Anguttara Nikaya

9. Kapitel: thera-vagga

A.X. 81 Der unbefleckte Lotus

Bei Campā, am Ufer des Gaggarā-Sees.

Der ehrwürdige Bāhuna sprach zum Erhabenen:

»Von wie vielen Dingen abgewandt, losgelöst und entledigt, o Herr, weilt wohl der Vollendete unumschränkten Gemütes?« (K: von den Leidenschaften unbeeinträchtigt)

-»Von zehn Dingen, Bāhuna: von Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltungen und Bewußtsein; von Geburt, Alter, Tod, Leiden und Leidenschaften. Von diesen abgewandt, losgelöst und entledigt, weilt der Vollendete unumschränkten Gemütes.

»Gleichwie nämlich, Bāhuna, eine blaue, rote oder weiße Lotusblüte, im Wasser entstanden, im Wasser aufgewachsen, sich über den Wasserspiegel erhebt und dasteht unberührt vom Wasser, ebenso auch, Bāhuna, weilt der Vollendete von diesen zehn Dingen abgewandt, losgelöst und entledigt, unumschränkten Gemütes.«


A.X. 82 Bedingungen des Fortschrittes

Der Erhabene sprach zum ehrwürdigen Ananda also:

»Nicht möglich, Ananda, ist es für einen Mönch, in dieser Lehre und Zucht Fortschritt, Entfaltung und Größe zu erzielen, wenn er ohne Vertrauen ist - sittenlos - unwissend - unbelehrbar - schlechten Umgang pflegt - träge ist - unachtsam - unzufrieden - üblen Ehrgeiz besitzt - falsche Ansichten hat. Daß, Ananda, ein Mönch, der diese zehn Eigenschaften besitzt, in dieser Lehre und Zucht Fortschritt, Entfaltung und Größe erzielen kann, das ist unmöglich.

Daß aber, Ananda, ein Mönch, der Vertrauen besitzt - Sittlichkeit - großes Wissen - Belehrbarkeit - edlen Umgang - Willenskraft - Achtsamkeit - der keinen üblen Ehrgeiz hat, Zufriedenheit und rechte Erkenntnis besitzt, daß ein solcher in dieser Lehre und Zucht Fortschritt, Entfaltung und Größe erzielen kann, das ist wohl möglich.«


A.X. 83 Die Lehrdarlegung des Vollendeten

Der ehrwürdige Punniya sprach zum Erhabenen:

»Was ist wohl, o Herr, der Grund, was ist die Ursache, daß es dem Vollendeten das eine Mal gefällt, die Lehre darzulegen, das andere Mal aber nicht?«

-»Hat da, Punniya, ein Mönch Vertrauen, kommt aber nicht heran, so legt eben der Vollendete nicht die Lehre dar; hat er aber Vertrauen und kommt heran, so legt der Vollendete die Lehre dar.

»Hat da, Punniya, ein Mönch Vertrauen und kommt heran, setzt sich aber nicht hin - oder er setzt sich hin, stellt aber keine Fragen - oder er stellt Fragen, leiht aber der Lehre kein Gehör - oder er leiht der Lehre Gehör, bewahrt aber nicht die vernommenen Lehren im Gedächtnis - oder er bewahrt sie im Gedächtnis, erforscht aber nicht ihren Sinn - oder er erforscht ihren Sinn, doch, obwohl er die Lehre und ihren Sinn kennt, lebt er nicht der Lehre gemäß - oder er lebt wohl der Lehre gemäß, ist aber kein guter Sprecher, kein guter Redner, seine Rede ist nicht gefällig und fließend, nicht fehlerlos in der Aussprache und nicht verständlich im Sinn - oder er ist wohl ein guter Sprecher und Redner, doch er läßt seinen Ordensbrüdern keine Unterweisung, Ermahnung, Ermunterung und Anregung zuteil werden - in diesen Fällen gefällt es dem Vollendeten eben nicht, die Lehre vorzutragen.

