Vipassanā Meditation

Siebzehnter Nachmittag - Unterweisung: Entspannen / Abtreiben des Geistes

 

Wenn Sie irgendwo im Körper Schmerzen empfinden, haben Sie oft die Tendenz, sich als Reaktion darauf an einer anderen Stelle zu verspannen. Es ist gut, wenn Sie in Abständen den ganzen Körper entspannen, ein Glied nach dem anderen, und all die angesammelte Spannung, die sich als subtile Reaktion auf unangenehme Empfindungen einstellt, loslassen. Dann wird es leichter, sich wieder zu sammeln und das Fließen zu betrachten.

 

Machen Sie das Beste aus den Stunden mit dem Vorsatz, sich nicht zu bewegen, und verbringen Sie eine Stunde, ohne die Haltung zu verändern. Dieser Vorsatz stärkt den Geist auf verschiedene Arten. Die Faktoren der Bemühung und der Energie werden sehr stark, und die Unbeweglichkeit des Körpers stärkt die Sammlung und Achtsamkeit. Im allgemeinen reagiert unser Körper auf alle kleinen Störungen oder unangenehme Empfindungen mit einem geringfügigen Haltungswechsel. Wir sind meistens völlig unachtsam bei diesem Vorgang. Wir empfinden eine kleine Störung und verändern unsere Haltung ein wenig. Wenn wir den Vorsatz haben, uns eine Stunde nicht zu bewegen, kommen wir nicht umhin, uns all dieser unangenehmen Momente und unserer bedingten Reaktionen darauf bewußt zu werden. Die Stunden mit dem Vorsatz können öfter durchgeführt werden. Wenn Sie sich dabei wohl fühlen, dann können Sie den Vorsatz bei jedem Sitzen fassen.

 

Wenn die Sammlung besser wird, ist es manchmal möglich, daß der Geist in einen angenehmen traumgleichen Zustand abgleitet. Es wird Abtreiben des Geistes genannt. Sie können sich lange in diesem Zustand befinden. Seien Sie wachsam, lassen Sie die Achtsamkeit nicht abweichen. Wenn Sie fühlen, daß Sie in eine Art von Traumzustand des Geistes geraten, dann bemühen Sie sich, die Achtsamkeit zu schärfen, so daß Sie sich ganz klar bewußt sind, was im Moment geschieht. Auf diese Art wird der Weisheitsfaktor entwickelt, Sie erfahren das momentane Aufsteigen und Dahinschwinden der Gedanken, der Empfindungen, der Geisteszustände und der Atmung. Gestatten Sie dem Geist nicht, abzutreiben. Bei einer langen Meditation mag das geschehen. Seien Sie wachsam. Dies ist die Grundlage der Weisheit. Bleiben Sie vollkommen aufmerksam.


Achtzehnter Abend - Reinheit und Glück

 

Es gibt eine Geschichte von Mark Twain über einen Mann, der in den Himmel gelangte. Als er ankam, wurden ihm ein Paar Flügel und eine Harfe gegeben. Einige Tage bewegte er sich mit Hilfe der Flügel fort; er zupfte an den Saiten der Harfe und versuchte, himmlische Musik hervorzuzaubern. Beides wurde ihm ziemlich lästig, schließlich erkannte er, daß man im Himmel nicht wirklich Flügel braucht, um sich vorwärts zu bewegen, und daß nur auf den Wunsch nach Musik hin himmlische Musikanten erscheinen und Musik machen. So legte er seine Flügel und seine Harfe ab und begann sich zu vergnügen.

 

Genauso geht es uns manchmal. Wir bauen uns Schranken auf durch vorgefaßte Meinungen über Reinheit und Glück. Wir belasten uns mit unnötigen Flügeln oder Heiligenscheinen oder Harfen und meinen, die Glückseligkeit hinge davon ab, bestimmte Dinge zu besitzen oder uns in einer bestimmten Weise zu benehmen. Wenn wir unsere beschränkten Anschauungsweisen beiseite lassen, ist es uns möglich, uns zu öffnen und tiefere Erfahrungen der Freude zu haben.

