uparrow.gif (358 bytes) Visuddhi Magga XXII

E. Die Funktionen
 
 

 

Zur Zeit nämlich, wo man die vier Wahrheiten (durch Eintritt in einen der vier überweltlichen Pfade der Sotapanschaft usw.) meistert, da, heißt es, verrichtet jede dieser 4 Pfaderkenntnisse in einem Augenblicke je 4 Funktionen: die der Durchschauung (pariññā), der Überwindung (pahāna), der Verwirklichung (sacchikiriyā) und der Entfaltung (bhāvanā). Diese 4 Funktionen aber sollte man ihrer wahren Natur nach kennen. Von den Alten Meistern nämlich wurde gesagt: "Gleichwie ein Licht in ein und demselben Augenblicke gleichzeitig 4 Funktionen verrichtet: den Docht verbrennt, die Finsternis vertreibt, Helle erzeugt und das Öl aufzehrt: - genau so auch meistert die Pfaderkenntnis (magga-ñāna) in ein und demselben Augenblicke gleichzeitig alle vier Wahrheiten: das Leiden meistert sie, indem sie dieses durchschaut, die Leidensentstehung meistert sie, indem sie diese überwindet, den Pfad meistert sie, indem sie diesen entfaltet, die Erlöschung meistert sie, indem sie diese verwirklicht. Und was soll dies besagen? Daß die Erkenntnis, die die Erlöschung zum Objekte hat, auch die 4 Wahrheiten erfaßt, schaut und durchdringt. Auch gesagt wurde (S.56.30): "Wer, ihr Mönche, das Leiden schaut, der schaut auch die Entstehung des Leidens, die Erlöschung des Leidens und den zur Erlöschung des Leidens führenden Pfad." Das alles sollte man wissen.

 

Fernerhin wurde auch gesagt (Pts. I. p. 119): "Die Erkenntnis des mit dem Pfade Ausgestatteten ist gleichzeitig die Erkenntnis des Leidens, der Leidensentstehung; der Leidenserlöschung und des zur Leidenserlöschung führenden Pfades." Gleichwie das Licht den Docht verbrennt, so durchschaut die Pfaderkenntnis (der Sotapanschaft usw.) das 'Leiden'. Wie das Licht die Finsternis vertreibt, so überwindet die Pfaderkenntnis die 'Leidensentstehung'. Wie das Licht Helle erzeugt, so entfaltet die Pfaderkenntnis den in den Tugenden wie rechter Erkenntnis usw. bestehenden (achtfachen) 'Pfad', indem sie für diesen die Bedingung bildet im Sinne des Zusammenentstehens usw. Wie das Licht das Öl aufzehrt, so verwirklicht sie die im Aufzehren der Leidenschaften bestehende 'Erlöschung'. Auf diese Weise hat man die Anwendung des Gleichnisses zu verstehen.

 

Eine weitere Erklärung ist diese: - Gleichwie die Sonne bei ihrem Aufgange gleichzeitig mit ihrem Erscheinen vier Funktionen verrichtet: die Gegenstände beleuchtet, die Finsternis vertreibt, Helle verbreitet und die Kälte aufhebt, genau so auch meistert die Pfaderkenntnis das Leiden, indem sie dieses durchschaut, meistert die Leidensentstehung, indem sie diese überwindet, meistert den (achtfachen) Pfad, indem sie diesen entfaltet, meistert die Leidenserlöschung, indem sie diese verwirklicht. Gerade nämlich wie die Sonne die Gegenstände beleuchtet, so durchschaut die Pfaderkenntnis das Leiden. Gleichwie die Sonne die Finsternis vertreibt, so überwindet die Pfaderkenntnis die Leidensentstehung. Gleichwie die Sonne Helle verbreitet, so entfaltet die Pfaderkenntnis den (achtfachen) Pfad, indem sie die Bedingung bildet zu einer gleichzeitigen Entstehung usw. Gleichwie die Sonne die Kälte aufhebt, so verwirklicht die Pfaderkenntnis die in Aufhebung der befleckenden Leidenschaften bestehende Erlöschung. Auf diese Weise hat man die Anwendung des Gleichnisses zu verstehen.

