Puggala Paññatti - Das Buch der Charaktere

200-203. Verkehrtes Urteil

200. Wie lobt ein Mensch, ohne erkannt und geprüft zu haben, einen, der Tadel verdient?

Da lobt ein Mensch die auf schlechtem und verkehrtem Pfade wandelnden Irrlehrer und Anhänger der Irrlehrer: ,Diese freilich wandeln auf dem guten Pfade, diese freilich wandeln auf dem rechten Pfade!' So lobt ein Mensch, ohne erkannt und geprüft zu haben, einen, der Tadel verdient.

201. Wie aber tadelt ein Mensch, ohne erkannt und geprüft zu haben, einen, der Lob verdient?

Da tadelt ein Mensch die auf dem guten und rechten Pfade Wandelnden, die Erleuchteten und Jünger der Erleuchteten: ,Diese freilich wandeln auf dem schlechten Pfade, diese freilich wandeln auf dem verkehrten Pfade!' So tadelt ein Mensch, ohne erkannt und geprüft zu haben, einen, der Lob verdient.

202. Wie aber hat ein Mensch, ohne erkannt und geprüft zu haben, Gefallen, woran man Mißfallen haben sollte?

Da findet ein Mensch an dem schlechten und verkehrten Pfade Gefallen: ,Dieses ist freilich der gute Pfad, dieses ist freilich der rechte Pfad!' So hat ein Mensch, ohne erkannt und geprüft zu haben, Gefallen, woran man Mißfallen haben sollte.

203. Wie aber hat ein Mensch, ohne erkannt und geprüft zu haben, Mißfallen, woran man Gefallen haben sollte?

Da findet ein Mensch an dem guten und rechten Pfade Mißfallen: ,Dieses ist freilich der schlechte Pfad, dieses ist freilich der verkehrte Pfad!' So hat ein Mensch, ohne erkannt und geprüft zu haben, Mißfallen, woran man Gefallen haben sollte.


204-211. Rechtes Urteil

204 Wie tadelt ein Mensch, nachdem er erkannt und geprüft hat, einen, der Tadel verdient?

Da tadelt ein Mensch die auf schlechtem und verkehrtem Pfade wandelnden Irrlehrer und Anhänger der Irrlehrer: ,Diese freilich wandeln auf dem schlechten Pfade, diese freilich wandeln auf dem verkehrten Pfade!' So tadelt ein Mensch, nachdem er erkannt und geprüft hat, einen, der Tadel verdient.

205. Wie aber lobt ein Mensch, nachdem er erkannt und geprüft hat, einen, der Lob verdient?

Da lobt ein Mensch die auf dem guten und rechten Pfade Wandelnden, die Erleuchteten und Jünger der Erleuchteten: ,Diese freilich wandeln auf dem guten Pfade, diese freilich wandeln auf dem rechten Pfade!' So lobt ein Mensch, nachdem er erkannt und geprüft hat, einen, der Lob verdient.

206. Wie aber hat ein Mensch, nachdem er erkannt und geprüft hat, Mißfallen, woran man Mißfallen haben soll?

Da findet ein Mensch an dem schlechten und verkehrten Pfade Mißfallen: ,Dieses ist freilich der schlechte Pfad, dieses ist freilich der verkehrte Pfad!' So hat ein Mensch, nachdem er erkannt und geprüft hat, Mißfallen, woran man Mißfallen haben soll.

207. Wie aber hat ein Mensch, nachdem er erkannt und geprüft hat, Gefallen, woran man Gefallen haben soll?

Da findet ein Mensch an dem guten und rechten Pfade Gefallen: ,Dieses ist freilich der gute Pfad, dieses ist freilich der rechte Pfad!' So hat ein Mensch, nachdem er erkannt und geprüft hat, Gefallen, woran man Gefallen haben soll.

Lob und Tadel.

208. Wie tadelt ein Mensch, was Tadel verdient, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit, lobt aber nicht, was Lob verdient, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit?

Da hat ein Mensch Vorzüge und hat Fehler. Was da nun Fehler sind, das sagt er der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit. Was da aber Vorzüge sind, das sagt er nicht, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit. So tadelt ein Mensch, was Tadel verdient, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit, aber er lobt nicht, was Lob verdient, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit.

209. Wie nun lobt ein Mensch, was Lob verdient, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit, tadelt aber nicht, was Tadel verdient, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit?

Da hat ein Mensch Vorzüge und hat Fehler. Was da nun Vorzüge sind, das sagt er, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit. Was da aber Fehler sind, das sagt er nicht, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit. So lobt ein Mensch, was Lob verdient, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit, tadelt aber nicht, was Tadel verdient, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit.

210. Wie nun tadelt ein Mensch, was Tadel verdient, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit, und lobt, was Lob verdient, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit?

Da hat ein Mensch Vorzüge und hat Fehler. Was da Vorzüge sind, das sagt er, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit. Und auch was da Fehler sind, das sagt er, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit. Er kennt die Zeit, um eine darauf bezügliche Frage zu beantworten. So tadelt ein Mensch, was Tadel verdient, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit, und lobt, was Lob verdient, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit.

211. Wie nun weder tadelt ein Mensch, was Tadel verdient, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit, noch lobt er, was Lob verdient, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit?

Da hat ein Mensch Vorzüge und hat Fehler. Was da Vorzüge sind, das sagt er nicht, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit. Und auch was da Fehler sind, das sagt er nicht, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit. Gleichmütig verweilt er, besonnen, klar bewußt. So weder tadelt ein Mensch, was Tadel verdient, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit, noch lobt er, was Lob verdient, der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, zur rechten Zeit.

 

[Cf. A.IV.100.]


