Visuddhi Magga VIII

3. Achtsamkeit auf Ein- und Ausatmung (ānâpāna-sati)

(Fortsetzung 1)

 

Bei gewissen Menschen, die auf diese geistige Übung ihre Aufmerksamkeit heften, steigt schon nach gar nicht langer Zeit das geistige Bild (nimitta) auf, und die mit den übrigen Vertiefungsgliedern (Gedankenfassung usw.) ausgestattete und als Volle Sammlung (appanā) geltende 'Festigung' kommt zustande. Bei anderen wiederum, bei denen von der Zeit ab, wo sie dem Zählen ihre Aufmerksamkeit schenken, nach und nach durch Aufhebung der groben Ein- und Ausatmungen sich das körperliche Bedrücktsein beruhigt, bei denen wird Körper und Geist leicht, und es bekommt den Anschein, als wolle sich der Körper in die Lüfte erheben.

 

Angenommen man setze sich mit erregtem Körper auf ein Bett oder einen Stuhl nieder, so wird Bett oder Stuhl sich biegen und quieken und die Decke wird verkrümpelt. Setzt aber Einer, dessen Körper nicht erregt ist, sich dort nieder, so biegen sich Bett und Stuhl nicht, quieken nicht, und nicht wird die Decke verkrümpelt, sondern Stuhl und Bett erscheinen so als wären sie mit Wolle bedeckt. Und warum? Weil der nichterregte Körper leicht ist. Genau so auch ist es, wenn man von der Zeit ab, wo man dem Zählen seine Aufmerksamkeit schenkt, durch allmähliche Aufhebung der groben Ein- und Ausatmungen das körperliche Bedrücktsein beruhigt ist. Denn dann sind Körper und Geist leicht, und es bekommt den Anschein als wolle der Körper sich in die Lüfte erheben. Sobald aber bei dem Mönche die groben Ein- und Ausatmungen geschwunden sind, arbeitet das Bewußtsein mit dem in den feinen Ein- und Ausatmungen bestehenden Objekt als Vorstellung. Ist aber auch dieses geschwunden, so wird die Vorstellung des Objektes nach und nach immer feiner und feiner. In welcher Weise? Es ist als ob ein Mann mit einem großen Eisenklöppel einen Messinggong anschlage. Auf einen einzigen Schlag hin entsteht da ein lauter Ton, und sein Bewußtsein hat den lauten Ton zur Vorstellung. Ist aber der laute Ton verklungen, so entsteht darauf die Vorstellung von einem leisen Ton als Objekt; und ist auch dieses geschwunden, so wird die Vorstellung von dem Tonbilde immer feiner und feiner. So ist dies zu verstehen. Dies ist die ausführliche Erklärung der Worte: "Gleichwie beim Anschlagen des Gongs."

 

