Visuddhi Magga III

Die Einteilung der verschiedenen Naturen

 

"Der eigenen Natur angemessen": - in diesem Ausdrucke versteht man unter 'Natur' sechserlei Naturen: die begehrliche, ärgerliche, verblendete, vertrauensvolle, verständnisvolle und geistig-unruhige Natur. Einige (nämlich Upatissa in seinem uns in chinesischer Übersetzung erhaltenen Vimutti-Magga) aber nehmen noch 4 weitere an aufgrund der Verbindung und Vereinigung von Begehren usw. (d.i. begehrlich-ärgerliche Natur, begehrlich-verblendete Natur, ärgerlich-verblendete Natur, begehrlich-ärgerlich-verblendete Natur);

ebenso 4 aufgrund der Verbindung von Vertrauen usw. (d.i. vertrauensvollverständnisvolle Natur, vertrauensvoll-unruhige Natur, verständnisvoll-unruhige Natur, vertrauensvoll-verständnisvoll-unruhige Natur): das sind, zusammen mit diesen 8, insgesamt 14 Naturen. Wenn man aber in dieser Weise eine Einteilung geben will, so kommen durch Verbindung von Begehren, Ärger, Verblendung mit Vertrauen, Verständnis, geistiger Unruhe zahlreiche Naturen zustande. Daher hat man also zusammengefaßt bloß sechs Naturen anzunehmen. Natur, ursprünglicher Zustand und vorwiegender Charakter sind dem Sinne nach dasselbe.

 

Aufgrund dieser Naturen gibt es sechs Arten von Individuen:

 

    1. den Begehrlichgearteten (rāga-carita),
    2. Ärgerlichgearteten (dosa),
    3. Verblendetgearteten (moha),
    4. Vertrauensvollgearteten (saddhā),
    5. Verständnisvollgearteten (buddhi),
    6. Geistig-unruhig-Gearteten (vitakka).

 

Unter diesen nun gleicht der Begehrlichgeartete (rāga-carita) dem Vertrauensvollgearteten (saddhā); denn beim Auftreten von etwas Verdienstvollem ist in dem Begehrlichgearteten das Vertrauen stark infolge seiner dem Begehren ähnlichen Beschaffenheit: wie nämlich auf schuldvollem Gebiet das Begehren anhänglich ist und nicht sehr schroff, so ist es das Vertrauen auf verdienstvollem Gebiete; und wie das Begehren nach den sinnlichen Objekten sucht, so sucht das Vertrauen nach den Tugenden der Sittlichkeit usw.; und wie das Begehren vom Unheilsamen nicht losläßt, so läßt das Vertrauen nicht vom Heilsamen los.

 

Der Ärgerlichgeartete (dosa-carita) aber gleicht dem Verständnisvollgearteten (buddhi); denn beim Auftreten von etwas Verdienstvollem ist im Ärgerlichgearteten die Einsicht stark, eben weil diese ähnliche Eigenschaften hat wie der Ärger: wie nämlich auf schuldvollem Gebiete der Ärger ohne Zuneigung ist und sich nicht an das Objekt klammert, so ist es mit der Einsicht auf verdienstvollem Gebiete; und wie der Ärger nach nicht vorhandenen Fehlern sucht, so spürt die Einsicht die vorhandenen Fehler auf; und wie sich der Ärger in der Vermeidung der Wesen äußert, so äußert sich die Einsicht in der Vermeidung der (die Wiedergeburt bedingenden) Karmaformationen.

 

Der Verblendetgeartete (moha-carita) aber gleicht dem Geistig-unruhig-gearteten (vitakka), denn während der Verblendetgeartete sich darum bemüht, die noch nicht aufgestiegenen verdienstvollen Zustände zu erwecken, steigen ihm häufig hemmende Gedanken auf, eben weil diese ähnliche Merkmale haben wie die Verblendung; wie nämlich die Verblendung infolge ihrer völligen Verworrenheit unbeständig ist, so ist es das Denken infolge der vielartigen Gedanken; und wie die Verblendung infolge des Mangels an durchdringendem Blicke unbeständig ist, so is es das Denken infolge der schnellen Gedankentätigkeit.