212-215. Die Früchte der Arbeit und die Früchte eines guten Wandels

212. Wer zehrt von den Früchten der Arbeit, nicht von den Früchten eines guten Wandels?

Wem aus Arbeit, Mühe und Anstrengung sein Lebensunterhalt erwächst, nicht aus einem guten Wandel: der, sagt man, zehrt von den Früchten der Arbeit, nicht von den Früchten eines guten Wandels.

213. Wer zehrt von den Früchten eines guten Wandels, nicht von den Früchten der Arbeit?

Von den "über die Erzeugnisse der anderen verfügenden Göttern" ab zehren alle darüber stehenden Götter von den Früchten eines guten Wandels, nicht von den Früchten der Arbeit.

214. Wer zehrt sowohl von den Früchten der Arbeit als auch von den Früchten eines guten Wandels?

Wem sowohl aus Arbeit, Mühe und Anstrengung als auch aus einem guten Wandel sein Lebensunterhalt erwächst: der, sagt man, zehrt sowohl von den Früchten der Arbeit als auch von den Früchten eines guten Wandels.

215. Wer zehrt weder von den Früchten der Arbeit noch von den Früchten eines guten Wandels?

Die Bewohner der Hölle zehren weder von den Früchten der Arbeit noch von den Früchten eines guten Wandels.

Unter dem guten Wandel sind hier die in einem früheren Leben begangenen guten Taten zu verstehen.


216-219. Licht und Finsternis

216. Wie eilt ein Mensch von Finsternis zu Finsternis ?

Da ist einer in einer niedrigen Menschenklasse wiedergeboren, unter den Ausgestoßenen oder in der Jägerkaste, der Korbmacherkaste, der Wagnerkaste oder der Fegerkaste, in einer armen Familie, die knapp ist an Speise und Trank und kümmerlich ihr Dasein fristet, in der man nur mühsam die nötige Nahrung erhält. Dabei ist er häßlich, von abstoßendem Äußern, verwachsen, siech; ist blind, verkrüppelt, hinkend oder lahm. Speise, Trank, Kleidung, Wagen, Blumen, Wohlgerüche, Salben, Bett, Wohnung und Beleuchtung werden ihm nicht zu teil. Und er führt einen schlechten Wandel in Werken, einen schlechten Wandel in Worten, einen schlechten Wandel in Gedanken. Indem er aber in Werken, Worten und Gedanken einen schlechten Wandel führt, gelangt er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf einen Abweg, eine Leidensfährte, in verstoßene Welt, zur Hölle. So eilt ein Mensch von Finsternis zu Finsternis.

217. Wie aber eilt ein Mensch von der Finsternis zum Licht?

Da ist einer in einer niedrigen Menschenklasse wiedergeboren, unter den Ausgestoßenen oder in der Jägerkaste, der Korbmacherkaste, der Wagnerkaste oder der Fegerkaste, in einer armen Familie, die knapp ist an Speise und Trank und kümmerlich ihr Dasein fristet, in der man nur mühsam die nötige Nahrung erhält. Dabei ist er häßlich, von abstoßendem Äußern, verwachsen, siech; ist blind, verkrüppelt, hinkend oder lahm. Speise, Trank, Kleidung, Wagen, Blumen, Wohlgerüche, Salben, Bett, Wohnung und Beleuchtung werden ihm nicht zuteil. Doch er führt einen guten Wandel in Werken, einen guten Wandel in Worten, einen guten Wandel in Gedanken. Indem er aber in Werken, Worten und Gedanken einen guten Wandel führt, gelangt er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf glückliche Fährte, in himmlische Welt. So eilt ein Mensch von der Finsternis zum Licht.

218. Wie aber eilt ein Mensch vom Licht zur Finsternis?

Da ist einer in einer vornehmen Familie wiedergeboren, in einer mächtigen Adelsfamilie oder einer mächtigen Brahmanenfamilie oder einer mächtigen Bürgersfamilie, einer reichen, hochbegüterten, hochvermögenden, die Überfluß hat an Gold und Silber, an Hab und Gut, an Geld und Getreide. Dabei ist er von stattlicher Gestalt und Erscheinung, mit Anmut und außergewöhnlicher Schönheit begabt. Er erhält Speise, Trank, Kleidung, Wagen, Blumen, Wohlgerüche, Salben, Bett, Wohnung und Beleuchtung. Doch er führt einen schlechten Wandel in Werken, einen schlechten Wandel in Worten, einen schlechten Wandel in Gedanken. Indem er aber in Werken, Worten und Gedanken einen schlechten Wandel führt, gelangt er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf einen Abweg, eine Leidensfährte, in verstoßene Welt, zur Hölle. So eilt ein Mensch vom Licht zur Finsternis.

219. Wie aber eilt ein Mensch von Licht zu Licht?

Da ist einer in einer vornehmen Familie wiedergeboren, in einer mächtigen Adelsfamilie oder einer mächtigen Brahmanenfamilie oder einer mächtigen Bürgersfamilie, einer reichen, hochbegüterten, hochvermögenden, die Überfluß hat an Gold und Silber, an Hab und Gut, an Geld und Getreide. Dabei ist er von stattlicher Gestalt und Erscheinung, mit Anmut und außergewöhnlicher Schönheit begabt. Er erhält Speise, Trank, Kleidung, Wagen, Blumen, Wohlgerüche, Salben, Bett, Wohnung und Beleuchtung. Und er führt einen guten Wandel in Werken, einen guten Wandel in Worten, einen guten Wandel in Gedanken. Indem er aber in Werken, Worten und Gedanken einen guten Wandel führt, gelangt er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf glückliche Fährte, in himmlische Welt. So eilt ein Mensch von Licht zu Licht.


220-223. Hoch und niedrig

[Diese Rede folgt der genauen Analogie der vorhergehenden.]