Hat aber, Punniya, der Mönch Vertrauen, kommt heran, setzt sich hin, stellt Fragen, leiht der Lehre Gehör, bewahrt die vernommenen Lehren im Gedächtnis, erforscht ihren Sinn, lebt der Lehre gemäß, ist ein guter Sprecher und Redner und gibt seinen Ordensbrüdern Unterweisung, Ermahnung, Ermunterung und Anregung - dann gefällt es dem Vollendeten, die Lehre vorzutragen.

Wenn diese zehn Fälle zutreffen, o Punniya, da gefällt es ganz gewiß dem Vollendeten, die Lehre vorzutragen.«


A.X. 84 Höchstes Wissen vorgeben - I

Der ehrwürdige Mahā-Moggallāna sprach zu den Mönchen:

»Da, ihr Brüder, gibt ein Mönch Höchstes Wissen vor, indem er spricht: 'Aufgehoben ist die Wiedergeburt, erfüllt der Heilige Wandel, getan ist, was zu tun war, nichts weiteres gibt es mehr nach diesem hier: so weiß ich.' Der Vollendete aber oder ein sich vertiefender Jünger des Vollendeten, der vertraut ist mit den geistigen Errungenschaften, vertraut mit dem Geiste der anderen, vertraut mit den Geistesvorgängen der anderen, nimmt sich ihn vor, befragt ihn, forscht ihn aus. Von ihm aber vorgenommen, befragt und ausgeforscht, wird er verlegen (*1) und befangen (*2), bedrückt und niedergeschlagen (*3). Das Herz jenes Mönches geistig durchschauend, denkt nun der Vollendete oder ein Jünger des Vollendeten darüber nach, warum wohl dieser Verehrte Höchstes Wissen vorgibt. Und dessen Herz geistig durchschauend, erkennt er:

Voll Zorn, wahrlich, ist dieser Verehrte; zornbesessenen Geistes weilt er häufig. Vom Zorne besessen sein, gilt in der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht als ein Rückschritt. Voll Wut - Verkleinerungssucht - Herrschsucht - Neid - Geiz - Falschheit - Gleisnerei - voll üblen Ehrgeizes ist dieser Verehrte, mit einem Geiste besessen von üblem Ehrgeiz weilt er häufig. Von üblem Ehrgeiz aber besessen sein, gilt in der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht als ein Rückschritt. Ohne Achtsamkeit ist dieser Verehrte: Wo es noch Höheres zu tun gab, hat er, um einen ganz gemeinen Vorteil zu erlangen, auf halbem Wege Halt gemacht. Auf halbem Wege aber Halt machen, gilt in der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht als ein Rückschritt.

Daß da ein Mönch, ihr Brüder, ohne diese zehn Dinge überwunden zu haben, in dieser Lehre und Zucht Fortschritt, Entfaltung und Größe erzielen kann, das ist nicht möglich. Wohl aber ist es möglich, daß ein Mönch, der diese zehn Dinge überwunden hat, in dieser Lehre und Zucht Fortschritt, Entfaltung und Größe erzielt.«


(*1) irinam, wtl: unfruchtbarer Boden, Wüste; K: Leerheit (hier: des Geistes).

(*2) vipinam, wtl: dichtes Gestrüpp (K: mahā-gahanam).

(*3) anaya-vyasanam āpajjati; wtl: gerät in Mißgeschick und Elend.


