Buddhistische Volksbibliothek No. 6
Eine kanonische Schrift des Pali- Buddhismus, aus dem Pali übersetzt und erläutert von Karl Seidenstücker
Der Pāli-Titel ist saranattayam. Dies Wort, das uns viel häufiger in der Form tisaranam begegnet, bedeutet 'drei-fache Zuflucht'. Das tisaranam ist die seit den ältesten Zeiten bis in unsere Tage gebräuchliche Bekenntnis-Formel der Buddhisten.
2) Buddham saranam gacchāmi. Über das Leben und Wirken Buddhas vergl. Rhys Davids, 'Der Buddhismus', Pischel, "Leben und Lehre des Buddha", Oldenberg, 'Buddha'. Pāli-Texte, die auf Buddhas Leben Bezug haben, hat übersetzt und zusammengestellt Dutoit, "Das Leben des Buddha". Vergl. auch die deutsche Übersetzung einer chinesischen Buddha-Biographie. "Buddhas Leben und Wirken" (Leipzig, Reclam).
3) Dhammam saranam gacchāmi. Dhammo (sanskr. dharma) ist das von Buddha verkündete Gesetz, die Lehre Buddhas, die buddhistische Religion.
4) Sangham saranam gacchāmi. Sangho ist 1. im weiteren Sinne die Gemeinde der buddhistischen Mönche, 2. im engeren Sinne die 'ariyapuggalā' (Körperschaft der Edlen), d.h. die Gemeinschaft aller derer, die einen der vier höheren Pfade beschritten haben. Nach alter buddhistischer Lehre können auch weltliche Anhänger sehr wohl Mitglieder der ariyapuggalā sein, während die Zugehörigkeit zur Mönchsgemeinde keineswegs die Zugehörigkeit zu den ariyapuggalā bedingt. Der Sangho der Zufluchtsformel ist nicht der Bhikkhu-Sangho, sondern die Ariya-puggalā. Vergl. den dritten Teil der sehr häufig gebrauchten erweiterten Form des tisaranam: 'Supatipanno bhagavato sāvakasangho' ... etc.
Dasasikkhāpadam. Sikkhāpadam bedeutet wörtlich 'Trainingspfad', oder 'Trainierungs-Sentenz' Unter dem dasasikkhāpadam' sind die zehn Observanzen oder Gelübde zu verstehen, deren Ablegung für den Eintritt in die Mönchsgemeinde obligatorisch ist.
6) Surāmerayamajjapamādatthānā veramai sikkhāpadam. Pamādatthānam heißt wörtlich: Zustand der Nachlässigkeit der Leichtfertigkeit; oder: Ursache der Nachlässigkeit. Die wörtliche Übersetzung dieses Sikkhāpadam wäre also: 'Die Observanz: Enthaltung von dem Zustand der Nachlässigkeit infolge [Genusses] von surā, merayam und majjam. Andersen gibt folgende Übersetzung dieser Worte: surā, a kind of spirituous liquor; merayam, a kind of strong drink; majjam, spirituous liquor, any intoxicating drink.
7) Vikālabhojanā veramani sikkhāpadam. Als vikālabhojanam wird betrachtet das Genießen fester Speisen nach Mittag.
In diesem Körper sind vorhanden:
[Diese Zerlegung des Körpers wird geübt bei einer Meditationsübung, welche 'die Betrachtung des Körpers' (kāyānupassanā) genannt wird. Die Kāyānupassanā ist die erste der sogen. vier Satipatthānā (Grundlagen des Gedenkens). Diese sind der hauptsächlichste Inhalt der siebenten Stufe des edlen achtfachen Ptades (sammāsati [sanskr. samyaksmrti] rechtes Gedenken).]
Welches ist das eine [Prinzip]? Alle Wesen existieren durch Nahrung (sabbe sattā āhāratthitikā)
Welches sind die zwei? - Geistigkeit und Körperlichkeit (nāma-rūpam).
Welches sind die drei? - Die drei Gefühle (angenehmes, unangenehmes und neutrales Gefühl).
