Vimāna Vatthu

36. (III,8): Mallikā

In Sāvatthi, der Hauptstadt des Reiches Kosalo, lebten an der Spitze des Staates zwei Frauen namens Mallikā. Die eine war die Lieblingsfrau des Mahārāja Pasenadi, die andere war die Gattin des Heerführers und Obersten Richters Bandhulo. Dieser stammte, ebenso wie seine Frau, aus dem Nachbarvolk der Mallas. Sie gebar ihrem Gatten viele Söhne. Als Bandhulo einen Rechtsfall, den ein korrupter Richter falsch entschieden hatte, gerecht entschied, machte ihn der König an dessen Stelle zum Obersten Richter.

 

Der korrupte Richter und dessen ebenso betrügerische Kollegen, die nun keine Bestechungsgelder mehr bekamen, brachten es fertig, Bandhulo beim König zu verleumden, daß er einen Staatsstreich plane. Die wiederholt mit raffiniertem Geschick vorgebrachten Einflüsterungen bewirkten allmählich beim König ein Mißtrauen. Es erschien ihm klar, daß Bandhulo samt seinen Söhnen seine Macht dazu benutzen würde, ihn zu stürzen, um selber König zu werden. Sein Anhangen an der Königswürde und sein Machtrausch ließ seine Phantasie in den Gleisen laufen, die die Verleumder wollten. So begann er eines Tages leise zu erwägen, wie er Bandhulo aus der Welt schaffen könne. So sproß aus dem Anklammern an die Macht zuerst das Mißtrauen, dann die Phantasievorstellung und schließlich die Untugend hervor. Die erste Untugend, die nach außen trat, war bei ihm ein Betrug. Er ließ durch gedungene Schergen eine Grenzprovinz plündern und schickte dann Bandhulo mit seinen Söhnen zur Bekämpfung der Banditen dorthin. Dabei schickte er noch eine größere Truppe ihm blind ergebener Soldaten mit, die den Auftrag hatten, den "Hochverräter" Bandhulo und seine Söhne, die er zum Tode verurteilt hätte, hinzurichten. Die Leute führten diesen Befehl ihres Landesherren in gutem Glauben aus. Die Nachricht von diesem grausigen Massaker wurde Bandhulos Frau Mallikā in dem Augenblick überbracht, als sie gerade die Mönche des Erwachten mit Sāriputto und Moggallāno an der Spitze, beim Mahle in ihrem Hause versorgte. Da Mallikā, die schon länger der Lehre ergeben war, in Besinnung wohl geübt war, behielt sie ihre Fassung. Sie steckte den Brief mit der Todesnachricht in eine Falte ihres Gewandes und fuhr fort, die Mönche zu bedienen. Da zerbrach ein Diener aus Versehen eine kostbare irdene Schüssel. Einer der Mönche hatte Mitleid mit dem Mann und sagte zu seiner Entschuldigung, man solle sich nicht darüber grämen, wenn etwas, das sowieso zerbrechlich sei, in Scherben gehe. Da zog sie den Brief hervor, teilte den Inhalt mit und sagte, wenn sie selbst beim Lesen dieser schrecklichen Nachricht nicht die Fassung verloren habe, was solle sie sich da um eine Schüssel bekümmern! Da pries Sāriputto ihre Festigkeit und sagte, sie habe ein Beispiel von Seelenstärke gegeben, wie sie nicht häufig sei. Nachdem die Mönche gegangen waren, ließ sie ihre Schwiegertöchter in ihr Haus kommen, eröffnete ihnen die Hiobsbotschaft und sagte:

"Eure in diesem Leben unschuldigen Gatten haben doch nur die Frucht einer früheren Tat empfangen. Seid daher nicht untröstlich und verzweifelt, und in eurer Trauer hegt vor allem keinen Haß, keine Wut und keine Rachsucht gegen den König."

Spione des Königs überbrachten ihm diese Nachricht. Es ergab sich dann, daß er von der völligen Unschuld Bandhulos und seiner Söhne überzeugt wurde. Er schämte sich fast zu Tode, und voll bitterer Reue ging er zum Hause der Mallikā. Er traf sie wieder im Kreise ihrer Schwiegertöchter, fiel ihr tränenüberströmt zu Füßen und bat sie alle um Verzeihung. Nicht nur Mallikā, sondern auch die Schwiegertöchter hatten die Seelengröße, ihm aus vollem Herzen seine böse Tat zu verzeihen. Als er Mallikā bat, sie möge etwas wünschen, er würde ihr alles erfüllen, da wünschte sie, in ihre Heimatstadt Kusinara, dem Hauptort der Maller, zurückzukehren. Das geschah dann auch.

 

Der König aber wollte weiter tätige Reue üben und suchte nach guten Werken. Daher übertrug er einem Neffen Bandhulos die Stelle des Heerführers. Dieser aber besaß nicht die Herzensgröße der Frauen, sondern konnte es nicht verwinden, daß der König seine Verwandten hatte ermorden lassen. So sann er auf Rache. Und später stürzte er in einem Staatsstreich zusammen mit einem Sohne Pasenadis diesen, der dann auf der Flucht zu Tode kam und so schon in diesem Leben in abgeschwächter Form die Ernte seiner bösen Saat zu spüren bekam.