 

Andere nun behaupten, daß es auf Grund von Begehrsucht (tanhā), Dünkel (māna) und Ansichten (ditthi) noch drei weitere Naturen gebe. Da aber hierbei 'Begehrsucht' dasselbe ist wie 'Begehren' (rāga) und der Dünkel damit verbunden ist, so gehen eben diese beiden Naturen über die begehrliche Natur nicht hinaus. Und da die Ansichten ihren Grund in der Verblendung haben (s.Tab.I.32), so geht die ansichtbehaftete Natur über die verblendete Natur nicht hinaus.

 

Wodurch aber sind jene Naturen bedingt? Und wie kann man erkennen, daß dieser Mensch begehrlich geartet ist, jener aber eine von den übrigen Naturen besitzt, wie eine ärgerliche Natur usw.? Und für welcherart Menschen ist dieses und jenes heilsam?


Vis. III. Die Entstehung der verschiedenen Naturen

 

Einige (hier ist, wie diesmal auch Dhammapāla's Kommentar ausdrücklich angibt, wiederum Upatissa, der Verfasser der Vimutti-Magga, gemeint) sagen nun, die drei früheren Naturen seien bedingt durch vorgeburtliches Wirken, sowie durch die Elemente und die Körpersäfte.

 

Der Begehrlichgeartete (rāga-carita) nämlich habe in früherer Geburt eine angenehme Beschäftigung und viele reine Werke ausgeübt; oder, aus dem Himmel abgeschieden, sei er hier wiedergeboren worden. Der Ärgerlichgeartete (dosa-carita) aber habe in früherer Geburt viele feindselige Handlungen, wie Stechen, Schlagen und Binden, ausgeübt; oder aus der Hölle (niraya) oder dem Dämonenreich abgeschieden, sei er hier wiedergeboren worden. Der Verblendetgeartete (moha-carita) habe in früherer Geburt häufig berauschende Getränke getrunken und das Lernen und Befragen vernachlässigt; oder aus dem Tierreich abgeschieden, sei er hier wiedergeboren worden. Auf diese Weise, sagen sie, seien die Naturen durch früheres Wirken bedingt.

 

Durch das Überwiegen zweier Elemente aber sei der Mensch verblendet geartet, nämlich des festen und flüssigen Elementes; durch das Überwiegen der beiden anderen sei er ärgerlich geartet; infolge der Gleichmäßigkeit aller Elemente aber sei er begehrlich geartet. Und hinsichtlich der Körpersäfte: wer zuviel Schleim hat, sei begehrlich geartet, und wer zuviel Wind hat, verblendet geartet; oder wer zuviel Schleim hat, sei verblendet geartet, und wer zuviel Wind hat, begehrlich geartet. Auf diese Weise, so sagen diese, seien die Naturen durch die Elemente und durch die Körpersäfte bedingt (bis hierher geht das wörtliche Zitat aus Upatissa's Vimutti Magga).

 

Weil da nun sowohl diejenigen, die in früherer Geburt eine angenehme Beschäftigung und viele gute Werke ausgeübt haben, als auch die aus dem Himmel Abgeschiedenen und hier Wiedergeborenen nicht alle begehrlich geartet sind, und auch die übrigen nicht alle ärgerlich oder verblendet geartet sind, so gibt es eben nach dieser erwähnten Methode keine Feststellung aufgrund des Überwiegens der Elemente. Und in der Feststellung aufgrund der Körpersäfte sind Begehren und Verblendung beide schon genannt; auch dies steht mit dem Früheren und Späteren in Widerspruch. Was aber solche Naturen anbetrifft wie die vertrauensvolle Natur usw., so wird da auch nicht von einer einzigen der Grund angegeben. Daher ist dies alles eine unbestimmte Aussage.

 

Folgendes nun ist die Erklärung hierüber in Übereinstimmung mit der Meinung der Kommentarlehrer. Denn so heißt es in der "Verkündung vom Überwiegen" (Dhs. Kom. p.267): -

 

"Durch vorgeburtliche Gründe bedingt überwiegen die Wesen in Begehren oder Ärger oder Verblendung oder Gierlosigkeit oder Haßlosigkeit oder Unverblendung.

