Visuddhi Magga II

4. Die Übung des Von-Haus-zu-Haus-Gängers (sapadana-carikanga)

 

Auch die Übung des 'Von-Haus-zu-Haus-Gängers' nimmt man in einem von folgenden beiden Aussprüchen als Gelübde auf sich, nämlich: 'Den unterbrochenen (oder: gierigen) Almosengang verwerfe ich; die Übung des Von-Haus-zu-Haus-Gängers nehme ich als Gelübde auf mich'.

 

,Der Von-Haus-zu-Haus-Gänger' nun soll, sobald er sich am Eingang zum Dorfe befindet, feststellen, ob keine Gefahr (durch Elefanten usw.) im Wege ist. Das Dorf oder die Straße, wo sich eine Gefahr bietet, soll er meiden und anderswo hingehen. Wenn er vor einer Haustür oder auf der Straße oder im Dorf nichts erhält, soll er dieses nicht als Dorf ansehen, sondern fortgehen. Den Ort aber, wo er etwas erhält, darf er nicht verlassen und anderswo hingehen. Ein solcher Mönch nun sollte sich zeitig zum Dorf begeben, denn so wird er imstande sein, einen ungünstigen Ort zu verlassen und anderwärts hinzugehen. Wenn man aber in seinem Kloster Gaben gibt oder auf der Straße die Leute herankommen und, seine Schale entgegennehmend, ihm Almosenspeise geben, so darf er sie annehmen. Auch wenn er zur Zeit des Almosenganges auf seinem Wege ein Dorf erreicht, so soll er es nicht übergehen. Und wenn er dort nichts oder nur wenig erhält, soll er der Reihe nach von Dorf zu Dorf gehen. Das nun sind die Ausübungsvorschriften für ihn.

 

Hinsichtlich der Einteilung ist auch dieser Asket von dreierlei Art. Hier nun nimmt der hervorragende Asket keine Speise an, die man von vorn oder hinten herangebracht hat (d.i. bevor er ein Haus erreicht oder nachdem er es schon verlassen hat), oder die man zur Speisehalle bringt und ihm dort anbietet. Sobald er aber die Tür (eines Hauses) erreicht hat, gibt er die Schale ab. Hinsichtlich dieser Läuterungsübung gibt es keinen, der dem Ordensälteren Mahā-Kassapa gliche. Auch der Ort, wo er seine Schale abgab, ist wohlbekannt (*53). Der mittelmäßige Asket nimmt sowohl die Almosenspeise, die man von vorn oder hinten herangebracht hat, als auch gibt er, sobald er an die Tür kommt, die Schale ab; aber er setzt sich nicht hin, um die Almosenspeise abzuwarten. Hierin gleicht er dem hervorragenden Brockensammler. Der schlaffe Asket aber setzt sich an diesem Tage hin und wartet.

 

(*53) Nämlich die Haustür des Götterfürsten Sakra, der damals, als Weber verkleidet, in der Straße der Weberkaste wohnte (Parākr.)

 

Sobald jedoch bei diesen drei Asketen sich eine Unterbrechung bei ihrem Almosengange zeigt, in diesem Augenblicke übertreten sie die Läuterungsübung. Dies nun gilt hierbei als die Übertretung.

 

Folgendes aber sind die Segnungen, nämlich: die Tatsache, daß man in den Familien stets ein Neuling bleibt (*55); daß man dem Monde gleicht (*56); Überwindung der Scheelsucht (*57) hinsichtlich der Familien; gleichmäßige Gunstbezeigung für alle; Freisein von den Nachteilen eines in den Familien verkehrenden Mönches; keine Lust an Einladungen; Unbekümmertheit bei Darbringung von Gaben; ein mit der Bedürfnislosigkeit im Einklang stehendes Leben.