Mallikä hatte zur Hochzeit ein höchst kostbares Geschmeide aus purem Gold mit zahlreichen Edelsteinen bekommen, wie es zu jener Zeit nur noch zwei andere Frauen besaßen, eine davon die Mutter Migāros. Nach dem Tode ihres Mannes trug Mallikā keine Juwelen mehr und legte besonders jenes Geschmeide nie mehr an. Als Laienanhängerin des Erwachten lebte sie, die bisher an der Spitze der Gesellschaft gestanden hatte, nun als Witwe ein zurückgezogenes Leben. Als aber der Erwachte bei Kusinara gestorben war, holte sie ihr Geschmeide aus der Truhe, polierte es mit Wasser aus wohlriechenden Substanzen und legte es auf die Bahre bei der Verbrennung des Leichnams des Buddha. Dabei äußerte sie den Wunsch, daß sie in den künftigen Geburten, die ihr im Samsāro noch bevorstünden, niemals Schmuck benötigen möge, sondern daß ihre Gestalt auch so anmutig und edel erscheinen möge.

Kurz nach der Verbrennung der Leiche des Buddha, noch vor dem ersten Konzil, starb sie im Frühsommer jenes Jahres in hohem Alter. Sie wurde bei den Göttern der Dreiunddreißig wiedergeboren. Sie war strahlend schön und besaß ein ungewöhnlich prächtiges Vimāna. Dort sah sie der ehrwürdige Narado und wandte sich an sie:

 

Narado:

Mit gelbem Kleid, mit Flaggen gelb,

mit gelbem Schmucke reich geschmückt,

mit allerschönstem gelben Kleid,

selbst ohne Schmuck bist strahlend du. (654)

 

Wer bist du, die Armringe trägt,

die du mit Gold bist ganz geschmückt,

mit goldnen Netzen bist bedeckt,

bekränzt mit vielerlei Juweln, (655)

 

aus Gold gemacht und aus Rubinen auch,

mit Perlen reich und mit Beryll verziert,

mit Katzenaugen und Rubinen, noch und noch,

und mit Juweln von Taugenaugenart. (656)

 

Der Pfauen Schreie hört man, wunderschön,

den Ton der Wildgans, Kuckucksrufe auch,

die süß'ten Töne höret man,

gleichwie Musik im Fünferspiel. (657)

 

Dein Wagen auch ganz strahlend scheint,

mit allerlei Juweln geschmückt,

in Schönheit von verschiedner Art

glänzt er in seiner Wohlgestalt. (658)

 

Wie goldne Puppe bist du schön,

wie du in deinem Wagen stehst,

du glänzt gar hell an deinem Ort.

Gefragt, o Göttin, sage mir,

von welchem Wirken ist's die Frucht? (659)

 

Göttin:

Einst ein Geschmeide mit Juweln,

mit Perlenhauf, mit Gold bedeckt

hab überlassen heiter ich im Herzen

erloschnem Gotamo, der unermeßlich. (660)

 

Nachdem dies Wirken ich gewirkt,

das heilsam, das Erwachter lobt,

bin ich ohn Kummer glücklich nun,

erfüllt mit Freude und gesund. (661)

 

Bemerkungen:

Die Rahmenerzählung verweist für die Geschichte Mallikās auf den Kommentar zum Dhammapada. Siehe DhA I, p. 228, 349 - 356, II p. 597 ff, MA II, p. 753, vor allem aber die lange Einleitung zu J 465. König Pasenadi ist ein Charakter, der nicht so leicht zu erfassen ist. Liest man nur die in S 3 gesammelten Berichte seiner Gespräche mit dem Erwachten dann wird man ihn als ergebenen Jünger ansehen und leicht meinen er sei ein Stromeingetretener. Liest man dagegen seine "Schandtaten" aus Machtgier und Sinnenlust, dann sieht man ihn auf dem Wege zur Hölle (s. noch Pv IV,15 und JE 465). Er hatte aber beides in sich, wie ein Reneissancefürst. Die Reue über seine Untaten wird ihm schon zu Lebzeiten manche schlimme Ernte haben aufzehren lassen, und die Besinnungen über die Lehre werden ihm geholfen haben.

Ob Mallikā, die Mallerin, eine Stromeingetretene war, ist offen. Ausdrücklich gesagt ist es nicht, obwohl in den Kommentaren sonst eine deutliche Tendenz zu bemerken ist, dergleichen hervorzuheben. Einige Indizien könnten dafür sprechen, wie ihre ungewöhnliche Ertragensfähigkeit und ihr Wunsch, solange sie noch im Samsāro kreise, schön zu sein, - was ein Wissen um den Ausweg in sich schließt.

Zu bemerken ist noch, daß nach JE 465 Sāriputto Mallikā nach der Mitteilung der Hiobsbotschaft das Bruchstück "Der Dorn" (Sn 574 ff) rezitiert habe.


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