Anguttara Nikaya

8. Kapitel: apannaka-vagga

A.IV. 71-72 Die Mittel zur Triebversiegung I-II

Der mit vier Eigenschaften ausgerüstete Mönch, ihr Mönche, wandelt auf dem unfehlbaren Pfade und besitzt die tauglichen Mittel zur Triebversiegung (siehe A.III.16). Welches sind diese vier Eigenschaften?

(71) Da ist der Mönch sittenrein, wissensreich, besitzt starken Willen und besitzt Weisheit.

(72) Er besitzt entsagende Gesinnung, haßlose Gesinnung, friedfertige Gesinnung und rechte Erkenntnis.

Der mit diesen Eigenschaften ausgerüstete Mönch wandelt auf dem unfehlbarer Pfade und besitzt die tauglichen Mittel zur Triebversiegung.


A.IV. 73 Der edle und der unedle Mensch

Wer, ihr Mönche, vier Eigenschaften besitzt, den hat man als einen unedlen Menschen zu betrachten. Welches sind diese vier Eigenschaften?

Was da, ihr Mönche, der andere an Fehlern besitzt, das enthüllt der unedle Mensch, selbst ungefragt. Gar nicht davon zu reden, wenn er gefragt wird. Ausgeforscht aber und durch Fragen veranlaßt, spricht er, ohne etwas auszulassen und ohne zu zögern (alambetvā, in dieser Bedeutung im Skr.; nicht im PTS Dict.), vollständig und ausführlich von den Fehlern des anderen. Den, ihr Mönche, hat man als unedlen Menschen zu betrachten.

Und ferner noch: was da der andere an Vorzügen besitzt, das enthüllt der unedle Mensch nicht, selbst wenn er gefragt wird. Gar nicht davon zu reden, wenn er nicht gefragt wird. Selbst wenn er ausgeforscht und durch Fragen veranlaßt wird, spricht er mit Auslassungen und zögernd, unvollständig und nicht ausführlich von den Vorzügen des anderen. Den, ihr Mönche, hat man als unedlen Menschen zu betrachten.

Und ferner noch: was da der unedle Mensch selber an Fehlern besitzt, das enthüllt er nicht, selbst wenn er gefragt wird. Gar nicht davon zu reden, wenn er nicht gefragt wird. Selbst wenn er ausgeforscht und durch Fragen veranlaßt wird, so spricht er mit Auslassungen und zögernd, unvollständig und nicht ausführlich von den eigenen Fehlern. Den, ihr Mönche, hat man als unedlen Menschen zu betrachten.

Und ferner noch: was da der unedle Mensch selber an Vorzügen besitzt, das enthüllt er, selbst ungefragt. Gar nicht davon zu reden, wenn er gefragt wird. Wird er aber ausgeforscht und durch Fragen veranlaßt, so spricht er, ohne etwas auszulassen und ohne zu zögern, vollständig und ausführlich von den eigenen Vorzügen. Den, ihr Mönche, hat man als unedlen Menschen zu betrachten. Wer, ihr Mönche, diese vier Eigenschaften besitzt, den hat man als einen unedlen Menschen zu betrachten.

Wer, ihr Mönche, vier Eigenschaften besitzt, den hat man als einen edlen Menschen zu betrachten. Welches sind diese vier Eigenschaften?

Was da, ihr Mönche, der andere an Fehlern besitzt, das enthüllt der edle Mensch nicht, selbst wenn er gefragt wird. Gar nicht davon zu reden, wenn er nicht gefragt wird. Ausgeforscht aber und durch Fragen veranlaßt, spricht er mit Auslassungen und zögernd, unvollständig und nicht ausführlich von den Fehlern des anderen. Den, ihr Mönche, hat man als edlen Menschen zu betrachten.

Und ferner noch: was da der andere an Vorzügen besitzt, das enthüllt der edle Mensch, selbst ungefragt. Gar nicht davon zu reden, wenn er gefragt wird. Ausgeforscht aber und durch Fragen veranlaßt, spricht er ohne etwas auszulassen und ohne zu zögern, vollständig und ausführlich von den Vorzügen des anderen. Den, ihr Mönche, hat man als edlen Menschen zu betrachten.

