Titel der Erstausgabe von 1930:


SAMYUTTA NIKĀYA

Die in Gruppen geordnete Sammlung aus dem Pāli-Kanon der Buddhisten
zum ersten Mal ins Deutsche übertragen von Wilhelm Geiger Erster Band 1930
Zweiter Band 1925
BENARES-VERLAG / FERDINAND SCHWAB
(FRÜHER BUDDHISTISCHE ABTEILUNG DES OSKAR SCHLOSS VERLAGES)
MÜNCHEN NEUBIBERG Druck von Wilhelm Hoppe, Borsdorf-Leipzig
Alle Rechte, auch das der Übersetzung in fremde Sprachen, bleiben vorbehalten
Copyright 1930 by BENARES-VERLAG / München Neubiberg


Titel der Ausgabe von 1990:


SAMYUTTA NIKÀYA

Die Lehrreden des Buddha aus der Gruppierten Sammlung zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt
von Wilhelm Geiger fortgeführt von Nyanaponika

Teilweise revidierte Neuausgabe
Erster (Zweiter und dritter) Band, Wolfenbüttel 1990 Institut für Buddhistische Existenz

Privatdruck in einer numerierten Auflage von zweihundertfünfzig Exemplaren

Herausgeber: Hellmuth Hecker, Roland Kretschmer
Vertrieb: Antiquariat Kretschmer, Wolfenbüttel

©1990 by Institut für Buddhistische Existenz
(für Gerd T. Schloss, Nyanaponika, Hellmuth Hecker)


Einleitung


  I.   Seitdem durch die Pāli Text Society die Werke des Pali-Kanons in Lateinschrift ediert wurden, war eine wichtige Erleichterung für Übersetzungen in europäische Sprachen geschaffen. Es liegt nahe, daß zuerst englische Übertragungen erschienen, zumal von den Herausgebern der Pāli-Texte. Bald darauf aber kam es auch zu Ausgaben in deutscher Sprache. 

Das Verdienst, als erster geschlossene Sammlungen des Pāli-Kanons ins Deutsche übersetzt zu haben, gebührt dem Wiener Indologen Karl Eugen Neumann (*f1), der zunächst 1896 den ersten Band der Mittleren Sammlung veröffentlichte. Insgesamt brachte er in den folgenden zwanzig Jahren nicht weniger als sechs Bücher des Pāli-Kanons (mit einer Ausnahme (*f2) erstmals) ins Deutsche, nämlich die Mittlere Sammlung, die Längere Sammlung, das Dhammapada, die Bruchstücke (Suttanipāta), die Lieder der Mönche, die Lieder der Nonnen. Daneben finden sich kleinere Stücke auch aus anderen Sammlungen bereits in seiner 'Buddhistischen Anthologie' (1892) sowie verstreut in seinen Anmerkungen. Nicht nur vom Umfang, sondern auch vom Rang der Übersetzungen her gesehen, ist Neumanns Pionierleistung bis heute unübertroffen geblieben. Sein früher Tod - er starb 1915 an seinem 50. Geburtstag an Lungenentzündung - verhinderte, daß er noch weitere Übertragungen vorlegen und die bereits erschienenen verbessern konnte. Da Neumann das Pāli-English Dictionary der P.T.S., das für jede Arbeit mit dem Pāli heute unentbehrlich ist, noch nicht vorlag, war er auf das Wörterbuch von Childers von 1875 angewiesen, das vieles zu wünschen übrig ließ.
 

(*f1) Vgl.H. Hecker: Karl Eugen Neumann- Erstübersetzer der Reden des Buddha, Anreger zu abendländischer Spiritualität. (Hamburg 1986)
(*f2) Deutsche Übersetzungen des Dhammapada zuvor durch Albrecht Weber (1860) und Leopoldv. Schroeder (1892).
 

