DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit weilte
der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten
Anāthapindikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die
Mönche: "Ihr Mönche!" - "Erlauchter!"
antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der
Erhabene sprach also:
"'Hier endlich, Mönche, findet man
den Asketen, findet man den zweiten Asketen, den dritten Asketen
und den vierten Asketen, ohne Verlangen nach Zank und Streit mit
anderen Asketen': diesen echtesten Löwenruf, Mönche,
lasset erschallen.
"Aber es könnte wohl sein, ihr Mönche, daß da andersfährtige Pilger also sprächen: 'Mit welchem Fug und Recht, ihr Ehrwürdigen, sprechet ihr also: 'Hier endlich findet man den Asketen, findet man den zweiten Asketen, den dritten Asketen und den vierten Asketen, ohne Verlangen nach Zank und Streit mit anderen Asketen'?' Auf solche Rede andersfährtiger Pilger, ihr Mönche, wäre dies die Antwort:
'Es hat uns, Brüder, der Erhabene, der
Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte vier Dinge
erklärt, die wir nun innig verstehn, und darum sprechen wir
also. Welche vier Dinge? Wir lieben, o Brüder, den Meister,
wir lieben die Lehre, wir erfüllen die Regel des Ordens,
und Rechtschaffene sind uns wert und genehm, sowohl weltliche
als geistliche. Das, ihr Brüder, sind die vier Dinge, die
uns der Erhabene, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen
Erwachte erklärt hat und die wir nun innig verstehn, und
darum sprechen wir also: 'Hier endlich findet man den Asketen,
findet man den zweiten Asketen, den dritten Asketen und den vierten
Asketen, ohne Verlangen nach Zank und Streit mit anderen Asketen'.
"Aber es könnte wohl sein, ihr Mönche,
daß da andersfährtige Pilger also sprächen: 'Auch
wir, o Brüder, lieben den Meister, und der ist unser Meister,
auch wir lieben die Lehre, und das ist unsere Lehre, auch wir
erfüllen die Regel des Ordens, und das ist unsere Regel,
auch uns sind Rechtschaffene wert und genehm, sowohl weltliche
als geistliche; was für eine Beschränkung, ihr Brüder,
was für Eigenart und Verschiedenheit besteht da wohl zwischen
euch und uns?' Auf solche Rede andersfährtiger Pilger, ihr
Mönche, wäre dies zu erwidern: 'Was meint ihr, Brüder:
ist die Vollkommenheit einzeln oder ist sie allgemein?' Und die
rechte Antwort andersfährtiger Pilger, ihr Mönche, wäre:
'Einzeln, ihr Brüder, ist die Vollkommenheit, nicht ist die
Vollkommenheit allgemein.' 'Und diese Vollkommenheit Brüder:
hat die der Gierige oder der Gierlose?' 'Und die rechte Antwort
andersfährtiger Pilger, ihr Mönche, wäre: 'Der
Gierlose, Brüder, nicht der Gierige.' 'Und diese Vollkommenheit,
Brüder: hat die der Hassende oder der Haßlose?' Und
die rechte Antwort andersfährtiger Pilger, ihr Mönche,
wäre: 'Der Haßlose, Brüder, nicht der Hassende.'
'Und diese Vollkommenheit, Brüder: hat die der Irrende oder
der Irrlose?' Und die rechte Antwort andersfährtiger Pilger,
ihr Mönche, wäre: 'Der Irrlose, Brüder, nicht der
Irrende.' 'Und diese Vollkommenheit, Brüder: hat die der
noch Begehrende oder der nicht mehr Begehrende?' Und die rechte
Antwort andersfährtiger Pilger, ihr Mönche, wäre:
'Der nicht mehr Begehrende, Brüder, nicht der noch Begehrende.'
'Und diese Vollkommenheit, Brüder: hat die der noch Anhangende
oder der nicht mehr Anhangende?' Und die rechte Antwort andersfährtiger
Pilger, ihr Mönche, wäre: 'Der nicht mehr Anhangende,
Brüder, nicht der noch Anhangende.' 'Und diese Vollkommenheit,
Brüder: hat die der Wissende oder der Unwissende?' Und die
rechte Antwort andersfährtiger Pilger, ihr Mönche, wäre:
'Der Wissende, Brüder, nicht der Unwissende.' 'Und diese
Vollkommenheit, Brüder: hat die ein bald Verzückter
bald Verstimmter oder ein weder Verzückter noch Verstimmter?'