Diese den moralischen Wert unserer Willenshandlungen, als heilsames bzw. unheilsames Karma, bestimmenden 6 Wurzeln (mūla) oder wurzelbedingungen (hetu) sind:

  1. lobha (= rāga, tanhā usw.): Begehren, Gier, selbstisches Wünschen;
  2. dosa: Haß, Zorn Ärger usw.
  3. moha (= avijjā): Verblendung, Unwissenheit, Torheit usw.
  4. alobha: Nicht-gier, Begehrlosigkeit, Selbstlosigkeit.
  5. adosa: Nicht-Haß, Haßlosigkeit, Güte (mettā).
  6. amoha: Unverblendung', Wissen (paññā).

 

"In wem nämlich zur Zeit des Anhäufens von Taten (kammāyūhana) das Begehren stark, die Gierlosigkeit (Selbstlosigkeit) aber schwach ist, und Haßlosigkeit (Wohlwollen) und Unverblendung (Wissen) stark, Ärger und Verblendung aber schwach sind, bei dem kann die schwache Gierlosigkeit das Begehren nicht bezwingen; wohl aber können seine starke Haßlosigkeit und Unverblendung den Ärger und die Verblendung bezwingen. Wer daher aufgrund einer durch solches Wirken (karma) gezeugten Wiedergeburt ins Dasein getreten ist, ein solcher ist begehrlich, von froher Natur, ohne Zorn, einsichtsvoll, und seine Erkenntnis gleichet einem Diamanten.

 

"In wem aber bei Anhäufung von Taten Begehren und Ärger stark, Gierlosigkeit und Haßlosigkeit aber schwach sind, und Unverblendung stark, Verblendung aber schwach ist, ein solcher wird, entsprechend der früheren Erklärung, sowohl begehrlich als auch ärgerlich sein, aber einsichtsvoll und von diamantgleicher Erkenntnis, gleichwie der Ordensältere Dattābhaya.

 

"In wem aber bei Anhäufung von Taten Begehren, Haßlosigkeit und Verblendung stark, die übrigen Eigenschaften aber schwach sind, ein solcher wird, entsprechend der früheren Erklärung, sowohl begehrlich als auch dumm sein, aber von froher Natur, ohne Zorn, gleichwie der Ordensältere Bakulo.

 

"Ebenso, in wem bei Anhäufung von Taten alle drei: Begehren, Ärger und Verblendung stark, Gierlosigkeit usw. aber schwach sind, ein solcher wird, entsprechend der früheren Erklärung, sowohl begehrlich als auch ärgerlich und verblendet sein.

 

"In wem aber bei Anhäufung von Taten Gierlosigkeit, Ärger und Verblendung stark, die übrigen Eigenschaften aber schwach sind, ein solcher wird, entsprechend der früheren Erklärung, gierlos sein, mit wenigen Leidenschaften behaftet, und selbst beim Anblick eines himmlischen Objektes unerschütterlich, aber er wird ärgerlich sein und stumpf in Erkenntnis.

 

"In wem aber bei Anhäufung von Taten Gierlosigkeit und Haßlosigkeit und Verblendung stark, die übrigen Eigenschaften aber schwach sind, ein solcher wird, entsprechend der früheren Erklärung, gierlos, haßlos und von froher Natur sein, aber dumm.

 

"Ebenso, in wem bei Anhäufung von Taten Gierlosigkeit, Haß und Unverblendung stark, die übrigen Eigenschaften aber schwach sind, ein solcher wird, entsprechend der früheren Erklärung, gierlos und einsichtsvoll sein, aber böse und zornig.

 

"Ebenso, in wem bei Anhäufung von Taten alle drei: Gierlosigkeit, Haßlosigkeit und Unverblendung stark, Begehren usw. aber schwach sind, ein solcher wird, entsprechend der früheren Erklärung, begehrlos, haßlos und einsichtsvoll sein, gleichwie der Ordensältere Mahā-Sangharakkhita."

 

Der in diesem Texte nun als begehrlich Bezeichnete gilt als der Begehrlichgeartete, der Ärgerliche als der Ärgerlichgeartete und der Dumme als der Verblendetgeartete; der Einsichtsvolle aber gilt als der Verständnisvollgeartete; und der Gierlose und der Haßlose gelten wegen ihrer Zuversichtlichen Natur als die Vertrauensvollgearteten.