 

224-227. Die Gleichnisse von den Bäumen

224. Was sind da die vier den Bäumen ähnlichen Menschen?

Viererlei Bäume gibt es: den schwachen Baum, der von starken Bäumen umgeben ist; den starken Baum, der von schwachen Bäumen umgeben ist; den schwachen Baum, der von schwachen Bäumen umgeben ist; den starken Baum, der von starken Bäumen umgeben ist. Ebenso nun auch sind vier den Bäumen ähnliche Menschen in der Welt anzutreffen: welche vier? Der Schwache, von Starken umgeben; der Starke, von Schwachen umgeben; der Schwache, von Schwachen umgeben; der Starke, von Starken umgeben.

Wie nun ist ein Mensch schwach, von Starken umgeben?

Da ist einer sittenlos, dem Bösen ergeben; seine Umgebung aber ist sittenrein, dem Guten ergeben. So ist ein Mensch schwach, von Starken umgeben. Und jenem schwachen Baum, der von starken Bäumen umgeben ist, dem ist dieser Mensch zu vergleichen.

225. Wie nun ist ein Mensch stark, von Schwachen umgeben?

Da ist einer sittenrein, dem Guten ergeben; seine Umgebung aber ist sittenlos, dem Bösen ergeben. So ist ein Mensch stark, von Schwachen umgeben. Und jenem starken Baum, der von schwachen Bäumen umgeben ist, dem ist dieser Mensch zu vergleichen.

226. Wie nun ist ein Mensch schwach, von Schwachen umgeben?

Da ist einer sittenlos, dem Bösen ergeben; und auch seine Umgebung ist sittenlos, dem Bösen ergeben. So ist ein Mensch schwach, von Schwachen umgeben. Und jenem schwachen Baum, der von schwachen Bäumen umgeben ist, dem ist dieser Mensch zu vergleichen.

227. Wie nun ist ein Mensch stark, von Starken umgeben?

Da ist ein Mensch sittenrein, dem Guten ergeben; und auch seine Umgebung ist sittenrein, dem Guten ergeben. So ist ein Mensch stark, vom Starken umgeben. Und jenem starken Baum, der von starken Bäumen umgeben ist, dem ist dieser Mensch zu vergleichen.

Diese vier den Bäumen ähnlichen Menschen sind in der Welt anzutreffen.


228-231. Wahrheit und Schein

228. Welcher Mensch nimmt die äußere Erscheinung zum Maßstab, findet an der äußeren Erscheinung Gefallen?

Da gewahrt ein Mensch die Höhe, den Umfang, die Gestalt oder die Fülle, und das zum Maßstab nehmend findet er Gefallen daran. Dieser Mensch, sagt man, nimmt die äußere Erscheinung zum Maßstab, findet an der äußeren Erscheinung Gefallen.

229. Welcher Mensch nimmt das Gehörte zum Maßstab, findet am Gehörten Gefallen?

Da nimmt ein Mensch die von den anderen geäußerte Lobpreisung, Verherrlichung, Anerkennung und Beifallsbezeugung zum Maßstab und findet Gefallen daran. So nimmt ein Mensch das Gehörte zum Maßstab, findet am Gehörten Gefallen.

230. Welcher Mensch nimmt die Herbheit zum Maßstab, findet an der Herbheit Gefallen?

Da sieht ein Mensch das herbe Gewand, die unflätige Almosenschale, die rauhe Lagerstatt oder die mannigfache Schmerzensaskese, und das zum Maßstab nehmend, findet er Gefallen daran. Dieser Mensch, sagt man, nimmt die Herbheit zum Maßstab, findet an der Herbheit Gefallen.

231. Welcher Mensch aber nimmt die Wahrheit zum Maßstab, findet an der Wahrheit Gefallen?

Da sieht ein Mensch den Wandel, oder er sieht die Vertiefung, oder er sieht die Einsicht, und das zum Maßstab nehmend, findet er Gefallen daran. Dieser Mensch, sagt man, nimmt die Wahrheit zum Maßstab, findet an der Wahrheit Gefallen.

Cf. A.IV.65.


232-235. Eignes und fremdes Heil

232. Wie wirkt ein Mensch zum eignen Heile, nicht zum Heile der anderen?

Da hat ein Mensch selber Tugend gewonnen, aber zur Gewinnung der Tugend spornt er nicht die anderen an. Er hat selber Vertiefung gewonnen, aber zur Gewinnung der Vertiefung spornt er nicht die anderen an. Er hat selber Einsicht gewonnen, aber zur Gewinnung der Einsicht spornt er nicht die anderen an. Er hat selber die Erlösung gewonnen, aber zur Gewinnung der Erlösung spornt er nicht die anderen an. Er hat selber den Erkenntnisblick der Erlösung gewonnen, aber zur Gewinnung des Erkenntnisblickes der Erlösung spornt er nicht die anderen an. So wirkt ein Mensch zum eignen Heile, nicht zum Heile der anderen.

233. Wie aber wirkt ein Mensch zum Heile der anderen, nicht zum eignen Heile?

Da hat ein Mensch selber keine Tugend gewonnen, aber zur Gewinnung der Tugend spornt er die anderen an. Er hat selber keine Vertiefung gewonnen, aber zur Gewinnung der Vertiefung spornt er die anderen an. Er hat selber keine Einsicht gewonnen, aber zur Gewinnung der Einsicht spornt er die anderen an. Er hat selber nicht die Erlösung gewonnen, aber zur Gewinnung der Erlösung spornt er die anderen an. Er hat selber nicht den Erkenntnisblick der Erlösung gewonnen, aber zur Gewinnung des Erkenntnisblickes der Erlösung spornt er die anderen an. So wirkt ein Mensch zum Heile der anderen, nicht zum eignen Heile.

