomenen, ist ebenda No. 41 gleichsam an der Wurzel der Entwicklung bloßgelegt. Als der ehrwürdige Sāriputto eines Tages mit anderen Brüdern vom Geierkulm bei Rājagaham herabstieg, sah er am Wege einen großen Baumstrunk daliegen. Bei diesem Anblick nun wandte er sich also an die Jünger: 

«Ein Mönch, ihr Brüder, der machtbegabt ist, den Geist in seiner Gewalt hat, kann wohl, wenn ihn danach verlangt, diesen Baumstrunk schlechthin als Erde ansprechen: und warum das? Es ist, ihr Brüder, an diesem Baumstrunk Art der Erde bestanden, und darauf gestützt kann wohl ein Mönch, der machtbegabt ist, den Geist in seiner Gewalt hat, den Baumstrunk da schlechthin als Erde ansprechen. Ein Mönch, ihr Brüder, der machtbegabt ist, den Geist in seiner Gewalt hat, kann wohl, wenn ihn danach verlangt, diesen Baumstrunk schlechthin als Wasser, als Luft, als Feuer, als schön, als unschön ansprechen: und warum das? Es ist, ihr Brüder, an diesem Baumstrunk Art des Wassers, Art der Luft, Art des Feuers, schöne Art, unschöne Art bestanden, und darauf gestützt kann wohl ein Mönch, der machtbegabt ist, den Geist in seiner Gewalt hat, den Baumstrunk da schlechthin als Wasser, als Luft, als Feuer, als schön, als unschön ansprechen.» 

Hier zeigt sich klar, daß die Machtentfaltung des Mönchs, der den Geist in seiner Gewalt hat, nichts anderes als eine geistige Übung sein soll, ein Mittel um die Dinge und ihre Veränderlichkeit zu durchschauen. Das ist das gotamidische Wissensziel. Die anderen Mirakel, die genannt werden, hätte er, wenn ihn danach verlangte, mit allen übrigen Wundertätern gemein, elfte Rede: er wäre dann bloß ein gandhāriko oder Zauberkünstler, Thaumaturg, kurz ein «zahorī», wie man Leute mit dergleichen Fähigkeiten in Spanien genannt hat und noch antrifft. 

Die gänzliche Geringschätzung aller magischen und sonstigen außerordentlichen Taten und Eigenschaften solcher Art kommt aber nirgends stärker zur Geltung als im Gespräch mit Susīmo, Samyuttakanikāyo ed. Siam. vol. II p. 113-121, PTS 119-127). 

Zu einer Zeit als Gotamo und seine Jünger schon in hohem Ansehn standen, hielt sich der Pilger Susīmo mit vielen Nachfolgern auch wie Gotamo in der Umgebung von Rājagaham auf. Da nun Susīmo und die Seinen nicht sehr geschätzt wurden, bewogen ihn diese beim Asketen Gotamo um Aufnahme zu bitten, damit er ihnen später dessen Lehre und Ordnung mitteilen könne: so würden auch sie dann zu Ansehen gelangen und reichlichen Unterhalt finden. Susīmo der Pilger war damit einverstanden. Er begab sich zu Anando und bat in den Orden aufgenommen zu werden. Anando geleitete ihn zu Gotamo, trug das Anliegen vor, und der Meister ließ alsbald Susīmo mit der Ordensweihe belehnen. Um diese Zeit aber hatten viele Mönche beim Erhabenen die Gewißheit kundgetan: <Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt.> 

Als Susīmo davon erfahren hatte, suchte er solche Mönche auf und fragte sie, ob das wahr wäre. Da sie es bestätigten, forschte er weiter, ob sie, bei solchem Wissen, bei solchem Anblick, etwa die Machtentfaltung in verschiedener magischer Wirkung auch richtig erworben hätten. Das verneinten jene. Ob sie aber doch wohl, bei solchem Wissen, bei solchem Anblick, das himmlische Gehör, die Kenntnis der Herzen, die Erinnerung an frühere Daseinsformen, das überirdische Gesicht von der Wiederkehr der Wesen je nach den Taten, die ruhsamen Freiungen jenseit aller Formen errungen hätten? 

Auch darauf wird nein gesagt. Ist nun das, ihr Ehrwürdigen, erwidert Susīmo, die Aufklärung, und daß man jene Dinge nicht eingegangen ist, wie steht es dann mit dem <Nein, Bruder?> - In Weisheit sind wir erlöst, Bruder Susīmo, antworten jene Mönche. Eine so kurzgefaßte Rede kann aber Susīmo, wie er sagt, nicht so ohneweiters verstehen und bittet daher um gütige, nähere Angaben, damit er den Sinn ausführlich begreifen lerne. Jene aber sagen nur: Ob du es nun, Bruder Susīmo, verstehen oder nicht verstehen magst wir sind eben in Weisheit erlöst. 