 

Eine fernere Erklärung ist diese: Gleichwie ein Schiff in ein und demselben Augenblicke gleichzeitig vier Funktionen verrichtet; das diesseitige Ufer verläßt, die Fluten durchschneidet, die Waren befördert und zum jenseitigen Ufer geleitet, so auch meistert die Pfaderkenntnis die 4 Wahrheiten. Wie nämlich das Schiff das diesseitige Ufer verläßt, so durchschaut die Pfaderkenntnis das Leiden. Wie das Schiff die Fluten durchschneidet, so überwindet die Pfaderkenntnis die Leidensentstehung. Wie das Schiff die Waren befördert, so entfaltet die Pfaderkenntnis den Pfad, indem sie eine Bedingung bildet für sein gleichzeitiges Entstehen usw. Wie das Schiff zum jenseitigen Ufer geleitet, so verwirklicht die Pfaderkenntnis die als das jenseitige Ufer geltende Erlöschung. Auf diese Weise hat man die Anwendung des Gleichnisses zu verstehen.

 

Somit werden zur Zeit, wo man die Wahrheiten meistert, in ein und demselben Augenblicke durch die in den vier Funktionen sich betätigende Pfaderkenntnis in 16facher Weise die 4 Wahrheiten in ihrer wahren Bedeutung gleichzeitig durchdrungen. Wie es heißt (Pts. II. p. 107): Wie aber werden die 4 Wahrheiten in ihrer wahren Bedeutung alle zu gleicher Zeit durchdrungen? Auf l6fache Weise werden die 4 Wahrheiten in ihrer wahren Natur alle zu gleicher Zeit durchdrungen.

 

(I) "Das Leiden hat die wahre Bedeutung von Bedrückung, von etwas Geschaffenem, von Qual, von Veränderlichkeit."

(II) "Die Leidensentstehung hat die wahre Bedeutung von Anhäufung, Daseinsbedingung, Fessel, Hindernis."

(III) "Die Leidenserlöschung hat die wahre Bedeutung von Entrinnung, Abgeschiedenheit, Bedingungslosigkeit, Todlosigkeit."

(IV) "Der Pfad hat die wahre Bedeutung von Erlösungsweg, Wurzelbedingung, Erkennen, Vorherrschaft."

 

"Auf diese 16fache Weise sind, ihrer wahren Bedeutung nach, die 4 Wahrheiten als eines zusammengefaßt. Was aber als eines zusammengefaßt ist, das ist eine Einheit; und was eine Einheit ist, das wird durch eine einzige Erkenntnis durchdrungen. Auf diese Weise werden die 4 Wahrheiten alle zu gleicher Zeit durchdrungen."

 

Es mag nun hier einer die Frage aufwerfen: 'Da doch das Leiden noch andere Bedeutung hat, wie Krankheit, Beule usw., warum werden da bloß vier Bedeutungen genannt?" - Hierauf erklären wir, daß dies geschieht, damit die anderen Wahrheiten um so deutlicher werden.

 

Die Wahrheitserkenntnis hierbei wird nun mit Hinsicht auf jede einzelne Wahrheit als Objekt erklärt in den Worten (Pts. I. p. 119): "Was ist da die Erkenntnis des Leidens? Was da mit Hinsicht auf das Leiden an Weisheit, Wissen aufsteigt usw." Wenn es also heißt (S. LVI. 30): "Wer, ihr Mönche, das Leiden erkennt, der erkennt auch seine Entstehung usw.", so erfüllen sich nach diesen Worten, sobald man eine einzelne Wahrheit zum Objekte nimmt, auch die Funktionen hinsichtlich der übrigen Wahrheiten.

