SUTTA-NIPĀTA, Lehr-Dichtungen

III:11. Nālaka (Nālaka-Sutta)

 

Die epischen Verse 679-698 haben in der uns überlieferten Text-Redaktion den Untertitel Verse der Erzählung (vatthu-gāthā). Sie fehlen in der Sanskrit-Version unserer Sutte, enthalten im Mahā-Vastu, einem Sanskritwerk aus der Hinayāna-Schule der Lokuttaravādins, das etwa aus dem 2. Jahrh. n. Chr. stammt (siehe die Ausg. Senarts, vol. III, p. 382f., Kap. Nālaka-prasna). Sie sind dort ersetzt durch eine auch von dem zusätzlichen Material unseres Pali-Kommnentars weitgehend abweichende Prosa-Einleitung. Diese Tatsache ist jedoch keineswegs ausreichend für die Schlußfolgerung, daß die Einleitungsverse 679-698 späteren Ursprungs sind als das Mahā-Vastu, dessen Parallelstellen zum Pali-Kanon häufig auf offenbar fehler- und lückenhafter Überlieferung basieren. Anklänge an diese epischen Eingangsverse finden sich in Asvagoshas Buddha-Carita.

 

Die Lehrverse 699-723 sind mit dem Moneya-sūte (= moneyyasutta) identifiziert worden, einem der sieben Texte, die Kaiser Asoka im 2. Bairāt-Felsenedikt empfahl (s. Einl.). Diese Verse wurden daher mit dem eingeklammerten Untertitel 'Die Sutte von der Lebensweise eines Muni' versehen.

 

 

Verse der Erzählung

 

679

Himmlische Schar der Dreißig, jubelnd, voller Freuden,
Den Herrscher Sakka, Götter hell gewandet,
Gewänder schwingend, lauten Preis verkündend, -
Sie schaute Asita, der Seher, von seiner Tages-Wohnstatt aus.

 


Himmlische Schar der Dreißig (tidasagane), eine Bezeichnung der 33 Götter (tavatimsa-deva), an deren Spitze Sakka (Indra) steht

Asita. - Aus dem in v. 689 erwähnten Beinamen dieses Sehers (isi, rshi), nämlich Kanhasiri (Dunkel-Glanz), ist ersichtlich, daß sein Name Asita hier gleichfalls der 'Dunkle' oder 'Schwarze' (Skr. asita) bedeutet und nicht der 'Hanglose' (Skr. asrita). So auch K: "Er erhielt seinen Namen wegen seiner dunklen Körperfarbe."


 

680

Als er die frohgestimmten, die entzückten Götter sah
Und seine Achtung er bezeugt, sprach dann der Seher dies:
Warum denn ist so überaus erfreut die Götterschar?
Weshalb wiegt ihr euch hin und her, Gewänder schwingend?

 

681

Auch als mit den Asuren es zum Kampfe kam,
Den Göttern Sieg war, die Asuren unterlagen,
Selbst damals gab es nicht Entzücken diesem gleich.
Welch Wunder sehend, sind erfreut die Götter?

 

682

Sie rufen, singen und sie musizieren,
Sie schlagen die Hände und tanzen im Reigen.
Ich frage euch, die ihr auf Merus Gipfel wohnt.
Löst meinen Zweifel, ihr Verehrten, bald!

 

683 (DIE GÖTTER)

Der die Erleuchtung finden wird*, köstliches Kleinod, ohnegleichen,
Erstanden ist er in der Menschenwelt, zum Glücke und zum Heile ihr,
In einem Dorf der Sakyer, im Bezirk von Lumbini!
Darob sind froh wir, sind so überaus erfreut.

 


* Der die Erleuchtung finden wird = bodhisatto (Skr. bodhisattva), 'das Erleuchtungswesen'.


 

684

Der aller Wesen Bester, höchster Mensch,
Gewaltigster der Männer, Bester allen Volks,
Im Seher-Walde, so benannt, wird drehen er der Lehre Rad,
Gewaltig rufend wie der Leu, der starke Herrscher des Getiers.

 

685

Er hörte dieses Wort und ging von dannen schnell.
Zur Wohnstatt des Suddhodana, dorthin begab er sich.
Sich niedersetzend, sprach er zu den Sakyern dies:
Wo ist der Knabe? Auch ich bin, ihn zu sehen, begierig!