Während nun alle anderen geistigen Übungen bei höherer Entfaltung immer deutlicher werden, so trifft dies hier nicht zu, sondern dieses Übungobjekt erreicht bei immer höherer Entfaltung eine größere Feinheit und tritt auch nicht klar in Erscheinung. Wenn es aber nicht klar auftritt, so soll der Mönch sich nicht etwa von seinem Sitze erheben, das Lederstück abstäuben und fortgehen. Nicht soll er sich erheben in dem Gedanken: 'Was soll ich tun? Ich will den Lehrer befragen'; oder: 'Geschwunden ist mir dieses Übungsobjekt'. Geht er nämlich in erregter Haltung fort, so bleibt ihm das Übungsobjekt immer fremd. Daher soll er, genau an der Stelle, an der er gesessen hatte, das Übungsobjekt wieder hervorrufen. Folgendes nun ist die Art und Weise, wie er das Objekt wieder hervorzurufen hat. Nachdem der Mönch weiß, daß das Objekt nicht in Erscheinung tritt, erwäge er bei sich also: 'Wo sind denn diese Ein- und Ausatmungen anzutreffen, wo nicht?' Oder: 'Wer hat sie, wer nicht?' Während er so bei sich erwägt, erkennt er, daß diese Ein- und Ausatmungen nicht anzutreffen sind bei einem im Mutterleibe Befindlichen, nicht bei einem unter Wasser Getauchten, nicht bei den Unbewußten Wesen, den Verstorbenen, den in die vierte Vertiefung Eingetretenen, den mit feinkörperlichem oder unkörperlichem Dasein Ausgestatteten und den in den Erlösungszustand Eingetretenen. Und selber soll er sich tadeln: 'Nicht wahr, du kluger Mann! Du befindest dich doch weder im Mutterleibe, noch bist du unter Wasser getaucht, noch ein unbewußtes Wesen, noch ein Toter, noch im Besitze der vierten Vertiefung, noch mit feinkörperlichem noch unkörperlichem Dasein ausgestattet, noch bist du in den Erlöschungszustand eingetreten. In Wirklichkeit bestehen diese Ein- und Ausatmungen noch in dir, nur bist du mit deinen schwachen Sinnen nicht fähig, sie zu fassen'. Alsdann heiße er seinen Geist auf die ursprüngliche Berührungsstelle und halte so die Achtsamkeit wach. Bei einem Manne mit langer Nase nun treffen die Ein- und Ausatmungen gegen die Nasenflügel, bei einem Manne mit kurzer Nase gegen die Oberlippe. Daher stelle der Mönch das Objekt fest: 'Auf diese Stelle treffen die Atemzüge'. Aus eben diesem Grunde hat der Erhabene gesagt (S.54.13): "Nicht, sage ich, ihr Mönche, gibt es für den Gedankenlosen, geistig Unklaren eine Entfaltung der Achtsamkeit auf Ein- und Ausatmung". Denn wenn auch jedwedes Übungsobjekt bloß dem Achtsamen, Klarbewußten gelingt, so wird doch jedes andere als dieses Übungsobjekt einem bei wiederholtem Aufmerken deutlich. Diese Übung der Achtsamkeit auf Ein- und Ausatmung aber ist schwer, schwer zu entfalten und bildet bloß für die großen Menschen, wie die Erleuchteten, Einzelerleuchteten und die Jünger des Erleuchteten, einen Gegenstand der Aufmerksamkeit. Weder ist sie etwas Gewöhnliches, noch wird sie von gewöhnlichen Menschen ausgeübt. In dem Grade, in dem ihr Aufmerksamkeit geschenkt wird, in diesem Grade tritt sie ruhig und verfeinert auf. Daher ist scharfe Achtsamkeit und Einsicht dazu erforderlich. Gleichwie nämlich beim Nähen eines feinen Seidengewandes eine feine Nadel erforderlich ist und ein noch feinerer Nadelöhrbohrer, so auch ist beim Entfalten dieser einem feinen Seidengewande gleichenden Übung eine nadelspitzenfeine Achtsamkeit erforderlich sowie eine damit verbundene und dem Nadelöhrbohrer gleichende scharfe Einsicht. Mit jener Achtsamkeit und Einsicht aber ausgestattet suche der Mönch nach jenen Ein- und Ausatmungen nirgends anders als an der natürlichen Berührungsstelle.

 

Es ist damit wie mit einem Landmanne. Nachdem dieser nämlich sein Feld gepflügt und seine Ochsen abgespannt und zur Weide getrieben hat, setzt er sich in den Schatten und ruht sich aus. Seine Ochsen aber rennen in aller Eile in den Wald. Wer da nun ein geschickter Landmann ist, der folgt, wenn er jene wieder einfangen und anspannen will, nicht etwa hinter ihnen her und läuft im Walde herum. Sondern er nimmt Strick und Treibstock und begibt sich geradewegs zu ihrer Tränke, und dort setzt oder legt er sich nieder. Sobald nun jene Rinder, nachdem sie zur Mittagszeit geweidet haben, zur Tränke hinabgestiegen sind und gebadet und getrunken haben und, wieder aus dem Wasser herausgekommen, dastehen, bindet sie der Landmann mit dem Stricke fest und führt sie mit dem Stocke antreibend zurück. Dann jocht er sie an und beginnt wieder seine Arbeit. Ebenso auch suche der Mönch nach jenen Ein- und Ausatmungen nirgends anders als an der natürlichen Berührungsstelle. Er ergreife das Leitseil der Achtsamkeit und den Treibstock der Einsicht, hefte seinen Geist auf die natürliche Berührungsstelle und wecke seine Aufmerksamkeit, Denn während er so seine Aufmerksamkeit darauf heftet, zeigen sich ihm gar bald jene Ein- und Ausatmungen, genau so wie die Rinder an der Tränke. Darauf binde er jene mit dem Leitseile der Achtsamkeit fest und spanne sie an jener Stelle an. Dann treibe er sie mit dem Treibstocke des Wissens an und gebe sich von neuem seiner Übung wieder hin. Während er aber so der Übung hingegeben ist, tritt nach gar nicht langer Zeit das (geistige) 'Bild' (nimitta) auf.