Welches sind die vier? - Die vier edlen Wahrheiten (sacca).
Welches sind die fünf? - Die fünf mit Haften verbundenen Gruppen (upādāna-khandhā)
Welches sind die sechs? - Die sechs dem Selbst angehörenden Gebiete.15)
Welches sind die sieben? - Die sieben Glieder der Erleuchtung (satta bojjhangā)
Welches sind die acht? - Der edle achtgliedrige Pfad (magga)
Welches sind die neun? - Die neun Reiche der Wesen (nava sattāvāsā)
Welches sind die zehn? - Wer mit den 'zehn Eigenschaften' (dasa angāni) ausgestattet ist, wird ein Meister (arahāt, siehe ariya-puggala) genannt.
15) cha ajjhattikāni āyatanāni. Ajjhattiko ist sanskr. adhyātmika und bedeutet zum Selbst gehörend. Die sechs Gebiete, siehe āyatana.
[Dieses Suttam findet sich auch im Sutta-Nipāto II, 4. Mangalam bedeutet feierliche Zeremonie, Gottesdienst, religiöser Dienst; Vorzeichen, Omen; Segen, Glück, Heil (vergl. den im nördlichen Buddhismus vielfach begegnenden Gruss: Sarvamangalam! Heil allerseits!)]
1. So habe ich gehört: Einstmals weilte der Erhabene zu Sāvatthi, im Siegerhaine, im Klostergarten des Armenspeisers. Als nun die Nacht vorgerückt war, begab sich eine gewisse schöngestaltige Gottheit, indem sie den ganzen Siegerhain erhellte, dorthin, wo der Erhabene weilte. Als sie sich dorthin begeben hatte, begrüßte sie den Erhabenen ehrfurchtsvoll und trat seitwärts. Seitwärts stehend redete diese Gottheit den Erhabenen mit dem Verse an:
2.
[Der Erhabene:]
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
[Dies Suttam findet sich auch im Sutta-Nipāto II, 1]
1. Die Wesen (bhūtātni, Wesen oder Geister), welche hier versammelt sind, die der Erde oder die im Luftraum, - diese Wesen alle mögen wohlgesinnt sein und aufmerksam der Rede lauschen.
2. So höret mich, ihr Wesen alle: Erweiset Liebe dem Geschlecht der Menschen, die euch Tag und Nacht ihr Opfer bringen; deshalb beschützet sie unermüdlich.
3. Was es auch für ein Gut hienieden oder jenseits geben mag, oder welches kostbare Juwel auch immer in den Himmeln existieren mag: Nichts ist gleich dem Tathagato. Dieses kostbare Juwel ist in Buddha. Durch diese Wahrheit möge Glück beschieden sein.
4. Da Sakyamuni, gesammelten Geistes, das völlige Verschwinden, die Leidenschaftslosigkeit, das kostbare Unsterbliche erlangt hat, so ist nichts gleich diesem Gesetz.25) Dieses kostbare Juwel ist in dem Gesetz. Durch diese Wahrheit möge Glück beschieden sein.
5. Nichts ist gleich dieser reinen Andacht (samādhi), die der beste der Buddhas (Buddhasettho) gepriesen hat und von der [weise Männer] ununterbrochen geredet haben.28) Dieses kostbare Juwel ist in dem Gesetz. Durch diese Wahrheit möge Glück beschieden sein.
6. Die acht von den Guten gepriesenen Körperschaften,29) das sind diese vier Paare,30) das sind die heiligen Jünger (sāvākā) des Heilbringers;32) Spenden, die man diesen reicht, 33) tragen viel Frucht. Dieses kostbare Juwel ist in der Gemeinde.34) Durch diese Wahrheit möge Glück beschieden sein.
7. Die, welche, von sinnlicher Begierde frei, mit starkem Geiste fest in der Lehre Gotamos stehen,35) sind in das Todlose untergetaucht, haben es vollkommen erreicht, haben es umsonst genommen und genießen den höchsten Frieden. 36) Dieses kostbare Juwel ist in der Gemeinde. Durch diese Wahrheit möge Glück beschieden sein.