 
Im selben Jahr, in dem die Veröffentlichung von Neumanns Übersetzung der Längeren Sammlung begann (1907), erschien auch Band I einer anderen großen Sammlung von Lehrreden, nämlich der Angereihten Sammlung, übersetzt von dem deutschen Mönch Nyanatiloka auf Ceylon. Erst zehn Jahre später konnte dieser die unter abenteuerlichen Umständen fortgeführte Arbeit 1917 in China beenden. Sie wurde vollständig erst 1922/23, nach dem Krieg, herausgegeben. Diese Übersetzung stellt eine weitere Pionierleistung dar. Damit lagen nun von den vier wichtigsten Sammlungen der Lehrreden drei in deutscher Sprache vor (Mittlere, Längere und Angereihte Sammlung). Inzwischen hatten zwei Männer weitere Teile der sog. Kürzeren Sammlung in Erstübersetzung vorgelegt, nämlich Karl Seidenstücker (*f3) die Werke Itivuttaka, Udāna und Khuddakapātha, sowie Julius Dutoit das Riesenwerk der Wiedergeburtsgeschichten (Jātaka) 1908-1921. Außer einigen kleineren Büchern der Kürzeren Sammlung fehlte vom Sutta-Pitakam jetzt vor allem noch die vierte große Sammlung, der Samyutta-Nikāya. Das Wort bedeutet an sich "Zusammengestellte Sammlung", d. h. sie ist nach Gruppen, Themen geordnet. Während sonst die Reden nach Länge (kürzere, mittellange und längere) oder nach Anzahl der behandelten Gegenstände (Angereihte Sammlung) gesammelt und benannt sind, ist der Samyutta-Nikāya systematisch, d. h. nach inhaltlichen Prinzipien klassifiziert. Die Sammlung umfaßt, ebenso wie die Angereihte Sammlung, fünf Bände. Diese behandeln folgende Themen:
 

(*f3) Vgl Ulrich Steinke: Karl Bernhard Seidenstücker. Leben, Schaffen, Wirken (Poltringen 1989).
 

Band I:

Das 'Buch mit Versen' (Sa-gāthā-vagga) umfaßt 11 Samyuttas, deren Gemeinsamkeit darin liegt, daß sie entweder fast nur aus Versen bestehen (S.2) oder einen großen Teil von Versen enthalten (S 2-11). Die Themen sind dabei sehr bunt.

Band II:

Das 'Buch der bedingten Entstehung' (Nidāna-vagga) ist nach dem umfangreichen und gewichtigen Nidāna-Samyutta (S 12) genannt, dem sich einige weitere Themen anschließen (S 13-21).

Band III:

Das 'Buch der Daseinsgruppen' (Khandha-vagga) ist wieder nach seinem Leitthema, dem 22. Samyutta genannt, dem minder wichtige Themenkreise folgen (S 23-34).

Band IV:

Das 'Buch des sechsfachen Gebietes' (Salāyatana-vagga) heißt ebenfalls nach seinem Leitthema (S 35), dem wieder andere Themen folgen (S 36-44).

Band V:

Das 'Große Buch' (Mahā-vagga) - Abschnitte dieses Namens kommen auch in anderen Sammlungen vor - wird nicht mit einem Leitthema eröffnet, sondern behandelt insgesamt den Weg der Nachfolge. Es beginnt mit dem Heilsweg (Magga-Samyutta: 45) und endet mit den vier Wahrheiten (Sacca-Samyutta: 56). Dazwischen liegen die Hauptthemen der Meditationspraxis.

 

Die Übersetzung dieses wichtigen Werkes wurde von dem Münchner Indologen Geheimrat Prof. Wilhelm Geiger (*f4) in der Zwischenkriegszeit in Angriff genommen. Zuerst erschien 1925 der zweite Band, dann 1930 der erste. Geiger begründet seinen Entschluß, zuerst Band II zu übersetzen, damit, daß Band I besonders wegen der Verse "ein eigenartiges Gepräge erhält und vom Wesen unseres Nikāya nicht die rechte Vorstellung gibt". Geiger erwähnt dabei mit keinem Wort, daß er von Band II nur die Samyuttas 12-16 vorlegt, nicht aber 17-21, oder warum die Übersetzung dort abgebrochen wurde. So blieb die deutsche Ausgabe des Samyutta-Nikāya ein Torso. Nur hie und da wurden einmal einzelne Lehrreden in Zeitschriften und Sammelwerken übersetzt, wie besonders von Kurt Fischer, dem Schüler Dahlkes in "Buddhistisches Leben und Denken". Die Zeitumstände mögen dabei wesentlich mitgespielt haben. Später wandte sich das Interesse der Indologen buddhistischen Sanskrit-Texten zu. Weder von indologischer noch von buddhistischer Seite schien zu erwarten, daß der Samyutta-Nikāya abgeschlossen würde. Dabei fehlten gerade die wichtigsten Teile noch.
 