 

 (*55) Weil man unterschiedslos zu allen Häusern um Almosen geht und sich nicht bloß auf einige Gabenspänder beschränkt.
(*56) Der überall hinscheint und zwischen Arm und Reich keinen Unterschied macht.
(*57) d.i. des Neides gegen andere Mönche, die auch von demselben Spender Almosen erhalten.

 

Dem Monde gleich, stets Neuling in den Häusern,
Nicht selbstig, allen gleiche Gunst gewährend,
Frei von den Schäden des Familienfreundes
Ist, wer um Speise geht von Haus zu Haus.

 

D'rum wer ein freies Leben wünscht auf Erden,
Vermeid' kein einzig' Haus beim Bettelgang.
Gesenkten Blicks, ein Joch weit vor sich blickend,
Sollt' er, der Weise, geh'n von Haus zu Haus.

 

Dies nun ist hinsichtlich der Übung des 'Von-Haus-zu-Haus-Gängers' die Beschreibung des Aufsichnehmens als Gelübde, der Ausübungsvorschriften, Einteilung, Übertretung und Segnungen.  


Vis. II. 5. Die Übung des Einmal-Essers (ekāsanikanga)

 

Auch die Übung des Einmal-Essers nimmt man in einem von folgenden beiden Aussprüchen als Gelübde auf sich, nämlich: 'Das Essen bei mehreren Sitzungen verwerfe ich; die Übung des Einmal-Essers nehme ich als Gelübde auf mich'.

 

Wenn nun jener Einmal-Esser sich in die Speisehalle setzt, soll er sich nicht auf dem Sitze des Ordensälteren niederlassen, sondern vor dem Niedersitzen einen angemessenen Sitz ausfinden: 'Dieser Sitz wird mir wohl zukommen'. Wenn aber, vor Beendigung des Mahles, sein Lehrer oder Berater kommt, soll er seine Pflicht tun und sich erheben (zum Zeichen der Ehrerbietung). Der Ordensältere Tipitaka-Cūlâbhaya aber sagt: 'Er mag (um das Gelübde nicht zu übertreten) seinen Sitz beibehalten und sein Mahl fortsetzen. Wer sein Mahl noch nicht beendet hat, mag zwar seine Pflicht erfüllen (sich erheben), das Mahl aber darf er dann nicht mehr essen. Dies sind die Ausübungsvorschriften für ihn.

Hinsichtlich der Einteilung ist auch dieser Asket von dreierlei Art.

Hat der hervorragende unter den Asketen einmal seine Hand bei irgend welcher Speise zurückgezogen - sei's wenig oder viel, - so ist es ihm nicht erlaubt, darauf noch weitere Speisen anzunehmen. Selbst wenn die Leute Butteröl usw. bringen, aus dem Grunde, daß er, der Ordensältere, noch nichts gegessen habe, so sind diese Dinge nur zu Arzneizwecken erlaubt, nicht aber als Nahrung.

Der mittelmäßige Asket aber darf, solange die Speise in seiner Almosenschale noch nicht zu Ende ist, noch weitere Speise annehmen. Ein solcher gilt fürwahr als 'durch die Speisen begrenzt'.

Der schlaffe Asket mag essen, solange er sich noch nicht vom Sitze erhebt. Ein solcher gilt fürwahr als 'durch Wasser begrenzt', weil er solange beim Essen bleibt, solange er nicht das Wasser zum Reinigen der Schale genommen hat; oder er gilt als 'durchs Sitzen begrenzt', weil er solange ißt, solange er sich nicht erhebt.

 

Sobald aber diese drei Asketen bei verschiedenen Sitzungen Speise zu sich nehmen, in diesem Augenblick übertreten sie die Läuterungsübung. Dies nun gilt hierbei als die Übertretung.

 

Folgendes aber sind die Segnungen, nämlich: Gesundheit, Unbedrücktheit, Beweglichkeit, Kraft, Wohlsein, Fernhaltung von Übertretungen durch Essen nichtübergebliebener Speisen, Unterdrückung der Geschmäckigkeit, und eine der Bedürfnislosigkeit usw. entsprechende Lebensweise.