8. Einem in der Erde fest ruhenden Torpfeiler, (indakhīlo) der von den vier Winden nicht erschüttert wird, vergleiche ich einen guten Menschen, der die edlen Wahrheiten durchdringend betrachtet. 38) Dieses kostbare Juwel ist in der Gemeinde. Durch diese Wahrheit möge Glück beschieden sein.
9. Jene, welche die von dem mit tiefer Weisheit Begabten wohl dargelegten edlen Wahrheiten klar verstehen, mögen sie auch noch so gering sein,39) erlangen keine achte Existenz mehr.40) Dieses kostbare Juwel ist in der Gemeinde. Durch diese Wahrheit möge Glück beschieden sein.
10. Von dem, der mit tiefer Einsicht (dassanam) begabt ist, werden drei Dinge42) aufgegeben: Der Ich-Glaube,43) der Zweifel (vicikicchitam) und der Hang an äußerlichen Riten (silabbatam). Von den vier Abwegen (apāyā) ist er erlöst und ist außerstande, die sechs fluchwürdigen Verbrechen (abhithānāni) zu begehen. Dieses kostbare Juwel ist in der Gemeinde. Durch diese Wahrheit möge Glück beschieden sein.
11. Mag derselbe mit dein Leibe, mit Worten oder in Gedanken eine noch so böse Tat verüben, er ist nicht imstande, dieselbe zu verheimlichen; fest steht, dass einer, der das Ziel gesehen hat, (zu einer Verheimlichung nicht imstande ist.48) Dieses kostbare Juwel ist in der Gemeinde. Durch diese Wahrheit möge Glück beschieden sein.
12. Wie im Waldesdickicht im ersten Monat der heißen Zeit, im Sommer, die Baumwipfel in Blüte stellen, so hat [Buddha] das zum Nirvana führende, höchste, vortreffliche Gesetz zum Heil verkündet. Dieses kostbare Juwel ist in Buddha. Durch diese Wahrheit möge Glück beschieden sein.
13. Verkündet hat das vortreffliche Gesetz der Vortreffliche, Unvergleichliche, der das Höchste kennt, das Höchste gibt, das Höchste bringt 49). Dieses kostbare Juwel ist in Buddha. Durch diese Wahrheit möge Glück beschieden sein.
14. Verzehrt hat sich das frühere Karma, neues Karma ist nicht im Entstehen begriffen. Ihr Herz verabscheut eine zukünftige Existenz, ihr Daseinskeim ist zerfallen, ihr Wunscheswille nimmt nicht zu: Die Standhaften verlöschen wie diese Lampe.49a ) Dieses kostbare Juwel ist in der Gemeinde. Durch diese Wahrheit möge Glück beschieden sein.
15. 50)Ihr Wesen, die ihr hier versammelt seid, ihr von der Erde oder ihr im Luftraum: wir wollen uns neigen vor dem von Göttern und Menschen verehrten Tathāgato, vor dem Buddha. Glück sei beschieden!
16. Ihr Wesen, die ihr hier versammelt seid, ihr von der Erde oder ihr im Luftraum: wir wollen uns neigen vor dem von Göttern und Menschen verehrten Tathāgato, vor dem Gesetz. Glück sei beschieden!
17. Ihr Wesen, die ihr hier versammelt seid, ihr von der Erde oder ihr im Luftraum: wir wollen uns neigen vor dem von Göttern und Menschen verehrten Tathāgato, vor der Gemeinde. Glück sei beschieden!
25) Der Pāli-Text lautet:
- khayam virāgam amatam panitam
- yad ajjhagā sakyamuni samāthito
- na tena dhammena sam' atthi kiñci.
Childers fasst, was mir nicht richtig zu sein scheint, den ersten Teil dieses Passus ebenso wie den Anfang des nächsten Verses als Fragesatz auf und übersetzt: ',Did the tranquil sage of the race of Sakya attain to the knowledge of Nirvana, Nirvana sin-destroying, passionless, immortal, transcendent? There is nought like this doctrine."