 

(*f4) Vgl Heinz Bechert: Wilhelm Geiger. His Life and Works. (Colombo 1977)- Geiger (1856-1943) begann die Übersetzung 1922, als er Professor für Indologie in München war (1920-1924). Als Vorabdruck erschienen in der zeitweise von ihm herausgegebenen "Zeitschrift für Buddhismus" (Oskar-Schloß-Verlag) folgende Teile: S XII (Jg. 1922, 1923);S XV (Jg. 1924/25);SI-II (Jg 1926, 1928);S III (nur teilweise, Jg. 1928).

 

Der "Zufall" wollte es, daß ein deutscher Buddhist der auf Ceylon als Mönch gelebt hatte, beiläufig erzählte, es gäbe eine Fortführung der Übersetzung, und zwar durch Nyanaponika (*f5), den Schüler und geistigen Erben Nyānatilokas. Ich schrieb daher an die Forest Hermitage bei Kandy, in der Nyānaponika heute noch lebt (verstorben 1994). Er schickte darauf das Original seiner Arbeit, die S 17-34 umfaßte. Er hatte sie im Frühjahr 1941 im Internierungslager Diyatalawa auf Ceylon unternommen, und zwar als Einübung ins Pāli für sich. Seitdem hatte das Maschinenmanuskript bei ihm gelegen, war 1941-1946 mit nach Indien ins Lager gereist und dann wieder nach Polgasduwa und Kandy zurückgekehrt. Eine Buddhistin, Irma Lübcke, erklärte sich bereit, die Druckvorlage zu schreiben. Das Buch erschien dann 1967 in einer Auflage von 135 Stück als Band IV der Reihe "horae subsicivae philosophiae: Philosophische Nebenstunden, eine Schriftenreihe zu Fragen der menschlichen Existenz".
 

(*f5) Vgl. die beiden Festschriften "Des Geistes Gleichmaß" (Konstanz 1976) zum 75. und "Zur Erkenntnis geneigt" (Konstanz 1986) zum 85.Geburtstag des Ehrw. Nyānaponika Mahāthera.
 

Wieder vergingen über zwanzig Jahre, und wieder bewegte sich nichts. Texte des tibetischen, chinesischen und japanischen Buddhismus beherrschten die Landschaft. Eine Rohübersetzung von Band IV des Samyutta-Nikāya bewirkte Ingetraut Anders, die aber ihre Arbeit eben wegen dieses Charakters für noch nicht reif zur Veröffentlichung erklärte. Ich stellte 1982 die bisher zu Band V vorliegenden Übersetzungen in einer kopierten Ausgabe für einige Freunde zusammen. Eine Anfrage bei Nyānaponika ergab, daß er wegen anderer Arbeiten und wegen seiner zunehmend schlechter werdenden Augen sich nicht in der Lage fühlte, die Übersetzung fortzuführen. Das war bedauerlich, denn er wäre der Geeignetste gewesen, diese Sammlung zum Abschluß zu bringen.

 

Während manche buddhistische Bücher häufig antiquarisch angeboten werden, hat der Samyutta-Nikāya wahren Seltenheitswert. An der Auflagenhöhe kann es kaum liegen, denn andere Werke aus dem Oskar-Schloß-Verlag in gleicher Auflage aus derselben Zeit sind öfter am Markt. Weder die Einzelbände der Erstauflagen, noch die zusammengebundene Ausgabe von 1930 tauchten noch auf, eher schon einzelne Jahrgänge der 'Zeitschrift für Buddhismus' mit den Vorabdrucken.

