Zurueck Milindapañha, Teil 7

7. Kapitel

 

Mil. 7.7.1. Der Wassertopf

 

«Eine Eigenschaft des Wassertopfes, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches ist diese?»

«Gleichwie, o König, der volle Wassertopf keinen Ton von sich gibt so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, der von der Botschaft, den Zielen, den Texten und der Askese eine volle Kenntnis besitzt, keinen Ton darüber äußern, keinen Dünkel darob empfinden, keine Eitelkeit zeigen; sondern frei von Dünkel und Eitelkeit soll er sein, aufrichtig, kein Schwätzer und Prahler. Das, o König, ist die eine Eigenschaft des Wassertopfes, die er anzunehmen hat. Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, sagt im Sutta-Nipāta:

 

Sutta-Nipāta, Vers 721

  


Mil. 7.7.2. Das Eisen

 

«Zwei Eigenschaften des Eisens, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches sind diese?»

«Gleichwie, o König, gut gehärtetes Eisen seinen Zweck erfüllt: so auch erfüllt des Yogi Geist, sobald er in weiser Erwägung gefestigt ist, seinen Zweck. Das, o König, ist die erste Eigenschaft des Eisens, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, das Eisen das einmal aufgesogene Wasser nicht wieder ausscheidet: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, nie wieder das einmal aufgestiegene Vertrauen aufgeben, das da sagt: <Gewaltig ist jener Erhabene, Vollkommen-Erleuchtete, wohldargetan das Gesetz, von vollkommenem Wandel die Jüngerschar.> Und nie soll er wieder aufgeben die einmal aufgestiegene Erkenntnis, daß Form, Gefühl, Wahrnehmung, Geistesbildungen und Bewußtsein vergänglich sind. Das, o König, ist die zweite Eigenschaft des Eisens, die er anzunehmen hat. Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, hat gesagt:

 

  


Mil. 7.7.3. Der Schirm

 

«Drei Eigenschaften des Schirmes, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches sind diese?»

«Gleichwie, o König, der Schirm über dem Haupte schwebt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, sich über die Leidenschaften erheben. Das, o König, ist die erste Eigenschaft des Schirmes, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Schirm von einer an der Spitze befestigten Stütze getragen wird: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, die weise Erwägung zur Stütze haben. Das, o König, ist die zweite Eigenschaft des Schirmes, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Schirm Wind, Sonne und Regen abhält: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, von sich abwehren den großen Wind der von vielen Asketen und Priestern gehegten verschiedenartigen Ansichten, so auch die dreifache Feuersglut (von Gier, Haß und Verblendung), sowie den Regen der Leidenschaften. Das, o König, ist die dritte Eigenschaft des Schirmes, die er anzunehmen hat. Auch der Ordensältere Sāriputta, o König, der Feldherr des Gesetzes, hat gesagt:

 

 

  


Mil. 7.7.4. Das Reisfeld

 

«Drei Eigenschaften des Reisfeldes, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches sind diese?»

«Gleichwie, o König, das Reisfeld mit Kanälen versehen ist: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, versehen sein mit den Kanälen eines guten Lebenswandels und der Erfüllung mannigfacher (mönchischer) Pflichten. Das, o König, ist die erste Eigenschaft des Reisfeldes, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, das Reisfeld einen Grenzdamm hat, und man vermittels dieses Dammes das Wasser zurückhält und dadurch das Korn zur Reife bringt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, Sittlichkeit und Schamgefühl zum Grenzdamm haben und, vermittels dieses Dammes sein Asketentum schützend, sich die Früchte des Asketentums erringen Das, o König, ist die zweite Eigenschaft des Reisfeldes, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, das Reisfeld, wenn es sein hohes Wachstum zeigt, dem Landmann Freude bereitet und schon bei geringer Aussaat eine reiche Ernte bringt, und bei großer Aussaat eine noch reichere: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, ein hohes Wachstum zeigen und hohe Früchte zeitigen; und er soll seinen Unterstützern zur Freude gereichen dadurch, daß schon eine kleine (von ihnen gegebene) Gabe reiche Früchte bringt, und eine große Gabe noch reichere. Das, o König, ist die dritte Eigenschaft des Reisfeldes, die er anzunehmen hat. Auch der Ordensältere Upāli, o König, der Träger der Ordensdisziplin, hat gesagt:

 

  


Mil. 7.7.5. Die Arznei

 

«Zwei Eigenschaften der Arznei, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches sind diese?»

«Gleichwie, o König, in der Arznei kein Ungeziefer entsteht: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, in seinem Geiste keine Leidenschaften entstehen lassen. Das, o König, ist die erste Eigenschaft der Arznei, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, die Arznei alles Gift zerstört, das durch Biß, Berührung, Anblick, Essen, Trinken, Kauen oder Saugen (in den Körper eingedrungen ist): so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, das ganze Gift der Gier, des Hasses und der Verblendung, des Dünkels und der Ansichten zerstören. Das, o König, ist die zweite Eigenschaft der Arznei, die er anzunehmen hat. Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, hat gesagt:

 

  


Mil. 7.7.6. Die Nahrung

 

«Drei Eigenschaften der Nahrung, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches sind diese?»

«Gleichwie, o König, die Nahrung für alle Wesen die Grundlage bildet: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, allen Wesen eine Stütze sein, um den Pfad zu erreichen. Das, o König, ist die erste Eigenschaft der Nahrung, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, die Nahrung bei allen Wesen eine Zunahme an Kraft bewirkt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, anwachsen im Guten. Das, o König, ist die zweite Eigenschaft der Nahrung, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, alle Wesen die Nahrung lieben: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, in aller Welt beliebt sein. Das, o König, ist die dritte Eigenschaft der Nahrung, die er anzunehmen hat. Auch der Ordensältere Mahā-Moggallāna, o König, hat gesagt:

 

  


Mil. 7.7.7. Der Bogenschütze

 

«Vier Eigenschaften des Bogenschützen, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches sind diese?»