Im Einzelnen ist zu bemerken: khayo ist nach dem Kommentar hier gleich rāgakkhayo (völliges Verschwinden der Lust). Amatam, das Todlose, Unsterbliche, ist ein Epithet von Nirvana, "weil dort Geburt, Verfall und Tod nicht stattfinden" (Schol.).
Sakyamuni, d. i. der Weise aus dem Sakyer-Stamme, ist eine in jüngeren Schriften häufig, in den Pāli-Pitakas sehr selten begegnender Ehrentitel des Buddha.
28) Der Pali-Text lautet:
- yam buddhasettho parivannayi sucim,
- samādhim ānantarikañ ñam āhu
- samādhinā tena samo na vijjati.
29) attha puggalā. Darunter sind die Ariyapuggalā zu verstehen, d.h. alle die, welche auf einem der vier höheren Pfade wandeln. Diese zerfallen in acht Klassen, weil diese vier höheren Pfade je in Pfad (maggo) und Frucht (phalam, d.i. das Ziel des betr. Pfades) gegliedert werden.
30) cattāri yugāni, d.h. die vier Klassen der auf den höheren Pfaden wandelnden Jünger.
32) Sugato. Ein Ehrentitel Buddhas. Wörtl. der gut Gekommene, der Willkommene, der Gesegnete.
33) Wörtl.: In diesen sind gegebene Dinge große Frucht habend (etesu dinnāni mahapphalāni).
34) sanghe. Hier ist unter sangho wieder nicht die Mönchsgemeinde, sondern die Ariyapuggalā zu verstehen. Ebenso in den folgenden Versen.
35) ye suppayuttā manasā dalhena nikkāmino gotamasā sanamhi.
36) te pattipattā amatam vigayha laddhā mudhā nibbutim bhuñjamānā
38) yo ariyasaccāni avecca passati. Die Bedeutung von avecca (Gerund. von i + ava) ist nicht ganz sicher. "it appears to be used adverbially, but with what axact meanig I do not know, perhaps 'intelligently', 'clearly', 'wisely'" (Childers). Im Appendix fügt er hinzu: "it certainly means 'knowing', 'under-standing', as in Sanskrit." Ich übersetze es: durchdringend.
39) Ich fasse diese nicht völlig klare Stelle ganz anders als Childers auf. Der Text lautet: 'kiñcāpi te honti bhusappamattā. Die Schwierigkeit liegt in der Analyse des letzten Wortes. Bhusam heisst sehr, ausserordentlich. Childers analysiert das Wort so: bhusa + pamattā (= sanskr. pramattās) und übersetzt (im Dictionary): 'However much they are tempted'. Nun heisst pamatto (= sanskr. pramatta) nicht 'versucht', sondern 'träge', 'nachlässig', 'leichtfertig>. Nach Childers Analyse müsste also übersetzt werden: "Wie sehr sie auch träge sind." Dies gibt nun absolut keinen Sinn, wenn man bedenkt, dass gerade Trägheit, Lässigkeit (pamādo) von Buddha als eine der Haupt-Untugenden mit den schärfsten Worten gebrandmarkt wird. Childers wusste das sehr wohl und modifizierte daher den Sinn von pamattā stark, indem er 'tempted' übersetzte. Ich analysiere dagegen so: Bhusa + appamattā. Nun wäre das nächstliegende, appamatto zu dem sanskritischen apramatta zu stellen und das Kompositum zu übersetzen: 'Sehr unermüdlich'; aber hierzu will das kiñcāpi nicht passen. Appamatto könnte aber ohne jede Schwierigkeit auch als sankr. alpamātra erklärt werden, in der Bedeutung 'klein', 'gering'. Das würde hier passen, und der Sinn des ganzen Satzes würde sein: 'Wer die edlen Wahrheiten klar erkennt, mag er auch noch so gering sein, wird bald das Ende der Wiedergeburten erreichen.'
