Visuddhi Magga IX

Die Göttlichen Verweilungszustände (brahma-vihāra)

Vis. IX.5. Vermischte Erklärungen

 

Hat man nun diese vom höchsten Heiligen gelehrten Göttlichen Verweilungszustände also verstanden, so möge man fernerhin noch die folgenden vermischten Erklärungen hierüber kennen lernen.

 

Was nämlich die Bedeutung der Begriffe wie Güte, Mitleid, Mitfreude und Gleichmut betrifft, so hat da zuvörderst mettā (eig. Freundschaft, dann Güte usw.), das von mejjati (mid urspr. 'fettig sein') kommt, die Bedeutung von 'anhänglich sein'; oder auch, mettā sagt man, weil diese Eigenschaft im Freunde (mitta) anzutreffen oder eine Äußerung des Freundes ist.

 

Karunā (Mitleid) ist das, was die Herzen der guten Menschen bewegt, wenn sie andere leiden sehen; oder das, was der anderen Leiden tilgt, zerstört oder vernichtet; oder das, was sich über die Leidenden ergießt und sich in durchdringender Weise ausbreitet.

 

Muditā (Freude, Mitfreude) sagt man, weil die davon Erfüllten vermittels dieser Fähigkeit sich freuen oder weil sie sich selber freut; oder das bloße Sichfreuen gilt als die Freude.

 

Upekkhā (Gleichmut) sagt man, weil man gleichgültig bleibt, nachdem man die Beschäftigung mit den Gedanken wie 'Mögen sie frei sein von Haß usw.' überwunden und das 'Einhalten der Mitte' erreicht hat.

 

Was die Merkmale aber betrifft, so besteht das Merkmal der Güte in der Betätigung des Wohlwollens, ihr Wesen im Erweisen von Wohltaten, ihre Äußerung in Überwindung des Grolles, ihre Grundlage (d.i. nächste Ursache) im Anblick der liebenswerten Natur der Wesen, ihr Erfolg in Stillung des Übelwollens, ihre Abirrung in Entstehung von (persönlicher) Anhänglichkeit.

 

Das Merkmal des Mitleids besteht in der das Leiden stillenden Tätigkeit, sein Wesen im Nichtdulden des Leidens der anderen, seine Äußerung im Freisein von Grausamkeit, seine Grundlage im Erkennen der Hilflosigkeit der von Leiden Überwältigten, sein Erfolg in Stillung der Grausamkeit, seine Abirrung im Entstehen von Kummer.

 

Das Merkmal der Mitfreude besteht im Sichfreuen (mit den Wesen; Kom. zu Dhs.), ihr Wesen im Nichtbeneiden, ihre Äußerung in Vertreibung der Unlust, ihre Grundlage im Erkennen des Glückszustandes der Wesen, ihr Erfolg in Aufhebung der Unlust, ihre Abirrung im Entstehen von Vergnügtheit.

 

Das Merkmal des Gleichmuts besteht in Betätigung des 'Einhaltens der Mitte', sein Wesen im Erkennen der Gleichheit der Lebewesen, seine Äußerung in Stillung von Abneigung und Zuneigung, seine Grundlage im 'Erkennen der 'Karmaeignerschaft' (kammassakatā) der Wesen, nämlich: "Eigner ihrer Werke sind die Wesen; durch ihrer Werke Einfluß werden sie Glück oder Befreiung vom Leiden erreichen oder des erreichten Glückes nicht verlustig gehen". Der Erfolg des Gleichmuts besteht in Stillung von Zuneigung und Abneigung, seine Abirrung im Entstehen von weltlicher, unwissender Gleichgültigkeit.

 

Diese vier Göttlichen Verweilungszustände aber haben fernerhin als gemeinsamen Zweck das Glück des Hellblicks wie auch eine glückliche Wiedergeburt, als besonderen Zweck aber die Abwehr von Übelwollen usw. In Abwehr von Übelwollen nämlich besteht da der Zweck der Güte; in Abwehr von Grausamkeit, Unlust und Gier: der Zweck der übrigen Göttlichen Verweilungszustände. Auch gesagt wurde (D.33,2): "Als Entrinnung vom Übelwollen, ihr Brüder, gilt die Gemütserlösung durch Güte ... als Entrinnung von der Grausamkeit die Gemütserlösung durch Mitleid ... als Entrinnung von der Unlust die Gemutserlösung durch Mitfreude ... als Entrinnung von der Gier (rāga) die Gemütserlösung durch Gleichmut."