 

686

Darauf den Knaben, der wie Gold erstrahlte,
Das völlig durch geläutert ward im Schmelzgefäß,
In Schönheit leuchtend, von erlesenem Glanze,
Die Sakyer zeigten Asita das Kind.

 

687

Er sah den Knaben wie die Flamme leuchten,
Dem Herrn der Sterne gleich, dem Himmelswanderer,
Wie Sonne strahlend, wolkenfrei, im Herbste.
Da ward ihm Wonne, Fülle des Entzückens.
688 Mit vielen Streben, tausendweit an Umfang,
Ein Baldachin von Göttern ward getragen.
Auf goldenen Stöcken schwingen Wedel hin und her,
Doch sieht man nicht, die Schirm und Wedel tragen.

 

689

Der Flechtenträger sah's, der Kanhasiri zubenannt, der Seher:
Wie goldener Schmuck auf roter Decke lag das Kind;
Zu Häupten ward der weiße Schirm getragen.
Entzückten Herzens, freudig, nahm er es entgegen.

 

690

Und als den Edelsten der Sakyer er empfangen,
Ihn prüfend, Meister in der Wissenschaft der Male,
Erfreuten Herzens ließ er dieses Wort vernehmen:
Der Unvergleichliche ist dies! Der Menschen Höchster!

 

691

Doch seines eigenen Hingangs eingedenk,
Ward traurig er, und seine Tränen flossen.
Den Weisen weinend sehend, fragten ihn die Sakyer:
Es wird doch nicht Gefahr entstehen dem Knaben?

 

692

Die Sakyer traurig sehend, sprach darauf der Seher:
Nicht seh ich Unheilvolles für den Knaben.
Es drohet keinerlei Gefahr dem Kinde.
Nicht ein Geringer ist er! Seid nur hochgemut!

 

693

Die Höhe der Erleuchtung wird erfahren dieser Knabe.
Der Lehre Rad, er, höchster Reinheit kundig,
Wird drehen es, zum Segen vielem Volke, aus Erbarmen.
Sein heiliger Wandel, weithin wird er sich erschrecken.

 

694

Mein Lebensrest jedoch, nicht lange währt er.
Inzwischen kommt mein Tod. Nicht werde ich vernehmen
Die Lehre des so unvergleichlich Hehren*.
Darum bin ich bekümmert; so mißbegünstigt, bin ich voller Leid .

 


* Des so unvergleichlich Hehren (asama-dhurassa). Dhura mag der Erste, Höchste, Beste bedeuten oder, wie K erklärt, der Tatkräftige, Energische (asamaviriyassa).


 

695

Nachdem den Sakyern Freudenfülle er bereitet,
Ging aus dem Schlosse der Asket.
Den eigenen Schwester-Sohn führt er aus Mitleid.
Zur Lehre des so unvergleichlich Hehren:

 


K: "Wissend, daß ihm selber nur noch eine kurze Lebensspanne beschieden war und erkennend, daß seiner jüngeren Schwester Sohn, der Brahmanenjüngling Nālaka, mit einem in früheren Leben erworbenen 'Schatz an guten Werken reich versehen war (v. 697), empfand Asita Mitleid (v. 659) mit dem Knaben; denn er dachte: 'Wenn er nur auf seine eigene Kraft angewiesen ist, mag er, herangewachsen, in Lässigkeit verfallen.' Von diesem Mitleid bewogen, ging er zum Haus seiner Schwester und fragte: 'Wo ist Nālaka?' - 'Er spielt draußen, o Herr!' - 'So rufet ihn.' Unverzüglich gab er dann dem Knaben die Asketen-Weihe (tāpasapabbajja) und führte ihn in seine Pflichten ein, ermahnte und unterwies ihn. Und zwar worin? Darin nämlich: 'Wenn du von anderen Kunde hast vernommen . . .' (v. 696)."


 

696

Wenn du von anderen Kunde hast vernommen, daß ein Buddha,
Daß einer, der Erleuchtung fand, die höchste Lehre künde*
Dann gehe hin, erforsche seine Satzung!
Bei solchem Hehren führ' den Reinheits-Wandel!

 


Die höchste Lehre kündet: vivarati (enthüllt), lt. Siam. Ed., ist wohl bessere Lesart als vicarati. Das folgende Wort mag sowohl als dhammam aggam (höchste Lehre), wie dhamma-maggam (Weg der Lehre) gelesen werden; K gibt beide Erklärungen.