 

Oder, wie einer, der einem von Unverblendung begleiteten (vorgeburtlichen) Wirken (karma) entsprang, verständnisvoll geartet ist, so auch ist, wer einem von festem Vertrauen begleiteten Wirken entsprang, vertrauensvoll geartet; und wer einem von sinnlichen und anderem Denken begleiteten Wirken entsprang, ist geistig-unruhig geartet. Wer einem von gemischten Eigenschaften, wie Begehren usw., begleiteten Wirken entsprang, der ist von gemischter Art.

 

Das wiedergeburterzeugende Wirken (karma) also, das von der einen oder anderen der Eigenschaften, wie Begehren usw., begleitet ist, dieses ist als die Bedingung zur Entstehung der verschiedenen Naturen zu betrachten.


Vis. III. Das Erkennen der verschiedenen Naturen

 

Hinsichtlich der Frage nun, wie man erkennen könne, ob ein Mensch begehrlich geartet sei usw., da gilt folgende Regel:

An Körperhaltungen, Verrichtungen,
Am Essen, Schauen und so weiter,
Am Auftreten von Eigenschaften:
Daran erkennt man die Naturen.

 

"An Körperhaltungen" bedeutet da: - Wenn der Begehrlichgeartete mit seinem natürlichen Gange geht, so schreitet er voll Anmut; langsam und gleichmäßig setzt er seinen Fuß nieder, gleichmäßig erhebt er ihn, und seinen Fuß hält er hoch gewölbt (*21). Der Ärgerlichgeartete geht als ob er mit seiner Fußspitze den Boden aufgrabe; hastig setzt er seinen Fuß nieder, hastig erhebt er ihn, und mit seinem Fuße gräbt er den Boden auf (*22). Der Verblendetgeartete hat einen verworrenen Gang; gleichsam os zögernd setzt er seinen Fuß nieder, gleichsam zögernd erhebt er ihn, und sein Schritt ist gewaltsam gehemmt. Auch anläßlich der Rede an Māgandhiya heißt es:

 

"Der Gierbehaftete hält hoch gewölbt den Fuß,
Der Zornige gräbt mit dem Fuß den Boden auf;
Gewaltsam aber scheint gehemmt des Toren Fuß,
Des Wahnenthüllten Fuß jedoch ist solcher Art."

(*21) ukkutikam (ud + kut) eig. 'aufgebogen', nach den sinh. Kommentaren im Sinne von Gewölbtsein des Fußes. Der Kom. hat asamphuttha-majjham "ohne in der Mitte (den Boden) zu berühren." Upatissa gibt den Begriff anders wieder. Hier mag erwähnt werten, daß der Buddha nach volkstümlicher Auffassung eine ganz flache Fußsohle hatte, was als eines der Merkmale eines großen Mannes betrachtet wurde.

(*22) anukaddhitam (fehlt im PTS. Dict.), eig. 'nachgezogen', nachgeschleift oder auch 'entlang gefurcht, entlang gepflügt.' Nach dem Kom., wie nach dem chinesischen Vimutti-Magga, jedoch besagt diese Stelle, daß der Ärgerlichgeartete beim Niedersetzen des Fußes mit der Fußspitze (den Boden oder Sand) gleichsam aufgrabe.

Auch das Stehen des Begehrlichgearteten ist anmutig und macht einen freundlichen Eindruck, das des Ärgerlichgearteten sieht steif aus, und das des Verblendetgearteten sieht verworren aus. Auch für das Sitzen gilt dieselbe Erklärung.


 

Der Begehrlichgeartete macht, ohne zu hasten, in ordentlicher Weise sein Bett zurecht, legt sich langsam nieder, hält seine Glieder zusammen und schläft in anmutiger Weise; aufgefordert aufzustehen, erhebt er sich nicht sofort, sondern, als wäre er besorgt, gibt er langsam Antwort. - Der Ärgerlichgeartete macht hastig auf diese oder jene Weise sein Bett, und seine Brauen zusammenziehend, wirft er seinen Körper nieder und schläft; aufgefordert aufzustehen, erhebt er sich sofort, und, als wäre er erzürnt, gibt er Antwort. - Der Verblendetgeartete macht sein Bett in unordentlicher Weise; und seinen Körper hin und her wälzend, schläft er meistens mit dem Gesicht nach unten; aufgefordert aufzustehen aber macht er 'Hm' und erhebt sich träge.