 

Da machte 1989 das Antiquariat Roland Kretschmer den Vorschlag, eine Reprint-Ausgabe der Bände I-III zu veranstalten. Das Bedenken, daß dann zwei Übersetzer mit unterschiedlicher Terminologie zu Worte kämen, schien nicht so gewichtig, als daß man deswegen die Neuauflage hätte unterlassen sollen. Mit Hilfe der weiter unten folgenden Gegenüberstellung und Erklärung der wichtigsten Termini können die Schwierigkeiten wohl weitgehend ausgeräumt werden. Dr. Gerd T. Schloß gab im Namen der Verlags-Erben die Genehmigung, die Ausgabe Geigers nachzudrucken. Ebenfalls erteilte Nyānaponika die Genehmigung zur Neuausgabe. Gleichzeitig steuerte er zum bedeutsamen und umfangreichen Khandha-Samyutta einen durchgesehenen Text mit verbesserten Anmerkungen bei. Statt drei Bände hat die Neuausgabe nur zwei, die Sarmyutta 1-11 (Band I des Pāli-Textes) bzw. 12-34 (Bände II & III des Originals) enthalten. Auf diese Weise wird die kanonische Einteilung in Büchern annähernd gleichen Umfangs beibehalten.

  II.

Von den 16 Bänden der vier Hauptsammlungen des Sutta-Pitaka (je drei für Majjhima- und Dīgha-, je fünf für Anguttara- und Samyutta-Nikāya) enthält Band I des Samyutta-Nikāya die meisten Verse, ja besteht überwiegend nur aus Versen. Geiger hat die Verse nicht im Versmaß übersetzt, sondern sie in Prosa wiedergegeben. Er liefert somit für die metrischen Texte lediglich eine Inhaltsangabe und unterscheidet insofern nicht zwischen Versen und Prosatext, obwohl er die Verse kursiv setzen ließ. Das Fehlen einer poetischen Übersetzung ist der größte Mangel von Geigers Ausgabe. Es ist ja nicht ohne Grund, daß viele Texte des Pāli-Kanons in metrischer Form abgefaßt wurden. Einmal sind sie dann leichter auswendig zu lernen, vor allem aber wirken sie stärker auf das Gemüt und sind von meditativer Bedeutung. Demgegenüber bedeutet die bloß prosaische Übersetzung einen beträchtlichen Verlust an Eindringlichkeit. Daher ist es begrüßenswert, daß Nyānaponika- übrigens wie alle sonstigen deutschen Übersetzer der Pāli-Texte - die Mühe nicht gescheut hat, die Verse als Verse wiederzugeben. Nun gibt es in dem von ihm übertragenen Teil nur ganz wenige Verse, etwa ein Dutzend; allerdings hat Nyānaponika später in seiner Übersetzung des Suttanipāta, eines Vers-Werkes, auch Parallelstellen aus Samyutta-Nikāya Band I wiedergegeben. Um einen gewissen Anhalt zu geben, wie die Übertragung von Band I hätte aussehen konnen, wenn sie in Versen vorgenommen worden wäre, seien hier einige Proben der Verse bei Geiger, Nyānaponika und Neumann gegenübergestellt. Dabei sollen die sachlichen Unterschiede außer Betracht bleiben und nur das Versmaß verglichen werden:

 
1) S 10, 12

Geiger:
Durch den Glauben überschreitet man die Flut,
durch Unermüdlichkeit den Ozean.
Durch Energie kommt man hinweg über das Leiden,
durch Erkenntnis wird man geläutert.

Nyānaponika:
Durch das Vertrauen kreuzt man diese Flut,
durch Unermüdlichkeit den Ozean.
Durch Tatkraft überwindet man das Leid,
durch Weisheit wird geläutert man.

Neumann:
Vertrauen trägt uns durch die Flut,
ein ernster Eifer übers Meer;
der Mannesmut verwindet Leid,
gewitzigt langt man lauter an.
 

2) S 7, 11

Geiger:
Glaube ist das Saatkorn, Askese der Regen,
Erkenntnis ist mir Joch und Pflug,
Gewissenhaftigkeit ist die Deichsel, das Denken das Joch,
Besonnenheit ist mir Pflugschar und Treibstock.

Nyānaponika:
Vertrauen ist das Saatkorn und Askese ist der Regen;
die Weisheit: Joch und Pfluggestell.
Scham ist die Deichsel und der Geist die Bindung;
die Achtsamkeit ist Pflugschar und der Treibstock.

Neumann:
Vertrauen als Saatkorn, Ernst als Tau,
als Joch am Pfluge weiser Witz,
als Deichsel Demut, Geist als Gurt,
als Stange, Stahl taugt Einsicht mir.