Und die rechte Antwort andersfährtiger Pilger, ihr Mönche,
wäre: 'Der weder Verzückte noch Verstimmte, Brüder,
dem Geistesformationen behagen und Geistesformationen gefallen,
oder ist es der, dem keine Geistesformationen behagen, keine Geistesformationen
gefallen?' Und die rechte Antwort andersfährtiger Pilger,
ihr Mönche, wäre: 'Dem keine Geistesformationen behagen,
ihr Brüder, keine Geistesformationen gefallen, der ist Vollkommen,
und nicht ist es der, dem Geistesformationen behagen und Geistesformationen
gefallen.'
"Zweierlei Ansichten sind das, ihr Mönche:
die Ansicht vom Dasein und die Ansicht vom Nichtsein. Alle die
Asketen oder Priester, ihr Mönche, die der Ansicht vom Dasein
zugetan sind, der Ansicht vom Dasein huldigen, der Ansicht vom
Dasein anhängen, die werden durch die Ansicht des Nichtseins
verstimmt. Alle die Asketen oder Priester, ihr Mönche, die
der Ansicht vom Nichtsein zugetan sind, der Ansicht vom Nichtsein
huldigen, der Ansicht vom Nichtsein anhangen, die werden durch
die Ansicht des Daseins verstimmt. Alle die Asketen oder Priester,
ihr Mönche, die dieser zwei Ansichten Anfang und Ende, Lust
und Leid und Überwindung nicht der Wirklichkeit gemäß
verstehn, die gierigen, hassenden, irrenden, noch durstigen, noch
anhangenden, unwissenden, bald verzückten bald verstimmten,
denen Geistesformation behagt und Geistesformation gefällt:
die werden nicht erlöst von Geburt, Altern und Sterben, von
Sorge, Kummer und Schmerz, Gram und Verzweiflung, werden nicht
erlöst, sag' ich, vom Leiden. Aber alle die Asketen oder
Priester, ihr Mönche, die dieser zwei Ansichten Anfang und
Ende, Lust und Leid und Überwindung der Wirklichkeit gemäß
verstehn, die gierlosen, haßlosen, irrlosen, die nicht mehr
durstigen, nicht mehr anhangenden, wissenden, weder verzückten
noch verstimmten, denen keine Geistesformation behagt, keine Geistesformation
gefällt: die werden erlöst von Geburt, Altern und Sterben,
von Sorge, Kummer und Schmerz, Gram und Verzweiflung, werden erlöst,
sag' ich, vom Leiden.
"Vier Arten des Anhangens sind das, ihr Mönche:
Es gibt manche Asketen und Priester, ihr Mönche,
die sich fähig erklären, alles Anhangen von Grund aus
darzulegen; doch eine solche Darlegung liefern sie nicht: sie
untersuchen den Hang zur Lust, aber nicht den Hang zur Ansicht,
aber nicht den Hang zu Tugendwerk, aber nicht den Hang zur Selbstbehauptung,
und warum nicht? Jene lieben Asketen und Priester haben eben diese
drei Fälle nicht gebührend bedacht und können daher,
wenn sie auch meinen, alles Anhangen von Grund aus zu verstehn,
eine solche Untersuchung nicht führen. Es gibt manche Asketen
und Priester, ihr Mönche, die sich fähig erklären,
alles Anhangen von Grund aus darzulegen; doch eine solche Darlegung
liefern sie nicht: sie untersuchen den Hang zur Lust, untersuchen
den Hang zur Ansicht, aber nicht den Hang zu Tugendwerk, aber
nicht den Hang zur Selbstbehauptung, und warum nicht? Jene lieben
Asketen und Priester haben eben diese zwei Fälle nicht gebührend
bedacht und können daher, wenn sie auch meinen, alles Anhangen
von Grund aus zu verstehn, eine solche Untersuchung nicht führen.
Es gibt manche Asketen und Priester, ihr Mönche, die sich
fähig erklären, alles Anhangen von Grund aus darzulegen;
doch eine solche Darlegung liefern sie nicht: sie untersuchen
den Hang zur Lust, untersuchen den Hang zur Ansicht, untersuchen
den Hang zu Tugendwerk, aber nicht den Hang zur Selbstbehauptung,
und warum nicht? Jene lieben Asketen und Priester haben eben diesen
einen Fall nicht gebührend bedacht und können daher,
wenn sie auch meinen, alles Anhangen von Grund aus zu verstehn,
eine solche Untersuchung nicht führen.