 

 

(I) Wenn man da nun eine Wahrheit nach der anderen zum Objekte nimmt, so enthüllt sich beim Erkennen der Leidensentstehung gleichzeitig die Bedeutung des seiner Natur nach durch 'Bedrückung' gekennzeichneten Leidens als etwas 'Geschaffenes', insofern nämlich das Leiden durch die als Anhäufung sich kennzeichnende Leidensentstehung angehäuft, bedingt entstanden und aufgeschichtet ist. Weil aber der Pfad die Qual der Leidenschaften vertreibt und völlig abkühlt, darum zeigt sich beim Erkennen dieses Pfades deutlich die 'Qual' des Leidens, gerade wie z. B. dem ehrwürdigen Nanda beim Anblicke der Nymphen die Häßlichkeit der Sundarī deutlich wurde (Jat. II. p. 92 f). Daß aber dem Mönche beim Erkennen der keinem Wechsel mehr unterworfenen Erlöschung die Bedeutung des Leidens als 'Veränderlichkeit' klar wird, brauchte hier gar nicht erwähnt zu werden.

 

(II) Ebenso zeigt sich beim Erkennen des Leidens die Bedeutung der ihrer Natur nach durch 'Anhäufung' gekennzeichneten Leidensentstehung als 'Daseinsbedingung', genau wie beim Erkennen einer durch unzuträgliche Speise entstandenen Krankheit man die Nahrung als Krankheitsursache erkennt. Die Bedeutung der Leidensentstehung als 'Fessel' zeigt sich beim Erkennen der in der Loslösung bestehenden Erlöschung, ihre Bedeutung als 'Hindernis' beim Erkennen des zur Erlösung führenden Pfades.

 

(III) Ebenso auch enthüllt sich beim Erkennen der von der Abgeschiedenheit fernen Leidensentstehung die Bedeutung der durch 'Entrinnung' gekennzeichneten Erlöschung als 'Abgeschiedenheit', ebenso auch beim Erkennen des Pfades ihre Bedeutung als 'Bedingungslosigkeit', denn: "In dieser hinsichtlich ihres Beginnes unergründlichen Daseinsrunde hatte ich den Pfad noch nicht zuvor erkannt; aber auch dieser ist in Abhängigkeit von Bedingungen entstanden". Auf diese Weise wird das keinen Bedingungen unterworfene 'Ungeschaffene' besonders deutlich. Die Bedeutung der Erlöschung aber als 'Todlosigkeit' (amata = Ambrosia) enthüllt sich beim Erkennen des Leidens, denn das Leiden ist ein Gift, das Nirwahn aber Ambrosia (Todlosigkeit).

 

(IV) Ebenso enthüllt sich beim Erkennen der Leidensentstehung der als 'Erlösungsweg' gekennzeichnete Pfad in seiner Bedeutung als 'Wurzelbedingung': 'Nicht jenes ist die Bedingung zur Erreichung des Nirwahns, sondern dieser Pfad ist es'. Seine Bedeutung als 'Erkennen' wird deutlich beim Erkennen der Erlöschung, gerade wie beim Wahrnehmen von äußerst feinen Gegenständen sich einem die Schärfe des Auges enthüllt: 'Wahrlich, ein scharfes Auge besitze ich!' Die Bedeutung des Pfades als 'Vorherrschaft' zeigt sich beim Erkennen des Leidens, gerade wie die Erhabenheit eines Fürsten einem deutlich wird, wenn man einen von vielerlei Leiden niedergedrückten Bettler erblickt.

 

Weil somit beim Erkennen jeder einzelnen Wahrheit hinsichtlich ihrer eigenen Merkmale sich gleichzeitig auch die drei anderen Wahrheiten enthüllen, deshalb wurden für jede einzelne Wahrheit hier je vier Bedeutungen angegeben, Im Pfadaugenblicke aber gelangen durch diese eine hinsichtlich des Leidens usw. 4 Funktionen verrichtende Pfaderkenntnis alle diese Bedeutungen zur Durchdringung. Für diejenigen aber, die eine gesonderte Meisterung der 4 Wahrheiten annehmen, ist die Antwort im Kathāvatthu des Abhidhamma angeführt.