3) S 8, 5

Geiger:
Das Wort soll man sprechen,
durch das man sich selbst nicht peinigt
und andere nicht verletzt:
das fürwahr ist ein wohl gesprochen Wort.
 
Nyānaponika:
Nur solches Wort soll sprechen man,
das einen selber nicht gereut
und andere nicht verletzen kann:
das, ja, ist wohlgesprochen Wort!
 
Neumann:
Nur solche Rede sei gewählt,
die keine Reue glimmen läßt
und keinen andern kränken kann:
Wer also redet, redet wohl.
 

Diese Beispiele zeigen, wie Nyānaponika durch eine ganz geringe Mühe den Text Geigers verbessert hat, während Neumann das Pāli besonders dichterisch gestaltete. Dabei war Neumann der Erstübersetzer, der Neuland betrat. Alle späteren konnten seine Pionierleistung benutzen und daran Verbesserungen vornehmen. Geiger aber bedeutet gegenüber Neumann einen Rückschritt hinsichtlich der metrischen Texte.


  III.  

 

Die sachlichen Unterschiede der Übersetzungen von Geiger und Nyānaponika sind weit geringer als man zunächst denken mag. Sie kommen hauptsächlich dadurch zustande, daß der Geschmack der Übersetzer eben unter mehreren Möglichkeiten im Deutschen auswählt, ein bestimmtes Pāli-Wort wiederzugeben. Keine davon muß falsch sein, und nur selten sind Differenzen in der Lehrauffassung oder der sprachwissenschaftlichen Ableitung der Grund für unterschiedliche Übersetzungen. Auch kommen manche wichtige Lehrelemente, über die man verschiedener Meinung sein könnte, in den ersten drei Bänden des Samyutta-Nikāya überhaupt nicht vor.
 

Im folgenden seien einige Beispiele der Unterschiede angegeben und zum Vergleich auch die meistbekannte Überserzung Neumanns genannt:
 

I ) Der Achtpfad
 

Geiger Nyānaponika Neumann
Anschauung Erkenntnis Erkenntnis
Wollen Gesinnung Gesinnung
Reden Rede Rede
Tun Tun Handeln
Lebensführung Lebensunterhalt Wandeln
Sichbemühen Streben Mühn
Sichbesinnen Achtsamkeit Einsicht
geistige Sammlung Sammlung Einigung

 

2) Die 5 heilsamen Fähigkeiten:

 

Geiger Nyānaponika Neumann
Glauben Vertrauen Vertrauen
Energie Tatkraft Kraft
Besonnenheit Achtsamkeit Einsicht
geistige Sammlung Sammlung Einigung
Erkenntnis Weisheit Weisheit

 

3) Die 5 Gefühle des Leidens:

 

Geiger Nyānaponika Neumann
Schmerz Sorge/Kummer Kummer
Kummer Jammer Jammer
Leid Schmerz Schmerz
Betrübnis Trübsal Gram
Verzweiflung Verzweiflung Verzweiflung

 

4) Die 12 Glieder des Bedingungszusammenhangs:

 

Geiger Nyānaponika Neumann
Nichtwissen Nichtwissen Unwissen
Gestaltungen Gestaltungen Unterscheidungen
Bewußtsein Bewußtsein Bewußtsein
Name und Form Geistigkeit u. Körperlichkeit Bild u. Begriff
6 Sinnesbereiche 6 Sinnes-Grundlagen Sechfaches Gebiet
Berührung Sinnen-Eindruck Berührung
Empfindung Gefühl Gefühl
Durst Begehren Durst
Erfassen Anhangen Anhangen
Werden Dasein Werden
Geburt Geburt Geburt
Alter u. Tod Altern u. Sterben Altern u. Sterben

 

5) Die 5 Daseinsgruppen:

 

Geiger Nyānaponika Neumann
Form Körperlichkeit Form
Empfindung Gefühl Gefühl
Vorstellung Wahrnehmung Wahrnehmung
Gestaltungen Gestaltungen Unterscheidungen
Bewußtsein Bewußtsein Bewußtsein

 

6) Die 3 unheilsamen Gedanken:

 