 

Es gibt viele verschiedene Arten von Glück, und jede einzelne steigt gemäß einer bestimmten Stufe der Reinheit auf. Sinnenfreuden sind die erste Art des Glückes, die man genießen kann: schöne Dinge sehen und schöne Töne hören; herrliche Geschmäcke und Düfte genießen und wunderbare Körperempfindungen haben. Als Menschen haben wir viele Augenblicke dieser Sinnenfreuden, und obwohl sie vergänglich sind, bringen sie doch eine Art von Freude, Helligkeit und Glück. Eine noch höhere Art der Sinnenfreuden wird in der Kosmologie bestimmter himmlischer Welten beschrieben, wo alles schön und angenehm ist. Die Wesen haben leuchtende Körper ohne Schmerzen oder unangenehme Empfindungen und verlustieren sich in Grotten an Sinnenfreuden jeder Art. Es gibt da aus Edelsteinen gebaute Paläste, himmlische Musikanten, göttliche Nymphen und sogar himmlische Yogis. Es wird gesagt, daß Maitreya, der kommende Buddha, jetzt in einer dieser himmlischen Welten lebt und die Wesen dort im Dharma unterweist. Himmlisches Glück ist von sehr hoher Art.

 

Der Pfad zu dieser Glückseligkeit der Sinnenfreuden führt durch die Reinheit der Sittlichkeit, der ersten Stufe der Läuterung. Reinheit der Sittlichkeit bedeutet, freigebig zu sein, königlich zu geben, die Sittenregeln auf sich zu nehmen und Gier, Haß und Nichtwissen zu überwinden. Es ist die Art der Reinheit der Taten, die den Grund dafür legt, daß Wesen alle Arten der Sinnenfreuden auf der weltlichen Ebene und - wie man sagt, auch in den himmlischen Welten genießen.

 

Es gibt eine noch höhere Art der Glückseligkeit als das Glück des Himmels. Das ist das Glück und die Verzückung der Sammlung. Ein Geist, der eine starke Einspitzigkeit entwickelt hat, genießt eine übersinnliche Ekstase, die den flüchtigen Sinnenfreuden weit überlegen ist. Dies ist ein Geist, der sich von Sinnenobjekten zurückgezogen hat und völlig in ein Objekt versunken ist. Es ist eine viel beständigere Freude als der Genuß verschiedener Sinnenobjekte, die recht schnell kommen und gehen.

 

Es gibt einige Geisteszustände, die durch die Kraft der Sammlung entwickelt werden können, sie heißen "Die Gefilde des Brahma" oder "Die Göttlichen Verweilungszustände". Sie werden so genannt, weil sie die Geistesart der Wesen in den Brahmawelten sind; die höchsten und erhabensten Bereiche, die erfahren werden können.

 

Der erste der Göttlichen Verweilungszustände ist allumfassende Güte. Nicht Liebe zu bestimmten Menschen aus Anhangen oder Besitzenwollen; vielmehr eine Liebe, die aus dem Geiste strahlt und allen Wesen überall Glück, Frieden und Freude wünscht. Ein Geist, der diese Stufe der Sammlung erreicht hat, ist in der Lage, Liebe unbegrenzt in alle Richtungen zu strahlen.

 

Die zweite dieser Eigenschaften ist Mitgefühl mit den Leiden aller Wesen - das Fühlen und Sorgen um das Elend und die Schmerzen anderer. Der dritte "Göttliche Verweilungszustand" ist Mitfreude, das bedeutet, daß das Glück anderer miterlebt wird; voller Freude zu sein, wenn wir glückliche Menschen sehen. Ein Gegensatz zu den mehr verbreiteten Zuständen von Neid, Eifersucht oder Konkurrenzkampf. Der Geist, der sich über das Glück anderer freut, ist hell und strahlend.

 

Die letzte dieser vier Eigenschaften ist Gleichmut das vollkommene Gleichgewicht des Geistes, ungestört durch Heimsuchungen, Höhen und Tiefen, Freude und Leid. Ein Geist, der ausgewogen und ruhig bleibt. Das Glück der unendlichen Liebe und des Mitleidens, der unbegrenzten Mitfreude und des Gleichmutes beginnen wir zu erfahren, wenn der Geist einspitzig wird. Wie sich Reinheit der Sittlichkeit auf unsere Handlungen bezieht, so bezieht sich die Reinheit des Geistes auf die Kraft der Sammlung.