 

Jeder einzelne der Göttlichen Verweilungszustände hat dabei je zwei Feinde, einen nahen und einen entfernten.

 

Gerade nämlich wie ein Mann einen Feind haben möchte, der ihm in der Nähe auflauert, genau so auch gilt für den Göttlichen Verweilungszustand der Güte die Gier als naher Feind, u.zw. weil beide im Erkennen der Vorzüge sich einander ähnlich sind. Gar schnell findet da die Gier Eingang; daher möge man die Güte gut davor bewahren. Gerade aber wie ein Mann einen Feind haben möchte, der sich im Bergesdickicht oder an ähnlichen Orten versteckt hält, genau so auch gilt für die Güte das Übelwollen als entfernter Feind, u.zw. weil beide einander unähnlich sind. Daher möge man, ohne Furcht davor zu haben, Güte ausstrahlen, denn unmöglich ist es, daß man lieben und gleichzeitig Zorn empfinden sollte.

 

Für den Göttlichen Verweilungszustand des Mitleids gilt der weltliche Kummer als naher Feind, u.zw. weil im Erkennen des Unglücks beide sich einander ähnlich sind, wie es da heißt in der Erklärung beginnend mit den Worten: "Was da jene dem Sehbewußtsein erkennbaren Formcn betrifft, die erwünschten, geliebten, teuren, angenehmen, herzerfreuenden, mit weltlichem Genusse verbundenen, wer da das Nichterlangte als nichterlangt erkennt oder aber an das Frühererlangte, jetzt Vergangene, Verschwundene, Veränderte, zurückdenkt, in dem steigt Kummer auf: solchen Kummer nennt man weltlichen Kummer." Als entfernter Feind des Mitleids gilt die Grausamkeit, u.zw. weil beide einander unähnlich sind. Daher möge man, ohne Furcht davor zu haben, Mitleid ausstrahlen, denn unmöglich ist es, daß man Mitleid empfinden und gleichzeitig jemanden mit der Hand oder in anderer Weise Grausamkeiten zufügen sollte.

 

Für die Mitfreude gilt der weltliche Frohsinn als naher Feind, u.zw. weil im Erkennen des Glückes sich beide einander ähnlich sind. Wie es heißt in den Erklärungen beginnend mit den Worten: "Was da jene dem Sehbewußtsein erkennbaren Formen betrifft, die erwünschten ... wer da an das Erlangte als erlangt oder an das Frühererlangte, jetzt Vergangene, Verschwundene, Veränderte zurückdenkt, in dem steigt der Frohsinn auf: solcher Frohsinn gilt als weltlicher Frohsinn." Als entfernter Feind der Mitfreude gilt die Unlust, u.zw. weil beide einander unähnlich sind. Darum möge man, ohne Furcht davor zu haben, Mitfreude ausstrahlen, denn unmöglich ist es, daß man von Mitfreude erfüllt und gleichzeitig unzufrieden sein sollte mit den abgeschiedenen Behausungen oder den hochheilsamen Dingen.

 

,Für den Göttlichen Verweilungszustand des Gleichmuts gilt die weltliche unwissende Gleichgültigkeit als naher Feind, u.zw. weil im Nichtbeachten von Vorzügen und Fehlern sich beide einander ähnlich sind. Wie es in den Erklärungen heißt, beginnend mit den Worten: "Beim Anblick einer sichtbaren Form erhebt sich Gleichgültigkeit in einem törichten, verblendeten Weltlinge, der die Beschränkungen und karmischen Wirkungen noch nicht überwunden hat, das Elend nicht erkennt, ein unerfahrener Weltling ist. Solche Gleichgültigkeit überwindet die sichtbaren Formen nicht. Darum wird die Gleichgültigkeit als weltlich bezeichnet." Als entfernte Feinde des Gleichmuts gelten Gier und Groll, u.zw. weil diese ihm unähnlich sind. Darum möge man, ohne sich davor zu fürchten, Gleichmut üben, denn unmöglich ist es, daß man gleichmütig bleiben und dabei Gier und Unwillen empfinden sollte.