 

Dieses ist jedoch nicht bei allen das Gleiche. Bei dem einen nämlich erscheint es wie etwas den Eindruck der Weichheit Machendes, wie Baumwolle, Seidenwolle oder ein Luftzug. So behaupten einige. Folgendes jedoch ist die Erklärung in den Kommentaren: "Dieses Bild tritt bei dem einen auf in Form eines Sternes, einer Kristallkugel oder einer Perle. Bei dem einen erscheint es wie der den Eindruck der Härte machende Baumwollsamen oder ein Bolzen aus Kernholz, bei dem einen wie eine lange Schnur oder eine Girlande oder eine Rauchsäule, bei dem einen wie ein auseinandergezogener Spinnfaden oder Wolkenstreifen oder eine Lotusblüte, ein Wagenrad, wie die Mondscheibe oder Sonnenscheibe. Damit aber verhält es sich folgendermaßen. Da stellt z. B., während viele Mönche nach dem Hersagen einer Sutte dasitzen, ein Mönch die Frage: 'Wie erscheint euch diese Sutte?' Auf diese Frage antwortet der eine Mönch: 'Mir erscheint sie wie ein mächtiger Gebirgsstrom.' Ein anderer: 'mir wie ein Waldstreifen.' Ein weiterer: 'Mir wie ein ästereicher, fruchtbeladener, kühlen Schatten spendender Baum.' Diesen Mönchen nämlich erscheint ein und dieselbe Sutte, infolge der Verschiedenheit ihrer Vorstellungen, in verschiedener Weise. Ebenso auch erscheint ein und dieselbe geistige Übung, infolge der Verschiedenheit der Vorstellung, als etwas Verschiedenes. Denn durch die Vorstellung erzeugt ist dieses Bild, durch die Vorstellung bedingt, durch die Vorstellung entstanden. Daher erscheint es infolge der Verschiedenheit der Vorstellung in verschiedener Weise, wie einzusehen.

 

Etwas anderes nun ist hierbei das die Einatmung zum Objekt habende Bewußtsein, etwas anderes das die Ausatmung zum Objekt habende Bewußtsein, etwas anderes das das geistige Bild zum Objekt habende Bewußtsein. Wer diese drei Dinge nicht besitzt, dessen Übung erreicht weder die Volle noch auch die Angrenzende Sammlung. Wer aber diese drei Dinge besitzt, dessen Übung erreicht sowohl die Angrenzende als auch die Volle Sammlung. Es heißt nämlich:

 

 

Sobald dem Mönche aber auf diese Weise das geistige Bild (nimitta) aufgestiegen ist, begebe er sich zu seinem Lehrer und teile ihm mit, daß ihm ein solches Bild aufgestiegen sei. Die Verkünder der Langen Sutten nun meinen, der Lehrer solle weder sagen, daß dies das Bild sei, noch daß es nicht das Bild sei, sondern einfach erwidern: 'So, so, Bruder. Mögest du immer wieder deine Achtsamkeit üben'. Sagt er nämlich, es sei das Bild, so möchte der Mönch nachlässig werden. Sagt er aber, es sei nicht das Bild, so möchte der Mönch die Lust verlieren und niedergeschlagen sein. Deshalb soll er diese beiden Antworten vermeiden und ihn bloß zur Aufmerksamkeit anspornen. Die Verkünder der Mittleren Reden aber behaupten, der Lehrer solle sagen: 'Ja, dies ist das Bild, Freund, Mögest du es immer wieder und wieder beobachten, du guter Mensch.' - Darauf nun festige der Mönch seinen Geist bloß noch in dem Bilde. Auf solche Weise wird ihm von da ab durch Festigung des Geistes darin diese Geistesentfaltung zuteil. Die alten Meister nämlich sagen:
 
 

 

Somit sind in ihm vom Erscheinen des Bildes ab die Hemmungen gelähmt, die Geistestrübungen gestillt, die Achtsamkeit ist gewärtig, und der Geist ist in der Angrenzenden Sammlung gefestigt.

 

Darauf beobachte er jenes Bild weder hinsichtlich seiner Farbe, noch prüfe er es hinsichtlich seiner Merkmale. Sondern gleichwie die Khattiyafürstin den Embryo eines Weltherrschers hütet, oder wie der Landmann den keimenden Reis und die Gerste überwacht, so auch hüte der Mönch sorgfältigst das Bild, während er die sieben Dinge, wie Wohnung usw., sofern sie ungünstig sind, meidet, sie aber aufsucht, sofern sie günstig sind.

 

Nachdem er nun so jenes Bild gehütet und durch beständige Aufmerksamkeit zum Wachsen und zur Entfaltung gebracht hat, erwirke er die zehnfache Fertigkeit in der Vollen Sammlung und bringe das Gleichmaß der Willenskraft zustande. Während er sich nun so müht, steigen ihm, genau wie in der anläßlich des Erdkasinas erklärten Weise, bei jenem Bilde die vier, bzw. fünf, Vertiefungen auf.