234. Wie aber wirkt ein Mensch sowohl zum eignen Heile als auch zum Heile der anderen?

Da hat ein Mensch selber Tugend gewonnen, und zur Gewinnung der Tugend spornt er auch die anderen an. Er hat selber Vertiefung gewonnen, und zur Gewinnung der Vertiefung spornt er auch die anderen an. Er hat selber Einsicht gewonnen, und zur Gewinnung der Einsicht spornt er auch die anderen an. Er hat selber die Erlösung gewonnen, und zur Gewinnung der Erlösung spornt er auch die anderen an. Er hat selber den Erkenntnisblick der Erlösung gewonnen, und zur Gewinnung des Erkenntnisblickes der Erlösung spornt er auch die anderen an. So wirkt ein Mensch sowohl zum eignen Heile als auch zum Heile der anderen.

235. Wie aber wirkt ein Mensch weder zum eignen Heile noch zum Heile der anderen?

Da hat ein Mensch selber keine Tugend gewonnen, und zur Gewinnung der Tugend spornt er auch die anderen nicht an. Er hat selber keine Vertiefung gewonnen, und zur Gewinnung der Vertiefung spornt er auch die anderen nicht an. Er hat selber keine Einsicht gewonnen, und zur Gewinnung der Einsicht spornt er auch die anderen nicht an. Er hat selber nicht die Erlösung gewonnen, und zur Gewinnung der Erlösung spornt er auch die anderen nicht an. Er hat selber nicht den Erkenntnisblick der Erlösung gewonnen, und zur Gewinnung des Erkenntnisblickes der Erlösung spornt er auch die anderen nicht an. So wirkt ein Mensch weder zum eignen Heile noch zum Heile der anderen.


236-239. Selbstqual und Nächstenqual

236. Wie ist einer ein Selbstquäler, der Übung der Selbstqual ergeben?

Da ist einer ein Unbekleideter, ein Ungebundener, ein Handablecker, folgt keinem Anruf, wartet nicht ab, nimmt keine dargebrachten Gaben an, keine Vergünstigung, keine Einladung. Er nimmt nichts vom Rande eines Topfes oder einer Schüssel an, nichts über die Schwelle, nicht wo sich Stämme oder Pfähle im Wege befinden, nicht wo zwei zusammen speisen, nicht von einer Schwangeren oder Säugenden, nicht von einer, die sich gerade unter Männern befindet, nicht auf Ankündigung hin, nicht wo ein Hund wartet, nicht wo Fliegen umherschwärmen. Er ißt weder Fisch noch Fleisch, trinkt keinen Wein und Branntwein, kein Gerstenwasser. Er nimmt nur von einem Hause Almosen an und begnügt sich mit einer Hand voll Reis; oder er nimmt von zwei, drei, vier, fünf, sechs oder sieben Häusern Almosen an und begnügt sich mit zwei, drei, vier, fünf, sechs oder sieben Händen voll Reis. Er lebt nur von einer Darreichung, von zwei, drei, vier, fünf, sechs oder sieben Darreichungen. Er nimmt nur ein über den anderen Tag Nahrung zu sich oder nur nach jedem zweiten, dritten, vierten, fünften, sechsten oder siebenten Tag. So pflegt er auf diese Weise der Reihe nach die halbmonatliche Fastenübung.—Er lebt von Kräutern und von Hirse, von wildem Reis oder Abfällen des Reises, von Moosarten, von Samenkörnern, von Reisschaum, von Ölkuchen, von Gräsern, von Kuhmist, nährt sich von Wurzeln und Früchten des Waldes, lebt von abgefallenen Früchten.—Er trägt Gewänder aus Hanf oder Flechtwerk, Gewänder, die er auf dem Leichenfelde oder einem Kehrichthaufen gefunden hat; kleidet sich in Rinde, Felle oder Häute, in Geflechte, die aus Gras oder aus den Fasern der Bäume und Früchte verfertigt sind, in härene Decken, in Gewänder aus Roßhaaren oder Eulenflügeln. Er rauft sich Haar und Bart aus, befolgt die Regeln der Haar- und Bartausraufer; ist ein Stetigsteher, verschmäht das Sitzen; ist ein Fersensitzer, befleißigt sich eifrig des Fersensitzens; ist ein Dornenschläfer, auf dornigem Lager ruht er sich aus; allabendlich steigt er zum dritten Male ins Büßerbad. Also übt er sich auf gar vielfache Weise in körperlicher Kasteiung und Schmerzensaskese. So nun ist einer ein Selbstquäler, der Übung der Selbstqual ergeben.

237. Wie aber ist einer ein Nächstenquäler, der Übung der Nächstenqual ergeben?

Da ist einer ein Schaf- oder Schweineschlächter, ein Vogelsteller, ein Wildjäger, ein Weidmann, ein Fischer, ein Räuber, ein Henker, ein Kerkermeister oder was es da sonst noch an grausamem Handwerk gibt. So ist einer ein Nächstenquäler, der Übung der Nächstenqual ergeben.

238. Wie aber ist einer ein Selbstquäler, der Übung der Selbstqual ergeben, und ein Nächstenquäler, der Übung der Nächstenqual ergeben?

Da ist einer ein gesalbter Khattiyakönig oder ein mächtiger Brahmane. Der hat im Osten vor der Stadt eine neue Opferhalle (yaññāgāram) errichten lassen. Und mit geschorenem Haar und Bart, in ein rauhes Fell gekleidet, den Körper mit Butter und Öl bestrichen, den Rücken mit einem Hirschhorne reibend, tritt er zusammen mit der Königin und dem Oberpriester in die Opferhalle ein. Dort läßt er sich auf dem unbedeckten, (an-attharahitāya) bloß mit Gras bestreuten (haritupalittāya) Boden nieder. Einer Kuh, die ein ihr gleichendes Kalb bei sich hat, wird an einem Euter die Milch ausgemolken und damit der König bedient. Mit der Milch vom zweiten Euter wird die Königin bedient, mit der Milch vom dritten der Oberpriester; die Milch vom vierten Euter wird dem Feuer geopfert; den Rest trinkt das Kalb. Und der König befiehlt: ,So viele Stiere sollen zum Opfer erschlagen werden, so viele Farren, so viele Färsen, so viele Ziegen, so viele Widder; so viele Bäume sollen gefällt werden, um als Opferpfosten zu dienen; so viel Gras soll gemäht werden, um als Opfergras zu dienen.' (barihisa'tthāya) Und seine Knechte, Diener und Arbeiter führen aus Furcht vor Strafe, vor Angst zitternd, weinend und klagend die Arbeiten aus. So nun ist einer ein Selbstquäler, der Übung der Selbstqual ergeben, und ein Nächstenquäler, der Übung der Nächstenqual ergeben.