 

Weil nun der Vertrauensvollgeartete usw. dem Begehrlichgearteten usw. gleicht, so ist auch die Bewegungsweise beider die gleiche. Auf diese Weise mag man an den Körperhaltungen die Naturen erkennen.

 

"An den Verrichtungen": - Was die Verrichtungen wie Kehren usw. anbetrifft, so faßt der Begehrlichgeartete den Besen in richtiger Weise an, und ohne zu hasten und den Sand zu verstreuen kehrt er sauber und eben, gleichsam also ob er eine Menge edler Indusblumen ausstreue. - Der Ärgerlichgeartete faßt den Besen derb an, und in hastiger Art den Sand auf beiden Seiten aufhäufend, kehrt er unter lautem Geräusch unsauber und uneben. - Der Verblendetgeartete faßt den Besen lose an, und den Sand aufwirbelnd und durcheinander werfend, kehrt er unsauber und uneben. - Und wie beim Kehren, so bei allen Verrichtungen, wie Waschen und Färben der Gewänder usw., zeigt sich der Begehrlichgeartete geschickt, anmutig, ebenmäßig und voll Sorgfalt, der Ärgerlichgeartete aber hart, steif und unharmonisch, und der Verblendetgeartete ungeschickt, verwirrt, unharmonisch und ungenau. - Auch wenn der Begehrlichgeartete das Gewand trägt, trägt er es nicht zu fest, nicht zu lose, sondern voll Anmut und so, daß es den Körper ringsherum bedeckt; beim Ärgerlichgearteten liegt das Gewand zu fest an und bedeckt nicht den Körper ringsherum; beim Verblendetgearteten ist es lose und in Verwirrung. - In Übereinstimmung mit diesen kann man auch, wegen ihrer Ähnlichkeit damit, die Menschen von vertrauensvoller Natur usw. erkennen. Auf diese Weise mag man die Naturen an den Verrichtungen erkennen.

 

"Am Essen": - Der Begehrlichgeartete ist ein Freund von milden und süßen Speisen; beim Essen formt er, ohne zu hasten, runde, nicht zu große Reisballen und empfindet dabei den verschiedenartigen Geschmack; hat er aber irgend etwas Wohlschmeckendes erhalten, so empfindet er Freude. - Der Ärgerlichgeartete liebt herbe und saure Speisen; beim Essen formt er Ballen, die so groß sind wie sein Mund, und er ißt hastig und ohne den Geschmack zu empfinden; hat er aber etwas Übelschmeckendes erhalten, so wird er verdrossen. Der Verblendetgeartete hat keine bestimmte Neigung; beim Essen formt er kleine, nicht runde Ballen, währenddessen er (die Abfälle) in die Schüssel wirft, seinen Mund beschmiert und zerstreuten Geistes an dies und jenes denkt. - In Übereinstimmung mit diesen kann man auch, wegen der Ähnlichkeit damit, die Menschen von vertrauensvoller Natur usw. erkennen. Auf diese Weise mag man die Naturen am Essen erkennen.

 

"Am Schauen usw.": - Schon beim Anblicke einer auch nur wenig entzückenden Erscheinung schaut der Begehrlichgeartete lange hin, als ob er ganz bezaubert sei; und an einem kleinen Vorzuge haftet er und gibt selbst einen vorhandenen Fehler nicht zu; auch beim Weggehen entfernt er sich mit Bedauern, gleichsam als wolle er sich gar nicht davon trennen. - Der Ärgerlichgeartete aber fühlt sich schon beim Anblick einer auch nur wenig unschönen Erscheinung gleichsam belästigt und schaut nicht lange hin; bei einem kleinen Fehler aber fühlt er sich abgestoßen, und einen selbst vorhandenen Vorzug gibt er nicht zu; auch beim Weggehen entfernt er sich ohne Bedauern, gleichsam als trenne er sich gerne davon. - Der Verblendetgeartete aber verläßt sich auf die Anderen, was für eine Erscheinung auch immer er erblickt; hört er, wie ein anderer tadelt, so tadelt er auch; hört er, wie er lobt, so lobt er auch; selber aber ist er infolge seiner in Unwissenheit bestehenden Gleichgültigkeit völlig indifferent. Diese Erklärung gilt auch beim Vernehmen von Tönen usw. - In Übereinstimmung mit diesen kann man, wegen ihrer Ähnlichkeit damit, auch die Menschen von vertrauensvoller Natur usw. erkennen. Auf diese Weise mag man am Schauen usw. die Naturen erkennen.