 

 

Was nun jene 4 Funktionen wie Durchschauung usw. anbetrifft, da merke man sich:
 

 

(1. Durchschauung: pariññā) - 'Als dreifach gelten die Durchschauung ...': Die Durchschauung ist von dreierlei Art:

 

(a) "Die erkennende Durchschauung gilt als die Erkenntnis mit Hinsicht auf das Erkannte" (Pts. I. p. 87): nach dieser Andeutung gelten hier, kurz gesagt, alle Dinge, die klar erkannt sind, als die erkannten Dinge. Ausführlich erklärt aber wurde die 'Durchschauung des Erkannten (ñāta-pariññā) in den Worten (ib. 5): "Alles, ihr Mönche, hat man klar zu erkennen. Was aber, ihr Mönche, ist dies alles, was man klar zu erkennen hat? Das Auge, ihr Mönche, hat man klar zu erkennen usw." Für diese 'Durchschauung des Erkannten' bildet das klare Erkennen des an Bedingungen geknüpften Geistigen und Körperlichen das besondere Gebiet.

 

(b) "Das durchschauende Wissen gilt als die Erkenntnis im Sinne des Untersuchens": nach dieser Andeutung wird dann kurz erklärt (ib. 22): "Alle Dinge, die durchschaut sind, alle diese Dinge sind untersucht." Ausführlicher aber erklärt wird diese 'Untersuchende Durchschauung' in den Worten (ib.): "Alles, ihr Mönche, hat man zu durchschauen. Was aber, ihr Mönche, ist dies alles, was man zu durchschauen hat? Das Auge, ihr Mönche, hat man zu durchschauen usw." Das besondere Gebiet dieser 'Untersuchenden Durchschauung' (tīrana-pariññā), die die Dinge mit Hinsicht auf ihre Vergänglichkeit, ihr Elend und ihre Unpersönlichkeit prüft, reicht von der Erwägung der Gruppen (XX) bis zur 'Anpassungserkenntnis' (XXI).

 

(c) Als 'Überwindende Durchschauung' (pahāna-pariññā) gilt die Erkenntnis im Sinne von Aufgeben": nach dieser Andeutung (Pts. I. p. 87) heißt es dann ausführlich weiter: "Alle Dinge, die man überwunden hat, alle diese Dinge gelten als aufgegeben". "Durch Betrachtung der Vergänglichkeit überwindet man die Vorstellung der Unvergänglichkeit usw. " (s. die im folgenden (2, b) angegebenen 18 Hellblickwissen): das in dieser Weise entstandene Wissen gilt als die Überwindende Durchschauung. Ihr Gebiet erstreckt sich von der 'Betrachtung der Auflösung' (XXI. 2) bis zur Pfaderkenntnis (XXII). Dies ist hier gemeint.

 

Weil aber die 'Durchschauung des Erkannten' und die 'Untersuchende Durchschauung' beide dieselbe Bedeutung haben und weil die Dinge, die man überwindet, notwendigerweise erkannt und geprüft sind, so sind auch die drei Arten der Durchschauung auf diese Weise als die Funktionen der Pfaderkenntnis zu betrachten.

 

(2. Überwindung: pahāna). 'So auch Verwindung' (Überwindung) heißt es, weil auch die Überwindung von dreifacher Art ist:

  1. Überwindung durch Zurückdrängung (vikkhambhana-pahāna),
  2. Überwindung durchs Gegenteil (tadanga-pahana),
  3. Überwindung durch Vernichtung (samuccheda-pahāna).

