Zurueck Milindapañha, Teil 4

Mil. 4.8.4. Hat das Totenopfer einen Zweck?

 

«Wenn, ehrwürdiger Nāgasena, die Geber Gaben gespendet haben, weisen sie diese den Geistern der zuvor Verstorbenen zu, mit den Worten: <Möge diese Gabe ihnen zugute kommen.> Erlangen nun diese dadurch irgend welchen Vorteil?»

«Einige wohl, o König, andere nicht.»

«Welche aber, o Ehrwürdiger, erlangen einen Vorteil, und welche nicht?»

Keinen Vorteil erlangen: 

Und von den vier Arten der Geister (petā) erfahren drei keinen Vorteil: 

Nur die <von den Gaben anderer lebenden Geister> erlangen einen Vorteil, und auch diese nur dann, wenn sie sich (an die Geber) erinnern.

«So ist doch, ehrwürdiger Nāgasena, die Gabe der Spender zunichte geworden und fruchtlos, wenn diejenigen, für welche sie bestimmt ist, die Gabe nicht erhalten.»

«Nein, o König, diese Gabe bleibt auch dann nicht ohne Frucht und Wirkung, sondern der Geber selber genießt deren Früchte.»

«So überzeuge mich, ehrwürdiger Nāgasena, hiervon durch einen Beweis!»

«Nimm an, o König, es begeben sich da Leute mit Fisch, Fleisch, Wein, Reis, Kauwaren usw. versehen, zu einer ihnen verwandten Familie. Wenn nun jene Verwandten das Geschenk nicht annehmen, wird dann etwa jenes Geschenk zunichte und kommt um?»

«Nein, o Ehrwürdiger, es fällt dann dem Eigentümer selber zu.»

«So also, o König, genießen eben die Eigentümer die Früchte davon. Oder: nehmen wir an, ein Mann sei in ein Zimmer getreten. Wenn sich nun vor ihm kein Ausgang befindet, wo wird er dann hinausgehen?»

«Da, o Ehrwürdiger, wo er hineingekommen ist.»

«Ebenso auch, o König, genießen die Spender selber die Frucht für ihre Gabe.»

«Genug damit, ehrwürdiger Nāgasena! So ist es, und ich nehme an, daß die Geber selber jener Gabe Lohn genießen. Ich will diese Sache nicht abstreiten.»


Mil. 4.8.5. Kann man Schuldhaftes auf Verstorbene übertragen?

 

«Wenn, ehrwürdiger Nāgasena, die von diesen Gebern gespendete Gabe den Geistern der zuvor Verstorbenen zugute kommt und diesen die Früchte davon zuteil werden, so kann ja ein Mörder, ein Bluthändiger, ein ruchlos Gesinnter ruhig Menschen umbringen und seine von ihm verübte Schreckenstat den Geistern der zuvor Verstorbenen zuweisen, mit den Worten: <Möge die Wirkung dieser meiner Tat den zuvor Verstorbenen zufallen!> Würde wohl da die Wirkung jener Tat auf die Geister der zuvor Verstorbenen übergehen?»

«Nein, o König.»

«Was ist da nun, ehrwürdiger Nāgasena, die Ursache, was der Grund, daß zwar das Heilsame auf diese übergehen mag, nicht aber das Unheilsame?»

«Nicht hat man, o König, solche Frage zu stellen. Und nicht darfst du etwas Unfragbares fragen in der Hoffnung, einen zu finden, der dir antwortet. Du wirst mich vielleicht gar noch fragen wollen, warum der Himmelsraum ohne Stütze sei, warum der Ganges nicht stromaufwärts fließe, und warum Menschen und Vögel Zweifüßer seien, die wilden Tiere aber Vierfüßer!»

«Nicht frage ich dich ja, ehrwürdiger Nāgasena, in der Absicht, dich zu belästigen, sondern bloß um meinen Zweifeln ein Ende zu machen. Denn viele Menschen in der Welt sind blind und klammern sich an das Verkehrte. Sag', sollen diese keine Gelegenheit zur Besserung bekommen? Mit solchen Gedanken frage ich dich.»

«Nicht kann man, o König, seine böse Tat mit jemandem teilen, der sie nicht getan und gebilligt hat. Es können zum Beispiel die Menschen durch Tragen Wasser gar weit fortschaffen. Könnten sie wohl aber einen festen, gewaltigen Felsenberg nach Wunsch durch Tragen fortschaffen?»