A.X. 85 Errungenschaffen vorgeben

Einst weilte der ehrwürdige Mahā-Cunda bei Sahajāti im Lande der Cetier. Dort wandte er sich an die Mönche und sprach:

»Da rühmt sich und brüstet sich, ihr Brüder, ein Mönch mit seinen Errungenschaften, indem er spricht: 'Ich trete in die erste Vertiefung ein und erhebe mich aus ihr; ich trete in die zweite, dritte und vierte Vertiefung ein und erhebe mich daraus; ich trete in die Gebiete der Raumunendlichkeit, Bewußtseinsunendlichkeit, Nichtheit und der Weder-Wahrnehmung-noch-Nichtwahrnehmung ein und erhebe mich daraus.' Der Vollendete aber oder ein sich vertiefender Jünger des Vollendeten, der vertraut ist mit den geistigen Errungenschaften, vertraut mit dem Geiste der anderen, vertraut mit den Geistesvorgängen der anderen, nimmt sich ihn vor, befragt ihn, forscht ihn aus. Von ihm aber vorgenommen, befragt und ausgeforscht, wird er verlegen und befangen, bedrückt und niedergeschlagen. Das Herz jenes Mönches geistig durchschauend, denkt nun der Vollendete oder ein Jünger des Vollendeten darüber ach, warum wohl dieser Verehrte sich dieser Errungenschaften rühmt, sich mit ihnen brüstet. Und dessen Herz geistig durchschauend, erkennt er:

Seit langer Zeit ist jener Verehrte in den Sitten unvollkommen, lückenhaft, verderbt, befleckt, unbeständig, von unbeständigem Benehmen. Sittenlos ist dieser Verehrte. Sittenlosigkeit aber gilt in der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht als ein Rückschritt. Vertrauenslos ist dieser Verehrte - unwissend - unbelehrbar - pflegt schlechten Umgang - ist träge - ohne Achtsamkeit - ein Heuchler - schwer zu befriedigen - ohne Weisheit. Weisheitsmangel aber gilt in der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht als ein Rückschritt.

Es ist, hiermit, ihr Brüder, ebenso, wie wenn ein Freund zu seinem Freunde spricht: 'Wenn du Geld brauchst, mein Lieber, dann bitte mich darum! Ich werde dir welches geben.' Als sich nun einmal Geldnot einstellte, sprach jener Freund zu ihm: 'Ich brauche Geld, mein Lieber! Gib mir welches!' Jener aber spricht: 'So grabe denn hier auf, mein Lieber (um die angeblich im Boden vergrabenen Schätze zu finden)!' Als aber jener dort aufgräbt, findet er nichts; und er spricht: 'Etwas Verkehrtes und Törichtes hast du mir geraten, indem du mir sagtest, ich solle hier aufgraben!' Jener aber antwortet: 'Ich hab dir nichts Verkehrtes und Törichtes geraten. So grabe denn hier, mein Lieber! Und obwohl dieser wiederum dort gräbt, findet er nichts und spricht: 'Etwas Verkehrtes und Törichtes hast du mir geraten, mein Lieber!' Jener aber erwidert: 'Ich habe dir nichts Verkehrtes und Törichtes geraten. So grabe doch dort, mein Lieber!' Und obwohl dieser nochmals gräbt, findet er nichts und spricht: 'Etwas Verkehrtes und Törichtes hast du mir geraten, mein Lieber!' Jener aber spricht: 'Ich habe dir nichts Verkehrtes und Törichtes geraten; ich war eben dem Wahnwitz verfallen, der geistigen Verwirrung.'

Ebenso auch, ihr Brüder, (ist es mit diesem Mönch).

Daß da, ihr Brüder, ein Mönch, ohne diese zehn Dinge überwunden zu haben, in dieser Lehre und Zucht Fortschritt, Entfaltung und Größe erzielen kann, das ist nicht möglich. Wohl aber ist es möglich, daß ein Mönch, der diese zehn Dinge überwunden hat, in dieser Lehre und Zucht Fortschritt, Entfaltung und Größe erzielt.«


A.X. 86 Höchstes Wissen vorgeben - II

Im Bambushain bei Rājagaha, an der Fütterungsstelle der Eichhörnchen. Der ehrwürdige Mahā-Kassapa sprach also:

»Da, ihr Brüder, gibt ein Mönch Höchstes Wissen vor, indem er spricht: 'Aufgehoben ist die Wiedergeburt, erfüllt der Heilige Wandel, getan ist was zu tun war, nichts weiteres gibt es mehr nach diesem hier; so weiß ich.' Der Vollendete aber oder ein sich vertiefender Jünger des Vollendeten, der vertraut ist mit den geistigen Errungenschaften, vertraut mit dem Geiste der anderen, vertraut mit den Geistesvorgängen der anderen, nimmt sich ihn vor, befragt ihn, forscht ihn aus. Von ihm aber vorgenommen, befragt und ausgeforscht, wird er verlegen und befangen, bedrückt und niedergeschlagen. Das Herz jenes Mönches geistig durchschauend, denkt nun der Vollendete oder ein Jünger des Vollendeten darüber nach, warum wohl dieser Verehrte Höchstes Wissen vorgibt. Und dessen Herz geistig durchschauend, erkennt er:

'Dieser Verehrte überschätzt sich selbst (adhimāniko); er ist einer, der seine Selbstüberschätzung für Wahrheit ausgibt (*1). Wo er nichts erreicht hat, glaubt er, etwas erreicht zu haben; wo er nichts erwirkt hat, glaubt er, etwas erwirkt zu haben; wo er nichts errungen hat, glaubt er, etwas errungen zu haben; und in seiner Selbstüberschätzung gibt er Höchstes Wissen vor.' Das Herz jenes Mönches geistig durchschauend, denkt nun der Vollendete oder ein Jünger des Vollendeten darüber nach, warum wohl dieser Verehrte sich selber überschätzt und seine Selbstüberschätzung für Wahrheit ausgibt... Und dessen Herz geistig durchschauend, erkennt er:

'Dieser Verehrte besitzt freilich großes Wissen, ist ein Bewahrer des Wissens, hat sich große Kenntnisse angesammelt. Jene Lehren, die am Anfang vorzüglich, in der Mitte vorzüglich und am Ende vorzüglich sind, die in vollendetem Sinne und Ausdruck ein ganz vollkommenes, geläutertes Reinheitsleben verkünden, diese Lehren hat er sich häufig angehört, sich eingeprägt, im Wortlaut gelernt, im Geiste erwogen und sie weise verstanden. Darum überschätzt sich dieser Verehrte und gibt seine Selbstüberschätzung für Wahrheit aus.'

Und dessen Herz geistig durchschauend, erkennt der Vollendete oder ein Jünger des Vollendeten 'Voll Habgier, wahrlich, ist dieser Verehrte; gierbesessenen Herzens weilt er häufig, von der Begierde aber besessen sein gilt in der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht als ein Rückschritt. Voll Haß ist dieser Verehrte - voll Starrheit und Mattigkeit - voll Aufgeregtheit - voll Zweifelsucht; zweifelbefangenen Herzens weilt er häufig; in Zweifelsucht aber befangen sein gilt in der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht als ein Rückschritt. Er hat ferner Freude und Gefallen an körperlicher Beschäftigung, am Plaudern, am Schlafen, an Geselligkeit, ist der Freude an Geselligkeit hingegeben. Das aber gilt in der vom Vollendeten verkündeten Lehre als ein Rückschritt. Ohne Achtsamkeit ist dieser Verehrte: Wo es noch Höheres zu tun gab, hat er, um einen ganz gemeinen Vorteil zu erlangen, auf halbem Wege Halt gemacht. Auf halbem Wege aber Halt machen, gilt in der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht als ein Rückschritt.