 

697

Gewiesen so von ihm, dem Edlen, gütigen Herzens,
Daß er in Zukunft höchste Reinheit schaue,
Hat Nālaka, mit einem Schatz von guten Werken reich versehen,
Des Siegers harrend, mit wohl bewachten Sinnen dann gelebt.

 

698

Als er den Ruf gehört vom Sieger, der das edle Rad gedreht,
Da ging er hin. Den Seher-Fürsten sah er voller Freude,
Und nach der höchsten Lebensform* des Muni den besten Muni fragte er,
Nachkommend dem, was ihm von Asita gewiesen.

 


* Lebensform des Muni = moneyya; in vv. 700, 701 wiedergegeben mit 'Lebensregel des Muni'.


(Die Sutte von der Lebensweise des Muni)

 

699 (NALAKA)

Getreu bestätigt finde ich das Wort, das Asita mir hinterließ.
So frag' ich dich nun, Gotama, als einen Meisterkenner aller Dinge.

 

700

Mir, der vom Hause fortgezogen und sich den Bettelgang erwählt,
Befragt, o Muni, künde mir des Muni Lebensregel, diesen höchsten Pfad!

 

701 (DER ERHABENE)

Des Muni Lebensregel will ich zeigen dir,
Schwer auszuführen, schwer bei ihr zu bleiben.
Wohl denn, ich will sie dir verkünden!
Du sei nun fest entschlossen* und sei stark!

 


Santhambhassu (wtl.: Straffe dich) dalho bhava! K: "Straffe dich zu einer Straffheit der Energie, welche fähig ist, dieses schwierige Werk auszuführen."


 

702

Des Geistes Gleichmaß wahre er im Dorfe, gescholten oder auch verehrt*.
Vor Ärger schütze er sein Herz und ruhig, ohne Hochmut gehe er dahin.

 


* K: "Wenn gescholten, sei er nicht ärgerlich; wenn verehrt, sei es auch vom König, sei er nicht hochmütig."


 

703

Im Wald auch steigen auf, wie Flammenzungen, vielerlei Objekte.
Frauen, zur Lust da reizen sie den Muni; doch er zu ihnen habe kein Gelüst.*

 


* Uccāvacā niccharanti dāye; zu uccāvaca vgl. Anm. zu v. 1. - K: 'Auch im Wald steigen 'hohe und niedrige' (uccāvacā), d.h. verschiedenartige (nānāppakārā) Objekte auf, nämlich erwünschte und unerwünschte, d.h. sie geraten in das Bereich des Sehens usw. Diese sind, da sie das Brennen (der Leidenschaft) erzeugen, 'den Flammenzungen gleich'. Wie von einem brennenden Walde verschiedenartige Flammen ausgehen, nämlich solche mit und ohne Rauch, blaue, gelbe, rote, kleine und große, so auch steigen im Rauch, blaue, gelbe rote, kleine und große, so auch steigen im Gehölz mancherlei Objekte auf, im Sinne ihrer Vielfältigkeit: Stimmen von Löwen, Tigern und verschiedenen Vögeln; Blumen und Früchte; Furcht einflößende Objekte, sowie solche, die Lust, Abneigung oder Verblendung hervorrufen. Wenn da nun Mönche auf ihrer Wanderung durch Parkgelände und Wälder gehen, und sie sehen, ohne daß andere dabei sind, eine Frau, sei es eine, die ständig dort lebt, oder eine Holzsammlerin, und durch ihr Lachen, Sprechen, Weinen oder ihre spärliche Bekleidung 'reizen die Frauen den Muni zur Lust' (nariyo munim palobhenti), dann 'habe er zu ihnen kein Gelüst' (tā su tam mā palobhayum; wtl.: doch nicht mögen Sie ihn zur Lust verführen)."


 

704

Von Paarung steht er ab, der Lüste Vielgestalt hat er verlassen.
Zu Wesen, ob sie schwach sind oder stark,
ist er nicht feindlich und nicht zugeneigt.

 

705

,Wie ich bin, so sind diese auch; wie diese sind, so bin auch ich',
Wenn so dem anderen er sich gleichsetzt,
Mag er nicht töten oder töten lassen.