 

Der Mönch aber, dem auf diese Weise die vier, bzw. fünf, Vertiefungen aufgestiegen sind und der begierig ist, durch 'Erkennen' (sallakhana) und 'Sichabwenden' (vivattanā) die Übung zu entfalten und die völlige 'Lauterkeit' (parisuddhi) zu erlangen, macht sich mit eben derjenigen Vertiefung, in welcher er auf fünffache Weise die Meisterschaft erlangt hat, völlig vertraut. Darauf stellt er die Körperlichkeit (rūpa) und Geistigkeit (nāma) fest und festigt so den Hellblick. Und in welcher Weise? Aus dem Erreichungszustande (der Vertiefung) herausgetreten erkennt er den stofflichen Körper und den Geist als den Ursprung der Ein- und Ausatmungen. Gleichwie nämlich, wenn der Blasebalg eines Schmiedes aufgeblasen wird, in Abhängigkeit von dem Blasebalg und der entsprechenden Anstrengung eines Mannes der Wind in Tätigkeit tritt, genau so auch sind die Ein- und Ausatmungen abhängig von Körper und Geist. Darauf stellt der Mönch die Ein- und Ausatmungen sowie den Körper als etwas Körperliches fest, den Geist und die damit verbundenen Erscheinungen aber als etwas Unkörperliches. Dies ist hier die kurz gefaßte Erklärung. Ausführlich aber wird die Feststellung von Körperlichkeit und Geistigkeit späterhin klar werden.

 

Nachdem der Mönch nun so die Körperlichkeit und Geistigkeit festgestellt hat, sucht er nach deren Entstehungsbedingung; und nachdem er, danach suchend, sie gefunden hat, entrinnt er allem Zweifel mit Hinsicht auf den geistigen und körperlichen Vorgang in den drei Zeitläufen. Dem Zweifel aber entronnen, beobachtet er beim Untersuchen der Gruppen (kalāpa-sammasana; s.XX.) die drei Merkmale (Vergänglichkeit, Elend, Unpersönlichkeit). Und die zu Anfang der Betrachtung des Entstehens und Vergehens aufgestiegenen zehn Trübungen des Hellblicks (vipassanūpakkilesa), wie den Lichtglanz usw., überwindend stellt er die von den Trübungen befreite 'Erkenntnis des Fortschrittes' (patipadā-ñāna) als den Pfad (des Stromeintritts usw.) fest und gewinnt, nach Überwindung der Entstehung (Bedingung), die Betrachtung der Auflösung der Dinge (bhangânupassanā); und von allen den, infolge des beständigen Einblickes in ihr Abbrechen, ihm als Schrecken erscheinenden Gebilden sich abwendend (nibbindanto), loslösend (virajjanto) und frei machend, gewinnt er der Reihe nach die vier Edlen Pfade. Am Ziel der Heiligkeit aber feststehend hat er die Vollendung der neunzehn Rückblickerkenntnisse (pacca-vekkhana-ñāna) erreicht und ist unter Himmelswesen und Menschen der höchsten Gaben würdig (Die Entwicklung zum Arahat vollzieht sich aufgrund der 7 Stufen der Reinheit (satta-visuddhi). Siehe auch M.24). Insofern hat er, mit Zählen beginnend und mit 'Zurückschauen' (patipassanā) endend, die Entfaltung der Sammlung der Achtsamkeit auf Ein- und Ausatmung zu Ende geführt. Dies ist die in jeder Weise vollständige Beschreibung der ersten Vierergruppe.

 

Insofern es nun aber für die übrigen drei Vierergruppen keine besondere Methode hinsichtlich der Entfaltung der Übung gibt, so hat man den Sinn derselben in der folgenden, Wort für Wort gegebenen Erklärungsweise zu verstehen.

 

 

II (5) "Verzückung empfindend" (pīti- patisamvedī) bedeutet: die Verzückung mir klar wahrnehmbar oder deutlich machend werde ich einatmen . . . werde ich ausatmen' so übt er sich (Pts.I,p.186).

