Zurueck Milindapañha, Teil 4

8. Kapitel  

Mil. 4.8.1. Vessantaras Wegschenken von Weib und Kind

 

«Haben wohl, ehrwürdiger Nāgasena, alle Bodhisattas Weib und Kind weggegeben, oder hat dies bloß der König Vessantara getan?» (Die Erzählung vom König Vessantara, dem künftigen Buddha, wird berichtet in Vessantara-Jātaka. Sie bildet in allen buddhistischen Ländern einen beliebten Gegenstand zu dramatischen Darstellungen)

«Alle Bodhisattas, o König, haben dies getan, nicht etwa bloß der Konig Vessantara.»

«Haben sie dies wohl mit Einwilligung von Weib und Kind getan?»

«Sein Weib, o König, willigte zwar ein, doch die Kinder weinten, weil sie eben noch unverständig waren. Hätten sie aber den Zweck richtig erkannt, so hätten auch sie freudig zugestimmt und nicht geweint.»

«Eine schwere Tat, ehrwürdiger Nāgasena, hat der Bodhisatta vollbracht, insofern er seine eigenen geliebten Kinder dem Brahmanen als Sklaven hingab. Und das ist die zweite, noch schwerere Tat, daß er voll Gleichmut blieb, als er seine eigenen geliebten Kinder, noch so jung und klein, mit einer Ranke zusammenband und dann zusah, wie ihnen von jenem Brahmanen vermittelst der Ranke die Arme aufgerieben wurden. Das aber ist die dritte, noch schwerere Tat, daß er die durch eigene Kraft den Fesseln entkommenen Kinder, als sie voller Angst zu ihm zurückeilten, von neuem mit einer Ranke band und wieder weggab. Und das ist die vierte, noch schwerere Tat, daß er seine Kinder nicht tröstete und bat, sich nicht zu fürchten, als sie jammerten, daß sie dies Gespenst mitnehmen wolle um sie aufzufressen. Und dies ist die fünfte, noch schwerere Tat, daß er nicht nachgab, als sein Sohn Jāli ihm weinend zu Füßen fiel und ihn bat: <Genug, lieber Vater! Behalte Kanhājinā zurück! Ich will allein mit dem Gespenst gehen. Mich mag es ruhig auffressen!> Und dies ist die sechste, noch schwerere Tat, daß er kein Mitleid empfand, als sein Sohn Jāli jammernd klagte: <Wahrlich, hart wie Stein, lieber Vater, ist dein Herz, daß du angesichts unserer Qualen nicht verhinderst, daß wir von dem Gespenst in den menschenlosen großen Wald geschleppt werden.> Und dies ist die siebente, noch schwerere Tat, daß, als sein Kind fortgeschleppt und seinen Blicken entführt worden war, ihm, vor Ungemach und Schrecken nicht der Schädel in hunderttausend Stücke zersprang. Warum sollte ein Mensch, der (sittliches) Verdienst begehrt, anderen Leid zufügen? Sollte er nicht vielmehr das als Gabe spenden, was sein eigen ist?»

«Weil er etwas schwer zu Vollbringendes vollbracht hat, o König, darum verbreitete sich der Ruf des Bodhisatta in dem zehntausendfachen Weltsystem unter Himmelswesen und Menschen. Und darum preisen ihn die Götter in der Götterwelt, die Titanen im Titanenreich, die Greifen im Greifenreich, die Drachen im Drachenreich, die Dämonen im Dämonenreich. Und sein Ruhmesruf ist durch die Überlieferung allmählich bis auf den heutigen Tag bis hier in unser Zeitalter gedrungen. Und wir sitzen nun da, indem wir jene Gabe tadeln und mißbilligen und untersuchen, ob sie eine rechte oder unrechte Gabe war. Dieser Ruhmesruf aber, o König, läßt bei den scharfsinnigen, verständigen, weisen und einsichtigen Bodhisattas zehn Tugenden erkennen, nämlich: ihre Gierlosigkeit, Losgelöstheit, Freigebigkeit und Entsagung, ihr Gesichertsein gegen jeden Rückfall, (und ihre Einsicht in) die Subtilität, Erhabenheit, ihre schwere Begreifbarkeit, Seltenheit und Unvergleichbarkeit der Buddhalehre.»