239. Wie aber ist einer weder ein Selbstquäler, der Übung der Selbstqual nicht ergeben, noch ein Nächstenquäler, der Übung der Nächstenqual nicht ergeben, und ist ohne Selbstqual, ohne Nächstenqual schon bei Lebzeiten gestillt, erloschen, abgekühlt, in seligem Gefühle heilig gewordenen Herzens verweilend?

Da erscheint der Vollendete in der Welt, der Heilige, völlig Erleuchtete, der Wissens- und Tugendreiche, der Gesegnete, der Welt Kenner, der unvergleichliche Lenker der unbezähmten Menschheit, der Meister der Engel und Menschen, der Erleuchtete, der Erhabene. Er erklärt diese Welt mit ihren Engeln, Teufeln und Göttern, mit der Schar der Asketen, Priester, Geister und Menschen, nachdem er sie selber erkannt und durchschaut hat. Er weist die Lehre, die im Anfang erhabene, in der Mitte erhabene, am Ende erhabene, dem Sinne wie dem Wortlaut nach, verkündet ein ganz und gar vollkommenes, geklärtes Asketentum. Jene Lehre vernimmt ein Hausvater oder der Sohn eines Hausvaters oder der in irgend einem anderen Stand Wiedergeborene. Nachdem er aber jene Lehre vernommen hat, gewinnt er Vertrauen zum Vollendeten, und von jenem Vertrauen erfüllt überlegt er bei sich: 'Beengend ist die Häuslichkeit, eine Stätte des Schmutzes: frei wie der Himmel die Pilgerschaft! Nicht leicht ist es, wenn man im Hause lebt, das gänzlich vollkommene, gänzlich geklärte Asketentum in seiner ganzen Reinheit (wörtl. "einer geschliffenen Muschel ähnlich"; "sankhalikhitan'ti liktitasankhasadisam dhotasankhasappatibhāgam. Aus Atth.) zu erfüllen. Wie, wenn ich nun, mit geschorenem Haar und Bart, mit dem gelben Gewande bekleidet, fortzöge von Hause in die Hauslosigkeit?' Und nach kurzer Zeit verläßt er einen kleineren oder größeren Besitz, einen kleineren oder größeren Verwandtenkreis, schert sich Haar und Bart, legt das gelbe Gewand an und zieht von Hause fort in die Hauslosigkeit.

Also Pilger geworden erfüllt er die Ordensregeln der Mönche. Dem Töten hat er entsagt, vom Töten steht er ab. Ohne Stock, ohne Schwert, zartfühlend, von Liebe erfüllt, ist er auf das Wohl aller lebenden Wesen bedacht. Nichtgegebenes zu nehmen liegt ihm fern, vom Nehmen des Nichtgegebenen steht er ab. Was man ihm gibt, das nimmt er; die Zeit des Gebens wartet er ab, ehrlich und lauter gesinnt. Der Unkeuschheit hat er entsagt; keusch lebt er, treu der Entsagung, steht ab von dem Geschlechtsverkehr, dem gemeinen. Dem Lügen hat er entsagt, vom Lügen steht er ab. Die Wahrheit spricht er, der Wahrheit ist er verbunden, zuverlässig, vertrauenswürdig, kein Betrüger der Menschen. Den Afterreden hat er entsagt, von Afterreden steht er ab. Was er hier gehört hat, erzählt er dort nicht wieder, um jene zu entzweien; und was er dort gehört hat, erzählt er hier nicht wieder, um diese zu entzweien. So einigt er Entzweite, festigt Verbundene. Eintracht liebt er, an Eintracht findet er Freude und Gefallen, Eintracht fördernde Worte spricht er. Rohen Worten hat er entsagt, von rohen Worten steht er ab. Edle Worte, die dem Ohr wohltun, liebevolle, zum Herzen dringende, höfliche, die viele erheben, viele erfreuen, solche Worte spricht er. Dem unnützen Plappern hat er entsagt, von unnützem Plappern steht er ab. Zur rechten Zeit spricht er, den Tatsachen gemäß, einem Zwecke angepaßt, spricht über Wahrheit und Zucht. Seine Rede ist denkwürdig, gelegentlich mit Gleichnissen geschmückt, abgemessen, dem Gegenstande angepaßt.

Er meidet die Zerstörung von Keim- und Pflanzenleben. An einem Male lebt er des Tages, und des Nachts bleibt er nüchtern. Des unzeitigen Essens enthält er sich. Er meidet Tanz, Gesang, Spiel und den Besuch von Schaustellungen, verwirft Blumenkränze, Wohlgerüche, Salben sowie jederart Schmuck, Zierat und Schönheitsmittel. Hohe und vornehme Betten benutzt er nicht. Gold und Silber nimmt er nicht an. Rohes Getreide und Fleisch nimmt er nicht an. Frauen und Mädchen nimmt er nicht an. Er besitzt keine Diener oder Dienerinnen, keine Ziegen, Schafe, Hühner, Schweine, Elefanten, Rinder oder Pferde, keinen Grund und Boden. Er übernimmt keine Aufträge, tut keine Botendienste. In Kauf und Verkauf läßt er sich nicht ein. Er macht sich nichts zu schaffen mit falschem Maß, Metall und Gewicht. Die schiefen Wege der Bestechung, Täuschung und Betrügerei hat er verworfen. Stechen, Erschlagen, Binden, Überfallen, Plündern und Vergewaltigen liegen ihm fern.