Daß da, ihr Brüder, ein Mönch, ohne diese zehn Dinge überwunden zu haben, in dieser Lehre und Zucht Fortschritt, Entfaltung und Größe erzielen kann, das ist nicht möglich. Wohl aber ist es möglich, daß ein Mönch, der diese zehn Dinge überwunden hat, in dieser Lehre und Zucht Fortschritt, Entfaltung und Größe erzielt.«


(*1) adhimāna-sacco. K: adhigatamānam eva saccato vadati, »er gibt als Wahrheit aus, was lediglich ein von ihm erworbener Dünkel ist«. - Während Text 84 einen Mönch betrifft, der offensichtlich in betrügerischer Absicht spricht, scheint es sich hier um mehr oder weniger ehrliche Selbstüberschätzung auf Grund großen Wissens zu handeln. In seinem Dünkel ignoriert ein solcher seine im folgenden genannten schlechten Eigenschaften und verbirgt es vor sich selber, daß sie der von ihm vorgegebenen Heiligkeit widersprechen. Wenn diese Auslegung zutrifft, könnte man adhimānasacco übersetzen mit »einer, der ehrliche Selbstüberschätzung besitzt«.


A.X. 87 Gründe für Liebe und Achtung

Dort nun wandte sich der Erhabene mit Rücksicht auf den Mönch Kālaka (*1) an die Mönche:

Da, ihr Mönche, ist der Mönch streitsüchtig, lobt nicht die Schlichtung der Streitigkeiten. Daß aber, ihr Mönche, der Mönch streitsüchtig ist, nicht die Schlichtung der Streitigkeiten lobt, das ist eine Eigenschaft, die nicht zur Freundschaft, Achtung und Ehrfurcht, nicht zur Eintracht und Einigkeit führt.

Ferner, ihr Mönche, ist der Mönch nicht schulungseifrig, lobt nicht den Schulungseifer - er besitzt üblen Ehrgeiz - ist voll Zorn - Verkleinerungssucht - Herrschsucht - Gleisnerei, lobt nicht deren Überwindung; er hat kein Interesse an den Lehren, lobt nicht das Interesse an den Lehren - ist nicht abgeschieden, lobt nicht die Abgeschiedenheit - ist nicht freundlich gegen seine Ordensbrüder, lobt nicht die Freundlichkeit. Daß aber, ihr Mönche, der Mönch nicht freundlich ist gegen seine Ordensbrüder, nicht die Freundlichkeit lobt, das ist eine Eigenschaft, die nicht zur Freundschaft, Achtung und Ehrfurcht, nicht zur Eintracht und Einigkeit führt.

Mag da, ihr Mönche, ein solcher Mönch auch noch so sehr wünschen: 'Ach, möchten mich doch meine Ordensbrüder schätzen und würdigen, achten und ehren!', seine Ordensbrüder schätzen und würdigen, achten und ehren ihn eben nicht. Und warum nicht? Weil, ihr Mönche, die verständigen Ordensbrüder merken, daß jene üblen, unheilsamen Eigenschaften in ihm noch nicht geschwunden sind.

Es ist damit genauso wie mit einem ungebärdigen Roß, ihr Mönche. Mag dieses auch noch so sehr wünschen: 'Ach, möchten mich doch die Menschen an einem würdigen Platze einstellen, mir würdiges Futter reichen und mir würdige Reinigung zuteil werden lassen!', die Menschen aber stellen es eben nicht an würdigem Platze ein, reichen ihm kein würdiges Futter und lassen ihm keine würdige Reinigung zuteil werden. Und warum nicht? Weil, ihr Mönche, verständige Menschen merken, daß jenes hinterlistige, versteckte, tückische und unaufrichtige Wesen in ihm noch nicht geschwunden ist.