 

706

Den Wunsch verlassend und die Lust, woran ein Mensch der Welt sich bindet,
Mit wachem Auge leb' er rechten Wandel und kreuze diese Höllenwelt.

 


K: "Das Begehren (tanhā), das da 'eines erhält, ein zweites wünscht; zwei Dinge erhält, ein drittes wünscht; hunderttausend erhält und immer mehr noch wünscht', - das Begehren, das in solcher Weise einen nicht erlangten Gegenstand wünscht, das nennt man 'Wunsch' (icchā). Das Lustempfinden (lubbhana) am erlangten Gegenstand, das nennt man 'Lust' (lobha)."

Höllenwelt (naraka); kann auch, wie im K, als 'Grube' aufgefaßt werden, als bildliche Bezeichnung für den 'schwer zu füllenden', unersättlichen Abgrund der Wünsche; und zwar im besonderen hier als das ungezügelte Begehren nach den mönchischen Bedarfsstücken, das für den Mönch eine Ursache 'unrechten Lebensunterhaltes' wird


 

707

Mit leichtem Leibe, mit bemessener Kost,
mit wenig Wünschen sei er ungelüstig.
Nie hungrig mehr nach Wünschen, ganz wunschlos ist er und gestillt.

 

708

Ist um die Brockenspeise er gegangen, zum Walde dann begibt er sich.
An Baumes Wurzel bleibt er dann, dort nimmt der Muni seinen Sitz.

 


K: "Ohne sich von Laien aufhalten zu lassen, begibt er sich in den Wald zurück."


 

709

Der Weise, Schauung pflege er, am Walde sei sein Herz erfreut.
An Baumes Wurzel sinn' er tief, in sich erzeug' er Seligkeit.

 

710

Wenn dann die Nacht vorüber ist, zum Dorfbereich begeb' er sich.
Dort eingeladen, nehme er's nicht an*,
auch nicht die Spende ihm gebracht vom Dorfe.*

 


* Dort eingeladen, nehme er nicht an (avhānam nābhinandeyya); avhānam, wtl.: Zuruf; abhinandati bedeutet: sich erfreuen, willkommen- oder gutheißen, zustimmen, billigen, hier vom K erklärt mit na patigganheyya (er nehme nicht an). - K: "Wer diese Übung (eines Muni, und zwar hier besonders die strikte Observanz des ausschließlichen Almosengangs) erfüllt, möge sich nicht freuen über eine Einladung, wie: 'In unserem Hause, Herr, möget ihr das Mahl einnehmen!', d.h. er soll diese Einladung nicht annehmen. Solche Gedanken, wie: 'Gibt man wohl oder gibt man nicht? Gibt man Gutes oder Schlechtes?', möge er (in sich) nicht billigen; und auch am Essen selber soll er sich nicht ergötzen. Wenn man ihm aber mit Gewalt die Schale wegnimmt, sie füllt und ihm wieder zurückgibt, so soll er, nachdem er gegessen hat, sich wieder seinem Asketenwerk zuwenden. Die Läuterungsübung ist dadurch nicht gebrochen. Doch dieses (Vorkommnisses) wegen soll er das betreffende Dorf künftig nicht mehr betreten."

* Auch nicht die Spende ihm gebracht vom Dorfe (abhihārañca gāmato), K: "Wenn man dem das Dorf Betretenden selbst hundert Schüsseln Speise entgegenbringt (abhiharanti). so soll er sich auch daran nicht erfreuen und nicht eine einzige Handvoll davon annehmen, sondern lediglich nach der Reihenfolge der Häuser um Almosen gehen (s. 65 Anm., 413)."


 

711

Der Muni, in das Dorf gelangt, nicht geh' er eilig hin zu den Familien.
Abgeschnitten sei auf Nahrungssuche Reden,
nicht mög' er sprechen ein berechnend Wort.

 


* K: D.h. er möge nicht unpassende Geselligkeit mit Laien pflegen, mit ihnen zusammen sich sorgen, freuen etc.

* D.h. er möge kein auf die Erlangung von Gaben berechnetes, darauf abzielendes oder anspielendes Wort sprechen.


 

712

"Empfangen hab' ich: es ist gut!" Wenn nichts empfangen: "So auch ist es recht!"
Durch beides eben bleibt er unberührt. Zum Baume kehrt er dann zurück.

