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DER
EINZIGE WEG
VI. GLEICHNISSE
59
Der Torwächter (1)
S.35.204
Es ist da eine königliche Grenzstadt, mit starken Grundmauern, starken Wällen
und Torbauten und mit sechs Pforten versehen. Dort gäbe es nun einen Torwächter,
klug, erfahren und umsichtig, der Unbekannte abweist und Bekannte einläßt. Von
östlicher Richtung käme nun eilig ein Botenpaar und spräche zu diesem Torwächter
also: Wo, lieber Mann, ist der Herr dieser Stadt?" Und er erwiderte: In der
Mitte der Stadt, am Kreuzungspunkt, hält er sich auf." Das Botenpaar würde nun
dem Stadtherrn wahrheitsgemäß die Botschaft übermitteln und auf dem Wege, auf
dem es gekommen, zurückkehren.
Und ebenso geschähe es mit den Boten aus westlicher, südlicher und nördlicher
Richtung.
Dies Gleichnis, o Mönche, ward von mir gegeben, um den Sinn verständlich zu
machen, und das ist hierbei die Bedeutung:
- Die Stadt, ihr Mönche, ist eine Bezeichnung für diesen, aus den vier
Elementen bestehenden Körper, den von Vater und Mutter gezeugten, aufgebaut
durch Reis und Milch, der Vergänglichkeit unterworfen, dem Verfall, der
Abnutzung und Vernichtung ausgesetzt.
- Die sechs Pforten sind eine Bezeichnung für die sechs inneren
Sinnengrundlagen.
- Der Torwächter ist eine Bezeichnung für die Achtsamkeit.
- Der Stadtherr ist eine Bezeichnung für das Bewußtsein.
- Der Kreuzungspunkt in der Mitte ist eine Bezeichnung für die vier
Elemente: das Erd-Element, das Wasser-Element, das Feuer-Element und das
Wind-Element.
- Die wahrheitsgemäße Botschaft ist eine Bezeichnung für Nibbana.
- Der begangene Weg ist eine Bezeichnung für den heiligen achtfachen Pfad.
60
Der Torwächter (2)
A.VII.63
Es ist da, o Mönche, in einer königlichen Grenzstadt ein Torwächter, klug,
erfahren und umsichtig; Unbekannte weist er ab, und Bekannte läßt er ein, zum
Schutz der Einwohner und zur Abwehr der Fremden. Ebenso auch, o Mönche, ist der
edle jünger achtsam, mit höchster Achtsamkeit und Wissensklarheit begabt. Was
selbst vor langer Zeit getan und gesprochen wurde, dessen gedenkt er, dessen
erinnert er sich. Der edle jünger, der Achtsamkeit zum Torwächter hat,
überwindet das Unheilsame, entfaltet das Heilsame, überwindet das Tadelhafte,
entfaltet das Untadelige: in Reinheit bewahrt er sich selbst.
61
Die Sonde
M.105
Es ist da ein Mann von einem stark mit Gift bestrichenen Pfeile getroffen,
und seine Freunde und Gefährten, Angehörigen und Blutsverwandten lassen einen
Arzt kommen, einen Wundhelfer. Der Arzt nun, der Wundhelfer, erweitert mit dem
Messer die Wunde und sucht dann mit der Sonde die Pfeilspitze. Nachdem er sie
gefunden, zieht er sie heraus und beseitigt dann das Pfeilgift ohne Überrest.
Dies Gleichnis, o Mönche, ward von mir gegeben zum Verständnis des Sinns, und
dies ist hierbei die Bedeutung:
- Die Wunde, -- das ist eine Bezeichnung der sechs inneren Sinnengrundlagen;
- das Pfeilgift ist eine Bezeichnung des Nichtwissens;
- der Pfeil ist eine Bezeichnung des Begehrens;
- die Sonde ist eine Bezeichnung der Achtsamkeit;
- das Messer ist eine Bezeichnung der heiligen Weisheit;
- der Arzt, der Wundhelfer, ist eine Bezeichnung des Vollendeten, des
Heiligen, vollkommen Erwachten.