«Wenn, ehrwürdiger Nāgasena, jemand in einer solchen Weise Gaben spendet, daß er anderen Leiden verursacht, hat da wohl jene Gabe ein glückliches Ergebnis und führt zum Himmel?»

«Ja, o König. Was soll man da anders erwidern?»

«Bitte, ehrwürdiger Nāgasena, erkläre mir den Grund hierfür!»

«Nimm an, o König, es sei da ein sittenreiner, dem Guten ergebener Asket oder Priester, gelähmt oder ein Krüppel oder leide an irgend einer Krankheit Und ein Mann, der ein gutes Werk zu tun wünsche, lade ihn auf einen Wagen und bringe ihn an den gewünschten Ort. Möchte da etwa, o König, jenem Manne demzufolge nicht etwas Gutes widerfahren? Und möchte jene Tat nicht wohl zum Himmel führen?»

«Gewiß, o Ehrwürdiger. Was soll man da anders erwidern? Jener Mann möchte einen Reitelefanten erlangen, oder ein Reitpferd, oder ein Gefährt, auf dem Lande ein Landfahrzeug, auf dem Wasser ein Wasserfahrzeug, unter Göttern ein Götterfahrzeug, unter den Menschen ein Gefährt für Menschen. Etwas derart Angemessenes und Passendes würde ihm in jeder Daseinsform zufallen. (Seiner Guttat) entsprechende Glücksfälle würden ihm zuteil werden; von einer Glücksfährte zur anderen möchte er gelangen. Und das Fahrzeug der geistigen Macht besteigend, möchte er, unter dem Einfluss jenes (guten) Werkes zur ersehnten Stätte des Nibbāna hingelangen.»

«Genau so mag eine Gabe, o König, die man gibt, auch wenn man dadurch anderen Wesen Leid zufügt, segensreiche Früchte bringen und zum Himmel führen; denn jenem Manne, der dem Zugochsen Leiden verursachte, ist ja solch hoher Segen beschieden. Aber noch ein weiteres Beispiel hierfür, o König, sollst du hören. Wenn da ein Fürst von seinem Lande eine gerechte Steuer fordert und dann durch Befehlserlaß Gaben verteilen läßt, möchte ihm da nicht wohl demzufolge irgendwie Segen beschieden sein und nicht auch jene Gabe zum Himmel führen?»

«Gewiß, o Ehrwürdiger. Was soll man da anders erwidern? Jener König möchte dadurch noch außerdem das Hundert- und Tausendfache davon erlangen und zum Könige der Könige werden, zum Gott der Gottheiten, zum Brahma der Brahmas, zum höchsten unter den Asketen, Priestern und Heiligen.»

«Genau so mag eine Gabe, o König, die man gibt, auch wenn man dadurch anderen Wesen Leid zufügt, segensreiche Früchte bringen und zum Himmel führen; denn dadurch daß jener König erst durch Steuern das Volk bedrückte und dann davon Gaben spendete, genießt er solch hohes Ruhmesglück.»

«Eine übermäßige Gabe, ehrwürdiger Nāgasena, hat der König Vessantara gegeben, insofern er sein eigenes Weib einem anderen als Weib, und seine eigenen Kinder dem Brahmanen als Sklaven hingab. Übermäßige Gabe aber, o Ehrwürdiger, wird in der Welt von den Einsichtigen getadelt und verworfen. Gleichwie nämlich, ehrwürdiger Nāgasena, bei übermäßiger Last die Wagenachse bricht, oder das Schiff untergeht, oder wie durch übermäßiges Essen die Speise schlecht verdaut wird, oder durch übermäßigen Regen das Korn zugrunde geht, oder man durch übermäßiges Geben sein Vermögen verliert, oder durch übermäßige Hitze Brand entsteht, oder übermäßige Begierde zum Wahnsinn führt, übermäßiger Haß einen zum Mörder macht, man durch übermäßige Verblendung in Elend gerät, durch übermäßige Habgier dem Hang zum Diebstahl verfällt, durch übermäßige Furcht gehemmt wird, oder wie durch übermäßiges Anschwellen der Strom überfließt, durch übermäßigen Wind der Blitz einschlägt, durch übermäßiges Feuer der Reis überkocht, und man durch übermäßiges Umherlaufen nicht lange am Leben bleibt: ebenso auch, ehrwürdiger Nāgasena, wird übermäßiges Geben in der Welt von den Einsichtigen getadelt und verworfen. Eine übermäßige Gabe aber, ehrwürdiger Nāgasena, hat der König Vessantara dargeboten. Und dafür kann er keine guten Früchte erwarten.»

