Anguttara Nikaya

10. Kapitel: asura-vagga

A.IV. 91 Engel und Teufel

Vier Menschen, ihr Mönche, sind in der Welt anzutreffen. Welche vier?

Wie aber ist einer ein Teufel, von Teufeln umgeben? Da ist ein Mensch sittenlos, von schlechtem Charakter, und auch seine Umgebung ist sittenlos, von schlechtem Charakter.

Wie aber ist einer ein Teufel, von Engeln umgeben? Da ist einer sittenlos, von schlechtem Charakter, aber seine Umgebung ist sittenrein, von gutem Charakter.

Wie aber ist einer ein Engel, von Teufeln umgeben? Da ist einer sittenrein, von gutem Charakter, aber seine Umgebung ist sittenlos, von schlechtem Charakter.

Wie aber ist einer ein Engel, von Engeln umgeben? Da ist einer sittenrein, von gutem Charakter, und auch seine Umgebung ist sittenrein, von gutem Charakter.

Diese vier Menschen, ihr Mönche, sind in der Welt anzutreffen.


(*1) Hier wurden die im Westen vertrauten Bezeichnungen eingesetzt. Im Pāli steht für 'Teufel' asura, 'Titanen', welche die Feinde der Götter waren (siehe z.B. Geiger I, 340, 342); für 'Engel' steht deva 'Gottheit', 'Himmelswesen'.


A.IV. 92-94 Geistesruhe und Hellblick I-III

I

(92 - 94) Vier Menschen, ihr Mönche, sind in der Welt anzutreffen. Welche vier?

II

(93) Hier nun hat jener, der die innere Geistesruhe besitzt, aber nicht den hohen Wissenshellblick, gegründet auf die innere Geistesruhe, sich um den hohen Wissenshellblick zu bemühen. Dann wird er in der Folgezeit sowohl die innere Geistesruhe besitzen, als auch den hohen Wissenshellblick.

Jener nun, der den hohen Wissenshellblick besitzt aber nicht die innere Geistesruhe, hat, gegründet auf den hohen Wissenshellblick, sich um die innere Geistesruhe zu bemühen. Dann wird er in der Folgezeit sowohl den hohen Wissenshellblick besitzen, als auch die innere Geistesruhe.

Jener nun, der weder die innere Geistesruhe besitzt noch den hohen Wissenshellblick, hat, um eben jene heilsamen Dinge sich zu eigen zu machen, äußersten Willensentschluß, Anstrengung, Tatkraft, Energie, Ausdauer sowie Achtsamkeit und Wissensklarheit zu bekunden. Geradeso wie einer, ihr Mönche, dessen Kleider oder Kopfhaare in Flammen stehen, äußersten Willensentschluß, Anstrengung, Tatkraft, Energie, Ausdauer sowie Achtsamkeit und Wissenklarheit zu bekunden hat, um das seine Kleider oder Kopfhaare ergreifende Feuer zu löschen; ebenso auch, ihr Mönche, hat jener, der weder die innere Geistesruhe besitzt noch den hohen Wissenshellblick, äußersten Willensentschluß, Anstrengung, Tatkraft, Energie, Ausdauer sowie Achtsamkeit und Wissensklarheit zu bekunden, um sich jene heilsamen Dinge zu eigen zu machen. Dann wird er in der Folgezeit sowohl die innere Geistesruhe besitzen als auch den hohen Wissenshellblick.

Jener aber, der sowohl die innere Geistesruhe besitzt als auch den hohen Wissenshellblick, der hat, auf eben diese heilsamen Dinge gegründet, sich weiter um die Versiegung der Triebe zu bemühen.

III

(94) Wer, ihr Mönche, die innere Geistesruhe besitzt, nicht aber den hohen Wissenshellblick, der sollte einen aufsuchen, der den hohen Wissenshellblick besitzt, und zu ihm also sprechen: 'Wie, o Bruder, hat man die Daseinsgebilde (sankhārā) zu betrachten, wie hat man die Daseinsgebilde zu ergründen (*2), wie hat man die Daseinsgebilde durch den Hellblick klar zu erfassen (vipassitabbā)?' Und wie jener es gesehen und erkannt hat, so wird er es ihm erklären: 'So, o Bruder, hat man die Daseinsgebilde zu betrachten, so hat man die Daseinsgebilde zu ergründen, so hat man die Daseinsgebilde durch den Hellblick klar zu erfassen (*3).' Dann wird er in der Folgezeit sowohl die innere Geistesruhe besitzen, als auch den hohen Wissenshellblick.