40) Aus dieser Stelle ist wieder klar ersichtlich, dass hier unter sangho nicht die Mönchsgemeinde, sondern die Ariya-puggalā zu verstehen sind. Nach buddhistischer Lehre nämlich wird derjenige, der den niedrigsten der vier höheren Pfade, den sogen. Sotāpanno-Pfad, betreten hat, nur noch siebenmal in der sinnlichen Sphäre (kāmaloko) wiedergeboren. Im ungünstigsten Fall hat also ein auf einem der vier höheren Pfade Wandelnder nur noch sieben Wiedergeburten in der sinnlichen Sphäre zu gewärtigen. Dies will unsere Stelle besagen.
42) Die drei hier genannten Dinge sind die ersten drei der zehn 'Fesseln' (saññojanāni); sie erlöschen beim Beschreiten des ersten der vier höheren Pfade (des sogen. Sotāpanno-Pfades).
43) sakkāyaditthi. Es ist der Glaube, dass der Körper das eigentliche Ich des Menschen sei.
48) abhabbatā ditthapadassa vutto. So in der vorliegenden Textausgabe. Im Dictionary zitiert Childers die Stelle und schreibt vuttā. Das ist zweifellos die richtige Lesart.
- 49) varo varaññū varado varāharo
- anuttaro dhammavaram adesayī.
49a) Dieser Passus lässt darauf schließen, dass mit der Rezitation dieses Suttam gewisse Zeremonien, wie das Auslöschen einer Lampe, verbunden waren.
50) Nach dem Schol. sind die letzten drei Verse als von Gott Indra gesprochen zu denken.
Ich glaube aber nicht, dass es nötig ist, Vers 15-17 einer andern Person in den Mund zu legen. In diesem ganzen Suttam sehe ich nichts als ein altes Beschwörungslied zur Bannung und Besänftigung von Geistern oder irgend welcher böser Einflüsse. Vergl. den 'Schlangensegen' im Anguttara-Nikayo (IV, 67) und Culla-Vaggo (V, 6), dessen Übersetzung im Anhang 1 gegeben ist. Als weiteren interessanten Beleg für den Nachweis animistischer Züge im alten Buddhismus bitte ich das folgende Tirokudda-Suttam zu beachten.
[Der Name ist gewählt nach den Anfangsworten des Suttam 'Tiro kuddesu titthanti'. Dieses kultur- und religionsgeschichtlich sehr wichtige Dokument findet sich sonst nirgends im Pali-Kanon.]
[Es wird manchen Leser interessieren zu hören, dass die Verse 7, 8 und der letzte Teil von Vers 6 (ito dinnena usw.) dieses Suttam in Verbindung mit dem berühmten Verse aus dem Mahāpannibbāna-Suttanto 'aniccā vata sankhārā' usw. noch heute in Ceylon und Siam bei Leichenverbrennungen gesungen werden, u. z. ist die Reihenfolge: 1) aniccā vata ..., 2) V. 8, 3) V. 6, (letzter Teil), 4) V. 7 des Tirokodda-Suttam. Über den Text dieses Liedes s. Anhang 2.]
1. Außerhalb der Mauern stehen sie, in Höhlungen und an Kreuzwegen52); sie stehen an den Türpfosten, ihr eigenes (altes) Heim wieder besuchend.
2. Wenn viel Speise und Trank, harte und weiche Speise, aufgetragen ist, gedenkt niemand infolge seiner Beschäftigung53) dieser Wesen.
3. Es spenden aber die, welche mitleidsvoll sind, den [abgeschiedenen] Anverwandten reine, köstliche, angenehme Getränke und Speisen zu passender Zelt. Solches soll euren [abgeschiedenen] Anverwandten geschehen; mögen die [abgeschiedenen] Anverwandten glücklich sein!
4. Und die dort53a) zusammengekommenen Geister der Anverwandten54) versammeln sich und nehmen aufmerksam mit Danksagung die vielen Speisen und Getränke an.