Er begnügt sich mit dem Gewande, das seinen Körper schützt, mit der Almosenspeise, womit er sein Leben fristet. Wohin er auch immer zieht, da ist er eben nur mit diesen beiden Dingen versehen. Gleichwie ein beschwingter Vogel, wohin er auch immer fliegt, stets nur seine Flügel mit sich trägt, gerade so auch begnügt sich der Mönch mit dem Gewande, das seinen Körper schützt, mit der Almosenspeise, womit er sein Leben fristet. Und wohin er auch immer zieht, da ist er eben nur mit diesen beiden Dingen versehen.

Durch die Befolgung dieser heiligen "Tugendsatzung" (síla-kkhandho) empfindet er in seinem Innern ein sündenreines Glück.

Erblickt er nun mit dem Auge eine Form, so haftet er weder am Ganzen noch an den Einzelheiten. Da ihn, unbewachten Auges weilend, Begehrsucht und Kummer, üble unheilsame Dinge überkommen möchten, so befleißigt er sich dessen Bewachung, hütet er das Auge, hält er das Auge im Zaume. Vernimmt er mit dem Ohr einen Ton, — riecht er mit der Nase einen Duft, — schmeckt er mit der Zunge einen Saft, — fühlt er mit dem Körper eine Tastung,—erkennt er im Geiste ein Ding, so haftet er weder am Ganzen noch an den Einzelheiten. Da ihn, unbewachten Geistes weilend, Begehrsucht und Kummer, üble, unheilsame Dinge überkommen möchten, so befleißigt er sich dessen Bewachung, hütet er den Geist, hält er den Geist im Zaume.

Durch die Ausübung dieser heiligen "Sinneszügelung" (indriya-samvaro) empfindet er in seinem Innern ein unbeflecktes Glück.

Klar bewußt ist er beim Kommen und Gehen, klar bewußt beim Hinblicken und Wegblicken, klar bewußt beim Beugen und Strecken, klar bewußt beim Tragen des Gewandes und der Almosenschale, klar bewußt beim Essen und Trinken, Kauen und Schmecken, klar bewußt beim Entleeren von Kot und Urin, klar bewußt beim Gehen, Stehen und Sitzen, beim Einschlafen und Aufwachen, beim Sprechen und Schweigen.

Ist er nun mit diesem heiligen Tugendwandel ausgerüstet, ausgerüstet mit dieser heiligen Sinneszügelung, erfüllt von dieser heiligen Wissensklarheit (sati-sampajaññam, cf. No. 85.-86.), so wählt er sich einen abgeschiedenen Wohnort, im Walde, am Fuße eines Baumes, auf einem Berge, in einer Kluft, einer Felsenhöhle, auf dem Leichenfelde, in der Einsamkeit des Waldes, unter freiem Himmel oder auf einem Strohhaufen. Nach dem Mahle, wenn er mit dem Einnehmen der Almosenspeise fertig ist, setzt er sich mit gekreuzten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet, gewärtigen Geistes.

Weltliche Begierde hat er verworfen; begierdelosen Herzens verweilt er; von Begierde läutert er sein Herz.

Groll und Mißmut hat er verworfen; sein Herz ist frei von Groll; auf das Wohl aller lebenden Wesen bedacht, läutert er sein Herz von Groll und Mißmut.

Geistige Schlaffheit und Mattigkeit hat er verworfen; frei von Schlaffheit und Mattigkeit verweilt er; hellen Geistes, besonnen, klar bewußt, läutert er sein Herz von Schlaffheit und Mattigkeit.

Aufregung und Gewissensunruhe hat er verworfen; frei von Unruhe verweilt er, und von innerem Frieden erfüllt, läutert er sein Herz von Aufregung und Gewissensunruhe.

Zweifelsucht hat er verworfen; zweifelentronnen verweilt er; er zweifelt nicht am Guten, läutert sein Herz von Zweifelsucht.

Er hat nun diese fünf "Hemmungen" (nivarana) beseitigt, die Befleckungen des Geistes kennen gelernt, die lähmenden; der Sinnlichkeit entrückt, dem Schlechten entronnen, erreicht er sinnend und nachdenkend die in der Loslösung geborene, von Verzückung und Glückseligkeit erfüllte erste "Selbstvertiefung" (jhānam).

Nach Aufhebung des Sinnes und Nachdenkens gewinnt er den inneren Frieden, die Einheit des Geistes, die von Sinnen und Nachdenken freie, in der Ruhe geborene, von Verzückung und Glückseligkeit erfüllte zweite Selbstvertiefung.

Nach dem Schwinden der Verzückung aber verweilt er gleichmütig, besonnen, klar bewußt, und er fühlt in sich jenes Glück, von dem die Heiligen sprechen: ,Glückselig der Gleichmütige, der Besonnene!' —so gewinnt er die dritte Selbstvertiefung.

Nach dem Schwinden von Wohlgefühl und Schmerz, durch die Unterdrückung der früheren Freude und des Kummers gewinnt er einen leidlosen, freudlosen Zustand, die gleichmütig-geistesgeklärte vierte Selbstvertiefung.