Daraufhin begibt sich der ehrwürdige Susīmo zum Erhabenen hin und berichtet die ganze Unterredung, die er mit jenen Mönchen gehabt. Der Meister aber sagt zu ihm: «Erst kommt da, Susīmo, die Kenntnis vom Bestand der Dinge, dann die Kenntnis von der Erlöschung.» Auch das vermag Susīmo nicht zu begreifen und bittet auch hier um genauere Aufklärung. Gotamo wiederholt: «Ob du es nun, Susīmo, verstehen oder nicht verstehen magst: die Kenntnis vom Bestand der Dinge kommt da zuerst, dann die Kenntnis von der Erlöschung. 

Was meinst du wohl, Susīmo: ist die Form unvergäng1ich oder vergänglich?» - «Vergänglich, o Herr.» - «Was aber vergänglich, ist das weh' oder wohl?» - «Weh', o Herr.» - «Was aber vergänglich, wehe, wandelbar ist, kann man etwa davon behaupten: <Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Selbst?>» - «Gewiß nicht, o Herr.» - «Ist Gefühl, Wahrnehmung, Unterscheidung, Bewußtsein vergänglich oder unvergänglich», usw. 

Es ist vergänglich, wehe, wandelbar, und man kann nichts als sein eigen ansprechen, gibt Susīmo zu. Bei solcher Betrachtung, führt nun Gotamo weiter aus, die alle Zeiten und Räume, innen und außen, grob und fein, gemein und edel gleich gültig umspannt, gleich weise durchschaut, wird der erfahrene heilige Jünger der Form überdrüssig, er wird des Gefühls, der Wahrnehmung, der Unterscheidung, des Bewußtseins überdrüssig. Überdrüssig wendet er sich ab. Abgewandt löst er sich los. 

<Im Erlösten ist die Erlösung>, diese Erkenntnis geht auf. <Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt>, versteht er da. 

«'Durch Geburt bedingt ist Alter und Tod': siehst du das, Susīmo?» - «Ja, o Herr.» - 

«'Durch Werden bedingt ist Geburt' siehst du das, Susimo?» - «Ja, o Herr.» - 

«'Durch Anhangen bedingt Werden, durch Durst bedingt Anhangen, durch Gefühl bedingt Durst, durch Berührung bedingt Gefühl, durch sechsfaches Reich bedingt Berührung, durch Geistigkeit und Körperlichkeit bedingt sechsfaches Reich, durch Bewußtsein bedingt Geistigkeit und Körperlichkeit, durch Unterscheidung bedingt Bewußtsein, durch Nichtwissen bedingt Unterscheidung: siehst du das, Susīmo?» - «Ja, o Herr.» - 

«Und siehst du, Susīmo, daß durch die Auflösung der Geburt Alter und Tod aufgelöst wird, durch die Auflösung des Werdens die Geburt aufgelöst wird, durch die Auflösung des Anhangens das Werden aufgelöst wird, durch die Auflösung des Durstes das Anhangen, durch die Auflösung des Gefühls der Durst, durch die Auflösung der Berührung das Gefühl, durch die Auflösung des sechsfachen Reiches die Berührung, durch die Auflösung von Geistigkeit und Körperlichkeit das sechsfache Reich, durch die Auflösung des Bewußtseins Geistigkeit und Körperlichkeit, durch die Auflösung der Unterscheidung das Bewußtsein, daß durch die Auflösung des Nichtwissens die Unterscheidung aufgelöst wird: siehst du das, Susīmo?» - «Ja, o Herr.» - 

«Und magst du da nun, Susīmo, bei solchem Wissen, bei solchem Anblick, an verschiedener magischer Machtentfaltung dich ergetzen?» - «Gewiß nicht, o Herr.» - 

«Oder magst du da etwa, Susīmo, bei solchem Wissen, bei solchem Anblick, das himmlische Gehör, die Kenntnis der Herzen, die Erinnerung an mancherlei einstige Daseinsform, das überirdische Gesicht von der Wiederkehr der Wesen je nach den Taten, die ruhsamen Freiungen jenseits aller Form dir erwerben?» - «Gewiß nicht, o Herr.» - 

«Ist nun das, Susīmo, die Aufklärung, und daß man jene Dinge nicht eingegangen ist, wie steht es dann mit dem <Nein>, Susīmo?» 

Dem rechten Jünger haben demnach außerordentliche Machterscheinungen als minderwertig zu gelten. Hat er sie aber im Verlaufe seiner Übungen doch etwa in sich verwirklichen gelernt, so wird er damit keinesfalls großtun. Denn jede höhere Eigenschaft, die er erwirbt, hat er verborgen zu halten. Dies geht so weit, daß der Mönch sich ohne zureichenden Grund auch nicht äußern darf, er habe diese oder jene Schauung, oder Vertiefung, oder Befreiung, oder einen heiligen Wandel erworben, ja daß er nicht einmal bekennen darf: «Ich weile gern in leerer Zelle»; ein Verbot, das ihm bei der Aufnahme in den Orden, heute noch wie einst, eingeschärft wird, da er sonst der Ordensgemeinschaft verlustig würde: gleichwie etwa eine Palme, der die Krone abgeschnitten ist, nicht mehr emporwachsen kann, so ist auch ein solcher Mönch kein Asket mehr, kein Jünger des Sakyersohnes, Upasampadākammavācā, ed. DICKSON p. 6.


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