 

(a) Hierunter nun gilt als 'Überwindung durch Zurückdrängung' (vikkhambhana-pahāna) das (zeitweilige) Zurüchdrängen der widerstrebenden Dinge wie der Hemmungen usw. durch diese oder jene weltliche Sammlung, gerade so wie ein in moosbedecktes Wasser geworfener Krug das Moos verdrängt. Im Kanon jedoch wird bloß vom Verdrängen der Hemmungen gesprochen: ". . . . die Überwindung der Hemmungen durch Verdrängung in dem die erste Vertiefung Entfaltenden . . .". Dies ist als der Deutlichkeit halber gesagt zu verstehen. Die Hemmungen nämlich breiten sich weder im früheren noch späteren Stadium der Vertiefung plötzlich im Geiste aus, die Gedankenfassung usw. (Diskursives Denken, Verzückung, Glücksgefühl) aber bloß im Augenblicke der Erreichung der (höheren) Vertiefungen: Somit ist die Zurückdrängung der Hemmungen klar.

 

(b) Als 'Überwindung durchs Gegenteil' (tadanga-pahāna) gilt die Überwindung dieser oder jener zu überwindenden Dinge durch dieses oder jenes einen Bestandteil des Hellblicks bildenden Erkenntnisgliedes, u. zw. im Sinne des Entgegenwirkens, gleichwie eine in der Nacht leuchtende Lampe die Finsternis vertreibt. Z.B. den Persönlichkeitsglauben überwindet man durch Zerlegung des Geistigen und Körperlichen, die Ansicht von der Ursachlosigkeit oder von einer verkehrten Ursache oder den Flecken des Zweifels überwindet man durch Erforschen der Entstehungsbedingungen, die falsche Auffassung von einer Gruppe von Dingen als das 'Ich oder 'Mein' durch Erwägung der Daseinsgruppen, die Auffassung von dem Nichtpfade als Pfad durch Festlegen des Pfades und Nichtpfades (XX); die Vernichtungsansicht durch Erkenntnis des Entstehens (XXI. 1), den Ewigkeitsglauben durch Betrachtug des Hinschwindens (XXI. 2), die Vorstellung von dem Schreckensvollen als schreckenlos durch das Sichgewärtighalten des Schreckens, (XXI. 3), die Genußvorstellung durch Erkennen des Elends (XXI. 4), die Lustvorstellung durch Erwägung der Abwendung (XXI. 5), das Nichterlöstwerdenwollen durch den Erlösungswunsch (XXI. 6), die Gedankenlosigkeit durch Nachdenken (XXI, 7), das Nichtgleichmütigsein durch Gleichmut (XXI. 8), die der Wahrheit widersprechende Auffassung durch die (der Wahrheit) sich anpassende Erkenntnis (XXI. 9).

 

Oder aber mit Rücksicht auf die 18 Arten des Hohen Hellblicks (mahā-vipassanā), nämlich:

 

(1) durch 'Betrachtung der Vergänglichkeit' (aniccānupassanā) überwindet man die Unvergänglichkeitsvorstellung,

(2) durch 'Betrachtung des Leidens' (dukkhānupassanā) überwindet man die Glücksvorstellung,

(3) durch 'Betrachtung der Unpersönlichkeit, (anattānupassanā) die Persönlichkeitsvorstellung,

(4) durch 'Betrachtung der Abwendung' (nibbidānupassanā) die Lust,

(5) durch 'Betrachtung der Loslösung' (virāgānupassanā) die Gier,

(6) durch 'Betrachtung der Erlöschung' (nirodhānupassanā) die Daseinsentstehung,

(7) durch 'Betrachtung des Fahrenlassens' (patinissaggānupassanā) das Festhalten,

(8) durch 'Betrachtung des Versiegens' (khayānupassanā) die Vorstellung von etwas Festem,

(9) durch 'Betrachtung des Hinschwindens' (vayānupassanā) das Anhäufen,

(10) durch 'Betrachtung der Veränderlichkeit' (viparināmānupassanā) die Vorstellung von etwas Beständigem,

(11) durch 'Betrachtung des Bedingungslosen' (animittānupassanā) die Daseinsbedingung,

(12) durch 'Betrachtung der Wunschlosen' (appanihitupassanā) das Verlangen.