5. "Lange mögen" [- so denken sie - ] "unsere Verwandten leben, durch die wir [solches] empfangen. Eine Devotion (oder: ein Opfer, pūjā) ist uns gemacht worden, und die Spender bleiben nicht ohne Lohn."
6. Denn dort ist kein Ackerbau, es findet sich dort keine Zucht von Rindern; ein solcher Handel [wie bei uns], nämlich Austausch gegen Gold, ist nicht vorhanden. Die abgeschiedenen Geister dort erhalten sich durch die [ihnen] von hier aus56) gespendeten Gaben.
7. Wie das herab regnende Wasser aus der Höhe in die Tiefe fällt, ebenso nützt den abgeschiedenen Geistern die von hier aus (ito) dargebrachte Spende.
8. Wie die vollen Wasserströme das Weltmeer füllen, ebenso nützt den abgeschiedenen Geistern die von hier aus (ito) dargebrachte Spende.
9. "Er hat mir Geschenke gemacht, er hat mir Gutes getan, er war mein Verwandter, Freund und Genosse," indem man sich [also denkend] des früher Getanen erinnert, möge man den abgeschiedenen Geistern ein Opfer (dakkhinā) darbringen.
10. Denn wenn die Verwandten so [trauernd] dastehen, sind weder Weinen, Kummer noch andere Wehklagen den abgeschiedenen Geistern von Nutzen.
11. Und diese dargebrachte Spende hat einen festen Grund in der Gemeinde, 58) und sie gereicht ihr für lange Zeit notwendigerweise zum Heile und ist ihr nützlich.59)
12. Diese Verwandten-Pflicht (ñātidhammo) ist nun dargelegt und den abgeschiedenen Geistern ist ein hervorragendes Opfer dargebracht worden; den Mönchen ist [dadurch] Kraft verliehen,61) und ihr seid auf ein großes moralisches Verdient bedacht gewesen.62)
52) sandhisinghātakesu. Der Scholiast erklärt sandhi als Verbindung von Strassen oder Häusern, oder als ālokasandhi, Fenster. Sandhi kann aber auch Höhle, Riss, Spalt, bedeuten. Singhātakam ist 'ein Platz, wo sich drei Wege treffen' (Schol.).
53) kammapaccayā. Anders Childers, der nach der Angabe des Schol. kammam hier als akusalakammam auffasst und folgendermassen übersetzt: "by reason of the past sins of these departed friends."
53a) "Dort, wo das Mahl für sie bereitgestellt ist" (Schol.).
54) ñātipetā. Peto (sanskr. preta = pra + i + ta) ist ein Abgeschiedener, der Geist eines Verstorbenen.
56) ito, d. h. aus dieser Welt.
58) ayañ ca kho dakkhinā dinnā sanighamhi suppatitthitā. Dies ist entweder so zu verstehen, dass die Mönche diese Totenopfer befürworten, oder es ist eine Anspielung auf einen von Mönchen schon damals ausgeübten Parittā-Dienst (über Parittā s. Einleitung und Anhang 1). Solche Parittās mögen bei diesen Totenopfern, vielleicht in Verbindung mit gewissen symbolischen Zeremonien (s. Anm. 49a), in alter Zeit gebräuchlich gewesen sein. Über die im japanischen Buddhismus gebräuchlichen Totenopfer siehe Anhang 4,
59) Digharattam hitāy' assa thānaso upakappati. Möglicher weise ist assa nicht auf sangho zu beziehen, sondern auf peto. Es wäre auch denkbar, assa auf sangho zu beziehen und zu hitāya ein petānam zu ergänzen.
61) balañ ca bhikkhūnam anuppadinnam. Vergl. Anm. 58.
62) tumhehi puññam pasutam anappakam. Vielleicht ist pasūtam (hervorgebracht) zu lesen; vergl. die Phrase: bahum, apuññam pasūtam.
[Dieses Suttam findet sich sonst nirgends in den Pitakas].
1. Ein Mann verbirgt einen Schatz in einer sehr tiefen Grube [und denkt:] "Wenn künftig einmal die Notwendigkeit eintritt, wird er mir von Nutzen sein.