Wer aber den hohen Wissenshellblick besitzt, nicht aber die innere Geistesruhe, der sollte einen aufsuchen, der die innere Geistesruhe besitzt, und zu ihm also sprechen: 'Wie, o Bruder, hat man wohl den Geist zur Ruhe zu bringen, wie hat man den Geist zu beschwichtigen, wie hat man den Geist zu einigen, wie hat man den Geist zu sammeln?' Und wie jener es gesehen und erkannt hat, so wird er es ihm erklären: 'So, o Bruder, hat man den Geist zur Ruhe zu bringen, so hat man den Geist zu beschwichtigen, so hat man den Geist zu einigen, so hat man den Geist zu sammeln (*4).' Dann wird er in der Folgezeit sowohl den hohen Wissenshellblick besitzen, als auch die innere Geistesruhe.

Wer aber weder die innere Geistesruhe besitzt, noch den hohen Wissenshellblick, der sollte einen solchen aufsuchen, der beides besitzt, und zu ihm sprechen: 'Wie, o Bruder, hat man wohl den Geist zur Ruhe zu bringen . . . Wie hat man die Daseinsgebilde zu betrachten . . . ?' Und wie jener es gesehen und erkannt hat, so wird er es ihm erklären: 'So, o Bruder, hat man den Geist zur Ruhe zu bringen . . . So hat man die Daseinsgebilde zu betrachten . . .' Dann wird er in der Folgezeit sowohl die innere Geistesruhe besitzen, als auch den hohen Wissenshellblick.

Wer aber sowohl die innere Geistesruhe besitzt, als auch den hohen Wissenshellblick, der hat, auf eben diese heilsamen Dinge gegründet, sich weiter um die Versiegung der Triebe zu bemühen.

Diese vier Menschen, ihr Mönche, sind in der Welt anzutreffen.


(*1) adhipaññā-dhamma-vipassanā; der auf die Daseinsgebilde (dhamma, hier = sankhārā) gerichtete, als 'hohe Weisheit' geltende Hellblick; vgl. VisM 752, 833, 835.

(*2) sammasitabbā; das entspr. Substantiv sammasana dient in der späteren Meditationsliteratur als Bezeichnung einer bestimmten Stufe der Hellblicks-Übung (vipassanā); s. VisM 607f.

(*3) K: Die Daseinsgebilde sind als vergänglich, leidvoll, unpersönlich zu betrachten, zu ergründen und durch den Hellblick klar zu erfassen.

(*4) Nämlich durch Pflege der Vertiefungen.


A.IV. 95 Eigenes und fremdes Heil I

Vier Menschen, ihr Mönche, sind in der Welt anzutreffen. Welche vier?

Einer, der weder zum eigenen Heile wirkt, noch zum Heile der anderen; einer, der zum Heile der anderen wirkt, nicht zum eigenen Heile; einer, der zum eigenen Heile wirkt, nicht zum Heile der anderen; einer, der sowohl zum eigenen Heile wirkt, als auch zum Heile der anderen.

Gleichwie, ihr Mönche, ein Holzscheit von einem Leichenfeuer, das an beiden Enden glüht und in der Mitte mit Kot beschmiert ist, weder im Dorfe noch im Wald als Nutzholz dienen kann, ebenso, sage ich, ihr Mönche, ist jener Mensch, der weder zum eigenen Heile wirkt, noch zum Heile der anderen. Da aber ist der Mensch, der zum Heile der anderen wirkt, nicht zum eigenen Heile, unter diesen beiden Menschen der höhere, der bessere.

Und da ist der Mensch, der zum eigenen Heile wirkt, nicht zum Heile der anderen, unter diesen drei Menschen der höhere, der bessere (*1).

Und da ist der Mensch, der sowohl zum eigenen Heile wirkt als auch zum Heile der anderen, unter diesen vier Menschen der höchste, der beste, der würdigste, der größte, der erhabenste.

Gleichwie nämlich, ihr Mönche, von der Kuh die Milch kommt, von der Milch der Rahm, vom Rahm die Butter, von der Butter das Butteröl, vom Butteröl der Butterschaum, und der Butterschaum da als das Beste gilt - ebenso auch, ihr Mönche, ist derjenige Mensch, der sowohl zum eigenen Heile wirkt als auch zum Heile der anderen, unter diesen vier Menschen der höchste, der beste, der würdigste, der größte, der erhabenste.