(13) durch 'Betrachtung der Leerheit' (suññatānupassanā) das Sichanklammern,

(14) durch den 'Hohen Wissenshellblick' (adhipaññādhammavipassanā) das Sichanklammern an die fixe Idee einer Wesenheit,

(15) durch den 'der Wirklichkeit gemäßen Erkenntnisblick' (yathābhūta-ñānadassana) das Sichanklammern an die Verblendung,

(16) durch 'Betrachtung des Elends' (ādīnmavānupassanā) das Sichanklammern an die Lust,

(17) durch 'Nachdenkende Betrachtung' (patisankhānupassanā) die Gedankenlosigkeit,

(18) durch 'Betrachtung des Sichwegneigens' (vivattānupassanā) das Sichanklammern an Neigungen.

 

Alles dies gilt als Überwindung durchs Gegenteil.

 

(1 -7) Wie hierbei die Überwindung der Vorstellungen der Unvergänglichkeit usw. durch die 7 Betrachtungen der Vergänglichkeit usw. zustande kommt, das alles wurde bereits anläßlich der 'Betrachtung der Auflösung' erklärt.

(8) Als 'Betrachtung des Versiegens' (khayānupassanā) gilt die Erkenntnis des die Versiegung Schauenden (des Arahat), gemäß den Worten: "... nach dem Zerlegen des Festen . . . die Vergänglichkeit im Sinne von Versiegung." Dadurch findet die Überwindung der Festigkeitsvorstellung statt.

 

(9) Hinsichtlich der 'Betrachtung des Hinschwindens' (vayānupassanā) heißt es:
 

Durch eigene Erfahrung und durch Schlußfolgerung das Hinschwinden der Gebilde erkannt habend, kommt durch Hingeneigtsein zur Erlöschung die Überwindung des (karmischen) Anhäufens zustande. Wer nämlich jene Dinge, derethalber er Karma anhäufen sollte, als dem Hinschwinden unterworfen erkennt, dessen Geist neigt nicht mehr zum Anhäufen.

 

(10) Als 'Betrachtung der Veränderlichkeit' (viparināmānupassanā) gilt das Erkennen, wie das 7fache Körperliche und die übrigen Dinge sich verändern, indem sie dabei ihre jeweilige (begriffliche) Definition hinter sich lassen; oder wie alles Entstandene in zweifacher Weise sich verändert: durch Altern und durch Absterben. Durch solche Betrachtung findet die Überwindung der Beständigkeitsvorstellung statt.

 

(11) Als 'Betrachtung des Bedingungslosen' (animittānupassanā) gilt die Betrachtung der Vergänglichkeit. Durch sie vollzieht sich die Überwindung der Unvergänglichkeitsvorstellung.

 

(12) Als 'Betrachtung des Wunschlosen' (appanihitānupassanā) gilt die Betrachtung des Leidens. Durch sie vollzieht sich die Überwindung der Wünsche und des Verlangens nach Glück.

 

(13) Als 'Betrachtung der Leerheit' (suññatānupassanā) gilt die Betrachtung der Unpersönlichkeit. Durch sie vollzieht sich die Überwindung des Sichanklammerns an den Gedanken 'Es gibt eine Persönlichkeit.'

 

(14) Betreffs des Hohen Wissenshellblickes' (adhpaññādhamma-vipassanā) heißt es:

 
 

 

Daß man z. B. nach Erkennen irgend eines Objektes wie des des Sehens usw. die Auflösung dieses Objektes sowie des dieses Objekt habenden Bewußtseins also schaut: 'Bloße Gebilde zerbrechen da, der Tod von Gebilden findet statt; nicht aber gibt es da irgend ein weiteres Wesen': daß man so im Sinne der Auflösung die Leerheit (suññatā) erfaßt, solcher tätige Hellblick gilt als das Hohe Wissen und als der Hellblick bei den Daseinserscheinungen, kurz gesagt, als der "Hohe Wissenshellblick bei den Daseinserscheinungen." Dadurch nun, daß durch diesen die Abwesenheit eines unvergänglichen Kernes und einer Ichwesenheit klar erkannt wird, vollzieht sich die Überwindung des Sichanklammerns an die fixe Idee einer Wesenheit.