«Gewiß nicht, o Ehrwürdiger.»

«Ebenso auch, o König, kann man sich zwar in das Heilsame teilen, nicht aber in das Unheilsame. Wohl kann man mit Öl eine Lampe brennen. Könnte man dies aber auch mit Wasser tun?»

«Gewiß nicht, o Ehrwürdiger.»

«Oder: die Landleute entnehmen wohl einem Teiche Wasser und bringen vermittelst dieses Wassers das Getreide zur Reife. Könnten sie dies aber auch dadurch erreichen, daß sie dem Meere Wasser entnehmen?»

«Nein, o Ehrwürdiger.»

«Ebenso auch, o König, kann man sich zwar in das Heilsame teilen, nicht aber in das Unheilsame.»

 


Mil. 4.8.6. Warum kann man sich in Heilsames teilen, aber nicht in Unheilsames?

 

«Aus welchem Grunde, ehrwürdiger Nāgasena, kann man sich in Heilsames teilen, nicht aber in Unheilsames? Belehre mich hierüber in gründlicher Weise! Ich bin nicht blind und ohne Einsicht und werde das Vernommene wohl verstehen.»

«An Unheilsamem, o König, gibt es wenig, das Heilsame aber ist im Überfluß vorhanden. Weil das Unheilsame aber so winzig ist, haftet es bloß am Täter; das Heilsame dagegen verbreitet sich infolge seines Überflusses über die Welt mitsamt ihren Göttern.»

«Gib mir ein Gleichnis!»

«Wenn da, o König, ein Wassertropfen zur Erde fällt, kann der sich wohl zehn oder zwölf Meilen weit ausbreiten?»

«Nein, o Ehrwürdiger. An derselben Stelle, wo er hinfällt, bleibt er haften.»

«Aus welchem Grunde, o König?»

«Weil der Wassertropfen so winzig ist, o Ehrwürdiger.»

«Ebenso auch, o König, bleibt das bißchen Unheilsame infolge seiner Winzigkeit bloß am Täter haften und kann nicht verteilt werden. Wenn da aber ein gewaltig großer Regen niedergießt und die Erdoberfläche erfrischt, wird sich dieses Regenwasser wohl nach allen Seiten hin ausbreiten?»

«Gewiß, o Ehrwürdiger. Es wird die Vertiefungen, Seen, Flüsse, Schluchten, Klüfte, Erdspalten, Kanäle, Pfützen, Brunnen und Teiche füllen und sich zehn bis zwölf Meilen weit ausbreiten.»

«Und warum, o König?»

«Weil der Regen so stark ist, o Ehrwürdiger.»

«Ebenso auch, o König, ist das Heilsame im Überfluß vorhanden und kann infolge seines Überflusses sich auf Himmelswesen und Menschen verteilen.»

«Aus welchem Grunde aber, ehrwürdiger Nāgasena, gibt es vom Unheilsamen so wenig und vom Heilsamen viel mehr?»

«Während, o König, einer Gaben spendet, die Sittenregeln befolgt und die Feiertaghandlungen ausübt, ist er ganz und gar froh gestimmt, beglückt, vertrauensvollen Herzens und von Freude erfüllt. Und immer wieder steigt in ihm Verzückung auf. Verzückten Geistes aber nimmt das Heilsame immer weiter zu. Wenn zum Beispiel in einem hoch mit Wasser angefüllten Brunnen an einer Stelle das Wasser zufließt und an einer anderen Stelle abfließt, so tritt eben für das abgeflossene Wasser immer wieder neues zu, und das Wasser kann somit nie versiegen. Ebenso auch, o König, wächst das Heilsame immer weiter an. Und sollte ein Mann hundert Jahre lang Heilsames vollbringen, so würde das Heilsame immer weiter anwachsen, und dieses sein Verdienst könnte er teilen, mit wem er wollte. Das, o König, ist der Grund, daß das Heilsame ausgebreiteter ist. Wer dagegen etwas Unheilsames verübt, der empfindet in der Folge Reue. Bei Reue aber schrumpft der Geist zusammen, rollt sich ein, geht zurück, verkommt, entfaltet sich nicht und verzehrt sich dabei. Wenn da, o König, in ein ausgetrocknetes Flußbett mit seinen großen auf- und abwogenden Sandbänken und Krümmungen und Windungen sich eine kleine Wassermenge von oben ergießt, so wird dieselbe immer kleiner und kleiner und wächst nicht an, sondern versiegt an derselben Stelle. Ebenso auch, o König, schrumpft bei dem, der etwas Unheilsames verübt, der Geist zusammen, rollt sich ein, breitet sich nicht aus; und der Mensch klagt, quält sich, geht zurück, verkommt, entfaltet sich nicht und verzehrt sich dabei. Das, o König, ist der Grund, daß es nur wenig an Unheilsamem gibt.»

«Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena. So ist es, und so nehme ich es an.»

 


Mil. 4.8.7. Das Problem des Traumes

 

«Hier in der Welt, ehrwürdiger Nāgasena, mögen Männer und Frauen Träume haben, gute wie schlechte. Man träumt von Dingen, die man entweder schon früher einmal gesehen oder noch nicht gesehen hat, die man schon getan oder noch nicht getan hat. Man träumt von friedlichen und schrecklichen, fernen und nahen Dingen. Und viele tausenderlei Gestalten erscheinen einem. Was hat man wohl unter einem solchen Traum zu verstehen? Und wer ist es, der das Traumbild wahrnimmt?»

«Unter sechs Umständen, o König, hat man Träume: man träumt, wenn man von Winden oder Galle oder Schleim gequält wird, unter der Einwirkung von Gottheiten, infolge von gewohnten Erfahrungen, oder man träumt von einer Vorbedeutung und nur der letztere ist ein wahrer Traum, alle übrigen aber sind unwahre Träume.»

«Wenn, ehrwürdiger Nāgasena, jemand von einer Vorbedeutung träumt, wandert da wohl sein Geist selber fort und holt sich jene Vorstellung, oder aber tritt jene Vorstellung von außen her in das Bewußtseinsfeld ein, oder kommt etwa irgend ein fremdes Wesen heran und übermittelt sie ihm?»

«Nein, o König, nicht wandert sein Geist fort und sucht sich jene Vorstellung, auch kommt kein anderes Wesen heran und übermittelt sie ihm, sondern jene Vorstellung tritt von außen her in das Bewußtseinsfeld ein. Es ist hiermit wie mit einem Spiegelbilde. Der Spiegel nämlich wandert nicht selber fort, um sich das Spiegelbild zu holen, auch bringt kein Fremder das Spiegelbild heran und fügt es dem Spiegel ein, sondern das Spiegelbild tritt, wo auch immer es herkommen mag, in das Spiegelfeld ein.»

«Weiß wohl, ehrwürdiger Nāgasena, das das Traumbild wahrnehmende Bewußtsein, daß dies oder jenes bestimmte Ergebnis eintreten wird, etwas Friedliches oder etwas Schreckliches?»

«Nein, o König, das weiß das Bewußtsein nicht. Sondern wenn die Vorstellung aufgestiegen ist, teilt man sie anderen mit, und diese klären einen über den Sinn auf.»

«Bitte, ehrwürdiger Nāgasena, erkläre mir die Sache!»

«Wenn da, o König, am Körper Flecken, Beulen und Ausschlag entstehen und diese Dinge einem zum Vorteile oder Nachteile gereichen, zur Ehre oder Unehre, zum Lob oder Tadel, zum Glück oder Unglück, wissen da wohl diese Flecken und Beulen bei ihrem Entstehen, daß sie eine solche Wirkung hervorrufen werden?»

«Nein, o Ehrwürdiger. Sondern an der Stelle, an der sich die Beulen zeigen, dort untersuchen die Zeichendeuter diese Beulen und erklären darauf, daß diese oder jene Wirkung eintreten wird.»

«Ebenso auch, o König, weiß das das Traumbild wahrnehmende Bewußtsein nicht, daß dieses oder jenes bestimmte Ergebnis eintreten wird. Sondern wenn die Vorstellung aufgestiegen ist, teilt man sie anderen mit, und diese klären einen über den Sinn auf.»

«Träumt man wohl, ehrwürdiger Nāgasena, während des Schlafens oder während des Wachens?»

«Weder während des Schlafens, o König, noch auch während des Wachens. Sondern sobald (leichter) Schlaf eingetreten, aber noch nicht der unterbewußte Zustand (bhavanga) erreicht ist, dann ist die Zeit, in der man Träume hat. Der Geist des in (Tief-) Schlaf völlig Eingetretenen, o König, hat den unterbewußten Zustand erreicht. Der in den unterbewußten Zustand eingetretene Geist aber ist untätig; und der untätige Geist kennt weder Wohlgefühl noch Schmerzgefühl. Wenn man aber nicht mehr unterscheiden kann, hat man auch keinen Traum. Denn nur so lange der Geist noch tätig ist, hat man Träume.