 

Bei allen diesen göttlichen Verweilungszuständen bildet der 'im Wunsch zum Handeln sich äußernde Wille' (kattukamyatā-chanda) den Anfang, die Zurückdrängung der Hemmungen usw. die Mitte, die Volle Sammlung aber das Ende. Ein oder mehrere Wesen, im Sinne von konventioneller Bczeichnung, bilden ihre Vorstellungsobjekte. Bei Erreichung der Angrenzenden und Vollen Sammlung findet eine Ausweitung des Objektes statt. Dabei ist dies die Art und Weise der Ausweitung: Gleichwie der geschickte Landmann das zu pflügende Feld zuerst abteilt und dann pflügt, so auch beschränke man sich zuerst auf eine einzige Behausung und entfalte die Güte zu den dort wohnenden Wesen, in der Weise: 'Mögen die Wesen in dieser Behausung, frei sein von Haß usw.!' Hat man darauf seinen Geist weich und geschmeidig gemacht, so umfasse man zwei Behausungen und dann, der Reihe nach, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun und zehn Behausungen, dann eine Straße, ein halbes Dorf, ein ganzes Dorf, eine Gegend, ein Land, eine Himmelsrichtung. Und indem man so eine Weltsphäre oder ein noch größeres Gebiet umfasse, entfalte man die Güte zu den jedesmal dort lebenden Wesen. In derselben Weise sind das Mitleid und die übrigen Göttlichen Verweilungszustände zu entfalten. Dies ist die Methode, wie man das Vorstellungsobjekt ausweitet.

 

Gleichwie nun die Unkörperlichen Sphären (s. X) das Ergebnis der Kasinas sind, und wie das Gebiet der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung das Ergebnis der Sammlung ist, die Erreichung der Pfadwirkungen (phala) das Ergebnis des Hellblicks (vipassanā), die Erreichung des Erlöschungszustandes (nirodha-samāpatti; s. XXIII) das Ergebnis von Gemütsruhe (samatha) und Hellblick: so auch ist hier der Göttliche Verweilungszustand des Gleichmuts das Ergebnis der drei früheren Göttlichen Verweilungszustände. Gerade wie nämlich, ohne Pfeiler aufzurichten und Stützpfosten und Querbalken anzubringen, man nicht imstande ist, etwa in der Luft den Giebel und die Dachsparren zu befestigen, so auch ist es nicht möglich, ohne bei den drei früheren Göttlichen Verweilungszuständen die dritte Vertiefung erreicht zu haben, die vierte Vertiefung zu entfalten.

 

Hier nun möchte Einer denken: 'Warum aber werden diese vier Zustände - Güte, Mitleid, Mitfreude und Gleichmut - Göttliche Verweilungszustände genannt? Und warum bloß diese vier? Was ist ihre Reihenfolge? Warum werden sie im Abhidhamma als Unermeßlichkeiten (appamaññā) bezeichnet?

 

Es heißt: "Vor allem wegen ihrer Erhabenheit und Fleckenlosigkeit hat man diese als Göttliche Verweilungszustände aufzufassen. Denn wegen des rechten Verhaltens gegen die Wesen gelten diese Verweilungszustände als erhaben. Und gerade wie die Götter unbefleckten Herzens verweilen, so auch verweilen die mit jenen Eigenschaften verbundenen Vertiefungsbeflissenen in einem göttlichen Zustande. Somit werden diese Zustände wegen ihrer Erhabenheit und Fleckenlosigkeit als Göttliche Verweilungszustände bezeichnet."

