Vimāna Vatthu

35. (III,7): Sesavatī

Als einstmals dem Buddha Kassepo ein großer Stupa errichtet wurde, ganz aus Gold, ging ein junges Mädchen mit ihrer Mutter zu diesem Denkmal. Als sie ihre Mutter fragte, was dort gearbeitet würde, sagte diese: "Es werden goldene Ziegelsteine bereitet, um das Denkmal zu errichten." Darauf erwiderte das Mädchen gläubigen Herzens spontan: "Mutter, ich trage doch um den Hals diese goldene Kette, die möchte ich für das Denkmal spenden." Ihre Mutter stimmte zu, löste die Kette von ihrem Hals und brachte sie zu einem Goldschmied und bat ihn, die Kette einzuschmelzen und dem goldenen Ziegelstein, den er gerade bereitete, zuzufügen. So geschah es.

Später starb das Mädchen und gelangte wegen seiner guten Tat in die Götterwelt. Dort blieb sie, ohne wieder abzusinken, bis sie schließlich zur Zeit unseres Buddha im Dorfe Nālaka wiedergeboren wurde.

Als sie 12 Jahre alt war, schickte ihre Mutter sie zum Einkaufen in den Basar, um Sesamöl zu erstehen. Dem Ladenbesitzer war gerade sein Vater gestorben. Dieser sollte eine Menge an Gold, Perlen und Juwelen vergraben haben, und der Sohn war gerade dabei, den Schatz auszugraben. Da sah er, daß sich alles in Kieselsteine verwandelt hatte, und er war überzeugt, daß er dies wegen seines schlechten Wirkens so verdient haben müsse. Er machte davon einen Haufen und sprach zu sich selber gläubigen Herzens: "So wahr da Wesen sind, die Verdienst haben, möge daraus Gold, Münzen und dergleichen werden." Als das Mädchen gerade hinzukam, sagte es: "Warum sind denn Münzen und Juwelen so gehäuft? Sie sollten doch ordentlich aufbewahrt werden." Da staunte der Eigner und dachte: "Dieses Mädchen muß großes Verdienst besitzen, denn unter ihrem Einfloß ist alles wieder zu Gold und Juwelen geworden!" Er ging sofort zu der Mutter des Mädchens und erbat sie für seinen Sohn zur Ehefrau. Als er die Zustimmung erhalten hatte, gab er viel Geld und richtete eine prächtige Hochzeit aus. Als er ihre Tugend und ihren guten Wandel erkannt hatte, nahm er sie eines Tages zu seinem Schatzhaus und fragte sie, was sie hier sähe. Sie erwiderte: "Ich sehe nichts als einen Haufen Münzen, Gold und Juwelen." Er erklärte ihr nun, wie alles wegen seines schlechten früheren Wirkens zu Kieseln geworden war und wie es durch ihr Verdienst wieder hergestellt wurde. Und er übertrug ihr von nun an die Verwaltung aller Schätze und sagte, die Familie würde nichts nehmen, was sie ihr nicht zuteilen würde. Von da an nannte man sie Sesa-vatī, d.h. die, welche den Rest besitzt.

 

Zu jener Zeit erkannte der ehrwürdige Sāriputto, der Feldmarschall der Lehre, daß seine Lebenszeit zu Ende ging. Er verabschiedete sich vom Erwachten und wanderte zu seiner Geburtsstätte Nālaka, um als letzten Sohnesdienst seiner Mutter die Lehre darzulegen. Während diese bisher ablehnend gewesen war, fand er nun Zugang zu ihrem Herzen und konnte sie soweit belehren, dafl sie die Frucht des Stromeintritts erlangte. Dann starb er bei Morgengrauen. Nach seinem Parinibbāna feierten Götter und Menschen sieben Tage lang mit Verehrung des Leichnams, der zur Verbrennung aufgebahrt wurde.

Als Sesavatā vom Parinibbāna Sāriputtos hörte, füllte sie Körbe mit goldenen Blüten und mit Duftstoffen, um ihm die Ehre zu erweisen. Als sie ihrem Schwiegervater von ihrer Absicht berichtete, warnte er sie: Sie sei schwanger, und dort sei ein großes Gedränge. Besser wäre es, wenn sie Blumen und Duftstoffe dorthin schicken würde. Sie aber wollte persönlich ihre Verehrung darbringen. Das tat sie. Und dann stand sie mit erhobenen, zusammengelegten Händen und erwies Sāriputtos Leichnam Verehrung.

 

Auch der König von Magadha war mit seinem Gefolge herbeigekommen, um dem Feldmarschall der Lehre die letzte Ehre zu erweisen. In seinem Troß war auch ein brünstiger Elefant. Als dieser in seiner Wildheit sich dem Platz nahte, liefen die Leute kopflos davon. In dem Trubel wurde Sesavatī zu Tode getrampelt. Sie starb mit einem Herzen, das noch ganz der Verehrung gewidmet war, und erschien bei den Göttern der Dreiunddreißig wieder. Sie erkannte sofort, wodurch sie ihre prächtige göttliche Existenz erlangt hatte, und begab sich in ihrem Vimāna zum Erwachten, im Herzen den drei Kleinodien zugewandt. Sie verließ ihr Vimāna und stellte sich zum Erwachten, mit erhobenem Handgruß. Auch der Heilige Vangīso sah die Göttin, und er bat den Buddha, sie nach ihrem Wirken fragen zu dürfen. Der Buddha stimmte zu.