«Übermäßiges Geben, o König, wird in aller Welt von den Einsichtigen gelobt, anerkannt und gepriesen. Und wer auch immer eine solche Gabe spendet, erntet in der Welt den Namen eines übermäßigen Gabenspenders, genau wie die himmlische Waldwurzel, durch ihre außerordentlichen Vorzüge, den der sie anfaßt, für andere unsichtbar macht, auch wenn diese nur eine Elle weit entfernt sind; oder wie die Arznei infolge der ihr innewohnenden Vorzüge die Schmerzen vertreibt und die Krankheiten heilt; oder wie das Feuer infolge der übermäßigen Glut erhitzt, oder wie das Wasser bei übermäßiger Kälte abkühlend wirkt, oder wie die Lotusblume wegen ihrer außerordentlichen Lauterkeit nicht vom Wasser und Schlamme befleckt wird, oder wie das (magische) Edelsteinjuwel infolge der ihm innewohnenden Vorzüge alle Wünsche erfüllt, oder wie der Diamant infolge seiner übermäßigen Härte Edelsteine, Perlen und Kristall durchbohrt oder wie die Erde infolge ihrer außerordentlichen Größe Menschen, Schlangen, Tiere, Vögel, Wasser, Felsen, Berge und Bäume tragen kann, oder wie das Meer infolge seiner übermäßigen Größe nie voll wird, oder wie das Merugebirge infolge seiner übermäßigen Schwere unerschütterlich ist, oder wie der Raum wegen seiner außerordentlichen Ausdehnung unendlich ist, oder wie die Sonne durch ihr übermäßiges Licht die Finsternis verscheucht, oder wie der Löwe infolge der ihm angeborenen Vorzüge frei ist von Furcht, oder wie ein Ringkämpfer bei überlegener Kraft seinen Gegner schnell in die Höhe wirft, oder wie der König infolge seines außerordentlichen Verdienstes Oberherrscher wird, oder wie ein Mönch bei äußerster Sittlichkeit für die Drachen, Dämonen, Menschen und Himmelswesen ein Gegenstand der Verehrung bildet oder wie der Erleuchtete wegen seiner außerordentlichen Erhabenheit unvergleichlich ist. Wegen seiner übermäßigen Gabe wurde der König Vessantara in dem zehntausendfachen Weltsystem gelobt, anerkannt, gepriesen, verehrt und verherrlicht. Und infolge eben dieser übermäßigen Gabe wurde der König Vessantara nunmehr als der Erleuchtete wiedergeboren, als der Höchste in der Welt samt ihren Göttern. Gibt es wohl aber, o König, in der Welt eine verwerfliche Gabe, die man einem der Gaben Würdigen, den man trifft, nicht anbieten darf?»

«Zehn Gaben, ehrwürdiger Nāgasena, werden in der Welt als verkehrte Gaben betrachtet; und wer solche Gaben spendet, verfällt dem Abwege. Es sind das Darbieten von berauschenden Getränken, von Orgien, Weibern, Stieren, (anstößigen) Bildern (citta-kamma, vgl. Sutta-Vibhanga des Vinaya, Pācittiya 26: patibhāna-citta), Waffen, Giften, Fesseln, von Hühnern und Schweinen, von falschen Gewichten und Maßen.»

«Nicht frage ich dich, o König, was als verkehrte Gabe betrachtet wird, sondern ob es in der Welt eine verwerfliche Gabe gibt, die man einem der Gaben Würdigen, den man trifft, nicht anbieten darf.»