"In einer solchen Heilsordnung, ihr Mönche,
kann die Liebe zum Meister nicht vollkommen sein, kann die Liebe
zur Lehre nicht vollkommen sein, kann die Erfüllung der Regel
nicht vollkommen sein, kann die Wert- und Genehmhaltung Rechtschaffener
nicht vollkommen sein, und warum nicht? Die Sache, ihr Mönche,
verhält sich eben so, wie's zu erwarten ist bei einer schlechtverkündeten
Heilsordnung, bei einer schlechtdargelegten, abstoßenden,
Unruhe schaffenden, die kein vollkommen Erwachter kundgetan hat.
"Doch der Vollendete, Mönche, der
Heilige, vollkommen Erwachte erklärt sich fähig, alles
Anhangen von Grund aus darzulegen, und er gibt eine solche Darlegung:
er untersucht den Hang zur Lust, er untersucht den Hang zur Ansicht,
er untersucht den Hang zu Tugendwerk, er untersucht den Hang zur
Selbstbehauptung.
"In einer solchen Heilsordnung, ihr Mönche,
kann die Liebe zum Meister vollkommen sein, kann die Liebe zur
Lehre vollkommen sein, kann die Erfüllung der Regel vollkommen
sein, kann die Wert- und Genehmhaltung Rechtschaffener vollkommen
sein, und warum das? Die Sache, ihr Mönche, verhält
sich eben so, wie's zu erwarten ist bei einer wohlverkündeten
Heilsordnung, bei einer wohldargelegten, anziehenden, Ruhe schaffenden,
die ein vollkommen Erwachter kund getan hat.
"Aber dieses vierfache Anhangen, ihr
Mönche, wo wurzelt das, woraus entspringt es, woraus entsteht
es, woraus erwächst es? Dieses vierfache Anhangen wurzelt
im Durst, entspringt aus dem Durst, entsteht aus dem Durst erwächst
aus dem Durst. Und dieser Durst, ihr Mönche, wo wurzelt der,
woraus entspringt er, woraus entsteht er, woraus erwächst
er? Der Durst wurzelt im Gefühl, entspringt aus dem Gefühl,
entsteht aus dem Gefühl, erwächst aus dem Gefühl.
Und dieses Gefühl, ihr Mönche, wo wurzelt das, woraus
entspringt es, woraus entsteht es, woraus erwächst es? Das
Gefühl wurzelt in der Berührung, entspringt aus der
Berührung, entsteht aus der Berührung, erwächst
aus der Berührung. Und diese Berührung, ihr Mönche,
wo wurzelt die, woraus entspringt sie, woraus entsteht sie, woraus
erwächst sie? Die Berührung wurzelt im sechsfachen Reich,
entspringt aus dem sechsfachen Reich, entsteht aus dem sechsfachen
Reich, erwächst aus dem sechsfachen Reich. Und dieses sechsfache
Reich, ihr Mönche, wo wurzelt das, woraus entspringt es,
woraus entsteht es, woraus erwächst es? Das sechsfache Reich
wurzelt in Bild und Begriff, entspringt aus Bild und Begriff,
entsteht aus Bild und Begriff, erwächst aus Bild und Begriff.
Und dieses Bild und Begriff, ihr Mönche, wo wurzelt das,
woraus entspringt es, woraus entsteht es, woraus erwächst
es? Bild und Begriff wurzelt im Bewußtsein, entspringt aus
dem Bewußtsein, entsteht aus dem Bewußtsein, erwächst
aus dem Bewußtsein. Und dieses Bewußtsein, ihr Mönche,
wo wurzelt das, woraus entspringt es, woraus entsteht es, woraus
erwächst es ? Das Bewußtsein wurzelt in den Unterscheidungen,
entspringt aus den Unterscheidungen, entsteht aus den Unterscheidungen,
erwächst aus den Unterscheidungen. Und diese Unterscheidungen,
ihr Mönche, wo wurzeln die, woraus entspringen sie, woraus
entstehn sie, woraus erwachsen sie? Die Unterscheidungen wurzeln
im Nichtwissen, entspringen aus dem Nichtwissen, entstehn aus
dem Nichtwissen, erwachsen aus dem Nichtwissen.
"Hat nun, ihr Mönche, ein Mönch
das Nichtwissen verleugnet und das Wissen erworben: nichtwissensentfremdet
und wissensvertraut haftet er nicht mehr am Hang zur Lust, nicht
am Hang zur Ansicht, nicht am Hang zu Tugendwerk, nicht am Hang
zur Selbstbehauptung. Ohne anzuhangen wird er nicht erschüttert.
Unerschütterlich gelangt er eben bei sich selbst zur Erlöschung.
'Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum, gewirkt das
Werk, nicht mehr ist diese Welt' versteht er da."
Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche
über das Wort des Erhabenen.