 

Auf die Frage aber, warum es bloß vier seien usw., ist dies die Erklärung:
 

 

Im Sinne der vier Reinheitspfade nämlich gibt es bloß vier Unermeßlichkeiten, u.zw. deshalb weil für den von Übelwollen Erfüllten die Güte den Läuterungsweg bildet, für den von Grausamkeit Erfüllten das Mitleid, für den von Unlust Erfüllten die Mitfreude, für den von Gier Erfüllten der Gleichmut. Ferner, weil es nur 4 Arten des Nachdenkens über die Wesen gibt; über die Förderung ihres Wohls, über die Beseitigung des Unheils, Freude an ihrem Glück und Indifferenz. Wie nämlich eine Mutter bei ihren vier Söhnen empfinden möchte, d.i. dem Kinde Gedeihen wünscht, dem Kranken Genesung von seinem Leiden, dem Jüngling langanhaltendes Jugendglück, hinsichtlich des sein eigenes Geschäft Betreibenden aber in jeder Weise unbesorgt ist: genau so soll der in den Unermeßlichkeiten Weilende gegen alle Wesen voll Güte sein usw.

 

Was die Güte und die übrigen Eigenschaften betrifft, wird die Güte zuerst genannt, dann Mitleid, Mitfreude und Gleichmut. Dies ist als die Reihenfolge zu verstehen. Wer nämlich diese vier Unermeßlichkeiten zu entfalten wünscht, soll sich zuerst in der Betätigung von Wohlwollen gegen die Wesen üben, denn das Merkmal der Güte besteht in der Betätigung des Wohlwollens. Darauf soll er, wenn er sieht oder hört oder daran denkt, wie die nach Wohlergehen sich sehnenden Wesen vom Leiden überwältigt werden, sich gleicherweise bestreben, sie von ihren Leiden zu befreien, denn das Merkmal des Mitleids besteht im Bestreben, die anderen von ihren Leiden zu befreien. Dann soll er, sobald er sieht, wie die nach Wohlergehen und Befreiung von ihren Leiden sich sehnenden Wesen ihr Glück erreichen, sich gleicherweise in der Freude über ihr Glück ergehen, denn das Merkmal der Mitfreude besteht darin, daß man sich darüber freut. Darauf aber soll er fernerhin sich bestreben um das 'Einhalten der Mitte', das wegen des Fehlens irgend einer zu verrichtenden Handlung als Unbekümmertheit gilt, denn das Merkmal des Gleichmuts besteht im Einhalten der Mitte.

 

Weil nun aber alle diese Unermeßlichkeiten sich auf einem unermeßlichen Gebiete abspielen - denn unermeßlich viele Wesen bilden ihr Bereich -, und man selbst zu einem einzelnen Wesen auf solch einem Gebiete Güte usw. zu entfalten hat und so diese ohne jede Begrenzung sich in vollständiger Durchdringung äußern, darum wurde gesagt:

 

 

Von diesen vier Übungen, die somit in der Unermeßlichkeit ihres Gebietes ein gemeinsames Merkmal besitzen, erzeugen die drei ersten Übungen bloß drei Vertiefungen, bzw. vier (nach der Fünfereinteilung). Und warum? Weil sie vom Frohsinne untrennbar sind. Warum aber sind sie untrennbar davon? Weil sie die Befreiung bilden von dem durch Trübsinn entstandenen Übelwollen und ähnlichen Dingen (Grausamkeit, Unlust). Die letzte Übung aber erzeugt bloß die eine übrigbleibende (fünfte) Vertiefung. Und warum? Weil sie mit Gleichmutsgefühl verbunden ist; denn nicht kommt der als 'Einhalten der Mitte' sich äußernde Gleichmut ohne das Gleichmutsgefühl zur Entstehung.

 
Es möchte da nun einer sagen; 'Der Erhabene hat doch im Achterbuch (A.VIII.63) von den vier Unermeßlichkeiten ohne Unterschied gesagt: "Darauf, o Mönch, 

Danach erzeugen die vier Unermeßlichkeiten alle vier, bzw. fünf Vertiefungen!' - (Genau gesagt, vermögen die 3 ersten Unermeßlichkeiten nur 3 Vertiefungen (der Vierereinteilung) zu erzeugen, die 4. Unermeßlichkeit außerdem noch die 4. Vertiefung.)