 

Hierbei wird die 'Verzückung' (pīti) auf zweierlei Weise klar wahrgenommen. Da tritt der Mönch in die mit Verzückung verbundenen beiden (ersten) Vertiefungen ein, und in demselben Augenblicke, wo er in dieselben eintritt, ist zufolge der Erreichung der Vertiefungen die Verzückung als Vorstellungsobjekt klar wahrnehmbar, indem eben das Vorstellungsobjekt klar wahrgenommen wird. Wie aber wird die Verzückung mit Hinsicht auf Unverblendung klar wahrgenommen? Sobald der Mönch sich aus den beiden mit Verzückung verbundenen Vertiefungen, in die er eingetreten war, erhoben hat, erwägt er die mit den Vertiefungen verbundene Verzückung hinsichtlich ihres Hinschwindens und Vergehens; und infolge der Durchdringung ihrer Merkmale ist im Augenblicke des Hellblicks die Verzückung als Unverblendung klar wahrnehmbar. In Patisambhidā nämlich heißt es:

 

"Wer bei langem Einatmen die Eingipfeligkeit und Unzerstreutheit des Geistes erkennt, in dem ist die Achtsamkeit gewärtig; und infolge jener Achtsamkeit und jenes Wissens wird die Verzückung klar wahrgenommen. Wer bei langem Ausatmen . . . bei kurzem Einatmen . . . bei kurzem Ausatmen . . . bei Ein- und Ausatmung die Körperfunktion besänftigend die Eingipfeligkeit und Unzerstreutheit des Geistes erkennt, in dem ist die Achtsamkeit gewärtig; und infolge jener Achtsamkeit und jenes Wissens wird die Verzückung klar wahrgenommen. Klar wahrnehmbar ist jene Verzückung für den, der seinen Geist dort hinwendet, der erkennt, sieht, beobachtet, den Geist festigt, zu Vertrauen neigt, seine Willenskraft anspannt, die Achtsamkeit gewärtig hält, den Geist sammelt, voll Einsicht erkennt, das zu Erkennende . . . zu Durchdringende . . . zu Überwindende . . . zu Entfaltende . . . zu Verwirklichende verwirklicht. So ist jene Verzückung klar wahrnehmbar."

 

Genau auf dieselbe Weise hat man auch die übrigen Worte hinsichtlich ihrer Bedeutung zu verstehen. Der einzige Unterschied dabei ist folgender:

 

Im Sinne der drei Vertiefungen ist der Ausdruck (6) "das Wohlgefühl empfindend" (sukha-patisamvedī) zu verstehen, im Sinne der vier Vertiefungen aber der Ausdruck (7) "die Geistesfunktion empfindend." Als Geistesfunktion (citta-sankhāra) gelten die beiden Gruppen, wie Gefühl usw. (d.i. Wahrnehmung). Hinsichtlich des Ausdruckes "das Wohlgefühl empfindend" wird, um hierbei das Gebiet des Hellblicks anzudeuten, in Patisambhidā gesagt: "Was das Wohlgefühl betrifft, so gibt es zwei Arten: körperliches (kāyika) und geistiges (cetasika)."

 

 

(8) "Die Geistesfunktion besänftigend" (passambhayam cittasankhāram) bedeutet: die grobe Geistesfunktion beruhigend oder aufhebend. Der ausführliche Sinn ist in der anläßlich der Körperfunktion gegebenen Erklärungsweise zu verstehen. In dem Ausspruch hinsichtlich der Verzückung (d.i. "Die Verzückung empfindend werde ich einatmen . . .") wird übrigens unter 'Verzückung' als Leitwort das Gefühl angedeutet, und in dem Ausspruch hinsichtlich des Wohlgefühls (d.i. "Das Wohlgefühl empfindend . . .") wird das Gefühl nach seinem wahren Wesen bezeichnet. Was die beiden Stellen betreffs der Geistesfunktion aber anbetrifft, so wird Gefühl als mit Wahrnehmung verbunden bezeichnet, in den Worten (M.44): "Wahrnehmung und Gefühl sind geistige Dinge. Diese Dinge sind an den Geist gebunden, sind Geistesfunktionen." So also ist diese Vierergruppe als im Sinne der 'Betrachtung der Gefühle' (2. Grundlage der Achtsamkeit) gesprochen aufzufassen.

 

 

III (9) Auch in der dritten Vierergruppe ist der Ausdruck: "Den Geist empfindend" (citta-patisamvedī) im Sinne der vier Vertiefungen zu verstehen.

 

(10) "Den Geist aufheiternd" (abhippamodayam cittam) bedeutet: 'den Geist heiter stimmend, froh stimmend, anregend, erfreuend, werde ich einatmen . . . werde ich ausatmen' so übt er sich. Dabei entsteht die Freude auf zweierlei Art: durch Sammlung und durch Hellblick. Wie aber entsteht Freude durch Sammlung (samādhi)? Da tritt der Mönch in die beiden (ersten) mit Verzückung verbundenen Vertiefungen ein, und im Augenblicke des Eintretens stimmt er seinen Geist heiter und froh. Wie aber entsteht Freude durch Hellblick (vipassanā)? Aus den beiden mit Verzückung verbundenen Vertiefungen, in die er eingetreten war, erhebt er sich und erwägt die mit den Vertiefungen verbundene Verzückung hinsichtlich ihres Hinschwindens und Vergehens. So nimmt er im Momente des Hellblickes die mit den Vertiefungen verbunde Verzückung zum Vorstellungsobjekt und stimmt den Geist heiter und froh. Und von dem so Übenden heißt es: ",Den Geist erheiternd werde ich einatmen . . . werde ich ausatmen' so übt er sich."