Geiger Nyānaponika Neumann
sinnliche Lust Sinnlichkeit Begehren/Lust
Bosheit Haß  Schaden/Groll
Gewalttätigkeit Schädigung Wüten/Wut

 

 

Es ist natürlich nicht möglich, alle wichtigen Pāli-Begriffe mit ihren unterschiedlichen Übersetzungen hier vorzustellen. Es mag daher genügen, nur noch einige Einzelbegriffe anzuführen:
 

1) āsava: Triebe (Nyānaponika), weltliche Einflüsse (Geiger). Hier trifft Nyānaponika sachlich genau den Inhalt, während Geiger am Wortlaut (sava = Fluß) haftet und den Leser denken läßt, daß äußere Einflüsse gemeint seien, klimatische oder pädagogische usw. Tatsächlich ist nur die Beeinflußbarkeit des Menschen gemeint, der noch nicht triebversiegt ist.

2) kāya: Der fünfte Sinn ist uns als 'Tasten' (so auch Neumann) am bekanntesten. Geiger übersetzt mit 'Fühlen', Nyānaponika mit 'Berührungen'. Beides ist nicht glücklich und wird nur dadurch gemildert, daß in der Reihenfolge der Aufzählung der fünf oder sechs Sinne klar ist, welcher gemeint ist. 'Fühlen' verleitet dazu, seelische Gefühle wie Trauer und Freude zu vermuten - aber die kann man nicht anfassen. Und 'Berührungen' führt zur Verwechslung mit dem Wort phassa, das Geiger und Neumann zu Recht mit 'Berührung' übersetzen.

3) nimitta: 'Vorstellungen' (Nyānaponika S 22, 3), 'Gedanken' (Geiger S 8, 4). Hier trifft Nyānaponika den Sinn viel genauer, während 'Gedanke' auch für zahlreiche andere Pāli-Wörter stehen könnte. Nimitta sind die Wahrnehmungsinhalte, die man sich vorstellt, die Gegenstände des Geistes.

4) citta: 'Denken' (Geiger S 1, 17 usw.);'Geist' (Geiger S 2, 17 u. 12, 61; Nyānaponika meist); 'Herz' (Np. S 22, 89 u. A meist); 'Geistigkeit' (Np. hier Anm. 124); 'Bewußtsein' (Np. hier Anm. 199). - mano: 'Herz' (Geiger S 5, 7), 'Denken' (Geiger S 2, 17), 'Geist' (Nyānaponika S 25 u. 26).
 

Diese Überschneidungen könnten dadurch bedingt sein, daß im Englischen das Wort 'mind' sowohl die intellektuelle Fähigkeit (mano = Geist) als auch die emotionale Komponente (citta = Herz) umfaßt, die beide im Pāli und im Deutschen klar zu trennen sind. Allerdings sind mano und citta auch außerordentlich eng verbunden und werden zusammen mit viññāna scheinbar als Synonyme genannt (S 12, 61; D 1, p. 21). Trotzdem sind beide Begriffe unterscheidbar. Existentiell wichtig ist, daß das Herz (citta) von den Trieben zu läutern ist und erlöst werden kann, während der Geist (mano) als 6. Sinn ein Werkzeug ist, das durch rechte Anschauung viel leichter erziehbar ist als das schwerfällige Herz.

Das Herz entspricht am meisten unserem Begriff 'Seele', der aber ist durch die christliche Auslegung als einer 'ewigen Seele' belastet. Denkt man dagegen bei 'Seele' an griechisch 'Psyche', so bestehen weniger Bedenken, dies Wort für citta zu verwenden, obwohl im Neuen Testament natürlich überall psyché steht.

Fragt man nach dem Verhältnis des citta zu den fünf Daseinsfaktoren, so steht es dem viññāna am nächsten. Beide sind aber auch zu trennen: Überall, wo es um philosophische Kategorien geht, steht in den Reihen viññāna: so insbes. in der Nidāna-Reihe, bei den sechs Artungen, bei den vier Nahrungen. Überall, wo es um Läuterung und Meditation geht, steht citta: so bei den drei Stufen des Achtpfades, bei den vier Grundlagen der Achtsamkeit, bei den vier Machtfährten, bei der Erlösung von Gier, Haß und Verblendung. 