 

Den Mönch, der sich mit einem Mahl begnügt,
Quält (*59) kein durch's Essen aufgestieg'ner Schmerz;
Und, frei von Gier nach lieblichen Genüssen,
Läßt nimmer er sein eignes Werk (*60) im Stich.
 
(*59) visahati, mit der Bedeutung 'überwältigen, in der Gewalt haben' usw.
(*60) Nämlich die Entfaltung von Gemütsruhe (samatha) und Hellblick (vipassanā).

 

D'rum finde laut'ren Herzens der Asket
Gefallen an nur einem einz'gen Mahl,
Denn solches ist ein Quell des Wohlbefindens,
Von Reinen und Entsagungsfroh'n befolgt.

 

Dies nun ist hinsichtlich der Übung des Einmal-Essers die Beschreibung des Aufsichnehmens als Gelübde, der Ausübungsvorschriften, Einteilung, Übertretung und Segnungen.  


Vis. II. 6. Die Übung des Topfspeisers (pattapindikanga)

 

Auch die Übung des Topfspeisers nimmt man in einem von folgenden beiden Aussprüchen als Gelübde auf sich, nämlich: 'Ein zweites Gefäß verwerfe ich; die Übung des Topfspeisers nehme ich als Gelübde auf mich.'

 

Wenn jener Topfspeiser aber, während er Reissuppe verzehrt, in einem Gefäße Zuspeise (von gewürztem Gemüse, Fleisch, Fisch usw.) erhält, so soll er zuerst entweder die Zuspeise oder die Reissuppe verzehren. Denn wenn er jene zur Reissuppe tut, so wird, im Falle er Zuspeise von stinkendem Fisch usw. hineintut, die Reissuppe widerlich. Er soll aber nicht etwas genießen, das er widerlich gemacht hat. Dies wurde also mit Hinsicht auf solcherart Zuspeise gesagt. Etwas aber, das nicht widerlich ist, wie Honig, Zucker u. dgl., mag er hineintun. Ferner soll er beim Nehmen genau das rechte Maß einhalten. Rohes Gemüse mag er mit der Hand nehmen und dazu essen; oder wenn er das nicht tut, soll er es in den Topf tun. Da er aber jedes zweite Gefäß verworfen hat, darf er auch keine weiteren Baumblätter (*68) (als Teller) gebrauchen. Dieses sind die Ausübungsvorschriften für ihn.

 

(*68) Z.B. Bananenblätter, die häufig als Teller für die Zuspeisen benutzt werden.

 

Hinsichtlich der Einteilung ist auch dieser Asket von dreierlei Art. Der hervorragende unter den Asketen darf beim Essen aus seiner Schale keine Abfälle wegwerfen, ausgenommen beim Verzehren von Zuckerrohr. Auch darf er die Reisklumpen, sowie Fisch, Fleisch und Kuchen vor dem Verzehren nicht zerteilen. Der mittelmäßige Asket aber darf sie vor dem Verzehren mit der Hand zerteilen; als 'Handasketen' bezeichnet man diesen. Den schlaffen Asketen bezeichnet man als 'Topfasketen', weil er alles, was man in den Almosentopf hineintun kann, vor dem Verzehren mit der Hand oder den Zähnen zerteilen mag.

 

In dem Augenblick jedoch, wo diese drei ein zweites Gefäß annehmen, übertreten sie die Läuterungsübung. Dies nun gilt hierbei als die Übertretung.

 

Folgendes aber sind die Segnungen, nämlich: Austreibung der Begierde nach den vielen Geschmacksobjekten; Überwindung der Unersättlichkeit; die Tatsache, daß man bloß den Nutzen der Nahrung im Auge hat; keine Mühe mit dem Wegräumen von Schüsseln; keine Verwirrung beim Essen; eine der Bedürfnislosigkeit usw. angemessene Lebensweise.