Gleichwie bei Nacht und Finsternis selbst in einem leuchtenden, vollkommen reinen Spiegel sich kein Spiegelbild zeigt: so auch ist der Geist in Untätigkeit, solange er sich völlig im (Tief-) Schlaf befindet und im unterbewußten Zustand verharrt - trotz des Weiterbestehens des Körpers. Bei untätigem Geiste aber hat man keine Träume. In diesem Gleichnisse nun hat man den Spiegel als den Körper zu betrachten, das Dunkel als den (Tief-) Schlaf und das Licht des Spiegels als das Bewußtsein. Auch bei der vom Nebel verhüllten Sonne ist das Licht nicht sichtbar, und die Sonnenstrahlen sind, trotz ihres Vorhandenseins, dennoch untätig, und da sie untätig sind, kann kein Licht entstehen. In diesem Vergleich nun hat man die Sonne als den Körper zu betrachten, die Nebelhülle als den (Tief-) Schlaf und die Sonnenstrahlen als den Geist.

Bei zweien, o König, ist, trotzdem ihr Körper weiterbesteht, der Geist nicht in Tätigkeit: bei dem völlig in (Tief-) Schlaf Eingetretenen, im unterbewußten Zustande Verharrenden, und bei dem in (den meditativen Zustand zeitweiliger Bewußtseins-) Aufhebung (nirodha-samāpatti) Eingetretenen. Bei dem Wachenden, o König, ist der Geist unruhig, unverhüllt, klar, ungebunden. In das Bewußtseinsfeld eines solchen tritt kein Traumbild ein. Gerade wie diejenigen, die etwas geheim halten wollen, sich fern halten von einem offenherzigen, ungebundenen, unbeschäftigten, in das Geheimnis nicht eingeweihten Manne - oder wie die heilsamen zur Erleuchtung führenden Dinge nicht eintreten in den Bereich eines Mönches mit verdorbener Lebensweise, schlechtem Benehmen, üblem Umgange, in den Bereich eines sittenlosen, trägen, willensschwachen Mönches: ebenso auch, o König, tritt kein himmelsgleicher Sinn (einer Vorbedeutung) in das Bewußtseinsfeld des Wachenden ein. Darum hat der Wachende keine Träume.»

«Hat wohl, ehrwürdiger Nāgasena, der Schlaf einen Anfang, eine Mitte und ein Ende?»

«Ja, o König.»

«Worin aber besteht der Anfang, die Mitte und das Ende des Schlafes?»

«Das Gefühl des körperlichen Gebundenseins und Gehemmtseins, der Schwäche, Schlaffheit und Arbeitsunfähigkeit das ist das erste Stadium des Schlafes. Wenn aber einer, vom <Affenschlaf> (das ist von unruhigem Schlaf) befallen, zwischendurch öfters aufwacht, so ist das das mittlere Stadium des Schlafes. Das Aufgehen im unterbewußten Zustande ist das letzte Stadium des Schlafes. Und es ist dann, wenn man sich in dem mittleren Stadium befindet und von dem Affenschlaf befallen ist, daß man die Träume hat. Wenn da zum Beispiel ein im Wandel beherrschter, geistig gesammelter, standhafter und mit unerschütterlicher Einsicht begabter Mensch in einen dem Lärm entrückten Wald eintritt und über eine tiefsinnige Sache nachdenkt, so verfällt er dabei nicht in Schlaf. Sondern gesammelt und geeinten Geistes durchdringt er dort die tiefsinnige Sache. Ebenso auch träumt nur der (Halb-) Wache, noch nicht in (Tief-) Schlaf völlig Eingetretene, der sich im Affenschlaf Befindende, vom Affenschlaf Befallene. In dem Gleichnis nun hat man den Lärm als das Wachen zu betrachten, den einsamen Wald als den vom Affenschlaf Befallenen. Und wie der Gleichmütige, der sich zwar dem lärmenden Geräusche entzieht, doch gleichzeitig den Schlaf vermeidet, die tiefsinnige Sache durchdringt, so auch träumt nur der (Halb-) Wache, noch nicht in (Tief-) Schlaf völlig Eingetretene, der sich im Affenschlaf Befindende, vom Affenschlaf Befallene.»

«Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena! So ist es, und so nehme ich es an.»