«Nein, ehrwürdiger Nāgasena! Sobald eben im Herzen Vertrauen aufsteigt, bieten da die einen den der Gaben Würdigen Speise an, andere bieten ihnen Kleidung an, andere ein Ruhelager, andere eine Wohnstätte, andere Decke und Mantel, andere Knechte und Mägde, andere Feld und Boden, andere schenken ihnen Zweifüßer und Vierfüßer, andere hundert oder tausend Taler, andere ein großes Reich, andere geben für sie sogar ihr eigenes Leben hin.»

«Wenn aber, o König, manche gar ihr Leben hingeben, warum hast du dann den König der Geber, Vessantara, so scharf angegriffen, wo er doch in so edler Weise Weib und Kind hingegeben hat? Ist es denn nicht, o König, ein in der Welt anerkannter Brauch, daß der Vater unter dem Drucke von Schulden oder zur Gewinnung seines Lebensunterhaltes sein Kind verpfänden oder verkaufen darf?»

«Gewiß, o Ehrwürdiger, das ist so.»

«Wenn dem aber so ist, o König, so hat der König Vessantara bloß das gegeben, was auch andere geben, bloß das getan, was auch andere tun, wenn er, während er noch nicht das allerkennende Wissen erlangt hatte, um eben jenen Schatz des Gesetzes zu gewinnen, voll Kummer und Schmerz Weib und Kind verpfändete und verkaufte. Warum aber, o König, tadelst du wegen jener Gabe so scharf den Gabenkönig Vessantara?»

«Nicht tadle ich ja, ehrwürdiger Nāgasena, die Gabe des Gabenkönigs Vessantara; doch als man um sein Weib und Kind bat, hätte er sich selber im Austausch geben können.»

«Das, o König, ist eine ungebührliche Handlungsweise, wenn man, um Weib und Kind gebeten, sich selber anbietet. Sondern das, warum man gebeten wird, muß man geben. So ist die Handlungsweise guter Menschen. Wenn sich da, zum Beispiel, ein Mann Wasser bestellt, würde da wohl, wer ihm Speisen bringt, ihn recht bedienen?»

«Nein, o Ehrwürdiger. Wenn er ihm gibt, was jener anordnet, nur dann bedient er ihn recht.»

«Ebenso auch, o König, hat der König Vessantara, als der Brahmane um Weib und Kind bat, eben Weib und Kind hingegeben. Und hätte der Brahmane um den Leib des Vessantara gebeten, so hätte er seine eigene Person nicht gescheut, wäre nicht erregt geworden, nicht in Aufregung geraten, sondern hätte seinen Leib hingegeben, hätte ganz und gar auf ihn verzichtet. Und wäre irgend einer zum Gabenkönig Vessantara gekommen und hätte ihn darum gebeten, sein Sklave zu sein, so hätte er sein Leben hingegeben, hätte ganz und gar darauf verzichtet und keine Qualen dabei empfunden. Das Leben des Vessantara, o König, ist etwas, das vielen gemeinsam angehört, gerade wie in ein Stück gekochtes Fleisch sich viele teilen, oder ein fruchtbeladener Baum vielen Vogelscharen gemeinsam angehört. Denn Vessantara sagte sich, daß, wenn er so handle, er die vollkommene Erleuchtung (Buddhaschaft) erreichen werde.

Gleichwie, o König, ein armer Mann, der Geld braucht und auf die Suche nach Geld ausgeht, auf Ziegenpfaden und dornigen, röhrichtbewachsenen Wegen zu wandern hat, zu Land oder zu Wasser Handel treibt und mit Hilfe seines Körpers, seiner Sprache und seines Geistes Geld zu gewinnen trachtet und sich um dessen Gewinnung abmüht: genau so, o König, schenkte der Gabenherr Vessantara, da er an Buddhaschätzen arm war und den Schatz des allerkennenden Wissens erlangen wollte, den Bittenden Geld und Getreide, Knechte und Mägde, Wagen und Gespann; ja, sein ganzes Eigentum, sein eigenes Weib und Kind, dazu sein eigenes Leben gab er hin, um bloß noch nach der höchsten Erleuchtung zu streben.