2. Wenn ich vom Könige angeklagt oder von einem Diebe ausgeplündert bin, oder zur Ablösung einer Schuld, oder bei teurer Zeit und Unglücksfällen." Dies sind die Gründe, aus denen man das, was in der Welt ein Schatz genannt wird, verbirgt.
3. Zugleich aber nützt der ganze Schatz, der in der sehr tiefen Grube wohl verborgen liegt, diesem Manne in keiner Weise etwas.64)
4. Entweder verschwindet der Schatz von seinem Platze, oder die Gedanken (saññā) des Mannes werden beunruhigt, oder Schlangengeister (nāgā) entfernen ihn, oder Unholde 67) nehmen ihn fort.
5. Oder seine Feinde und Erben heben ihn, wenn er's nicht sieht; wann das moralische Verdienst erschöpft ist, schwindet alles dieses dahin.
6. Es gibt einen wohl verborgenen Schatz, den Frauen und Männer besitzen auf Grund ihrer Wohltätigkeit, Selbstzucht und Beherrschung.
7. Im heiligen Schrein (cetiyamhi) in der Gemeinde, im Individuum,68) in den Fremdlingen, in Mutter und Vater oder im ältesten Bruder
8. Ist dieser uneinnehmbare Schatz, ein treuer Begleiter, wohl verborgen. Wer die vergänglichen Dinge aufgegeben hat, nimmt ihn [beim Tode] mit sich.
9. Ein Schatz, der mit andern nicht geteilt wird, den Diebe nicht stehlen können. Möge der Standhafte gute Werke tun; dies ist der Schatz, der ihn begleitet.
10. Dieser Schatz gibt Göttern und Menschen alles, was sie verlangen; alles, was sie sich wünschen, wird durch ihn erlangt.
11. Liebreiz, eine klangvolle Stimme, Anmut und schöne Gestalt, Macht und Glanz: alles wird durch ihn erlangt.
12. Die Herrschaft über ein Land, Königswürde, das angenehme Glück der Weltherrschaft und auch Götterherrschaft unter den Himmlischen: alles wird durch ihn erlangt.
13. Menschliches Glück, jede Freude in der Götterwelt und der völlige Besitz des Nirvāna: 69) alles wird durch ihn erlangt.
14. Wissen, Erlösung, Selbstbezähmung, nachdem man, weise lebend, gute Freunde für sich gewonnen hat70) alles wird durch ihn erlangt.
15. Die analytischen Kenntnisse (patisambhidā), die Befreiungen (vimokkhā), alle Tugenden eines heiligen Jüngers,73) die Erleuchtung für sich selbst und die Stufe eines Buddha: 74) alles wird durch ihn erlangt.
16. So ist dieses, nämlich der Besitz moralischen Verdienstes, von großer magischer Kraft. Deshalb preisen die Standhaften, die Kundigen, den Zustand moralischer Verdienstlichkeit.
64) Na sabbo sabbadā eva tassa tam upakappati (wörtl. nützt ihm überall nichts). "Tam ist hier Pādapūrana-Partikel" (Schol.).
67) yakkhā. Die Yakkhos (sanskr. yakshās) sind menschen-feindliche Dämonen, die gewöhnlich in Menschengestalt auftreten und mit Vorliebe Schreck und Entsetzen verursachen. Es wer den in den Pitakas (z. B. im Sutta-Nipāto und Udānam) Geschichten von dem Zusammentreffen dieser Wesen mit Buddha und seinen Jüngern erzählt; einige Yakkhos wurden von Buddha bekehrt. Den Glauben an die Yakkhos hat der Buddhismus vom Brahmanismus herüber genommen, und noch heute glaubt man, z. B. in Ceylon, fest an das Dasein dieser Unholde und fürchtet sie; der Paritta-Dienst richtet sich hauptsächlich gegen ihren Einfluss. Auch wurde und wird vor der Pabbajjā-Weihe dem Kandidaten u. a. die Frage vorgelegt: 'Manusso si?' (Bist du ein Mensch?) Dies soll nichts anderes bedeuten als: 'Bist du etwa ein Yakkho in Menschengestalt?' Vergl. auch Samyutta-Nikayo X, 1-12 (Yakkha-Samyuttam).