Da aber, ihr Mönche, ist ein Mönch nicht streitsüchtig, und er lobt die Schlichtung von Streitigkeiten - er ist schulungseifrig, lobt den Schulungseifer - er ist bedürfnislos und lobt die Überwindung anspruchsvollen Wünschens - er ist ohne Zorn, ohne Verkleinerungssucht, ohne Herrschsucht, ohne Gleisnerei und lobt deren Überwindung - er hat ernstes Interesse an den Lehren und lobt solches Interesse - er ist abgeschieden und lobt die Abgeschiedenheit - er ist freundlich gegen seine Ordensbrüder und lobt die Freundlichkeit gegen sie. Daß aber, ihr Mönche, der Mönch freundlich ist gegen seine Ordensbrüder und die Freundlichkeit gegen sie lobt, das ist eine Eigenschaft, die zur Freundschaft, Achtung und Ehrfurcht, zur Eintracht und Einigkeit führt.

Mag da, ihr Mönche, ein solcher Mönch auch nicht den Wunsch hegen: 'Ach, möchten mich doch meine Ordensbrüder schätzen und würdigen, achten und ehren!', seine Ordensbrüder werden ihn doch eben schätzen und würdigen, achten und ehren. Und warum? Weil, ihr Mönche, die verständigen Ordensbrüder merken, daß in ihm jene üblen, unheilsamen Eigenschaften geschwunden sind.

Es ist damit genauso wie mit einem guten, edlen Roß. Mag dieses auch nicht den Wunsch haben: 'Ach, möchten mich doch die Menschen an einem würdigen Platze einstellen, mir würdiges Futter reichen und mir würdige Reinigung zuteil werden lassen!', die Menschen lassen ihm eben doch alles dies zuteil werden. Und warum? Weil, ihr Mönche, verständige Menschen merken, daß jenes hinterlistige, versteckte, tückische und unaufrichtige Wesen in ihm geschwunden ist.


(*1) Andere Lesarten: Kālandaka (Variante des Namens) oder kālankatam, »mit Rücksicht auf einen verstorbenen Mönch«.


A.X. 88 Das Schicksal des Verleumders

Wie A.XI.6, ohne den dortigen 7. Punkt (Aufgabe der Askese).


A.X. 89 Kokālika

(Dieser Text erscheint mit Abweichungen auch im Brahma-Samy.10; ferner, mit zusätzlichen Versen, in Snp. (S. 148ff.).

Es begab sich einmal der Mönch Kokālika zum Erhabenen, begrüßte ihn ehrerbietig und setzte sich zur Seite nieder. Seitwärts sitzend sprach der Mönch Kokālika zum Erhabenen also: »Üble Wünsche, o Herr, hegen Sāriputta und Moggallāna. Unter em Einfluß übler Wünsche stehen sie.«

»Nicht doch, Kokālika! Nicht doch Kokālika! Habe in deinem Herzen Vertrauen zu Sāriputta und Moggallāna! Edel sind Sāriputta und Moggallāna.«

»Wie sehr auch, o Herr, der Erhabene für mich glaubwürdig und vertrauenswürdig ist, so hegen dennoch Sāriputta und Moggallāna üble Wünsche, stehen unter dem Einfluß übler Wünsche.«

»Nicht doch, Kokālika! Nicht doch, Kokālika! Habe in deinem Herzen Vertrauen zu Sāriputta und Moggallāna! Edel sind Sāriputta und Moggallāna.«

Und zum drittenmal sprach der Mönch Kokālika zum Erhabenen:

»Wie sehr auch, o Herr, der Erhabene für mich glaubwürdig und vertrauenswürig ist, so hegen dennoch Sāriputta und Moggallāna üble Wünsche, stehen unter dem Einfluß übler Wünsche.«

»Nicht doch, Kokālika! Nicht doch Kokālika! Habe in deinem Herzen Verrauen zu Sāriputta und Moggallāna! Edel sind Sāriputta und Moggallāna.«

Da erhob sich der Mönch Kokālika von seinem Sitz, begrüßte ehrfurchtsvoll den Erhabenen, und, ihm die Rechte zukehrend, entfernte er sich. Kaum aber war der Mönch Kokālika gegangen, da bedeckte sich sein ganzer Körper mit Beulen, die so groß waren wie Senfkörner. Darauf wurden sie so groß wie Mungabohnen, dann wie Erbsen, dann wie Brustbeerkerne, dann wie Brustbeeren, dann wie Myrobalanrüchte, dann wie junge Holzäpfel, dann wie ausgereifte Holzäpfel. Als die Beulen aber so groß waren wie ausgereifte Holzäpfel, da brachen sie auf, und Eiter und Blut quollen hervor. Er aber lag da auf Bananenblättern, wie ein Fisch, der Gift geschluckt hat (*1).