 


Mil. 4.8.8. Gibt es einen unzeitigen Tod?

 

«Scheiden wohl, ehrwürdiger Nāgasena, beim Sterben die Wesen alle zur rechten Zeit ab, oder auch zur Unzeit?»

«Es gibt einen rechtzeitigen Tod, o König, und einen unzeitigen Tod.»

«Welche Wesen aber, ehrwürdiger Nāgasena, sterben zur rechten Zeit, und welche zur Unzeit?»

«Hast du wohl, o König, schon einmal von einem Mango- oder Rosenapfelbaum oder irgend einem anderen Fruchtbaum reife und unreife Früchte abfallen sehen?»

«Gewiß, o Ehrwürdiger.»

«Fallen nun wohl, o König, diese Früchte alle zur rechten Zeit ab, oder auch zum Teil zur Unzeit?»

«Die reifen und weich gewordenen Früchte, die abfallen, diese, ehrwürdiger Nāgasena, fallen alle zur rechten Zeit ab. Von den übrigen Früchten aber fallen einige ab, weil sie wurmstichig sind, einige werden mit Stöcken heruntergeschlagen, einige vom Sturm abgeschüttelt, und wieder andere fallen herunter, weil sie innen verfault sind. Alle diese fallen zur Unzeit ab.»

«Ebenso auch, o König, tritt der Tod bei denjenigen, die durch die Gewalt des Alters niedergedrückt sterben, zur rechten Zeit ein. Von den übrigen sterben einige, weil sie durch (vorgeburtliches böses) Wirken gehemmt sind, einige weil sie infolge einer Reise oder infolge ihrer Arbeit erschöpft sind.»

«Ob nun, o ehrwürdiger Nāgasena, die Menschen durch Wirken gehemmt, oder durch Reisen oder Arbeit erschöpft, oder durch die Gewalt des Alters niedergedrückt sterben - sie sterben alle doch zur rechten Zeit. Und selbst wenn einer schon im Mutterleib stirbt, so ist das für ihn eben die rechte Zeit, und eben zur rechten Zeit stirbt er. Und ob einer bereits in seiner Geburtskammer, oder einen Monat nach der Geburt, oder erst im Alter von hundert Jahren stirbt: es ist das eben für ihn die rechte Zeit, und eben zur rechten Zeit stirbt er. Somit also, ehrwürdiger Nāgasena, gibt es keinen unzeitigen Tod, und alle, die sterben, sterben eben zur rechten Zeit.«

«Sieben Menschen, o König, sterben, obwohl noch Lebensmöglichkeit in ihnen vorhanden ist, zur Unzeit. Welche sieben? Der Hungernde, der nichts zu essen bekommt und an innerer Schwäche stirbt. Der Dürstende, der nichts zu trinken bekommt und an innerer Trockenheit stirbt. Der von einer Schlange Gebissene, der keine ärztliche Behandlung erfährt und infolge des heftigen Giftes stirbt. Der Vergiftete, der keine Arznei bekommt und unter brennenden Qualen in allen Gliedern stirbt. Der ins Feuer Geratene, der, wenn niemand das Feuer löscht, in den Flammen umkommt. Der ins Wasser Gefallene, der keinen Grund mehr unter den Füßen hat. Der vom Pfeil Getroffene, der in seinem Leiden keinen Arzt findet. Diese sieben Menschen, o König, sterben, selbst wenn noch Lebensmöglichkeit in ihnen vorhanden ist, zur Unzeit. Hierbei, o König, spreche ich mit Gewißheit. Auch auf achtfache Weise mag der Tod der Wesen eintreten, und zwar: entweder durch Aufsteigen von Gasen oder von Galle oder Schleim, oder durch Zusammenwirken dieser drei, oder durch Temperaturwechsel, ungeregelte Lebensweise, Unfall, oder als Folge des (vorgeburtlichen) Wirkens. Und nur der Tod infolge des (vorgeburtlichen) Wirkens ist von diesen Todesarten ein rechtzeitiger Tod; jeder andere aber ein unzeitiger Tod. Darum heißt es auch:

 

 

 

Einige Wesen aber, o König, sterben in Folge des in früheren Leben ausgeübten unheilsamen Wirkens.