 

713

Die Schale in der Hand geh' er einher; für stumm gehalten, ohne stumm zu sein.
Selbst kleine Gabe soll er nicht verachten,
den Geber schätzt er darum nicht gering.

 

714

Vielfache Wege zwar hat der Asket gewiesen,
Nicht aber gehen zweimal sie zum gleichen Ziel,
Doch wird's auch nicht in einem Mal erfahren.

 


Uccāvacā hi patipadā samanena pakāsitā. Na pāram digunam yanti na idam ekagunam mutam. K: "Die vom Asketen, d.h. vom Buddha, verkündeten (Übungs-) Wege (oder Fortschrittsarten; magga-patipadā) werden hier, weil sie in vorzüglichere und geringere zerfallen, als 'hohe und niedrige' (uccāvacā) bezeichnet.

Und zwar ist der 'leichte Weg (oder Fortschritt) mit schneller Einsicht' (sukhapatipadā-khippābhiññā) 'hoch' (ucca), der,schwierige Weg mit langsamer Einsicht' (dukkhapadpadā-dandābhiññā) ist 'niedrig' (avaca) die beiden anderen (wechselseitig kombinierten) sind mit je einem Gliede hoch und niedrig. Oder auch: nur im ersten Falle hoch, in den drei anderen niedrig. Auf diesem oder jenem, d.h. dem hohen oder niedrigen (Übungs-) Wege 'geht man nicht zweifach (digunam) zum Ziel', d.h. man geht nicht zweimal (dvikkhattum) auf dem gleichen (Hohen) Pfade (eka-maggena) zum Nibbāna.

Und warum? Weil die durch einen der Hohen Pfade (z.B. des Strom-Eintritts) aufgegebenen Befleckungen nicht nochmals aufgegeben zu werden brauchen. Hiermit wird die Nicht-Existenz aufgegebener Geisteszustände beleuchtet. - 'Dieses' (idam), nämlich das Hohe Ziel (pāram) ist man mit einer bloß einmaligen (Bemühung) nicht einmal zu berühren fähig (phusan'ārahampi na hoti; phusana als Erklärung für mutam; siehe Anm. zu v. 790).

Und warum? Weil das Aufgeben aller Befleckungen nicht durch einen einzelnen der Hohen Pfade (z.B. des Strom-Eintritts) geschieht. Hiermit wird beleuchtet, daß Heiligkeit nicht durch einen einzelnen der Hohen Pfade zustande kommt."

Zur Erklärung des Zusammenhangs von Vers 713 mit 714 heißt es im K: "Wenn er so (wie vorher beschrieben) der Regel des Almosenganges nachgekommen ist, so möge er sich damit allein nicht zufrieden geben, sondern sich weiter seinem Übungsweg (pātipadā) widmen, denn: Die Lehre hat den Wandel als Kern (patipattisāram hi sāsanam)." Dieser Wandel aber wird nicht in einem Male vollendet.


 

 

715

In dem kein Haften ist, in dem der Strom versiegt,
Im Mönch, der aufgab gute Tat und schlechte,
Ein Fieberbrennen findet sich nicht mehr.

 


Gute Tat und schlechte (kiccākicca; K: = kusalākusala), wtl.: das zu Tuende und nicht zu Tuende.

In K. E. Neumanns Übersetzung werden die Verse 714 und 715 nicht dem Buddha, sondern Nālaka zugewiesen. Für diese Annahme würde sprechen: die Erwähnung des Buddha in der dritten Person als 'Asket' (v. 714) und vor allem der Umstand, daß v. 716 wieder neu beginnt: "Des Muni Lebensregel will ich weisen dir!" und daß dort von den alten Textredaktoren 'ti Bhagavā' (so sprach der Erhabene) hinzugefügt ist. Andererseits fehlt freilich das entsprechende 'ti Nālako' in v. 714, was freilich nicht entscheidend wäre, da auch in anderen Sutten die Angabe der Unterredner lückenhaft ist. Die Verse 714 und 715 zeigen keinen inneren Zusammenhang mit einander; ebensowenig Vers 715 mit dem folgenden, selbst wenn wir bloß diesen Vers als Ausspruch des Buddha annehmen wollen. Dagegen würde sich v. 713 an 716 sehr gut anschließen, da 713 vom Almosengang und 716 von der Zügelung bei der Nahrungsaufnahme handelt. Es liegt daher nahe anzunehmen, daß die Verse 714/715 hier nicht am rechten Platze stehen oder daß ergänzende Verse verloren gegangen sind. Offenbar haben auch die alten Textredaktoren diese Lücke oder Inkongruenz hier empfunden und sie durch die von 701a wiederholte Verszeile 716a überbrückt.