Da erschien Tudu, der Einzelbrahma, vor dem Mönche Kokālika, und, in der Luft schwebend, sprach er zu ihm:

»Habe in deinem Herzen Vertrauen, Kokālika, zu Sāriputta und Moggallāna! Edel sind Sāriputta und Moggallāna.«

»Wer bist du, Freund?«

»Tudu bin ich, der Einzelbrahma.«

»Hat dich denn nicht der Erhabene als einen Nichtwiederkehrer bezeichnet? Und nun bist du doch hierhergekommen. Sieh lieber deine eigene Schuld ein!«

Tudu, der Einzelbrahma, aber redete den Mönch Kokālika mit diesen Versen an: »

Ja, dem geborenen Erdensohn
erwächst im Munde eine Axt,
mit der der Tor sich selbst verdirbt,
indem er böse Worte spricht.
Wer lobet den, der tadelnswert,
und tadelt den, der lobenswert,
der häuft in Worten Böses an,
und Böses bringt nimmer Glück.
Gar gering ist dieses Übel:
Hab und Gut beim Spiel verlieren,
alles samt dem eigenen Leben;
doch das Größte aller Übel ist,
die Heiligen zu schmähen.
Für hunderttausend-sechsunddreißig Nirabudda-Zeiten
und ferner fünf Abudda-Zeiten noch
geht in die Hölle, wer die Heiligen schmäht,
wer Wort und Geist auf solches Übel richtet.«

Kokālika, der Mönch, aber starb an eben jener Krankheit; und nach seinem Tode wurde er in der Paduma-Hölle wiedergeboren dafür, daß er Groll hegte in seinem Herzen gegen Sāriputta und Moggallāna.

Da begab sich der Brahma Sahampati zu vorgerückter Nachtstunde, herrlich erstrahlend und den ganzen Jetahain erleuchtend, zum Erhabenen. Bei ihm angelangt, begrüßte er ehrfurchtsvoll den Erhabenen und stellte sich zur Seite hin. Seitwärts stehend sprach nun der Brahma Sahampati zum Erhabenen: »Der Mönch Kokālika ist gestorben, o Herr, und nach seinem Abscheiden ward er in der Paduma-Hölle wiedergeboren dafür, daß er Groll in seinem Herzen hegte gegen Sāriputta und Moggallāna.« Also sprach der Brahma Sahampati. Nach diesen Worten begrüßte er den Erhabenen ehrfurchtsvoll,und, ihm die Rechte zukehrend, verschwand er von dort.

Nach Ablauf der Nacht aber wandte sich der Erhabene an die Mönche und sprach: »Diese Nacht, ihr Mönche, kam der Brahma Sahampati, herrlich erstrahlend und den ganzen Jetahain erleuchtend, zu mir heran und sprach: 'Der Mönch Kokālika ist gestorben, o Herr, und nach seinem Abscheiden ward er in der Paduma-Hölle wiedergeboren dafür, daß er Groll hegte in seinem Herzen gegen Sāriputta und Moggallāna.' Also sprach der Brahma Sahampati. Nach diesen Worten begrüßte er mich ehrfurchtsvoll, und, mir die Rechte zukehrend, verschwand er.«

Darauf sprach einer der Mönche zum Erhabenen: »Wie lange wohl, o Herr, währt die Lebensfrist in der Paduma-Hölle?«