Diese vier Menschen, ihr Mönche, sind in der Welt anzutreffen.


(*1) Mit dem 'eigenen Heil' ist natürlich nicht der materielle Vorteil, sondern das wahre Heil, die Läuterung von den eigenen Schwächen und Leidenschaften gemeint. Dieses Heil wird von dem vernachlässigt, der ausschließlich zum Heile anderer wirkt und seinen eigenen inneren Fortschritt außer acht läßt. Da aus diesem Grunde seine Wirksamkeit nicht volle Frucht tragen kann und er selbst stets in der Gefahr sittlichen und geistigen Rückschrittes steht, ist er dem dritten Menschentyp unterlegen. Vgl. auch die folgenden Texte.


A.IV. 96-99 Eigenes und fremdes Heil II-V

(96-99) Vier Menschen, ihr Mönche, sind in der Welt anzutreffen. Welche vier?

II

(96) Wie aber, ihr Mönche, wirkt ein Mensch zum eigenen Heile, nicht zum Heile der anderen? Da strebt ein Mensch danach, selber Gier, Haß und Verblendung zu überwinden, aber er spornt die anderen nicht zur Überwindung von Gier, Haß und Verblendung an.

Wie aber wirkt ein Mensch zum Heile der anderen, nicht zum eigenen Heile? Da strebt ein Mensch nicht danach, selber Gier, Haß und Verblendung zu überwinden, aber er spornt die anderen dazu an.

Wie aber wirkt ein Mensch weder zum eigenen Heile noch zum Heile der anderen? Da strebt ein Mensch nicht danach, selber Gier, Haß und Verblendung zu überwinden, und er spornt auch die anderen nicht dazu an.

Wie aber wirkt ein Mensch sowohl zum eigenen Heile, als auch zum Heile der anderen? Da strebt ein Mensch danach, selber Gier, Haß und Verblendung zu überwinden, und er spornt auch die anderen dazu an.

III

(97) Wie aber, ihr Mönche, wirkt ein Mensch zum eigenen Heile, nicht zum Heile der anderen? Da besitzt einer eine schnelle Auffassungsgabe bei den heilsamen Lehren. Die vernommenen Lehren prägt er sich leicht ein. Den Sinn der so behaltenen Lehren erforscht er, und, ihren Sinn und Wortlaut kennend, folgt er dem rechten Pfade der Lehre. Doch er ist kein guter Sprecher, kein guter Redner. Seine Rede ist nicht gefällig und fließend, nicht fehlerlos in der Aussprache und nicht verständlich im Sinn. Er ist kein Unterweiser, Ermahner, Ermutiger und Erheiterer seiner Ordensbrüder. So wirkt ein Mensch zum eigenen Heile, nicht zum Heile der anderen.

Wie aber wirkt ein Mensch zum Heile der anderen, nicht zum eigenen Heile? Da besitzt einer keine schnelle Auffassungsgabe in den heilsamen Lehren. Die vernommenen Lehren prägt er sich nicht leicht ein. Den Sinn der behaltenen Lehren erforscht er nicht, und, ihren Sinn und Wortlaut nicht kennend, folgt er nicht dem rechten Pfade der Lehre. Doch er ist ein guter Sprecher, ein guter Redner. Seine Rede ist gefällig und fließend, fehlerlos in der Aussprache und verständlich im Sinn. Er ist ein Unterweiser, Ermahner, Ermutiger und Erheiterer seiner Ordensbrüder. So wirkt ein Mensch zum Heile der anderen, nicht zum eigenen Heile.

Wie aber wirkt ein Mensch weder zum eigenen Heile, noch zum Heile der anderen? Da besitzt einer keine schnelle Auffassungsgabe. . . Und er ist auch kein guter Sprecher. . . So wirkt ein Mensch weder zum eigenen Heile, noch zum Heile der anderen.

Wie aber wirkt ein Mensch sowohl zum eigenen Heile, als auch zum Heile der anderen? Da besitzt einer schnelle Auffassungsgabe in den heilsamen Lehren . . . Und er ist auch ein guter Sprecher, ein guter Redner. . . So wirkt ein Mensch sowohl zum eigenen Heile als auch zum Heile der anderen.

IV

(98) (Enthält bloß die Aufzählung der vier Menschenarten, wie in Text 96, I. Abschnitt.)