Wer nämlich von diesen früher andere hat Hungers sterben lassen - ganz gleich ob er jung, in mittleren Jahren oder alt ist, ein solcher stirbt eben wieder durch Hunger, durch viele Hunderttausende von Jahren hindurch von Hunger gequält, hungrig, erschöpft, welken, siechen Herzens, ausgetrocknet, ausgedörrt, von Brand und innerlicher Glut verzehrt; und sein Tod ist ein rechtzeitiger Tod.

Wer früher andere durch Durst hat umkommen lassen, - ganz gleich ob jung, in mittleren Jahren oder alt - der stirbt eben wieder durch Durst, nachdem er viele Hunderttausende von Jahren hindurch ein Gespenst war, durstverzehrt, ausgedörrt, dürr, welken Herzens; und auch sein Tod ist ein rechtzeitiger Tod.

Wer früher andere durch Schlangenbiß hat umkommen lassen - ganz gleich ob jung, in mittleren Jahren oder alt - der stirbt eben wieder durch Schlangenbiß, nachdem er viele Hunderttausende von Jahren hindurch, von Riesenschlangenrachen zu Riesenschlangenrachen, vom Rachen der einen schwarzen Schlange zum Rachen einer anderen eilend, immer wieder gebissen wurde; und auch sein Tod ist ein rechtzeitiger Tod.

Wer früher andere durch Verabreichung von Gift umgebracht hat, - ganz gleich ob jung, in mittleren Jahren oder alt - der kommt eben wieder durch Gift um, nachdem er viele Hunderttausende von Jahren hindurch in allen Gliedern brennend, mit seinem verwesenden Körper Aasgeruch verbreitet hat; und auch sein Tod ist ein rechtzeitiger Tod.

Wer früher andere durch Feuer hat umkommen lassen - ganz gleich ob jung, in mittleren Jahren oder alt - der kommt eben wieder durch Feuer um, nachdem er viele Hunderttausende von Jahren hindurch von einem glühenden Kohlenberge zum anderen, von einem Todesreich Yamas* zum anderen umhergeirrt ist, mit über und über verbrannten Gliedern.

* (Yama ist der Todesgott und Richter der Verstorbenen. Die Berge glühender Kohlen sind offenbar eine der Höllenqualen. Dies gehört zur mythologisch-symbolhaften Schicht im Buddhismus. In der wirklichkeitsgemäßen reinen Lehre wird der Mensch sein eigener Richter durch sein Wirken (kamma), das seinem Geschick die Richtung gibt, auch in die nächste Geburt hinein)

Wer früher andere im Wasser hat umkommen lassen, - ganz gleich ob jung, in mittleren Jahren oder alt - der kommt eben wieder im Wasser um, nachdem er viele Hunderttausende von Jahren hindurch einen hinfälligen, gebrochenen, schwächlichen Körper gehabt hat und einen erregten Geist; und auch sein Tod ist ein rechtzeitiger Tod.

Wer früher andere mit dem Schwerte umgebracht hat - ganz gleich ob jung, in mittleren Jahren oder alt - der kommt eben wieder durch's Schwert um, nachdem er viele Hunderttausende von Jahren hindurch verstümmelt, verletzt, geschlagen, zerstochen und von der Schwerterschneide getroffen wurde; und auch sein Tod ist ein rechtzeitiger Tod.»

«Wenn du, ehrwürdiger Nāgasena, behaupten willst, daß es einen Tod zur Unzeit gebe, dann erkläre mir doch, bitte, den Grund hierfür!»

«Wenn da, o König, ein mächtig großes Feuermeer, nachdem es Gras, Holz, Zweige und Grünholz ergriffen und vollkommen aufgezehrt hat, schließlich durch Mangel an Brennstoff erlischt, so sagt man von jenem Feuer, daß es, ungestört und unbeeinträchtigt, zur rechten Zeit erloschen ist. Genau so sagt man von jemandem, daß er zur rechten Zeit den Tod gefunden habe, wenn er nach einem Leben von vielen Tausenden von Tagen, durch das Alter geschwächt, nach dem Schwinden seiner Lebenskraft, ungestört und unbeeinträchtigt das Ende erreicht hat. Sollte nun aber, o König, wenn das die Gräser, Holz, Zweige und Grünholz ergreifende gewaltige Feuer diese Dinge noch nicht völlig aufgezehrt hat, eine mächtige Wolke sich entladen und das Feuer zum Verlöschen bringen, würde dann wohl das Feuer zur rechten Zeit erlöschen?»

«Nein, o Ehrwürdiger.»

«Warum nun, o König, hat das letzte Feuer nicht genau den gleichen Verlauf wie das erste?»