62
Die Affen
S.47.7
Es gibt, o Mönche, auf dem Himalaya, dem König der Berge, schwer zugängliche,
steile Gebiete, gangbar weder für Affen noch für Menschen. Es gibt, o Mönche,
auf dem Himalaya, dem König der Berge, schwer zugängliche, steile Gebiete,
gangbar wohl für Affen, nicht aber für Menschen. Es gibt, o Mönche, auf dem
Himalaya, dem König der Berge, ebene Bodenflächen, angenehme, für Affen wie für
Menschen gangbar.
Dort, o Mönche, legen die Jäger auf den Affenwegen Leimruten aus zum
Affenfang. Diejenigen Affen nun, die nicht töricht und nicht begehrlich sind,
die vermeiden die Leimrute, wenn sie sie gesehen haben, schon von weitem. Da ist
aber ein törichter und begehrlicher Affe; er nähert sich der Leimrute, faßt sie
mit einem Vorderfuß und bleibt da hängen. Den Vorderfuß werde ich frei machen',
in dieser Absicht faßt er die Leimrute mit dem anderen Vorderfuß an und bleibt
da hängen. Beide Vorderfüße will ich frei machen', in dieser Absicht faßt er sie
mit einem Hinterfuß an und bleibt da hängen. Die Vorderfüße und den Hinterfuß
will ich frei machen", in dieser Absicht faßt er sie mit dem anderen Hinterfuß
an und bleibt da hängen. Die Vorder- und Hinterfüße will ich frei machen', in
dieser Absicht faßt er sie mit der Schnauze an und bleibt da hängen. Also, o
Mönche, fünffach gefangen bleibt der Affe auf der Stelle liegen, in Elend
geraten, in Unheil geraten, der Willkür des Jägers ausgeliefert. Den hat nun, o
Mönche, der Jäger erschlagen, hat ihn sich am Feuer zubereitet und ist dann
fortgegangen, wohin es ihm beliebte.
So, wahrlich, o Mönche, geschieht es mit einem, der auf nicht zu begehendem
Gebiete wandelt, in fremdem Bereich. Daher, o Mönche, wandelt nicht auf nicht zu
begehendem Gebiete, in fremdem Bereich. Wenn ihr, o Mönche, auf nicht zu
begehendem Gebiete wandelt, in fremdem Bereich, so wird Māra Zutritt erlangen,
wird Māra Anhalt erlangen.
Was nun, o Mönche, ist das vom Mönch nicht zu begehende Gebiet, sein fremdes
Bereich? Es sind dies die fünf Sinnenlüste. Welche fünf? Die mit dem Auge
wahrnehmbaren Formen, erwünschte, schöne, herzerfreuende, liebliche, mit
Sinnenlust verbundene, giererregende; die mit dem Ohr wahrnehmbaren Töne ... die
mit der Nase wahrnehmbaren Düfte ... die mit der Zunge wahrnehmbaren Geschmäcke
... die mit dem Körper wahrnehmbaren Berührungen, erwünschte, schöne,
herzerfreuende, liebliche, mit Sinnenlust verbundene, giererregende. Dies, o
Mönche, ist das von einem Mönch nicht zu begehende Gebiet, sein fremdes Bereich.
Auf eurem Gebiet wandelt, o Mönche, im eigenen, angestammten Bereich. Wenn
ihr auf eurem Gebiet wandelt, im eigenen, angestammten Bereich, so wird Māra
keinen Zutritt erlangen, wird Māra keinen Anhalt erlangen.
Was ist nun, o Mönche, das Gebiet des Mönchs, das eigene, angestammte
Bereich? Es sind die vier Grundlagen der Achtsamkeit. Welche vier? Da weilt, o
Mönche, der Mönch, beim Körper in Betrachtung des Körpers ... bei den Gefühlen
in Betrachtung der Gefühle ... beim Geist in Betrachtung des Geistes ... bei den
Geistobjekten in Betrachtung der Geistobjekte, eifrig, wissensklar und achtsam,
nach Überwindung von Begierde und Trübsal hinsichtlich der Welt. Das, o Mönche,
ist das Gebiet des Mönchs, das eigene, angestammte Bereich.