V

(99) Wie aber, ihr Mönche, wirkt ein Mensch zum eigenen Heile, nicht zum Heile der anderen? Da enthält sich einer selber von der Verletzung lebender Wesen, vom Nehmen fremden Gutes, von unrechtem Geschlechtsverkehr, von der Lüge und vom Genuß berauschender Getränke, aber er spornt andere nicht dazu an, sich davon zu enthalten. So wirkt ein Mensch zum eigenen Heile, nicht zum Heile der anderen.

Wie aber wirkt ein Mensch zum Heile der anderen, nicht zum eigenen Heile? Da enthält sich einer nicht selber von der Verletzung lebender Wesen, vom Nehmen fremden Gutes, von unrechtem Geschlechtsverkehr, von der Lüge und vom Genuß berauschender Getränke, aber er spornt andere dazu an, sich davon zu enthalten. So wirkt ein Mensch zum Heile der anderen, nicht zum eigenen Heile.

Wie aber wirkt ein Mensch weder zum eigenen Heile, noch zum Heile der anderen? Da enthält sich einer nicht selber von der Verletzung lebender Wesen, vom Nehmen fremden Gutes, von unrechtem Geschlechtsverkehr, von der Lüge und vom Genuß berauschender Getränke, und er spornt auch nicht andere dazu an, sich dessen zu enthalten. So wirkt ein Mensch weder zum eigenen Heile, noch zum Heile der anderen.

Wie aber wirkt ein Mensch sowohl zum eigenen Heile, als auch zum Heile der anderen? Da enthält sich einer selber von der Verletzung lebender Wesen . . . und vom Genuß berauschender Getränke, und er spornt auch andere dazu an, sich dessen zu enthalten. So wirkt ein Mensch sowohl zum eigenen Heile, als auch zum Heile der anderen.

Diese vier Menschen sind in der Welt anzutreffen.


A.IV. 100 Potaliya, der Wanderasket

Einst begab sich Potaliya der Wanderasket, dorthin, wo der Erhabene weilte. Dort angelangt, wechselte er mit dem Erhabenen freundlichen Gruß, und nach Austausch höflicher, zuvorkommender Worte setzte er sich zur Seite nieder. Und der Erhabene sprach zu ihm also:

»Vier Menschen, Potaliya, sind in der Welt anzutreffen. Welche vier? Da tadelt einer wem Tadel gebührt, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit; aber nicht lobt er, wem Lob gebührt, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit. Da lobt einer, wem Lob gebührt, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit; aber nicht tadelt er, wem Tadel gebührt, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit. Da tadelt einer nicht, wem Tadel gebührt, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit; noch lobt er, wem Lob gebührt, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit. Da tadelt einer, wem Tadel gebührt, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit; und er lobt, wem Lob gebührt, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit. Diese vier Menschen sind in der Welt anzutreffen.

Welcher aber, Potaliya, von diesen vier Menschen gefällt dir als der höhere und edlere?« -

»Von diesen vier Menschen, Herr Gotama, gefällt mir derjenige als der höhere und edlere, der weder tadelt, wem Tadel gebührt, noch lobt, wem Lob gebührt, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit. Und warum? Weil eben, Herr Gotama, der Gleichmut etwas Hohes ist.« -

»Mir aber, Potaliya, gefällt unter diesen vier Menschen derjenige als der höhere und edlere, der tadelt, wem Tadel gebührt, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit; und der lobt, wem Lob gebührt, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit. Und warum? Weil es etwas Hohes ist, Potaliya, im jeweiligen Falle die rechte Zeit zu kennen.« -

»Unter diesen vier Menschen, Herr Gotama, gefällt [nun auch] mir derjenige als der höhere und edlere, der tadelt, wem Tadel gebührt, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit; und der lobt, wem Lob gebührt, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit. Und warum? Weil es, Herr Gotama, etwas Hohes ist, im jeweiligen Falle die rechte Zeit zu kennen. Vortrefflich, Herr Gotama! Vortrefflich, Herr Gotama! Gleichwie man, Herr Gotama, das Umgestürzte wieder aufrichten oder das Verborgene enthüllen oder den Verirrten den Weg weisen oder in die Finsternis ein Licht bringen möchte, damit, wer Augen hat, die Gegenstände sehe: ebenso hat der Herr Gotama auf mannigfache Weise die Lehre enthüllt. So nehme ich meine Zuflucht zum Herrn Gotama, zur Lehre und zur Jüngerschaft. Als Anhänger möge mich der Herr Gotama betrachten, als einen, der von heute ab zeitlebens Zuflucht genommen hat.


    Oben  


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