 

(11) "Den Geist sammelnd" (samādaham cittam) bedeutet: mit Hilfe der ersten Vertiefung usw. den Geist mit dem Vorstellungsobjekte fest verbindend und gründlich festigend. Oder, aus jenen Vertiefungen, in die er eingetreten war, herausgetreten und den mit den Vertiefungen verbundenen Geist als dahinschwindend und vergänglich betrachtend, steigt ihm im Momente des Hellblicks, zufolge der Durchdringung der (Daseins-) Merkmale, eine augenblickliche Eingipfeligkeit des Geistes auf. Und vermittels solcher aufgestiegener augenblicklicher Eingipfeligkeit des Geistes verbindet er seinen Geist fest mit dem Vorstellungsobjekte und festigt ihn gründlich. Darum heißt es: " 'Den Geist sammelnd werde ich einatmen . . . werde ich ausatmen' so übt er sich."

 

(12) "Den Geist befreiend" (vimocayam cittam) bedeutet: den Geist durch die erste Vertiefung von den (fünf) Hemmungen freimachend, durch die zweite Vertiefung von Gedankenfassen und Diskursivem Denken, durch die dritte Vertiefung von Verzückung, durch die vierte Vertiefung von Wohl- und Wehegefühl. Oder aber, aus jenen Vertiefungen, in die er eingetreten war, sich erhebend, erwägt er das mit den Vertiefungen verbundene Bewußtsein als dahinschwindend und vergänglich. Und er atmet ein und aus, indem er im Momente des Hellblicks den Geist befreit, d.i. frei macht, u. zw. durch Betrachtung der Vergänglichkeit (aniccânupassanā) von der Ewigkeitsillusion (nicca-saññā), durch Betrachtung des Elends (dukkhânupassanā) von der Glücksillusion (sukha-saññā), durch Betrachtung der Unpersönlichkeit (anattânupassanā) von der Ich-Illusion (atta-saññā), durch Betrachtung der Abwendung (nibbidā) vom Ergötzen, durch Betrachtung der Loslösung (virāga) von der Gier, durch Betrachtung der Erlöschung (nirodha) von der Entstehungs (-bedingung), durch Betrachtung des Fahrenlassens (patinissagga) vom Festhalten. Darum heißt es: " 'Den Geist befreiend werde ich einatmen . . . werde ich ausatmen' so übt er sich." So also ist diese Vierergruppe als im Sinne der 'Betrachtung des Geistes' (3. Grundlage der Achtsamkeit) gesprochen aufzufassen.

 

 

IV (13) In der vierten Vierergruppe aber hat man in dem Ausspruch "das Vergängliche betrachtend,' (aniccânupassī) vorerst zu verstehen, was das Vergängliche ist, was die Vergänglichkeit ist, was die Betrachtung des Vergänglichen ist, und wer der das Vergängliche Betrachtende ist. Als das 'Vergängliche' gelten da die Fünf Daseinsgruppen (Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformationen, Bewußtsein; s. XIV): Und warum? Wegen ihres Entstehens und Vergehens und Anderswerdens. Als 'Vergänglichkeit' gilt eben jener Dinge Entstehen, Vergehen und Anderswerden, oder das Schwinden jener gewordenen, entstandenen Dinge. Der Sinn ist der, daß diese Dinge nie in derselben Weise verharren, sondern zergehen, indem sie sich von Augenblick zu Augenblick auflösen. Als 'Betrachtung des Vergänglichen' gilt das Betrachten der Körperlichkeit und der übrigen Daseinsgruppen als vergänglich im Sinne jener Vergänglichkeit. Als 'der das Vergängliche Betrachtende' gilt der mit jener Betrachtung Beschäftigte. Ein solcher Ein- und Ausatmender ist somit zu verstehen in dem Ausspruche: ",Das Vergängliche betrachtend werde ich einatmen . . . werde ich ausatmen' so übt er sich."