K erklärt den Zusammenhang von 715 mit 716 wie folgt: "Nachdem Nālaka die früheren Verse gehört hatte, stieg ihm dieser Gcdanke auf: 'Wenn bloß dieses die Lebensregel des Muni ist, so ist sie leicht und nicht schwierig. Mit geringer Anstrengung kann man sie erfüllen.' Um nun Nālaka darauf hinzuweisen, daß das Leben eines Muni tatsächlich etwas Schwieriges sei, beginnt der Erhabene nochmals mit den Worten: 'Des Muni Lebensregel will ich weisen dir!'"


 

 

716 DER ERHABENE:

Des Muni Lebensregel will ich weisen dir:
Wie's Gleichnis von der Messerschneide lehrt, so sollst du leben!
Die Zunge angepreßt am Gaumen, beim Leibe sei gezügelt du!

 


K: "Ein der Regel eines Muni nachlebender Mönch soll hinsichtlich der mönchischen Bedarfsstücke nach dem Gleichnis von der Messerschneide verfahren: Wie einer, der einen Honigtropfen von einer Messerschneide ableckt, die Zunge vor dem Geschnittenwerden in Acht nimmt, ebenso möge der Mönch, der sich rechtmäßig erlangter Bedarfsstücke bedient, den Geist vor dem Entstehen von Befleckungen in Acht nehmen. 'Nicht leicht vermag man die Bedarfsstücke auf lautere Weise zu erhalten und sie in tadelfreiem Gebrauch zu benutzen!', in solcher Weise hat der Erhabene häufig über die Abhängigkeit von den Bedarfsstücken gesprochen."

K: "Selbst mit an den Gaumen gepreßter Zunge die Geschmackslust vertreibend und die auf unlauterem Wege zuteilgewordenen Bedarfsstücke nicht benutzend, 'sei er beim Leibe gezügelt.'"


 

 

717

Dein Geist sei rege, doch viel grübeln sollst du nicht.
Frei von Verderbnis sei und ohne Hangen!
Den Reinheitswandel habe als dein Ziel!

 


Frei von Verderbnis (nirāmagandbo); wtl.: unanrüchig. Siehe Āmagandha-Sutta, v. 239f.


 

718

Im Einsam-Weilen schule dich und im Asketenwerk!
Die Einsamkeit, sie gilt als Muni-Art.
Wenn einsam leben dich beglückt,

 


Asketenwerk (samanopāsana); upāsana (häufig im Sanskrit) ist: 1) der religiöse Dienst, Kult und Übungsweg im allgemeinen, 2) die Meditation; so im K erklärt und zwar als die 38 Meditationsobjekte.

K: "Das 'Einsam-Weilen' ist die körperliche Abgeschiedenheit; das 'Asketenwerk' die geistige Abgeschiedenheit." Vgl. Vers 772 Anm.

ekattam monam akkhātam; ekattam ist Allein-sein und Ein-heit; von K wiederum erklärt als die körperliche und geistige Abgeschiedenheit. Vgl. Eckharts "Wo der Mensch eins ist innen . . ." - Monam wurde hier mit moneyyam gleichgesetzt (s. v. 698 Anm.). Nimmt man es aber wörtlich als 'Schweigen', so ergibt sich als sekundärer Sinn: Es ist die Einheit (des Gemütes in der Meditation), die als Schweigen gilt, d.h. als die innere Stille, in der jeder Widerspruch zum Schweigen gekommen ist.

Eko ce abhiramissasi. Dieser letzte Halbvers wird im K als uttaragāthāpekkhapada (auf die folgende Strophe bezogener Halbvers) bezeichnet. Er wird also auf den Halbvers 729a (atha bhāsihi dasa disā) bezogen, der dort überzählig ist. Offenbar ist die Überlieferung dieser Stelle unsicher. Die Version im Mahā-Vastu, ist korrupt (eko'va abhiramisyasi evam gamisyasi dasa disā) und zeigt lediglich, daß auch in der dieser Version zugrundeliegenden Quelle diese beiden Halbverse zusammengehörten, aber vom Übersetzer nicht recht verstanden wurden. Vielleicht ist 719a eine, wenn auch frühe Interpolation und wir haben 718c mit Mahā-Vastu zu lesen als cko'va abhiramissasi (Allein nur wirst du glücklich sein). Vgl. Laotse, Kap. 26: "Er weilt zufrieden in seiner Einsamkeit." (R. Wilhelm)


 

719

Durch Himmelsrichtung zehnfach wirst du strahlen.
Wenn er vernommen hat der Weisen Wort,
der Sinnenden, die da entsagt den Lüsten,
So möge einer, der mir zugetan, nur mehr noch üben Scham und Zuversicht.