 

(15) Als der 'der Wirklichkeit gemäße Erkenntnisblick' (yathābhūta-ñānadassana) gilt das Erfassen des an Bedingungen geknüpften Geistigen und Körperlichen. Dadurch vollzieht sich die Überwindung des Sichanklammerns an die Verblendung, bestehend in dergleichen Gedanken wie: 'War ich wohl in der vergangenen Zeit!' oder 'Durch den Schöpfer ist die Welt geschaffen usw.'

 

(16) Als 'Betrachtung des Elends' (ādīnavānupassanā) gilt die durch das Sichgewärtighalten des Schreckens (XXI. 3) aufgestiegene Erkenntnis des Elends aller Daseinsarten usw. Dadurch vollzieht sich die Überwindung des Sichanklammerns an die Lust, in dem Gedanken: 'Nichts findet sich, das wert wäre, daß man sich daran hinge.'

 

(17) Als 'Nachdenkende Betrachtung' (patisankhānupassanā) gilt die den Weg zur Befreiung bildende nachdenkende Erkenntnis (XXI. 7). Durch sie vollzieht sich die Überwindung der Gedankenlosigkeit.

 

(18) Als 'Betrachtung des Sichwegneigens' (vivattānupassanā) gilt der Gleichmut bei den Gebilden (XXI. 8) und die Anpassungserkenntnis' (XXI. 9), denn dabei, heißt es, löst sich der Geist - gerade wie ein Wassertropfen an einem etwas abwärts geneigten Lotusblatte abgleitet - von jedem Gebilde los, zieht sich davor zurück, wendet sich davon ab, strebt nicht mehr dahin. Darum vollzieht sich durch diese Betrachtung die Überwindung des Sichanklammerns an Neigungen, d. h. an die in sinnlicher Neigung usw. bestehenden Leidenschaften, und die Überwindung des Fortbestehens der Leidenschaften.

Auf diese Weise hat man ausführlich die 'Überwindung durchs Gegenteil' zu verstehen. Im Kanon (Pts. I. p. 27) aber wird bloß gesagt: "Die in der Überwindung der Ansichten bestehende und zur Durchdringung führende Sammlung entfaltend . . . "

 

(c) Eine solche Überwindung aber, daß infolge der Pfaderkenntnis die Fesseln und andere Dinge nicht länger bestehen können, gleichwie ein vom Blitz getroffener Baum, diese gilt als die 'Vernichtende Überwindung' (samuccheda-pahāna), worüber es heißt (Pts. I. p. 26): "Den in vernichtender Überwindung bestehenden und zur Versiegung führenden überweltlichen Pfad (lokuttara-magga) entfaltend . . . " -

Somit also ist hier von diesen 3 Überwindungen bloß die 'Vernichtende Überwindung' gemeint. Weil nun aber bei jenem Übenden anfangs auch die 'Zurückdrängende Überwindung' (a) und die 'Überwindung durchs Gegenteil' (b) beide denselben Zweck erfüllen, darum sind alle 3 Überwindungen auf dieselbe Weise als die Funktion der Pfaderkenntnis zu betrachten. Was da z. B. der nach Ermordung des Gegenkönigs zur Königsherrschaft Gelangte bereits früher getan haben mag, alles das, sagt man, habe der König getan.
 