 

(14) In dem Ausdruck: "Die Loslösung betrachtend" (virāgânupassī) unterscheidet man zwei Arten der Loslösung: im Hinschwinden bestehende Loslösung und restlose Loslösung. Darunter gilt als die im 'Hinschwinden' (khaya) bestehende Loslösung das Hinschwinden und der Zerfall der Daseinsgruppen. Als restlose Loslösung (accanta-virāga) gilt das Nirwahn. Als Betrachtung der Loslösung gilt der durch das Erkennen beider entstandene Hellblick (vipassanā) und der Pfad (des Stromeintritts usw.). Und der diese zweifache Betrachtung übende Ein- und Ausatmende ist zu verstehen in dem Ausspruch: ",Die Loslösung betrachtend werde ich einatmen . . . werde ich ausatmen' so übt er sich."

 

(15) Für den Ausdruck "die Erlöschung betrachtend" (nirodhânupassī) gilt genau dieselbe Erklärung.

 

(16) In dem Ausdruck: "das Fahrenlassen betrachtend" (patinissaggânupassī) unterscheidet man zwei Arten des Fahrenlassens: das im Abstoßen bestehende Fahrenlassen und das im Vorwärtsdrängen bestehende Fahrenlassen. Unter 'Betrachtung des Fahrenlassens' versteht man die im Fahrenlassen bestehende Betrachtung, und diese ist eine Bezeichnung für den Hellblick (vipassanā) und den Pfad (des Stromeintritts usw.). Daß nämlich der Hellblick im Sinne von Überwindung durchs Gegenteil (tad-anga-vasena) die Trübungen abstößt, mitsamt den Daseinsgruppen und den Karmaformationen (abhisankhāra), und durch Erkennen der Mängel der gewordenen Dinge zu dem diesen Dingen entgegengesetzten Zustande, dem Nirwahn, aus Neigung dazu, hindrängt, das nennt man das sowohl im Abstoßen als auch im Vorwärtsdrängen bestehende Fahrenlassen. Weil also der Pfad, im Sinne völliger Zerstörung, die Trübungen mitsamt den Daseinsgruppen und den Karmaformationen abstößt und nach dem Nirwahn hindrängt, indem dieses eben zum Objekte genommen wird, darum spricht man von einem sowohl im Abstoßen als auch im Vorwärtsdrängen bestehenden Fahrenlassen. Beide aber werden sie Betrachtungen genannt, weil sie die früheren Wissen immer wieder und wieder betrachten. Und der diese zweifache Betrachtung übende Ein- und Ausatmende ist zu verstehen in dem Ausspruch: ",Das Fahrenlassen betrachtend werde ich einatmen . . . werde ich ausatmen: so übt er sich."

 

Diese vierte Vierergruppe wird bloß mit Rücksicht auf den reinen Hellblick (vipassanā) gelehrt, die drei früheren Betrachtungen aber mit Rücksicht auf Gemütsruhe (samatha) und Hellblick (vipassanā). Auf diese Weise ist die Entfaltung der sechzehnfachen Achtsamkeit auf Ein- und Ausatmung zu verstehen.

 

Diese Achtsamkeit auf Ein- und Ausatmung aber bringt auf Grund dieser sechzehn Methoden hohe Früchte, hohen Segen. Ihr hoher Segen ist zu erkennen an ihrem friedvollen Zustande und an ihrer Fähigkeit, die Gedanken (vitakka) auszuschalten, gemäß den Worten: "Diese Sammlung der Achtsamkeit auf Ein- und Ausatmung, ihr Mönche, entfaltet und häufig geübt, ist friedvoll und erhaben usw. Infolge des friedvollen, erhabenen, unbefleckten und glückseligen Zustandes nämlich macht diese Sammlung dem durch die störenden Gedanken bedingten Hin- und Herschweifen des Geistes ein Ende und stellt den Geist den sein Objekt bildenden Ein- und Ausatmungen gegenüber. Eben deshalb wurde gesagt: "Die Achtsamkeit auf Ein- und Ausatmung ist zu entfalten zwecks Aufhebung der Gedanken."

 