 

Es gibt eine noch größere Freude als die der Brahmawelten, der tiefen Sammlung. Das ist die Vipassanā Glückseligkeit oder das Glück der Einsicht. Der Geist, der klar erkennt, tief in die wahre Natur der Dinge eindringt, erfährt sehr deutlich das Aufsteigen und Vergehen der Phänomene. Vipassanā-Glück ist allen anderen weit überlegen, weil in der Klarheit dieser Erkenntnis ein Vorgeschmack der Freiheit liegt. Es ist nicht einfach ein Hineingeben in sinnliche Freuden oder ein Versenken in meditative Zustände oder gesammelte Freude. Es ist das Glück des klaren Erkennens, wobei der Geist leuchtend wird und das Bewußtsein in seiner Klarheit zu strahlen beginnt. Es ist so, als ob Sie einen Kristallbecher polieren, bis er klar wurd und funkelt. Durch die Übung der Bewußtheit, durch Vipassanā, erreicht der Geist dieselbe Strahlkraft und genießt das außerordentliche Gefühl der Glückseligkeit, das aus tiefer Einsicht steigt.

 

Es gibt eine Stufe der Reinheit, genannt Reinheit der Ansicht, die das Aufsteigen des Vipassanā-Glückes ermöglicht. Reinheit der Ansicht bedeutet Freiheit von der Ansicht oder Vorstellung eines Selbst. Wir sind ein sich entfaltender geistig-körperlicher Vorgang, in ständigem Werden. Buddha hielt einmal eine kurze Lehrrede, die er "Alles" nannte. Sie heißt "Alles", weil er alles in sechs Sätzen beschrieb.

 

"Das Auge und die Sehobjekte; das Ohr und die Töne; die Nase und die Gerüche; die Zunge und die Geschmäcke; der Körper und die Empfindungen; der Geist und die Geistesobjekte oder Ideen."

Das ist alles, es gibt nichts außer diesen. Oft sagte der Buddha, daß die ganze Welt in diesem sechs Klafter großen Körper eingeschlossen sei. Wenn wir diese Objekte und ihre Sinnengrundlagen verstehen, dann verstehen wir auch, wie die sechs Arten des Bewußtseins mit ihren jeweiligen Objekten beständig aufsteigen und vergehen: das Erkennen von Gesehenem, Tönen, Gerüchen und Geschmäcken, Empfindungen und Ideen. Unser ganzes Universum besteht aus einer sehr schnellen Aufeinanderfolge von Hören, Sehen, Riechen, Schmecken, Empfinden und dem Erfahren verschiedener Geistesobjekte. Sechs Objekte und sechs Arten des Bewußtseins, die sie erkennen: aus diesem kontinuierlichen Vorgang bestehen wir. Es steht keiner dahinter, dem all dies widerfährt. Es gibt keine beständige Wesenheit, von der gesagt werden kann: "Dies bin ich", weil jedes Bewußtsein und das dazugehörige Objekt von Augenblick zu Augenblick aufsteigt und vergeht.

 

Es gibt eine sehr treffende Aussage des Buddha über diese Lehre: "In dem, was gesehen wird, ist nur das Gesehene; in dem, was gehört wird, ist nur das Gehörte; in dem, was empfunden wird (Geruch, Geschmack oder Berührung), ist nur das Empfundene; in dem, was gedacht wird, ist nur das Gedachte." Nichts außer diesen, kein Selbst, dem es geschieht.

 

Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Körperempfindungen, Geistesobjekte. Unsere ganze Existenz besteht aus dem Ablauf dieser sechs Vorgänge. Es gibt viele Namen, die wir an die Dinge hängen. Unzählige Vorstellungen beschreiben unsere Erfahrungen. Aber das Auge sieht nur Farbe und Form, es sieht keine Namen. Was das Ohr hört, sind Töne. Wir geben den verschiedenen Arten von Geräuschen viele Namen, aber was wirklich geschieht, ist, daß Schwingungen auf unser Ohr treffen und dadurch bedingt das Hörbewußtsein aufsteigt. Eine sehr einfache Beziehung zwischen Ursache und Wirkung. Im Hause ist keiner. Die Schnelligkeit der Aufeinanderfolge bewirkt die Illusion, daß dies alles Jemandem geschieht. Wenn der Geist still ist, beginnen wir, die Reinheit der Ansicht zu erfahren, und erkennen, daß unser ganzes Sein nur ein Ablauf des Vorganges von Erkennen und Objekt ist, frei von der Vorstellung eines Selbst. Durch die Vertiefung der Reinheit werden wir eins mit dem Fließen und versuchen nicht, uns daran zu klammem. Reinheit der Ansicht ist die Klarheit des Begreifens, welche die Dinge sieht, wie sie wirklich sind; es ist der Anfang einer sich verändernden Vision. Es ist das Glück, zum ersten Male wirklich Freiheit zu schmecken. Das Verstehen des Ablaufs der Dinge wird das Tor zur höchsten Art des Glückes: das Glück des Nirvana, Erleuchtung. Es ist der Friede, die Ruhe, die Kühle jenseits des geistig-körperlichen Vorgangs. Es ist die große Schönheit des Dharma, daß alle verschiedenen Arten des Glückes unser werden, wenn wir nach der höchsten Freiheit trachten.