«Durch den eingetretenen Regen unterdrückt, o Ehrwürdiger, ist dieses letzte Feuer vorzeitig erloschen.»

«Genau so, o König, tritt bei demjenigen, der außer der Zeit stirbt, deshalb der vorzeitige Tod ein, weil er durch eine ausgebrochene Krankheit gehemmt wird, durch Aufsteigen von Gasen, Galle oder Schleim, oder durch Zusammenwirken dieser drei; oder eine Störung eintritt durch Unfall oder Hunger, Durst, Schlangenbiß, Vergiftung, Feuer, Wasser oder Schwert. Das, o König, ist der Grund, daß es einen unzeitigen Tod gibt.

Wenn da am Himmel eine mächtige Wolke aufsteigt und mit ihren Regengüssen Täler und Ebenen füllt, so sagt man von jener Wolke, daß sie ungestört und unbeeinträchtigt geregnet hat. Genau so auch sagt man, wenn einer nach einem langen Leben infolge der Altersschwäche und der dahinschwindenden Lebenskraft ohne Störung und Beeinträchtigung das Ende erreicht hat, daß er zur rechten Zeit gestorben ist. Wenn nun aber die am Himmel sich erhebende mächtige Wolke in der Zwischenzeit von einem heftigen Wind verscheucht wird, sagt man da wohl von jener mächtigen Wolke, daß sie zur rechten Zeit verschwunden sei?»

«Nein, o Ehrwürdiger.»

«Warum nun, o König, trifft die letzte Wolke nicht genau das gleiche Los wie die erste?»

«Weil die letzte Wolke, o Ehrwürdiger, durch den eingetretenen Wind verscheucht wurde, deshalb ist sie vor der Zeit verschwunden.»

«Genau so, o König, gibt es einen unzeitigen Tod. Oder: wenn da eine starke Giftschlange in der Erregung irgend einen Mann beißt, und jenes Gift ungehemmt und ungehindert seinen Tod herbeiführt, so sagt man von jenem Gift, daß es, ungehemmt und ungehindert, seinen Zweck erreicht hat. Genau so auch sagt man, wenn einer ohne Hemmung und unbeeinträchtigt das Ende des Lebens erreicht hat, daß er zur rechten Zeit gestorben ist. Wenn nun aber dem von der Schlange Gebissenen mittlerweile der Schlangenbeschwörer eine Arznei verabreicht und so dem Gift die Wirkung nimmt, ist dann wohl jenes Gift zur rechten Zeit verschwunden?»

«Nein, o Ehrwürdiger.»

«Warum nun, o König, hat das letzte Gift nicht genau denselben Ausgang wie das erste?»

«Durch die hinzugetretene Arznei gehemmt, o Ehrwürdiger, hat das letzte Gift seinen Zweck erfüllt und ist verschwunden.»

«Genau so, o König, gibt es einen unzeitigen Tod. Oder: sagen wir, ein Bogenschütze schieße einen Pfeil ab. Wenn nun jener Pfeil genau bis zum Ende der Schußlinie fliegt, so sagt man, daß jener Pfeil ungehemmt und ungehindert das Ende der Schußlinie erreicht hat. Genau so auch sagt man, wenn einer ohne Hemmung und Zwischenfall das Ende erreicht hat, daß er zur rechten Zeit gestorben ist. Wenn nun aber, sobald der Bogenschütze den Pfeil abschießen will, ihm irgend jemand in demselben Augenblick den Pfeil festhält, erreicht dann wohl der Pfeil ungehemmt und ungehindert das Ende der Schußlinie?»

«Nein, o Ehrwürdiger.»

«Warum nun, o König, hat der letzte Pfeil nicht genau den gleichen Ausgang wie der erste?»

«Durch einen Eingriff, o Ehrwürdiger, wurde der Flug jenes Pfeiles gehemmt.»

«Genau so, o König, tritt durch Hemmung unzeitiger Tod ein. Oder: sagen wir, jemand schlage an einen eisernen Topf. Wenn nun der durch das Anschlagen entstandene Ton bis zur Grenze der Schallweite dringt, so sagt man, daß jener Ton ungehemmt und ungehindert die Grenze der Schallweite erreicht hat. Genau so auch sagt man, wenn einer ohne Hemmung und Zwischenfall das Ende erreicht hat, daß er zur rechten Zeit gestorben ist. Nimm nun aber an, jemand schlage an einen eisernen Topf und dadurch entstehe ein Ton, doch sobald der Ton entstanden und noch nicht weit gedrungen sei, fasse irgend jemand den Topf an, und im Augenblicke des Anfassens verschwinde der Ton. Wäre dann wohl jener Ton bis zur Grenze der Schallweite gedrungen?»