IV.

Es ist im Rahmen dieser Einleitung nicht daran zu denken, eine sachliche Einführung in die Lehre des Buddha im allgemeinen oder die im Samyutta-Nikāya behandelten Hauptthemen im besonderen zu geben. Es muß genügen, einige grundsätzliche Punkte hervorzuheben. Von allen vier großen Sammlungen ist der Samyutta-Nikāya insofern am systematischsten und pädagogischsten, weil er in seinem ersten Band den Schwerpunkt auf die vorbereitenden Lehren legt, die mit der Notwendigkeit des Gebens (dāna) beginnen und über die Einhaltung der Sittenregeln (sīla) das Verständnis der Fortexistenz (sagga) und die Übersteigung der Sinnenwelt (nekkhamma) zum Verständnis der vier Heilswahrheiten hinführen. Erst dann, wenn diese vorbereitenden Lehren gründlich verstanden und durchdrungen waren, gab der Buddha die Lehre, "die den Erwachten eigentümlich ist", nämlich die vier edlen Wahrheiten. Ohne jene Vorbereitung steht diese Lehre auf unsicherem Boden. Nun handeln die Schwerpunkte der Bände II-V des Samyutta-Nikāya nur von dieser Lehre und sind daher als Einführung schwerlich geeignet.
 

Band III behandelt hauptsächlich die fünf khandha, d. h. die Quintessenz der ersten edlen Wahrheit, der Wahrheit vom Leiden. Alles, was an Leiden möglich ist, wird in den pañcūpāda-nakkhandha erfaßt: Solange man an diesen Daseinsfaktoren hängt, bleibt man im Leiden der Vergänglichkeit (*f6). Die zweite Wahrheit wird, mit dem Nidāna-Samyutta (S 12) als Haupttext, in Band II behandelt. Dazu ist folgendes zu sagen: Als Ananda einmal dem Erwachten freudig mitteilte, wie klar ihm jetzt die Tiefe der Bedingten Entstehung geworden sei, dämpfte der Buddha etwas seine Euphorie und wies ihn darauf hin, daß diese Nidāna-Reihe noch weit tiefer sei, als er zu verstehen meine (D 15). So mag jeder selbst versuchen, in diese Reihe einzudringen und damit die zweite Wahrheit zu verstehen.
 

(*f6) Vgl. die kurze Einführung Nyānatilokas zum Khandha-Samyutta.
 

Schließlich sei angemerkt: Der nur gering variierende Text von Band III mit seinen vielen Wiederholungen strapaziert den Leser nicht wenig, die Lektüre ist eine Geduldsübung. Wer sich aber durch die erste Hälfte der "Reden" (oft sind es nur Gedankensplitter) hindurchgearbeitet hat, wird bald durch gehaltvollere Texte entschädigt. Manche von ihnen können sich in ihrer existentiellen Aussage sehr wohl mit Lehrreden der Mittleren Sammlung messen. Da gibt es z. B. Berichte, die kleine Kostbarkeiten der Hagiographie darstellen (wie S.22, 84-90), oder eindrucksvolle Gleichnisse (S.22, 93-101). Unter letzteren gehört das über die Kernlosigkeit der fünf khandha mit zur Spitze der Gleichniskunst des Buddha (S.22, 95), ebenso wie das Bild vom "Maler Herz" (S.22, 100). S.22, 94 enthält das berühmte Zitat "Wovon andere Weise sagen 'Das ist', davon sage auch ich 'Das ist'".

 
Das Khandha Samyutta enthält die Mehrzahl der Reden, die der Buddha in den 45 Jahren seiner Lehrtätigkeit über die fünf khandha gehalten hat, von seiner zweiten überhaupt, dem Text von den "Merkmalen der Nicht-Ichheit" (S.22,59), bis zu der Belehrung Channas durch Ananda kurz nach dem Tode des Buddha (S.22,90). Unter diesen Reden sind nur ganz wenige an Hausleute gerichtet - es sind eben Reden über die 'eigentliche' Lehre des Buddha, über die 'letzten Dinge'. Schon daher wird verständlich, warum sich uns der Zugang nicht so leicht erschließt.

 
Vesakh 1990
Dr. Hellmuth Hecker


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