 

(3. Verwirklichung: sacchikiriyā). Wenn auch die Verwirklichung in zweierlei Art zerfällt, in weltliche (lokiya) und überweltliche (lokuttara), so ist doch, da man die überweltliche Verwirklichung wiederum in 'Erkennen' (dassana) und 'Entfaltung' (bhāvanā) zerlegen kann, ebenfalls die Verwirklichung (genau wie 1 und 2) von 3facher Art.

 

(a) Hierbei nun gilt als 'weltliche Verwirklichung' (lokiya-sacchikiriyā), die Erreichung der Vertiefungen, wie überliefert in den Worten "Erlangt und gemeistert habe ich die erste Vertiefung, habe sie verwirklicht usw." 'Erreichung' bedeutet hierbei die Erreichung durch eigene Wissenserfahrung, die da nach Erreichung spricht: 'Dies habe ich erreicht.' Denn nur in diesem Sinne wurde das Verwirklichungswissen angedeutet als Erkenntnis im Sinne von Erreichung, und dann wurde die Verwirklichung erklärt (Pts. I. p. 35): "Alle Dinge, die verwirklicht sind, alle diese Dinge gelten als erreicht." Auch selbst wenn man diese noch nicht in der eigenen Kontinuität hat aufsteigen lassen, so gelten doch alle Dinge, sofern sie durch die vom Glauben an andere völlig unabhängige Erkenntnis erkannt sind, als verwirklicht. Aus eben diesem Grunde nämlich wird gesagt (Pts. I. p. 35): "Alles, ihr Mönche, hat man zu verwirklichen. Was aber, ihr Mönche, ist dies alles, was man zu verwirklichen hat? Das Auge, ihr Mönche, hat man zu verwirklichen usw. "

Ferner auch heißt es (Pts. I. p. 35): "Indem man das Körperlich erkennt, verwirklicht man es. Indem man das Gefühl . . . die Wahrnehmung . . . die Geistesformationen . . . das Bewußtsein erkennt, verwirklicht man es. Indem man das Auge erkennt . . . Altern und Sterben erkennt . . . das als Eintritt ins Todlose geltende Nirwahn erkennt, verwirklicht man es. Somit also gelten alle Dinge, die verwirklicht sind, als erreicht.

 

(b. c). Im ersten Pfadmomente aber gilt das Schauen des Nirwahns als (überweltliche) Verwirklichung (lokuttara-sacchikiriyā) durch 'Erkennen' (dassana), in den übrigen Pfadmomenten als Verwirklichung durch 'Entfaltung' (bhāvanā). Diese zweifache Verwirklichung ist hier gemeint. Daher ist die Verwirklichung des Nirwahns durch 'Erkennen' und durch 'Entfaltung' als die Funktion dieser Pfaderkenntnis aufzufassen.

 

(4. Entfaltung: bhāvanā). "Entfaltung aber zweifach ist': - Bloß zwei Arten der Entfaltung nimmt man an: weltliche und überweltliche.

 

(a) Hierunter gilt als 'weltliche Entfaltung' (lokiya-bhāvanā) das Erwecken von weltlicher Sittlichkeit, weltlicher Sammlung und weltlichem Wissen, sowie der dadurch in der Daseinskontinuität erzeugte Eindruck (vāsana).
(b) Als 'überweltliche Entfaltung' (lokuttara-bhāvanā) gilt die Erweckung von überweltlicher Sittlichkeit, überweltlicher Sammlung und überweltlichem Wissen.

Von diesen beiden nun ist hier die überweltliche Entfaltung gemeint. Denn diese vierfache Pfaderkenntnis ( = überweltliches Wissen) erweckt die überweltliche Sittlichkeit und überweltliche Sammlung, indem sie hierfür im Sinne von Zusammenentstehung usw. die Bedingung bildet. Und vermittels dieser Erkenntnis erzeugt der Mönch einen Eindruck in seiner eigenen Daseinskontinuität. Daher bildet bloß die überweltliche Entfaltung die Funktion der Pfaderkenntnis.

 

Somit heißt es:
 


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