Oder: gleichwie, o König, ein Minister, der das Amt des Siegelbewahrers wünscht, des Siegels wegen alles, was sich in seinem Hause an Schätzen und Getreide, Edelmetall und Gold vorfindet, hingibt und sich abmüht, um das Amt des Siegelbewahrers zu bekommen: genau so, o König, gab der Gabenherr Vessantara all seine innerhalb und außerhalb des Hauses befindlichen Schätze weg; ja selbst sein Leben gab er den andern hin, um nur noch nach der höchsten Erleuchtung zu streben. Ferner sagte sich der Gabenherr Vessantara: <Wenn ich dem Brahmanen das gebe, worum er mich bittet, leiste ich ihm dadurch einen rechten Dienst.> Und damit übergab er ihm Weib und Kind. Nicht aber, o König, hat der Gabenherr Vessantara infolge von Abneigung sein Weib und Kind dem Brahmanen hingegeben, auch nicht, weil er sie etwa nicht mehr sehen wollte, oder weil er dachte, daß ihm Weib und Kind zuviel seien und er sie nicht mehr ernähren könne, auch nicht aus Überdruß und weil er sie etwa nicht liebte und loswerden wollte. Sondern nur dem Schatze des allerkennenden Wissens zuliebe, des allerkennenden Wissens wegen übergab er solch unvergleichlichen, großen, unübertroffenen, guten, teuren, innigst geliebten Gegenstand, sein eignes Weib und Kind, die ihm teuer waren wie sein eignes Leben, dem Brahmanen als hehres Geschenk hin. Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, sagt im <Buche der Lebensbeschreibungen> (Carivā-Pitaka):

 

 

Nachdem aber, o König, der König Vessantara seine Kinder als Geschenk weggegeben hatte, trat er in seine Asketenhütte und legte sich dort nieder. Und durch seine außerordentliche Liebe gequält, befiel ihn heftiger Kummer, und das Herz brannte ihm. Da seine Nase versagte, ließ er durch den Mund den heißen Atem strömen. Und als die Tränen aufhörten zu fließen, quollen ihm rote Blutstropfen aus den Augen. Somit also, o König, gab der König Vessantara dem Brahmanen unter Schmerzen sein Weib und Kind, eben um nicht der Gewohnheit des Gebens verlustig zu gehen. Auf zwei Umstände sich stützend, gab der König Vessantara seine beiden Kinder weg, nämlich: weil er dadurch nicht der Gewohnheit des Gebens verlustig gehe, und weil ihr Großvater die unter der Ernährung durch wilde Wurzeln und Früchte leidenden Kinder doch in der Folge befreien werde. Denn der König Vessantara wußte, daß niemand seine Kinder als Diener gebrauchen könne, und daß ihr Großvater sie wieder loskaufen werde und sie so wieder zurückkehren würden. Sich auf diese beiden Umstände stützend, o König, gab er dem Brahmanen seine beiden Kinder.

Ferner wußte der König Vessantara von diesem Brahmanen, daß er abgelebt war, alt und betagt, schwach, gebrechlich, auf eine Krücke gestützt, daß seine Lebenskraft erschöpft und sein (in früheren Leben erwirktes) Verdienst beschränkt war, und daß er nicht imstande sein werde, die Kinder als Diener zu gebrauchen. Könnte wohl, o König, ein Mann mit seinen natürlichen Kräften Sonne und Mond, diese so mächtigen, gewaltigen, nehmen und in einem Korbe oder Kasten aufbewahren, des Lichtes berauben und als Teller gebrauchen?»

«Das wohl nicht, o Ehrwürdiger.»

«Ebenso auch, o König, können die Kinder des der Sonne und dem Monde gleichenden Königs Vessantara von niemandem in der Welt als Sklaven gebraucht werden. Aber noch einen weiteren Vergleich magst du hören. Gerade wie nämlich das (magische) Edelsteinkleinod des Weltherrschers, strahlend, edelgeartet, achteckig, wohlbearbeitet, vier Fuß lang und dick wie eine Radnabe, niemand in Tücher einwickeln, in einem Korbe aufbewahren und zum Messerschleifen gebrauchen kann: ebenso auch konnten die Kinder des dem Edelsteinkleinode gleichenden Königs Vessantara von niemandem in der Welt als Sklaven gebraucht werden.