 


K: "Er erzeuge die Zuversicht (saddhā): 'Dies ist der zur Erlösung führende Weg!' (niyyānika-patipadā ayam)."


 

720

Dieses lernet von den Flüssen, die in Rinnen und in Schluchten fließen:
Geräuschvoll gehen kleine Wässer, schweigsam fließt ein großer Strom.

 

721

Was Mangel hat, das macht Geräusch; was voll ist, das ist eben still.
Halbleerem Kruge gleicht der Tor, der Weise ist wie voller See.

 

722

Ein Mönch, der viel wohl, doch nur triftig, sinnvoll spricht,
Als Kenner zeigt er das Gesetz, als Kenner eben spricht er viel.

 

723

Doch wer als Kenner selbstbezähmt, ein Kenner wohl, doch nicht viel spricht,
Solch Muni hat verdient den Muni-Rang, solch Muni hat den Muni-Rangsn_723_MuniRang>bemerk erreicht!

Muni-Rang = mona, im Sinne von moneyya. Hier ist auch die Grundbedeutung 'Schweigen' mitzudenken.

K setzt den Bericht von Nālakas Leben wie folgt fort: "Als Nālaka diese Worte des Erhabenen hörte, wurde er dreifach wunschlos: beim Sehen, beim Hören, und beim Fragen. Nach dem Ende der Lehrdarlegung verehrte er freudigen Herzens den Erhabenen und begab sich in den Wald. Nicht mehr ließ er in sich das Verlangen entstehen: 'O möchte ich doch den Erhabenen sehen!' Dies war seine Wunschlosigkeit beim Sehen. Nicht mehr ließ er in sich das Verlangen entstehen: 'O möchte ich doch wieder die Lehre hören!' Dies war seine Wunschlosigkeit beim Hören. Nicht mehr ließ er in sich das Verlangen entstehen 'O möchte ich doch wieder nach dem Lebensweg des Muni fragen können!' Dies war seine Wunschlosigkeit beim Fragen. In solcher Weise wunschlos geworden, begab er sich in eine gebirgige Gegend. Nicht wohnte er zwei Tage im gleichen Wald-Dickicht, nicht saß er zwei Tage unter demselben Baum, nicht betrat er das gleiche Dorf an zwei Tagen um Almosenspeise. So wanderte er von Wald zu Wald, von Baum zu Baum, von Dorf zu Dorf, und nachdem er die einem solchen Leben entsprechende Übung (eines Muni) befolgt hatte, stand er fest im 'Höchsten Ziel', der Heiligkeit.

Ein Mönch nun, der die Regel des Muni mit höchster Anstrengung erfüllt, lebt nur sieben Monate, bei mittlerer Anstrengung sieben Jahre, bei geringerer Anstrengung sechzehn Jahre. Nālaka nun erfüllte sie mit höchster Anstrengung und nach Ablauf von sieben Monaten fühlte er seine Lebenskräfte schwinden. Da nahm er ein Bad, legte das Untergewand an, band den Gürtel und bekleidete sich mit dem doppelten Obergewand. Darauf wandte er sein Antlitz in die Richtung, wo der 'Meister der zehn Kräfte', der Erhabene, weilte, brachte die fußfällige Verehrung dar und erhob dann verehrend die gefalteten Hände. Noch während er so, gelehnt an einen rötlichen Felsen, dastand, ging er in den von jedem Haftensrest freien Nibbāna-Bereich ein.

Als nun der Erhabene von seinem Erlöschen wußte, ging er zusammen mit der Mönchsgemeinde dorthin. Er versah den letzten Dienst an diesem toten Körper, ließ Reliquien entnehmen und darüber ein Gedenkmal (cetiya = Dagoba) errichten."


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