 

Nicht mehr verwirrt durch viele Schüsseln,
Die Augen vor sich hin gewandt (*70),
Und, pflichtreu, die Geschmäckigkeit
Mit allen Wurzeln rottend aus,

 

 (*70) stets auf die Almosenschale gerichtet, da er andere Schüsseln und Gefäße nicht gebraucht.

 

Verkörpernd die Zufriedenheit,
Das Herz von Heiterkeit erfüllt:-
Wer mag wohl so sein Mahl verzehren?
Wer anders als der 'Topfesser'?

 

Dieses nun ist hinsichtlich der Übung des Topfspeisers die Beschreibung des Aufsichnehmens als Gelübde, der Ausübungsvorschriften, Einteilung, Übertretung und Segnungen.  


Vis. II. 7. Die Übung des die spätere Speise Verwerfenden (khalupacchāpindikanga)

 

Auch die Übung des die spätere Speise Verwerfenden nimmt man in einem von folgenden beiden Aussprüchen als Gelübde auf sich, nämlich: ' Übergelassene Speise (*73) verwerfe ich; die Übung des die spätere Speise Verwerfenden nehme ich als Gelübde auf mich.'

 

Sobald nun ein solcher eine Speise zurückgewiesen hat darf er nicht von neuem wieder sich Speise annehmbar machen lassen und davon verzehren (*75). Dieses sind die Ausübungsvorschriften für ihn.


(*73) Kom.: "Was ihm beim Essen angeboten wird, das gilt nach seiner Zurückweisung als 'übergelassene Speise'."
(*75) Hat der Mönch irgend eine Speise zurückgewiesen, so darf er nach Pācittiya 36 des Pātimokkha keine weiteren Speisen mehr annehmen, falls er dieselben nicht durch einen Vinaya-Akt wieder 'annehmbar' (kappiya) hat machen lassen. Wer aber obige Läuterungsübung befolgt, dem ist auch solches unter keiner Bedingung gestattet.

 

Hinsichtlich der Einteilung ist auch dieser Asket von dreierlei Art. Weil nun hinsichtlich der ersten Almosenspeise es nicht so etwas gibt wie Zurückweisen, beim Verzehren derselben aber für den (eine weitere Speise) Verwerfenden noch eine andere vorhanden ist, darum nimmt der hervorragende Asket, nachdem er die erste Speise verzehrt hat, nach solchem Zurückweisen keine zweite Speise mehr zu sich. Der mittelmäßige Asket aber ißt bloß noch diejenige Speise, bei der er (eine weitere Speise) zurückgewiesen hat. Der schlaffe Asket aber ißt solange, als er sich nicht vom Sitze erhebt.

 

Sobald aber diese drei, nachdem sie eine Speise zurückgewiesen haben, sich (von neuem wieder) Speisen annehmbar machen lassen und davon genießen, in diesem Augenblicke übertreten sie die Läuterungsübung. Dies nun gilt hierbei als die Übertretung.

 

Folgendes aber sind die Segnungen, nämlich: Fernhaltung von Übertretungen durch Verzehren nicht übergelassener Speisen; keine Überfüllung des Leibes; keine Aufspeicherung von Speisen; kein wiederholtes Suchen danach; und eine der Bedürfnislosigkeit usw. angemessene Lebensweise.

 

Nicht quälet sich der Weise ab mit Suchen
Nicht speichert er sich Speisevorrat auf;
Die Überfüllung seines Leibes meidet
Der Mönch, der jedes weit're Mahl verwirft.

 

Der Mönch, gewillt die Fehler abzuschütteln,
Befolge darum diese Läut'rungsübung,
Die, einstmals vom Glückseligen gepriesen
Zufriedenheit und andres Gutes zeugt.

 

Dieses nun ist hinsichtlich der Übung des die spätere Speise Verwertenden die Beschreibung des Aufsichnehmens als Gelübde, der Ausübungvorschriften, Einteilung, Übertretung und Segnungen.


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