 

Einem Solchen hätte man zu erwidern: 'Sage das nicht! Denn wäre dem so, so erzeugten auch die Betrachtungen über Körper, Gefühl, Geist und Geistobjekte die vier, bzw. fünf Vertiefungen. Bei den Betrachtungen von Gefühl, Geist und Geistobjekten besteht aber nicht einmal die erste Vertiefung" geschweige denn die zweite oder eine höhere Vertiefung. Mögest du also nicht unter dem Deckmantel des bloßen Wortlautes den Erhabenen falsch beschuldigen. Gar tiefsinnig wahrlich ist das Wort des Erleuchteten. Dieses sollte man zu Füßen seiner Lehrer dem Sinne nach lernen. Dies nämlich ist hierbei der Zusammenhang: Einstmals wies der Erhabene einen Mönch zurück, der in folgenden Worten um Darlegung des Gesetzes gebeten hatte: "Gut wäre es, o Ehrwürdiger, wollte mir der Erhabene kurz das Gesetz darlegen, auf daß ich nach dem Vernehmen des Gesetzes einsam, abgeschieden, unermüdlich, eifrig und selbstentschlossen verweilen möge." Weil nämlich dieser Mönch auch früher schon einmal nach Vernehmen des Gesetzes genau an demselben Orte weiterlebte und nicht daran ging, die Mönchspflichten zu erfüllen, darum wies ihn der Erhabene zurück mit den Worten: "Gerade so ersuchen mich da gewisse törichte Menschen; und hat man ihnen das Gesetz erklärt, so glauben sie mir immer folgen zu müssen." Weil jener aber mit den Grundlagen der Heiligkeit ausgerüstet war, darum ermahnte ihn der Erhabene dann fernerhin in den Worten: "So mögest du denn, o Mönch, dich also üben: 'Der Geist in meinem Innern soll standhaft und wohlgefestigt sein, und keine aufgestiegenen üblen, unheilsame Dinge sollen meinen Geist gefesselt halten'. So, o Mönch, mögest du dich üben!" Durch diese Ermahnung aber wurde dem Mönche mit Hinsicht auf sein Inneres die in bloßer Eingipfeligkeit des Geistes bestehende Sammlung erklärt. Um ihm aber zu zeigen, daß, wenn ihm das nicht genüge, er die Sammlung anwachsen lassen solle, wies ihm der Erhabene die Geistesentfaltung durch Güte also: "Sobald, o Mönch, in deinem Innern der Geist standhaft und wohlgefestigt ist, und keine aufgestiegenen üblen, unheilsamen Dinge mehr deinen Geist gefesselt halten, so mögest du, o Mönch, dich also üben: 'Die Güte, die gemütserlösende, soll in mir entfaltet sein, häufig geübt, zur Triebfeder und Grundlage gemacht, gefestigt, großgezogen und zur rechten Vollendung gebracht!' So, o Mönch, mögest du dich üben." Fernerhin sagte der Erhabene: "Ist nun in dir, o Mönch, diese Sammlung also entfaltet und häufig geübt, so mögest du, o Mönch, diese Sammlung mit Gedankenfassung und Diskursivem Denken entfalten ... mit Gleichmut entfalten." Der Sinn dieser Worte ist also: 'Sobald in dir, o Mönch, diese anfängliche Sammlung in solcher Weise durch Güte entfaltet ist, so mögest du, wenn dir das noch nicht genügt, diese anfängliche Sammlung auch bei anderen Vorstellungsobjekten die vier bzw. fünf Vertiefungen erreichen lassen und so mit Gedankenfassung und Diskursivem Denken usw. entfalten.' Um nun zu zeigen, daß jener Mönch auch bei den anderen Vorstellungsobjekten die von Mitleid und den übrigen Göttlichen Verweilungszuständen geleitete Entfaltung durch Erreichung der vier bzw. fünf Vertiefungen üben solle, sprach der Erhabene auf diese Worte dann fernerhin: "Ist aber in dir, o Mönch, diese Sammlung entfaltet und häufig geübt, so mögest du, o Mönch, dich also üben: 'Das Mitleid, das gemüterlösende, soll in mir entfaltet sein usw.!'" Nachdem der Erhabene nun jenem Mönch auf diese Weise die von Güte usw. geleitete Entfaltung durch Erreichung der vier bzw. fünf Vertiefungen gezeigt hatte, sprach er, um ihm fernerhin die von der Körperbetrachtung und den anderen Betrachtungen geleitete Entfaltung zu zeigen: "Ist aber in dir, o Mönch, diese Sammlung entfaltet und häufig geübt, so mögest du dich also üben: 'Was den Körper betrifft werde ich in der Körperbetrachtung verweilen usw.'." Darauf beschloß der Erhabene seine Darlegung mit dem Gipfel der Heiligkeit, in den Worten: "Ist aber in dir, o Mönch, diese Sammlung entfaltet, wohl entfaltet, so wirst du wo immer du gehst, angenehm gehen, wo immer du stehst, angenehm stehen, wo immer du sitzest, angenehm sitzen, wo immer du liegst, angenehm liegen." Darum sehe man ein, daß Güte und die beiden anderen Göttlichen Verweilungszustände nur drei bzw. vier Vertiefungen erreichen, und nur der Gleichmut die eine übrigbleibende (fünfte) Vertiefung. Genau in dieser Weise (d.i. mit Rücksicht auf die Vierer- und Fünfereinteilung) werden die Göttlichen Verweilungszustände im Abhidhamma eingeteilt.