 

 

 

Wie würden Sie das Glück des Nirvana beschreiben?

Es gibt drei Arten von Glück im Nirvana. Sie können sie als verschiedene Aspekte der Freude auffassen, die durch das Ende des Leidens auftreten, dem völligen Aufhören des Schmerzes.

 

Als wir in Indien lebten, wohnten wir auf dem Gipfel eines Berges, und der Bazar, die Läden, waren eine halbe Wegstunde über einen recht steilen Pfad den Berg hinab entfernt. Die Einkäufe mußten meistens auf dem Rücken getragen werden. Eine Anzahl alter tibetischer Frauen trug riesige Holzbalken den Berg hinauf. Sie schleppten sich, gebückt durch die Last auf ihrem Rücken, den ganzen Weg den Berg hinauf. Stellen Sie sich das Gefühl der Erleichterung vor, als sie den Gipfel erreicht hatten und ihre Last ablegen konnten! Welch ein enormes Gefühl der Freude es ist, von solcher Last befreit zu sein.

 

Das Glück des Nirvana ist die Erlösung von der Last des Leidens. Es ist die höchste Art des Glückes. Um eine klare Vorstellung davon zu haben, worum sich der Pfad dreht und was die Erfahrung der Erleuchtung beinhaltet, ist es sicher hilfreich, die verschiedenen Arten des Glückes im Nirvana und ihre Funktionen näher zu beleuchten.

 

Die erste ist der Höhepunkt des Glückes der Einsicht, der Weisheit, des klaren Erkennens, Pfadbewußtsein genannt. Der erste Schimmer von Nirvana, das erste Erlebnis des Nirvana. Dieses Pfadbewußtsein hat die Funktion, alle Befleckungen auszulöschen, wie ein Blitz vom Himmel. Damit ist nicht nur die Unterdrückung der Befleckungen wie bei der Sammlung gemeint, sondern das völlige Herausreißen, die völlige Zerstörung bestimmter Geistesfesseln. Beim ersten Anblick werden drei der zehn Fesseln, die uns an das Samsara binden, zerstört. Diese sind Zweifel, der Glaube an Regeln und Riten (als Mittel zur Erfahrung der Erleuchtung) und der Glaube an ein Selbst. Sie werden durch diesen einzigen Augenblick des Pfadbewußtseins, der das Nirvana zum Objekt hat, völlig aus dem Fließen des Bewußtseins getilgt.

 

Sofort danach folgt die zweite Art des Nirvana-Glückes, das Fruchtbewußtsein. Man erfährt die Frucht des Pfadmomentes, auch hier ist das Objekt Nirvana. Bei der Fruchterreichung werden keine weiteren Dinge aufgehoben, dies geschah im ersten Moment. Der Zustand des Fruchtbewußtseins ist die Erfahrung des Friedens im Nirvana. Jene, die eine starke Einspitzigkeit entwickelt haben, können nach Wunsch in das Fruchtbewußtsein eintreten. Sie setzen sich und nehmen sich vor, in diesem Zustand eine halbe Stunde oder eine Stunde oder zwei Tage zu verharren. Es wird gesagt, daß man in diesem Frieden des Nirvana bis zu sieben Tage verbringen kann. Schweigen, Kühle, Erlösung, Freiheit. Wenn man aus dem Zustand der Fruchterreichung herauskommt, muß man wieder auf dem Pfad der Einsicht gehen, da noch weitere Befleckungen latent im Geiste vorhanden sind. Genau wie wir es jetzt machen, wird die Übung fortgesetzt. Sie sehen das Aufsteigen und Vergehen aller Phänomene, Sie gehen durch alle Stadien hindurch. Sie erfahren den zweiten Pfadbewußtseinsmoment, der weitere Befleckungen auslöscht. Viermal steigen Pfadmomente auf, die einer nach dem anderen die Fesseln zerstören, die uns an das Rad gebunden halten.