63
Im Menschengewühl
S.47.20
So habe ich gehört. Einst weilte der Erhabene im Lande der Sumbher, in einer
Stadt der Sumbher namens Sedaka. Dort nun wandte sich der Erhabene an die
Mönche:
,Gleichwie, o Mönche, auf die Kunde von einer Landes-Schönen eine große
Menschenmenge zusammenströmte. Und jene Landes-Schöne wäre auch noch hochbegabt
im Tanzen und Singen, da würde auf die Kunde hin, daß sie tanzt und singt, eine
noch größere Menschenmenge zusammenströmen. Und es käme ein Mann herbei, der zu
leben und nicht zu sterben wünscht, der Glück wünscht und Leiden verabscheut. Zu
dem würde man nun so sprechen: Hier dieses bis zum Rande volle Ölgefäß, das mußt
du, lieber Mann, inmitten des die Landes-Schöne umgebenden Menschengewühls
umhertragen. Hinter deinem Rücken aber wird dir ein Mann mit gezücktem Schwert
folgen. Wenn auch nur ein wenig vom Öl verschüttet wird, so wird er dir das
Haupt abschlagen.' Was meint ihr, o Mönche, würde da wohl dieser Mann das
Ölgefäß unvorsichtig tragen, ohne auf die Umgebung achtzugeben?" - Gewiß nicht,
o Herr." ,Dies Gleichnis, o Mönche, ward von mir gegeben zum Verständnis des
Sinnes, und dies ist hierbei die Bedeutung:
Das bis zum Rande volle Ölgefäß, o Mönche, ist eine Bezeichnung für die auf
den Körper gerichtete Achtsamkeit.
Daher, o Mönche, sollt ihr euch so üben: Die auf den Körper gerichtete
Achtsamkeit werden wir entfalten, sie häufig üben, sie zum Förderungsmittel und
zur Grundlage machen, sie entwickeln, stärken und vervollkommnen.' So, o Mönche,
sollt ihr euch üben."
64
Pflugschar und Treibstock
Snp.77
„Die Achtsamkeit ist Pflugschar und der Treibstock."
Hierzu heißt es im Kommentar: Was für den (im kommentierten Text erwähnten)
Brahmanen Pflugschar und Treibstock ist, das ist beim Erhabenen die mit
Klarblick verbundene, mit dem Pfade verbundene Achtsamkeit. Wie die Pflugschar
den (nachfolgenden) Pflug bewacht und vor ihm hergeht, so bewacht Achtsamkeit
den Pflug der Weisheit, indem sie den Ablauf der heilsamen Geisteszustände
prüft und die Objekte gewärtig hält. Daher wird an Stellen wie: Er weilt mit ‚Achtsamkeits-bewachtem
Geiste' von der Achtsamkeit als einer ‚Wache' gesprochen. Auch im Sinne der
Unverwirrtheit geht Achtsamkeit dem Weisheits-Pfluge voraus. Denn nur von der
Achtsamkeit genau geprüfte Dinge erkennt die Weisheit, nicht aber verworrene.
Wie ferner der Treibstock den Ochsen Furcht vor dem Geschlagenwerden einflößt,
es ihnen nicht gestattet, sich niederzulegen und sie davon abhält, auf einen
Abweg zu geraten, ebenso erfüllt Achtsamkeit die Willenskraft, als den
Vorspann, mit Furcht vor den niederen Welten und erlaubt ihr nicht, sich träge
niederzulegen. Achtsamkeit verhindert die Willenskraft, sich auf unrechtem
Gebiet, nämlich den Sinnenlüsten, zu ergehen, schirrt sie an das
Meditations-Objekt an und hält sie davon ab, auf einen Abweg zu geraten. Daher
heißt es: Achtsamkeit ist Pflugschar und der Treibstock.'

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