»Gar lange, o Mönch, währt die Lebensfrist in der Paduma-Hölle. Nicht leicht läßt sich das berechnen und etwa sagen: soviele Jahre oder soviele Jahrhunderte oder soviele Jahrtausende oder soviele Hunderttausende von Jahren.«

»Kann man aber wohl ein Gleichnis geben, o Herr?«

»Das kann man, o Mönch.« Und der Erhabene sprach:

»Nehmen wir an, o Mönch, es befände sich da eine sechzig Kosaler Scheffel haltende Fuhre Sesamkörner, und ein Mann nähme jedesmal nach Ablauf von hundert Jahren ein Sesamkorn davon weg, so möchte bei diesem Verfahren jene sechzig Kosaler Scheffel haltende Fuhre Sesamkörner schneller leer werden und zu Ende kommen als eine Lebensfrist in der Abbudahölle. Zwanzig solcher Abbudahöllen aber entsprechen einer Nirabbudahölle, zwanzig Nirabbudahöllen einer Ababahölle, zwanzig Ababahöllen einer Ahahahölle, zwanzig Ahahahöllen einer Atatahölle, zwanzig Atatahöllen einer Kumudahölle, zwanzig Kumudahöllen einer Sogandhihölle, zwanzig Sogandhihöllen einer Uppalakahölle, zwanzig Uppalakahöllen einer Pundarīkahölle, zwanzig Pundarīkahöllen einer Padumahölle. In der Padumahölle aber, o Mönch, ist der Mönch Kokālika wiedergeboren worden, da er in seinem Herzen Groll hegte gegen Sāriputta und Moggallāna.«

(Hier werden die vom Brahma Tudu gesprochenen Verse nochmals vom Buddha wiederholt.)


(*1) Der letzte Satz und die folgende Episode mit Tudu, dem Einzelbrahma finden sich nicht in den Parallelstellen in Samy. und Snp. Die Tudu-Episode ist jedoch als ein gesonderter Text im Brahma-Samy., No. 9, enthalten.


A.X. 90 Die zehn Kräfte eines Triebversiegten

Der Erhabene sprach zum ehrwürdigen Sāriputta:

»Wieviele Kräfte, Sāriputta, eignen wohl dem triebversiegten Mönch, mit denen ausgestattet er von sich die Versiegung der Triebe behaupten kann, derart 'Versiegt sind in mir die Triebe'?«

»Zehn Kräfte sind es, o Herr. Welche zehn?

Da, o Herr, hat der triebversiegte Mönch der Wirklichkeit gemäß in rechter Weisheit klar erkannt, daß alle Gebilde vergänglich sind. Daß er aber, o Herr, dies erkannt hat, ist eine Kraft des triebversiegten Mönchs, auf die gestützt er von sich die Versiegung der Triebe behaupten kann derart: 'Versiegt sind in mir die Triebe'.

Fernerhin, o Herr, hat der triebversiegte Mönch der Wirklichkeit gemäß in rechter Weisheit klar erkannt, daß die Sinnenlüste einer Grube mit glühenden Kohlen gleichen. Daß er aber, o Herr, dies erkannt hat...

Fernerhin, o Herr, neigt sein Geist zur Einsamkeit, ist der Einsamkeit zugewandt, der Einsamkeit ergeben, losgelöst und in der Entsagung beglückt, gänzlich entgangen den triebhaften Dingen.

Fernerhin, o Herr, 

Daß aber, o Herr, der triebversiegte Mönch den edlen achtfachen Pfad erweckt und wohl entfaltet hat, dies ist eine Kraft des triebversiegten Mönches, auf die gestützt er von sich die Versiegung der Triebe behaupten kann derart: 'Versiegt sind in mir die Triebe'.

Diese zehn Kräfte, o Herr, eignen dem triebversiegten Mönch, mit denen ausgestattet er von sich die Versiegung der Triebe behaupten kann derart: 'Versiegt sind in mir die Triebe'.«


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