Und ferner noch, was da der edle Mensch selber an Fehlern besitzt, das enthüllt er, selbst ungefragt. Gar nicht davon zu reden, wenn er gefragt wird. Ausgeforscht aber und durch Fragen veranlaßt, spricht er ohne etwas auszulassen und ohne zu zögern, vollständig und ausführlich von den eigenen Fehlern. Den, ihr Mönche, hat man als edlen Menschen zu betrachten.

Und ferner noch: was da der edle Mensch selber an Vorzügen besitzt, das enthüllt er nicht, selbst wenn er gefragt wird. Gar nicht davon zu reden, wenn er nicht gefragt wird. Ausgeforscht aber und durch Fragen veranlaßt, spricht er mit Auslassungen und zögernd, unvollständig und nicht ausführlich von den eigenen Vorzügen. Den, ihr Mönche, hat man als edlen Menschen zu betrachten.

Wer, ihr Mönche, diese vier Eigenschaften besitzt, den hat man als einen edlen Menschen zu betrachten.


A.IV. 74 Die Schwiegertochter

Gleichwie, ihr Mönche, die Schwiegertochter unmittelbar nach der Nacht oder dem Tage, an dem sie ihrem Gatten zugeführt wird, in Gegenwart der Schwiegermutter, des Schwiegervaters und des Gatten, ja selbst der Diener und Knechte übertriebene Scham und Scheu an den Tag legt, sie aber bald darauf infolge des Zusammenlebens und der Vertrautheit zu Schwiegermutter, Schwiegervater und ihrem Gatten spricht: »Geht! Geht! Was wißt ihr denn!«

Ebenso auch, ihr Mönche, legt der Mönch unmittelbar nach der Nacht oder dem Tage, an dem er aus dem Hause in die Hauslosigkeit zog, in Gegenwart der Mönche und Nonnen, der Laienjünger und Laienjüngerinnen, ja selbst der Klosterdiener und Schüler, übertriebene Scham und Scheu an den Tag; bald darauf aber, infolge des Zusammenlebens und der Vertrautheit, spricht er sogar zu seinen Lehrern und Beratern: »Geht! Geht! Was wißt ihr denn!«

Darum, ihr Mönche, sei euer Streben: »Mit einem der jungen Schwiegertochter gleichenden Herzen wollen wir leben!« Das, ihr Mönche, sei euer Streben!


(Laut ChS und K gehört dieses Gleichnis zum vorhergehenden Text; in der Übersicht (uddāna) am Kapitelschluß des Originaltextes zählt es jedoch als gesonderte Lehrrede.)


A.IV. 75a-75b Die vier Gipfelpunkte I-II

Vier Gipfelpunkte (*1) gibt es, ihr Mönche. Welche vier?

(a) 

(b) 

Diese vier Gipfelpunkte gibt es, ihr Mönche (*3).


(*1) Lies durchweg aggāni, aggam, statt PTS: angāni, angam.

(*2) bhavaggam; mit dieser richtigen Lesart entfällt die auf die falsche Lesart in PTS gegründete Bemerkung von Frau Rhys Davids, daß sich der Abhidhamma-Begriff bhavanga auch im Sutta-Pitaka findet.

(*3) K zufolge finden diese 'Gipfelpunkte' im Heiligen ihre Verwirklichung. Wer nämlich nach meditativer Erfassung des Körperlichen die Heiligkeit erreicht, dem eignet der 'Gipfelpunkt des Körperlichen'; entsprechend ist es mit Gefühl und Wahrnehmung. Als 'Gipfelpunkt des Daseins' gilt diejenige Daseinsform, in der die Heiligkeit erreicht wird.