 

Vangīso:

Kristallbedeckt und silber-gold-vernetzt,

mit vielerlei verziert, schön anzuschaun,

als Götterburg mit Bogengängen ausgestattet,

mit Gold bestreut, so glänzet dein Vimāna. (642)

 

So wie die Sonne scheint im Herbst im Luftraum,

das Dunkel rings verscheucht mit tausend Strahlen

in gleicher Weise funkelt dein Vimāna

in Himmelshöhen wie ein Sonnenuntergang. (643)

 

Die Augen blendet es wie ein Gewitterblitz,

in Himmelsraum gestellt ist's geist-erfreuend,

wo Geige, Trommel, Zymbel, Gong ertönen,

wie Indras Götterburg, so ist es wahrlich. (644)

 

Mit Lotosrosen, blau, weiß rot und gelblich,

auch mit Jasmin, Bandhukas Anojakas,

Salbäume blühend wie Asokablüten

und allem da entströmt ein vielfach feiner Duft. (645)

 

Salalas, Brotfruchtbäume und Bhujakas

und Orchideen blühend da von Palmen hängen,

so wie ein Edelstein erstrahlt, o Ruhmesreiche,

ein Lotosteich entzückend ist entstanden dir. (646)

 

Und was für Blumen immer auch im Wasser blühen,

und was an Bäumen es an Land mag geben

sei's menschlich, außermenschlich, göttlich,

an deiner Wohnstatt alles dieses wächst. (647)

 

Von welcher Zügelung, welch Zähmung ist's die Reife,

durch welches Wirken hier entstand dir diese Frucht,

daß du erlangt hast dies Vimāna also

du mit den dicken Lidern, sag es Wort für Wort. (648)

 

Göttin:

Wie mir entstanden dies Vimāna sein mag?

Mit Reihern, Pfauen, Wachtelscharen,

mit himmlisch Taucherenten und mit Königsschwänen,

von Vogelrufen da durchtönt, von Enten, Kuckucks, (649)

 

mit vielen blühend Bäumen aller Arten

Trompetenblumen, Rosenapfel und Asokas,

wie mir entstanden dies Vimāna sein mag,

will ich, o Herr, dir zeigen, hör es. (650)

 

Im Osten, im berühmten Magadha

da liegt das Städtchen Nālaka o Herr,

da war ich eine Schwiegertochter

die man da Sesavatī hat genannt. (651)

 

Der da des Sinnes und der Lehre heilsam kundig,

den großen, der von Göttern, Menschen ist verehrt,

den Upatisso, der erloschen unermeßlich:

erfreut im Herzen hab mit Blumen ich bestreut. (652)

 

Nachdem verehrt ich den, der ging zum Höchsten,

den großen Seher, der den letzten Körper trug,

verließ den Menschenleib ich, den gehäuften,

gegangen zu den Dreißig weil' ich nun. (653)

 

Bemerkungen:

Trotz der vernünftigen Warnung ihres wohlmeinenden Schwiegervaters schlug Sesavatī seine Worte in den Wind. In bodenlosem Leichtsinn und ohne Rücksicht auf das Kind, das sie im Leibe trug, folgte sie ihrer fixen Idee, am seelenlosen Leichnam Sāriputtos zu den Tausenden verwelkender und verbrennender Blumen auch noch ein paar dazulegen zu wollen. Die Gefahren des Trubels bei solchen Massenveranstaltungen achtete sie nicht, - und sie werden ja bei einem religiösen Volksfest nicht geringer gewesen sein als heutzutage bei einem Fußballspiel. Jedenfalls unterschieden die Inder in ihrer rücksichtslosen blindwütigen Panik sich in nichts von dem Egoismus, mit dem bei Fußballkrawallen Menschen zu Tode getrampelt werden. Das Leiden, das Sesavatī ihrer Familie antat, wird hier nicht erwähnt. Statt einen zu betrauern, Sāriputto, hatte ihre Familie nun zwei weitere Todesopfer zu beklagen: die geliebte Schwiegertochter und das zu erwartende Enkelkind.

Daß Sesavatī trotzdem in den Himmel kam, ist möglich. Die Zuwendung zu Heiligen kann wahrhaft Wunder wirken. Die Frucht ihres Leichtsinns und Trotzes wird sie irgendwann aber auch zu spüren bekommen, es sei denn, sie ändert sich im Himmel. Davon zeigen ihre Verse aber keine Spur. Sie ist nur fasziniert von ihrem Götterglanz.

Verwundern mag auch, daß ein Heiliger wie Vangīso derart breit ausgeschmückt den Glitterglanz beschreibt, als ob es etwas ganz Neues und Wichtiges sei. Nun war aber Vangīso derjenige Heilige, der gern Verse machte und alles breit ausmalte. Es mag sein, daß auch ein Heiliger noch seine dichterische Art beibehält, wenn sie sein Herz einst geprägt hat.

Die ganze Geschichte spielt ein halbes Jahr vor dem Tode des Buddha, denn da starb Sāriputto.


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