«Nein, o Ehrwürdiger.»

«Warum nun, o König, hat der letzte Ton nicht genau den gleichen Ausgang wie der erste?»

«Durch das hinzugekommene Anfassen, o Ehrwürdiger, wurde ja der Ton gehemmt.»

«Genau so, o König, tritt durch Hemmung vorzeitiger Tod ein. Oder: Wenn da im Felde die üppig gewachsene Kornsaat infolge des anhaltenden Regens, über und über mit Körnern reich bedeckt und beladen, den Beginn der Erntezeit erreicht, so sagt man, daß dieses Korn ungehemmt und ungehindert die rechte Zeit erreicht hat. Genau so auch spricht man von einem rechtzeitigen Tod. Wenn nun aber die Kornsaat durch Wassermangel abstirbt, hat dann wohl das Korn die rechte Zeit erreicht?»

«Nein, o Ehrwürdiger.»

«Warum nun, o König, hat das letzte Korn nicht denselben Ausgang wie das erste?»

«Von der eingetretenen Hitze gehemmt, o Ehrwürdiger, ist das Korn abgestorben.»

«Genau so, o König, tritt durch Hemmung unzeitiger Tod ein. Hast du wohl schon davon gehört, daß im gut geratenen jungen Korn bisweilen Würmer entstehen, die das Korn mit der Wurzel zerstören?»

«Davon habe ich schon gehört, o Ehrwürdiger, und auch selber habe ich schon solches gesehen.»

«Ist nun, o König, jenes Korn zur rechten Zeit zerstört worden oder zur Unzeit?»

«Zur Unzeit, o Ehrwürdiger. Denn hätten die Würmer jenes Korn nicht zerstört, so hätte es die Zeit der Ernte erreicht.»

«Geht also, o König, das Korn infolge eintretender Störung nicht wohl zugrunde und erreicht das ungestörte Korn nicht wohl die Zeit der Ernte?»

«Ja, o Ehrwürdiger.»

«Genau so, o König, tritt durch Hemmung unzeitiger Tod ein. Hast du wohl schon gehört, daß einmal auf das reife, sich unter der Last der Körner biegende, von ährentragenden Halmen strotzende Getreide ein Hagelregen niederging, das Getreide zerstörte und die Körner herunterschlug?»

«Davon habe ich schon gehört, o Ehrwürdiger, und auch selber habe ich schon solches gesehen.»

«Ist da wohl, o König, das Korn zur rechten Zeit zerstört worden oder zur Unzeit?»

«Zur Unzeit, o Ehrwürdiger. Denn wäre jener Hagel nicht gefallen, so hätte das Korn die Zeit der Reife erreicht.»

«Geht also, o König, das Korn durch die eingetretene Störung nicht wohl zugrunde, und erreicht das ungeschädigte Korn nicht wohl die Zeit der Ernte?»

«Ja, o Ehrwürdiger.»

«Genau so auch, o König, tritt bei demjenigen, der zur Unzeit stirbt, deshalb der unzeitige Tod ein, weil er durch eine ausgebrochene Krankheit gehemmt wird, oder weil eine Störung eintritt, sei es durch Unfall, Hunger oder Durst, durch Schlangenbiß, Vergiftung, Feuer, Wasser oder Schwert. Denn wenn er nicht durch diese Dinge gehemmt wäre, würde er den Tod zur rechten Zeit erreichen.»

«Wunderbar, ehrwürdiger Nāgasena! Außerordentlich, ehrwürdiger Nāgasena! Richtig erbracht hast du die Beweise und Beispiele zur Erklärung des unzeitigen Todes. Du hast klar dargelegt, bekannt und deutlich gemacht, daß es einen unzeitigen Tod gibt. Selbst ein geistloser, zerfahrener Mensch möchte durch das eine oder andere der Gleichnisse zur Überzeugung kommen, daß es einen unzeitigen Tod gibt, wieviel eher aber ein Mann, der Geist besitzt. Schon durch das erste Gleichnis wurde ich davon überzeugt, daß es einen unzeitigen Tod gibt. Da ich aber noch weitere Erklärungen zu hören wünschte, habe ich dir nicht gleich beigestimmt.»


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