 

"Am Aufsteigen von geistigen Zuständen": - Im Begehrlichgearteten treten häufig solche Dinge auf, wie: Gleisnerei, Hinterlist, Dünkel, üble Ehrbegierde, Unbescheidenheit, Ungenügsamkeit, Putzsucht, Unbeständigkeit usw.; - im Ärgerlichgearteten: Zorn, Wut, Verkleinerungssucht, Herrschsucht, Neid, Geiz usw.; - im Verblendetgearteten: Stumpfheit, Mattigkeit, Aufgeregtheit (*23), Gewissensunruhe, Zweifel, Hartnäckigheit (erklärt als "unweises Festhalten"), Unnachgiebigkeit usw.; - im Vertrauensvollgearteten: Freigebigkeit, Freude am Besuchen der Edlen, Freude am Hören der edlen Lehre, große Fröhlichkeit, Offenheit, Unverstecktheit, Vertrauen zu vertrauenverdienenden Dingen usw.; - im Verständnisvollgearteten: Nachgiebigkeit, edle Freundschaft, Mäßigkeit beim Mahle, Achtsamkeit und Wissensklarheit, Neigung zur Wachsamkeit, Begeisterung hinsichtlich begeisterungverdienender Dinge, ernstes Streben voller Begeisterung usw.; - im Geistig-unruhig-Gearteten: übermäßige Plauderei, Freude an Geselligkeit, Unlust an der Ausübung verdienstvoller Dinge, geistige Unbeständigkeit, 'Rauchen' bei Nacht, 'Flackern' bei Tage (*25), Hin-und-her-Hasten usw. Auf diese Weise mag man am Aufsteigen der geistigen Zustande die Naturen erkennen.


(*23) uddhacca. Kom.: "u. ist die Unruhe des Geistes" (cetaso avupasamo uddhacca). Leider finden sich noch immer Autoren, die diesen so wichtigen Begriff mit 'Stolz' u.dgl. übersetzen. Siehe nīvarana.

(*25) In M.23 heißt es von diesem: "Was er, o Mönch, für das Tagewerk in der Nacht überlegt und erwägt, das ist das Rauchen bei Nacht. Und was er nach der nächtlichen Überlegung und Erwägung am Tage in Werken, Worten und Gedanken wirkt, das ist das Flackern bei Tage."


 

Da nun aber diese Methode die Naturen zu erkennen, weder im Kanon noch im Kommentar vollständig überliefert, sondern das Ganze nur gemäß der Meinung der Lehrer berichtet ist, so braucht man dies nicht als etwas Wesentliches aufzufassen. Denn die erwähnte Körperhaltung usw. des Begehrlichgearteten können auch die Ärgerlichgearteten usw. ausführen, wenn sie unermüdlich dabei beharren. Und bei Menschen gemischter Artung haben Körperhaltungen usw. keine besonderen Merkmale. Die aber in den Kommentaren erwähnte Art, die Naturen zu erkennen, hat man als wesentlich aufzufassen. Denn es heißt:

 

"Ein Lehrer mit herzdurchschauender Erkenntnis wird das geistige Übungsobjekt darlegen, nachdem er des Schülers Natur erkannt hat. Ein anderer aber soll den Schüler darob befragen." Ob somit ein Mensch begehrlich geartet ist oder eine von den übrigen Naturen besitzt, wie eine ärgerliche Natur usw., das mag man erfahren entweder vermittels der herzdurchschauenden Erkenntnis oder dadurch, daß man den Betreffenden darüber befragt.


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