 

Die höchste Art der Nirvana-Erfahrung heißt Parinirvana: der Augenblick, in dem ein voll Erleuchteter stirbt. Es gibt keine Wiedergeburt mehr, es gibt nichts Treibendes, nichts Zwingendes, um wiedergeboren zu werden. Es ist so, als ob ein großes loderndes Feuer erlischt. Das Ausgelöschtsein des Feuers, das Ende des Brennens ist ein Zustand des Friedens, des Schweigens und der Kühle. Die höchste Art des Glückes. Manchmal sorgen sich Menschen darum, daß sie zu schnell verlöschen, sie wollen noch einen Film oder noch eine Sinnesfreude genießen oder kurze Zeit im Himmel verbringen. Wenn Sie auf das höchste Glück zielen, kommen alle anderen Arten des Glückes von selbst.

 

 

Ist es möglich, nachdem man als Mensch geboren ist, in der Tierwelt wiedergeboren zu werden? Und kann man wieder zurück?

Der Grund, warum die Geburt in der Menschenwelt so außerordentlich günstig ist, ist der, daß, wenn Sie einmal in niederen Ebenen wiedergeboren sind, es unglaublich schwierig sein soll, wieder in höheren Ebenen geboren zu werden. Es ist nicht unmöglich, aber es dauert sehr lange. Buddha gab ein Beispiel dafür. Stellen Sie sich vor, daß eine blinde Schildkröte auf dem Grund eines großen Ozeans lebt. Irgendwo auf der Oberfläche des Ozean treibt ein hölzerner Ring auf den Wellen; der Wind bläst ihn hin und her. Die blinde Schildkröte kommt alle hundert Jahre einmal an die Oberfläche. Die Chance, daß die blinde Schildkröte ihren Kopf durch den hölzernen Ring steckt, ist größer als die Möglichkeit, daß ein Wesen aus den niederen Welten in der Menschenwelt wiedergeboren wird. Das ist der Grund, warum unser jetziges Leben so kostbar ist und nicht vergeudet werden sollte.

 

 

Mir fällt es schwer zu verstehen, wie man wissen kann, was vor der Geburt und nach dem Tode geschieht.

Dies kann auf zwei Arten verstanden werden. Der beste Weg für uns ist, zu verstehen, wie der Vorgang von Moment zu Moment abläuft. Wie Geburt und Tod in jedem Augenblick vor sich gehen, wie das Bewußtsein aufsteigt und vergeht. Das Vergehen des Bewußtseins ist Tod. Es wird nichts aus diesem Bewußtseinsmoment in den nächsten hinübergetragen. Durch die Erfahrung der Einsicht, durch Meditation können wir das momentane Leben und Sterben erfahren; dies gibt uns ein intuitives Verständnis des Sterbe- und Wiedergeburtsbewußtseins, das in genau derselben Weise abläuft. Es ist außerdem möglich, durch die Entwicklung tiefer Sammlung alle möglichen psychischen Kräfte zu entfalten. Viele Wesen aller religiösen Traditionen haben diese Kräfte entwickelt, und eine der Fähigkeiten ist, nicht nur andere Existenzebenen zu sehen, sondern auch zu sehen, wie die Wesen sterben und wiedergeboren werden. Es gibt Menschen, die diese Art des Sehens besitzen. Mein Lehrer, wenn er über diese Dinge sprach, erklärte die himmlischen Welten und die Möglichkeiten der psychischen Kräfte, aber er schloß immer mit den Worten: "Sie brauchen es nicht zu glauben. Es ist so, aber Sie brauchen es nicht zu glauben." Wir brauchen keinerlei Glauben zu akzeptieren, um Einsicht in unsere wahre Natur zu entfalten. Weisheit kommt nur dadurch, daß wir exakt und durchdringend bewußt sind, frei von Glaube und Vorstellung.


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