Also im Geiste gesammelt, geläutert, rein, fleckenlos, ungetrübt, nachgiebig, geschmeidig, fest, unerschütterlich, richtet er seinen Geist auf die erinnernde Erkenntnis früherer Daseinsformen. Er erinnert sich an manche verschiedene frühere Daseinsform, als wie an ein Leben, dann an zwei Leben, dann an drei Leben, dann an vier Leben, dann an fünf Leben, dann an zehn Leben, dann an zwanzig Leben, dann an dreissig Leben, dann an vierzig Leben, dann an fünfzig Leben, dann an hundert Leben, dann an tausend Leben, dann an hunderttausend Leben, dann an die Zeiten während mancher Weltuntergänge, dann an die Zeiten während mancher Weltentstehungen, dann an die Zeiten während mancher Weltuntergänge und Weltentstehungen: ,Dort war ich, solchen Namen hatte ich, solcher Familie und solchem Stand gehörte ich an, solche Nahrung ward mir zuteil, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, solches Lebensalter erreichte ich. Von da abgeschieden, trat ich dort wieder ins Dasein: dort hatte ich solchen Namen, solcher Familie und solchem Stande gehörte ich an, solche Nahrung ward mir zuteil, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, solches Lebensalter er reichte ich. Von dort abgeschieden, trat ich hier wieder ins Dasein.'— So erinnert er sich an manche verschiedenen früheren Daseinsformen mit ihren Merkmalen, ihren Kennzeichen.

Also im Geiste gesammelt, geläutert, rein, fleckenlos, ungetrübt, nachgiebig, geschmeidig, fest, unerschütterlich, richtet er seinen Geist auf die Erkenntnis des Abscheidens und Wiedererscheinens der Wesen. Mit dem himmlischen Auge, dem geklärten, übermenschlichen, sieht er die Wesen abscheiden und wiedererscheinen, gemeine und edle, schöne und häßliche, glückliche und unglückliche. Er erkennt, wie die Wesen, je nach den Taten, wiedererscheinen: ,Diese Wesen wahrlich führen einen schlechten Wandel in Werken, Worten und Gedanken, beschimpfen Heilige, sind bösen Ansichten ergeben, und böse Ansichten verleiten sie zu ihren Taten; bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, gelangen sie auf einen Abweg, eine Leidensfährte, in verstoßene Welt, zur Hölle. Jene Wesen aber führen einen guten Wandel in Werken, Worten und Gedanken, beschimpfen die Heiligen nicht, sind guten Ansichten ergeben, und gute Ansichten veranlassen sie zu ihren Taten; bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, gelangen sie auf glückliche Fährte, in himmlische Welt.'—So sieht er mit dem himmlischen Auge, dem geklärten, übermenschlichen, die Wesen abscheiden und wiedererscheinen, gemeine und edle, schöne und häßliche, glückliche und unglückliche, erkennt, wie die Wesen, je nach den Taten, wiedererscheinen.

Also im Geiste gesammelt, geläutert, rein, fleckenlos, ungetrübt, nachgiebig, geschmeidig, fest, unerschütterlich, richtet er seinen Geist auf die Erkenntnis der Wahnversiegung. ,Dies ist das Leiden'—erkennt er der Wirklichkeit gemäß. ,Dies ist die Entstehung des Leidens'—erkennt er der Wirklichkeit gemäß. ,Dies ist die Aufhebung des Leidens' — erkennt er der Wirklichkeit gemäß, ,Dies ist der zur Aufhebung des Leidens führende Pfad'—erkennt er der Wirklichkeit gemäß. ,Dies ist der Wahn'—erkennt er der Wirklichkeit gemäß. ,Dies ist die Entstehung des Wahns'—erkennt er der Wirklichkeit gemäß. ,Dies ist die Aufhebung des Wahns'—erkennt er der Wirklichkeit gemäß. ,Dies ist der zur Aufhebung des Wahns führende Pfad'—erkennt er der Wirklichkeit gemäß.

Also erkennend, also schauend, wird sein Herz erlöst von dem Begierdewahn, erlöst vom Daseinswahn, erlöst vom Wahn der Verblendung. ,Ich bin erlöst' —diese Erkenntnis steigt auf in dem Erlösten; er weiß: ,Versiegt ist das Leben, erfüllt die Heiligkeit; was zu tun war, ist getan; nichts gibt es mehr zu tun für diese Welt.'

So ist einer weder ein Selbstquäler, der Übung der Selbstqual nicht ergeben, noch ein Nächstenquäler, der Übung der Nächstenqual nicht ergeben, und ist, ohne Selbstqual, ohne Nächstenqual, schon bei Lebzeiten gestillt, erloschen, abgekühlt, in seligem Gefühle, heilig gewordenen Herzens verweilend.


240-243. Begehren, Haß, Verblendung, Eigendünkel

240. Welchem Menschen haftet das Begehren an? In wem das Begehren nicht erloschen ist, diesem Menschen, sagt man, haftet das Begehren an.

241. Welchem Menschen haftet der Haß an?

In wem der Haß nicht erloschen ist, diesem Menschen, sagt man, haftet der Haß an.

242. Welchem Menschen haftet die Verblendung an? In wem die Verblendung nicht erloschen ist, diesem Menschen, sagt man, haftet die Verblendung an.

243. Welchem Menschen haftet der Eigendünkel an? In wem der Eigendünkel nicht erloschen ist, diesem Menschen, sagt man, haftet der Eigendünkel an.

 

244-247. Gemütsruhe und Einsicht

244. Wie besitzt ein Mensch die innere Gemütsruhe, nicht aber das hohe Wissen des Wahrheitsblickes?

Da erlangt ein Mensch die formhaften oder formlosen Errungenschaften, aber er erlangt weder den überweltlichen Pfad noch das Ziel: so besitzt ein Mensch die innere Gemütsruhe, nicht aber das hohe Wissen des Wahrheitsblickes.

245. Wie besitzt ein Mensch das hohe Wissen des Wahrheitsblickes, nicht aber die innere Gemütsruhe? Da erlangt ein Mensch den überweltlichen Pfad oder das Ziel, aber er erlangt weder die formhaften noch die formlosen Errungenschaften: so besitzt ein Mensch das hohe Wissen des Wahrheitsblickes, nicht aber die innere Gemütsruhe.