 

Von diesen mit Hinsicht auf die Erreichung der drei bzw. vier Vertiefungen und die Erreichung der einen übrig bleibenden Vertiefung in zwei Gruppen zerfallenden Göttlichen Verweilungszuständen sollte man den in ihrer ungleichartigen Macht bestehenden Unterschied hinsichtlich ihres Gipfelns im Schönen (subha-parama) usw. erkennen. In der Haliddavasana-Sutte (S.46.54) nämlich werden diese Zustände hinsichtlich ihres Gipfelns im Schönen usw. gesondert erklärt, wie es heißt: "Im Schönen, sage ich, ihr Mönche, gipfelt die herzerlösende Güte ... in der unbegrenzten Raumsphäre das Mitleid ... in der Unbegrenzten Bewußtseinssphäre die Mitfreude ... in der Nichtsheitsphäre der Gleichmut." (s. X)
 

Warum aber werden diese so erklärt? Weil sie der Reihe nach die Grundlagen bilden zu obigen Zuständen.
 

Für den in Güte Weilenden nämlich sind die Wesen frei von Ekel. Während nun ein Solcher seinen Geist auf die von Ekel freien lauteren Farben wie Blau usw. hinlenkt, drängt, infolge der Gewöhnung an die von Ekel freien Dinge, sein Geist ohne jede Mühe dorthin. Somit bildet die Güte die Grundlage zur Schönheitsbefreiung (subha-vimokkha; s.B.Wtb.: vimokkha), aber zu nichts darüber hinaus. Darum gilt sie als im Schönen gipfelnd.

 

Während der in Mitleid Weilende nachdenkt über der Wesen Leiden, das durch die mit Schlagen, Töten usw. verbundene Körperlichkeit bedingt ist, erkennt er, zufolge andauernden Auftretens des Mitleids, klar das Elend der Körperlichkeit. Da er aber das Elend der Körperlichkeit klar erkannt hat, läßt er eines von den Kasinas (s.IV.V) sich auflösen und während er so seinen Geist auf den von der Körperlichkeit befreiten Raum hinlenkt, drängt sein Geist ohne Mühe dorthin. Somit bildet das Mitleid die Grundlage zum Raumunendlichkeitsgebiet (s. X), aber zu nichts darüber hinaus. Darum gilt das Mitleid als im Raumundendlichkeitsgebiet gipfelnd.

 

Während aber der in Mitfreude Weilende nachdenkt über der Wesen Bewußtsein, das durch diesen oder jenen freudigen Anlaß von Freude erfüllt ist, wird zufolge des andauernden Auftretens der Mitfreude sein Geist im Erfassen des Bewußtseins geübt. Und während er nach Überwindung des nach und nach erreichten Raumunendlichkeitsgebiets seinen Geist auf das die Raumvorstellung zum Gebiete habende Bewußtsein hinlenkt, drängt sein Geist ohne Mühe dorthin. Somit bildet die Mitfreude die Grundlage zum Bewußtseinsunendlichkeitsgebiet, aber zu nichts darüber hinaus. Darum gilt die Mitfreude als im Bewußtseinsunendlichkeitsgebiet gipfelnd.
 