«Gleichwie, o König, der Bogenschütze, beim Abschießen eines Pfeils seine beiden Füße fest auf den Boden setzt, seine Knie unbeweglich hält, den Köcher in die Höhlung der Hüfte preßt, den Körper steif hält, die beiden Hände auf die Berührungsstellen (des Pfeils mit dem Bogen) legt, die Faust schließt, die Finger zusammenpreßt, den Hals vorstreckt, den Mund und das eine Auge schließt (der Originaltext hat hier «die Augen», doch sicherlich hält der Schütze ein Auge geöffnet) und auf die Scheibe zielt und Freude empfindet in dem Gedanken, daß er treffen wird: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, die Füße seines Strebens auf den Boden der Sittlichkeit setzen. Nachsicht und Milde unerschütterlich machen, seinen Geist in Selbstbeherrschung festigen, ihn der Zügelung und Zähmung anvertrauen, Begehren und Wahn niederdrücken, in weiser Erwägung seinen Geist beständig machen, seine Willenskraft anspannen, die sechs Tore (der Sinne) abschließen, die Achtsamkeit gegenwärtig halten und Freude empfinden in dem Gedanken, daß er alle Leidenschaften mit seinem Erkenntnispfeile durchbohren werde. Das, o König, ist die erste Eigenschaft des Bogenschützen, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Bogenschütze einen Schraubstock verwendet, um die gebogenen, krummen, schiefen Pfeile gerade zu biegen: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, an diesem Körper die <Grundlagen der Achtsamkeit> (satipatthānā) als Schraubstock verwenden, um den gebogenen, krummen, schiefen Geist gerade zu biegen. Das, o König, ist die zweite Eigenschaft des Bogenschützen, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Bogenschütze sich an der Scheibe im Treffen übt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, sich an diesem Körper üben. Und auf welche Weise? Er soll ihn als vergänglich betrachten, als leidvoll, wesenlos, als Seuche, Schwären, Stachel, Übel, Krankheit und Feind, als hinfällig, als Leiden, Schrecken, Unglück, als ruhelos, gebrechlich, unbeständig, unsicher, ohne Rettung und Zuflucht, als hohl, nichtig, leer, als einen Unsegen, als gehaltlos, als eine Wurzel des Übels, als Mörder, als triebbehaftet zusammengesetzt, als Māras Futter, als der Geburt, dem Alter, der Krankheit und dem Tode unterworfen, der Sorge, Klage und Verzweiflung und der Befleckung. Auf diese Weise soll der Yogi sich an diesem Körper üben. Das, o König, ist die dritte Eigenschaft des Bogenschützen, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Bogenschütze sich des Morgens und Abends im Bogenschießen übt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, sich des Morgens und Abends in der Betrachtung üben. Das, o König, ist die vierte Eigenschaft des Bogenschützen, die er anzunehmen hat. Auch der Ordensältere Sāriputta, o König, der Feldherr des Gesetzes, hat gesagt:

 

 

  


Schlußkapitel

 

 

Als nun der König und der Ordensältere ihre Fragen und Antworten beendet hatten, erbebte sechsmal diese vierundachtzig hundert tausend Meilen breite Erde bis zu ihrer Wassergrenze, Blitze zuckten, und die Himmelswesen ließen einen himmlischen Blütenregen nieder strömen, und der große Brahma spendete seinen Beifall. In der Tiefe des Weltmeeres aber entstand ein gewaltiges, donnerartiges Getöse. Und der König Milinda und die Frauen des Palastes erhoben die gefalteten Hände empor und brachten gesenkten Hauptes ihre Verehrung dar.

Der König Milinda aber war im Herzen von Freude erfüllt. In seinem Herzen war jeder Dünkel unterdrückt. Er dachte über den inneren Kern der Botschaft des Erleuchteten nach, frei von jedem Zweifel am Dreifachen Kleinod, frei vom Dickicht der Ansichten, ohne Hartnäckigkeit. Und voll äußerster Freude über des Ordensälteren Vorzüge und über sein mit dem guten Asketenwandel im Einklang stehendes Benehmen, voll Zuversicht, frei von Gier, ohne Dünkel und Eitelkeit, wie eine ihrer Giftzähne beraubte Brillenschlange, sprach der König also: «Vortrefflich, vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena! Gut hast du die Fragen über das Buddhagebiet gelöst. In diesem Orden des Buddha gibt es keinen zweiten, der dir gleichkommt in der Beantwortung von Fragen, ausgenommen den Ordensälteren Sāriputta, den Feldherrn des Gesetzes. Verzeiht mir, ehrwürdiger Nāgasena, meine Fehler. Als Anhänger betrachtet mich, der von heute ab zeitlebens Zuflucht genommen hat.»

Von dieser Zeit nun ab erwiesen der König und seine Minister dem Ordensälteren Nāgasena ihre Ehrfurcht. Der König ließ ein Kloster mit Namen «Milindakloster» erbauen, vermachte dieses dem Ordensälteren und wartete ihm und den zahllosen leidenschaftserlösten Mönchen mit den vier Bedarfsgegenständen (Gewand, Almosenspeise, Wohnung und Arznei) auf. Und der König, der an dem Wissen des Ordensälteren Gefallen fand, übertrug seinem Sohn die Herrschaft und zog von Hause in die Hauslosigkeit; und durch Entfaltung des «Klarblickes» (vipassanā) errang er die Heiligkeit. Darum heißt es:

 

 

 


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