246. Wie besitzt ein Mensch sowohl die innere Gemütsruhe als auch das hohe Wissen des Wahrheitsblickes?

Da erlangt ein Mensch die formhaften oder formlosen Errungenschaften, und er erlangt den überweltlichen Pfad oder das Ziel: so besitzt ein Mensch sowohl die innere Gemütsruhe als auch das hohe Wissen des Wahrheitsblickes.

247. Wie besitzt ein Mensch weder die innere Gemütsruhe noch das hohe Wissen des Wahrheitsblickes?

Da erlangt ein Mensch weder die formhaften noch die formlosen Errungenschaften, und er erlangt weder den überweltlichen Pfad noch das Ziel: so besitzt ein Mensch weder die innere Gemütsruhe noch das hohe Wissen des Wahrheitsblickes.


248-251. Der Strom

248. Wie schwimmt ein Mensch mit dem Strome? Da folgt ein Mensch den Begierden und verübt böse Tat. Dieser Mensch, sagt man, schwimmt mit dem Strome.

249.Wie aber schwimmt ein Mensch gegen den Strom? Da folgt ein Mensch nicht den Begierden, verübt keine böse Tat. Unter Leiden und Qualen stöhnend, mit tränen bedecktem Antlitz, befolgt er das vollkommene, lautere Asketentum. So schwimmt ein Mensch gegen den Strom.

250. Welcher Mensch aber hat festen Fuß gefaßt? Da erscheint ein Mensch nach Vernichtung der fünf niederen Fesseln unter den geistgeborenen Wesen wieder, und dort erlischt er vom Wahn, kehrt nicht mehr zurück von jener Welt. Dieser Mensch, sagt man, hat festen Fuß gefaßt.

251. Welcher Mensch aber hat den Strom durchkreuzt, das andere Ufer erreicht und steht, ein Heiliger, auf fester Erde? Da hat ein Mensch durch Vernichtung des Wahns noch bei Lebzeiten die wahnlose Gemütserlösung und Weisheitserlösung erreicht, selber erkannt und verwirklicht. Dieser Mensch, sagt man, hat den Strom durchkreuzt, das andere Ufer erreicht und steht, ein Heiliger, auf fester Erde.

Vergl. No. 291—297.


252-255. Der Nutzen des Wissens

252. Wie hat ein Mensch geringes Wissen und von seinem Wissen keinen Nutzen?

Da hat ein Mensch wenig gelernt an Lehrreden, gemischter Prosa, Exegese, Versen, Freudengesängen, Aussprüchen, Geburtslegenden, Wunderdingen und Erklärungen. Und den Sinn und Wortlaut des Wenigen, was er weiß, kennend, kämpft er nicht nach der Lehre. Dieser Mensch hat ein geringes Wissen und von seinem Wissen keinen Nutzen.

253. Wie aber hat ein Mensch geringes Wissen und von seinem Wissen Nutzen?

Da hat ein Mensch wenig gelernt an Lehrreden, gemischter Prosa, Exegese, Versen, Freudengesängen, Aussprüchen, Geburtslegenden, Wunderdingen und Erklärungen. Aber den Sinn und Wortlaut des Wenigen, was er weiß, kennend, kämpft er nach der Lehre. Dieser Mensch hat geringes Wissen und von seinem Wissen Nutzen.

254. Wie aber hat ein Mensch großes Wissen und von seinem Wissen keinen Nutzen?

Da hat ein Mensch viel gelernt an Lehrreden, gemischter Prosa, Exegese, Versen, Freudengesängen, Aussprüchen, Geburtslegenden, Wunderdingen und Erklärungen. Aber den Sinn und Wortlaut des Vielen, was er weiß, kennend, kämpft er nicht nach der Lehre. So hat ein Mensch großes Wissen und von seinem Wissen keinen Nutzen.

255. Wie hat ein Mensch großes Wissen und von seinem Wissen Nutzen?

Da hat ein Mensch viel gelernt an Lehrreden, gemischter Prosa, Exegese, Versen, Freudengesängen, Aussprüchen, Geburtslegenden, Wunderdingen und Erklärungen. Und den Sinn und Wortlaut des Vielen, was er weiß, kennend, kämpft er nach der Lehre. So hat ein Mensch großes Wissen und von seinem Wissen Nutzen.


256-259. Die vier wahren Asketen

256. Welcher Mensch gilt als unerschütterlicher Asket?

Da ist ein Mensch nach Vernichtung der drei Fesseln "in den Strom eingetreten" dem Verderben entronnen, gesichert, der vollen Erleuchtung gewiß. Diesen Menschen bezeichnet man als unerschütterlichen Asketen.

257. Welcher Mensch gilt als ein der roten Lotus gleichender Asket?

Da kehrt ein Mensch nach Vernichtung der drei Fesseln und nach äußerster Abschwächung von Begehren, Haß und Verblendung nur noch einmal wieder. Und nur noch einmal zu dieser Welt zurückgekehrt, macht er dem Leiden ein Ende. Diesen Menschen bezeichnet man als einen der roten Lotus gleichenden Asketen.

258. Welcher Mensch gilt als ein der weisen Lotus gleichender Asket?

Da erscheint ein Mensch nach Vernichtung der fünf niederen Fesseln unter den geistgeborenen Wesen wieder, und dort erlischt er vom Wahn, kehrt nicht mehr zurück von jener Welt. Diesen Menschen bezeichnet man als einen der weisen Lotus gleichenden Asketen.

259. Welcher Mensch gilt als der Unvergleichliche unter den Asketen?

Da hat ein Mensch durch Vernichtung des Wahns noch bei Lebzeiten die wahnlose Gemütserlösung und Weisheitserlösung erreicht, selber erkannt und verwirklicht. Diesen Menschen bezeichnet man als den Unvergleichlichen unter den Asketen.

Cf. A.IV.239.


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