A.IV. 76 Vor dem Erlöschen

Einst weilte der Erhabene bei Kusinārā, im Sālwalde, dem Erholungspark der Maller, zwischen zwei Sālbäumen, zur Zeit des völligen Erlöschens. Damals nun wandte sich der Erhabene an die Mönche. »Mönche!« sprach er. »Herr!« erwiderten jene Mönche dem Erhabenen. Und der Erhabene sprach (*1):

»Sollte, ihr Mönche, irgendeiner der Mönche noch einen Zweifel oder eine Unklarheit haben mit Bezug auf den Erleuchteten, die Lehre oder die Jüngerschaft, den Pfad oder den Übungsweg, so sprechet, ihr Mönche, damit ihr nicht später Reue empfindet: 'Wir waren in der Gegenwart des Meisters. Konnten wir da nicht den Erhabenen in seiner Gegenwart befragen?'«

Auf dies Worte verharrten die Mönche im Schweigen.

Zum zweiten und dritten Male wandte der Erhabene sich an die Mönche und sprach: »Sollte, ihr Mönche, irgendeiner der Mönche noch einen Zweifel oder eine Unklarheit haben mit Bezug auf den Erleuchteten, die Lehre oder die Jüngerschaft, den Pfad oder den Übungsweg, so sprechet, ihr Mönche, damit ihr später nicht Reue empfindet: 'Wir waren in der Gegenwart des Meisters. Konnten wir da nicht den Erhabenen in seiner Gegenwart befragen?'«

Aber auch zum zweiten und dritten Male verharrten die Mönche im Schweigen.

Da sprach der Erhabene zu den Mönchen:

»Sollte es etwa sein, daß ihr aus Ehrfurcht vor dem Meister nicht fragen wollt, so möge, ihr Mönche, es der Freund dem Freunde bekennen.«

Auch auf diese Worte schwiegen die Mönche.

Darauf sprach der ehrwürdige Ananda zum Erhabenen:

»Wunderbar ist es, o Herr! Erstaunlich ist es, o Herr! Das glaube ich, o Herr, von dieser Schar der Mönche, daß nämlich unter dieser Schar der Mönche auch nicht ein einziger Mönch einen Zweifel oder eine Unklarheit hat mit Bezug auf den Erleuchteten, die Lehre oder die Jüngerschaft, den Pfad oder den Übungsweg.« -

»Aus deinem Glauben sprichst du, o Ananda. Der Vollendete aber hat erkannt: 'Nicht hat unter dieser Schar der Mönche auch nur ein einziger Mönch einen Zweifel oder eine Unklarheit mit Bezug auf den Erleuchteten, die Lehre oder die Jüngerschaft, den Pfad oder den Übungsweg. Ja, von diesen fünfmal hundert Mönchen, Ananda, ist selbst der letzte Mönch in den Strom eingetreten (sotāpanna) (*2), den Daseinsabgründen entronnen, gesichert, der vollen Erleuchtung gewiß.«


(*1) Das folgende auch in D.16.

(*2) Dies ist mit Anspielung auf Ananda gesagt, der zu jener Zeit nur die erste Stufe zur Heiligkeit, den Stromeintritt (sotāpatti), erreicht hatte. Erst nach dem Tode des Meisters erreichte er die vollkommene Heiligkeit (arahatta).


A.IV. 77  Die vier unerfaßbaren Dinge (acinteyya)

Vier unerfaßbare Dinge gibt es, ihr Mönche, über die man nicht nachdenken sollte, über welche nachdenkend man dem Wahnsinn oder der Verstörung anheimfallen möchte. Welches sind diese vier Dinge?


(*1) Die durch die 4. Vertiefung bedingten höheren Geisteskräfte (abhiññā).


A.IV. 78 Reinheit der Gabe (Vgl. M. 142)

Vier Arten der Gaben-Reinheit gibt es, ihr Mönche. Welche vier? 

Wie aber, ihr Mönche, ist eine Gabe rein seitens des Gebers, nicht aber seitens des Empfängers? Da ist der Geber sittenrein, von gutem Charakter, die Empfänger aber sind sittenlos, von schlechtem Charakter.

Wie aber ist eine Gabe rein seitens des Empfängers, nicht aber seitens des Gebers? Da ist der Geber sittenlos, von schlechtem Charakter, die Empfänger aber sind sittenrein, von gutem Charakter.