Oder: wie über den Elefantenkönig Uposatha, der völlig weiß ist, siebenfach gestählt, acht Fuß hoch, neun Fuß in Länge und Umfang, voll Anmut und stattlichem Aussehen, niemand einen Korb oder Trog stülpen, oder ihn wie ein Kalb im Kälberstall eingesperrt halten kann: ebenso auch konnten die Kinder des dem Elefantenkönige gleichenden Vessantara von niemandem in der Welt als Sklaven gebraucht werden.

Oder: wie das Weltmeer, das weite, breite, ausgedehnte, unermeßliche, schwer durchkreuzbare, unergründliche, unverhüllbare, von niemandem auf allen Seiten abgeschlossen und zu einem einzigen Badeplatze gemacht werden kann: ebenso auch konnten die Kinder des dem Weltmeere gleichenden Vessantara von niemandem in der Welt als Sklaven gebraucht werden.

Oder: wie man hoch wie die Wolken in den Lüften den Himalaja, den König der Berge, erblickt, fünfhundert Meilen hoch in den Äther ragend, dreitausend Meilen weit im Umkreise, mit vierundachtzigtausend Gipfeln gekrönt, den Schoß von fünfhundert Strömen, die Behausung von Scharen gewaltiger Wesen, mannigfache Düfte bergend, mit hunderten, gleichsam himmlischen Heilkräutern geschmückt: ebenso auch konnten die Kinder des dem Himalaja, dem Könige der Berge gleichenden Vessantara von niemandem in der Welt als Sklaven gebraucht werden.

Oder: wie in dunkler, finsterer Nacht das auf einem Berggipfel brennende große Feuer schon von weitem sichtbar ist: ebenso auch war der König Vessantara, dem auf dem Berggipfel brennenden großen Feuer gleichend, weithin berühmt und bekannt. Daher konnten seine Kinder von niemandem als Sklaven gebraucht werden.

Oder: wie, wenn zur Blütezeit des Nāgabaumes auf dem Himalaja ein günstiger Wind weht, der Blütenduft zehn bis zwölf Meilen weit fortgetragen wird: ebenso auch hatte der Ruhmesruf des Königs Vessantara sich tausend Meilen weit verbreitet, und der erhabene Duft seiner Sittlichkeit drang bis zum Reiche der <Hehren Götter>, hindurch durch die dazwischenliegenden Reiche der Götter, Titanen, Greife, Genien, Dämonen, Unholde, Schlangengeister, Halbmenschen und durch das Reich des Indra. Daher konnten die Kinder des Vessantara von niemandem als Sklaven gebraucht werden.

Der Knabe Jāli, o König, wurde übrigens von seinem Vater, dem Könige Vessantara, folgenderweise ermahnt: <Wenn dein Großvater, mein Kind, dem Brahmanen Geld geben und dich loskaufen will, so soll er tausend Goldstücke hingeben und dich loskaufen. Wenn er Kanhājinā loskaufen will, so soll er hundert Knechte, hundert Mägde, hundert Elefanten, hundert Rosse, hundert Kühe, hundert Stiere und hundert Goldstücke, also je hundert, hingeben und sie damit loskaufen. Wenn aber, mein Kind, dein Großvater euch den Händen des Brahmanen auf Befehl hin und mit Gewalt, also ohne Bezahlung, entreißt, so gehorchet nicht etwa den Worten eures Großvaters, sondern folgt dem Brahmanen.> Mit dieser Weisung schickte er seine Kinder weg. Darauf ging der Knabe Jāli fort, und auf die Frage des Großvaters erwiderte er:

 

 

«Gut entwirrt, ehrwürdiger Nāgasena, hast du das Problem, völlig zerrissen das Netz der Meinungen, von Grund aus zerschmettert die Behauptungen der Gegner und die eigene Lehre richtig beleuchtet, den Wortlaut völlig klargestellt und den Sinn klar dargelegt. So ist es, und so nehme ich es an.»


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