Ihr hoher Segen ist auch daran zu erkennen, daß sie die Grundlage zur Vollendung des Wissens und der Erlösung bildet. Denn der Erhabene hat gesagt (M.118): "Die Achtsamkeit auf Ein- und Ausatmung, ihr Mönche, entfaltet und häufig geübt, bringt die vier Pfeiler der Achtsamkeit zustande; die vier Pfeiler der Achtsamkeit, entfaltet und häufig geübt, bringen die sieben Glieder der Erleuchtung zustande; die sieben Glieder der Erleuchtung, entfaltet und häufig geübt, bringen das Wissen und die Erlösung zustande." Ferner ist ihr hoher Segen auch daran zu erkennen, daß sie die letzten (carimaka) Atemzüge klar erkennen läßt. Der Erhabene nämlich hat gesagt (M.62): "Wird, Rāhula, die Achtsamkeit auf Ein- und Ausatmung also entfaltet und häufig geübt, so gelangen selbst jene letzten Atemzüge klar bemerkt zur Aufhebung, nicht unbemerkt". Hier gibt es mit Rücksicht auf Aufhebung dreierlei letzte Atemzüge: die letzten Atemzüge mit Rücksicht auf die Daseinsstufen, die letzten Atemzüge in den Vertiefungen, die letzten Atemzüge beim Abscheiden. Was nämlich die Daseinsstufen betrifft, so bestehen die Ein- und Ausatmungen bloß im Sinnlichen Dasein, nicht im Feinkörperlichen oder Unkörperlichen Dasein; somit gelten jene als die letzten Atemzüge mit Rücksicht auf die Daseinsstufen. Was die Vertiefungen betrifft, so bestehen die Ein- und Ausatmungen bloß in den ersten drei Vertiefungen, nicht in der vierten; somit gelten jene als die letzten Atemzüge in den Vertiefungen. Diejenigen Atemzüge aber, die zusammen mit dem sechzehnten Bewußtseinsmomente vor dem Todesbewußtsein aufsteigen und zusammen mit dem Todesbewußtsein zur Aufhebung gelangen, diese gelten als die letzten Atemzüge beim Abscheiden. Diese letzten Atemzüge beim Abscheiden aber hat man hier zu verstehen. Diese, heißt es, sind deutlich bei dem der Übung hingegebenen Mönche, insofern er die Ein- und Ausatmungen als Objekt gut erfaßt hat. Und indem er beim Aufsteigen des sechzehnten Bewußtseinsmomentes vor dem Todesbewußtsein auf dessen Aufsteigen seinen Geist hinwendet, ist ihm auch das Aufsteigen der Atemzüge deutlich; und indem er dessen Schwinden beobachtet, ist ihm auch das Schwinden der Atemzüge deutlich.

 

Ein Mönch nämlich, der durch Entfaltung einer anderen Übung als dieser die Heiligkeit erreicht hat, vermag entweder die Lebenszeit festzustellen, oder vermag sie nicht festzustellen. Der Mönch aber, der durch Entfaltung dieser sechzehnfachen Achtsamkeit auf Ein- und Ausatmung die Heiligkeit erreicht hat, vermag die Grenze der Lebenszeit auf alle Fälle festzustellen. Er erkennt: 'So lange noch werden jetzt meine Lebensfunktionen in Tätigkeit bleiben, nicht darüber hinaus'. Und sobald er seiner Gewohnheit gemäß alle Angelegenheiten wie Körperpflege, das Anlegen der inneren und äußeren Gewänder usw. erledigt hat, schließt er seine Augen, gleichwie der im Spitzenbergkloster wohnende Ordensältere Tissa oder wie der im Großen Karañjikloster wohnende Ordensältere Mahātissa oder wie der vom Almosengang lebende Ordensältere Tissa im Großen Devaputtalande oder wie die beiden Brüder, die als Ordensältere im Cittalaberg-Kloster wohnten.

Hier nun bildet folgendes die Beschreibung der einen Geschichte: Von den beiden Brüdern, den Ordensälteren, sagt man, ging der eine, nachdem er am Vollmondstage die Ordenssatzung (pātimokkha) vorgetragen hatte, von der Mönchsgemeinde umgeben zu seiner eigenen Behausung und stellte sich dort auf den Wandelgang; und die Mondscheibe beobachtend, erwog er seine eigenen Lebenskräfte und sprach darauf zu den Mönchen: "In welcher Weise habt ihr die Mönche früher ins Nirwahn abscheiden sehen?" Einige sagten: "Auf ihren Sitzen sitzend haben wir früher die Mönche abscheiden sehen". Einige sagten: "Mit untergeschlagenen Beinen in der Luft schwebend haben wir sie abscheiden sehen". Der Ordensältere aber sprach: "Ich will euch nun aber einen zeigen, der beim Auf- und Abwandeln ins Nirwahn abscheidet". Darauf zog er einen Strich auf dem Wandelgange und sprach: "Von diesem Ende des Wandelganges werde ich bis zum anderen gehen, und, sobald ich diesen Strich erreiche, werde ich abscheiden". So sagend ging er den Wandelgang hinab bis zum anderen Ende; in dem Augenblicke aber, wo er beim Zurückkehren mit dem einen Fuße auf den Strich trat, schied er ab.
 

 

Hier nun endet die ausführliche Darlegungsweise der Achtsamkeit auf Ein- und Ausatmung.  


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