Weil aber der in Gleichmut Weilende seine Gedanken nicht darauf richtet, daß die Wesen glücklich und von Leid befreit sein und ihres erlangten Glückes nicht verlustig gehen möchten, und er davon abgewandt ist, Freuden und Leiden usw. im höchsten Sinne als solche aufzufassen, darum ist sein Geist geschickt im Festhalten von Nichtvorhandenem. Erfüllt von einem Geiste, der gewöhnt ist, sich vom Festhalten des höchsten Sinnes abzuwenden, und geschickt ist, das im höchsten Sinne nicht Vorhandene festzuhalten, überwindet er das stufenweise erreichte Bewußtseinsunendlichkeitsgebiet. Während er darauf seinen Geist auf das seiner Natur nach nicht Vorhandene, auf die Abwesenheit des im höchsten Sinne bestehenden Bewußtseins, hinlenkt, drängt sein Geist ohne Mühe dorthin. Somit bildet der Gleichmut die Grundlage zum Nichtsheitgebiet, aber zu nichts darüber hinaus. Darum gilt der Gleichmut als im Nichtsheitgebiet gipfelnd.
 

Hat der Mönch nun auf diese Weise die im Gipfeln im Schönen usw. bestehende Macht dieser Unermeßlichkeiten kennen gelernt, so möge er auch wissen, daß alle diese Übungen die sämtlichen edlen Dinge wie Freigebigkeit usw. zur Vollendung bringen.

 
Weil nämlich die Großen Wesen (mahāsatta) auf der Wesen Wohl bedacht sind, der Wesen Leiden nicht dulden, den besonderen Glückszuständen der Wesen lange Dauer wünschen und zu allen Wesen - da sie keiner besonderen Seite zuneigen - gleiche Gesinnung hegen, darum geben sie allen Wesen zu ihrer Beglückung Gaben (dāna), ohne zu prüfen, ob diese oder jene der Gaben würdig sind oder nicht. Indem sie es vermeiden, die Wesen zu verletzen, befolgen sie die Sittlichkeit (sīla). Um die Sittlichkeit zur Vollendung zu bringen, üben sie Entsagung (nekkhamma). Um hinsichtlich dessen, was für die Wesen heilsam und unheilsam ist, die Unverblendung zu erreichen, läutern sie ihr Wissen (paññā). Dem Heile und Wohle der Wesen zuliebe strengen sie beständig ihre Willenskraft (viriya) an. Haben sie aber durch höchste Willenskraft selbst die Heldenhaftigkeit erreicht, so sind sie dennoch voll Nachsicht (khanti) gegen die vielartigen Verfehlungen der Wesen. Ein gegebenes Versprechen, etwas geben oder zu tun, brechen sie nicht (Wahrhaftigkeit: sacca). Mit unerschütterlichem Entschlusse (adhitthāna) wirken sie zum Heile und Wohle der Wesen. Mit unerschütterlicher Güte (mettā) geben sie ihnen den Vorrang. In ihrem Gleichmute (upekkhā) erwarten sie keine Gegendienste.
 

Während sie so die (zehn) Vollkommenheiten (pārami) zur Vollendung bringen, erwirken sie gleichzeitig alle edle Eigenschaften, hinauf bis zu den zehn Kräften, den vier Arten des Selbstvertrauens, den sechs Ungewöhnlichen Wissen und den achtzehn Eigenschaften eines Erleuchteten.
 

Somit bringen eben jene Unermeßlichkeiten die Freigebigkeit sowie alle die übrigen edlen Eigenschaften zur Vollendung.
 

Hier endet des zur Beglückung guter Menschen abgefaßten "Weges zur Reinheit" 9. Teil: die auf die Entfaltung der Sammlung sich beziehende Darstellung der Göttlichen Verweilungszustände.


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