Wie aber ist eine Gabe weder rein seitens des Gebers, noch seitens des Empfängers? Da ist der Geber sittenlos, von schlechtem Charakter, und auch die Empfänger sind sittenlos, von schlechtem Charakter.

Wie aber ist eine Gabe sowohl rein seitens des Gebers, als auch seitens des Empfängers? Da ist der Geber sittenrein, von gutem Charakter, und auch die Empfänger sind sittenrein, von gutem Charakter.

Diese vier Arten der Gaben-Reinheit gibt es, ihr Mönche.


A.IV. 79 Das Geschäft

(Der Fragende ist der ehrwürdige Sāriputta.)

»Was ist wohl, o Herr, die Ursache, was der Grund, daß das nämliche Geschäft, von dem einen betrieben, fehlschlägt; von anderen betrieben, nicht nach ihrem Wunsch geht; von anderen betrieben, nach Wunsch verläuft; von anderen betrieben, ihren Wunsch übertrifft?« -

»Da, Sāriputta, begibt sich einer zu einem Asketen oder Priester und erbietet sich derart: 'Sagt mir, o Herr, was ihr nötig habt!' Was er aber anbietet, das gibt er nicht. Sollte der nun, von hier abgeschieden, zu dieser Welt zurückkehren, so schlägt ihm fehl, welches Geschäft auch immer er betreibt.

Da begibt sich einer zu einem Asketen oder Priester und erbietet sich derart: 'Sagt mir, o Herr, was ihr nötig habt!' Was er aber anbietet, das gibt er nicht seiner Absicht entsprechend. Sollte der nun, von hier abgeschieden, zu dieser Welt zurückkehren, so geht ihm, welches Geschäft er auch immer betreibt, dieses nicht nach seinem Wunsch.

Da begibt sich einer zu einem Asketen oder Priester und erbietet sich derart: 'Sagt mir, o Herr, was ihr nötig habt!' Was er aber anbietet, das gibt er seiner Absicht entsprechend. Sollte der nun, von hier abgeschieden, zu dieser Welt zurückkehren, so geht ihm, welches Geschäft er auch immer betreibt, dieses nach seinem Wunsch.

Da begibt sich einer zu einem Asketen oder Priester und erbietet sich derart: 'Sagt mir, o Herr, was ihr nötig habt!' Was er aber anbietet, das gibt er, seine Absicht übertreffend. Sollte der nun, von hier abgeschieden, zu dieser Welt zurückkehren, so übertrifft, welches Geschäft auch immer er betreibt, dieses seinen Wunsch.

Das, Sāriputta, ist die Ursache, das ist der Grund, daß das nämliche Geschäft, von dem einen betrieben, fehlschlägt; von anderen betrieben, nicht nach ihrem Wunsch geht; von anderen betrieben, nach Wunsch verläuft; von anderen betrieben, ihren Wunsch übertrifft.«


A.IV. 80 Das Weib

Einst weilt der Erhabene im Ghosita-Kloster bei Kosambi. Da nun begab sich der ehrwürdige Ananda dorthin, wo der Erhabene weilte. Dort angelangt, begrüßte er den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich zur Seite nieder. Seitwärts sitzend sprach der ehrwürdige Ananda zum Erhabenen also:

»Was ist wohl, o Herr, die Ursache, was der Grund, daß das Weib weder zu Gericht sitzt, noch einem Berufe nachgeht, noch in die Fremde zieht (*1)?«-

Das, Ananda, ist die Ursache, das ist der Grund, daß das Weib weder zu Gericht sitzt, noch einem Berufe nachgeht, noch in die Fremde zieht.«


(*1) Wtl: nach Kamboja geht, und zwar, lt. K, auf der Suche nach Reichtum. Mit Kamboja ist nicht das hinterindische Land dieses Namens gemeint, sondern ein Grenzgebiet in Nordwest-Indien, das offenbar ein bekanntes Auswanderungs- oder Karawanenziel war. K sagt: es ist nur ein Beispiel für das Ausland im allgemeinen.


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