68) puggale. Puggalo hat auch die Bedeutung Ariyapuggalā (vergl. Anm. 4 und 29). Das unmittelbar vorhergehende sanghe könnte den Gedanken nahelegen, zu übersetzen: "in der Mönchsgemeinde, in der Gemeinde der Heiligen", - Oder: "im Sangho' [nämlich] im Ariyapuggalo". Ebenso nahe aber liegt der Sinn: "in der Gemeinde und in jedem Einzelnen."
69) Oder: das Glück des Nirvana (nibbānasampatti).
70) mittasampadam āgamma yoniso ve payuñjato. Wörtl.: "Wissen ... eines sich weise Betragenden auf Grund der Erlangung von Freunden." Childers übersetzt abweichend:
"Wisdom ... in one who lives wisely for the sake of virtuous friends." Ich verstehe den Sinn so: Er hat gute Freunde gewonnen; diese wirken so auf ihn ein, dass er weise lebt.
73) sāvaka-pārami. Ob hier auf die zehn Pāramitās angespielt wird, ist zweifelhaft. sāvaka wörtl. 'Hörer’, bezeichnet im engeren Sinne bloß die acht Edlen Jünger (ariya-sāvaka).
74) Hier haben wir bereits die in der Mahāyna-Schule so stark betonte Dreiteilung in Crāvakās, Pratyeka-Buddhās und Buddhās (resp. Bodhisattvās).
[Dasselbe findet sich ebenfalls im Sutta-Nipāto I, 8. Auch der Anguttara-Nikāyo enthält zwei Metta-Sutten (A.XI.16 und A.VIII.1); s. hierüber Anhang 3. Vergl. auch Itivuttakam 27]
1. Dies ist es, was ein Mensch, der mit Geschick sein Bestes sucht, tun soll, nachdem er die stille Stätte (santam padam, d. i. Nirvāna) völlig erkannt hat: Er sei befähigt, aufrichtig, gewissenhaft, willfährig, sanft und ohne Stolz;
2. Zufrieden, nicht lästig fallend, ohne Sorge, mit wenig Bedürfnissen, die Sinne beherrscht, besonnen, sittsam und nicht gierig in den Familien.77)
3. Er begehe nichts Niedriges, um dessentwillen ihn andere, die klug sind, tadeln könnten.
4. Glücklich und sicher mögen alle Wesen sein; mögen sie glückselig Sein!
5. Was es auch an lebenden Wesen gibt: die sich bewegenden oder die stillstehenden,78) sie alle, die langen oder die großen, die mittleren, die kurzen, die zarten und starken,
6. Die gesehen werden oder die nicht sichtbar sind, die in der Ferne weilen oder nicht gar fern, die geboren sind oder die einer Geburt zustreben: alle Wesen mögen glückselig sein!
7. Niemand betrüge irgendwo einen andern noch verachte er jemanden; man wünsche sich nicht gegenseitig aus Zorn oder ärgerlichen Gedanken irgend welches Unglück.
8. Wie eine Mutter während ihres ganzen Lebens (oder: mit ihrem Leben, āyusā) ihren eigenen Sohn, ihren einzigen Sohn, beschützt, so möge man gegen alle Wesen ein unbegrenztes Gemüt erwecken.
9. Und man erwecke gegen die ganze Welt ein unbegrenztes liebevolles Gemüt, unbeengt, ohne Hass, ohne Feindseligkeit, nach oben, unten und nach allen Seiten.
10. Stehend, gehend, sitzend oder liegend, insofern man frei von Schläfrigkeit 80) ist, pflege man eifrig dieses Gedenken: dies nennt man hienieden ein Weilen in Gott.81)
11. Und wenn jemand, ohne falschen Ansichten zu huldigen, tugendhaft und mit tiefer Einsicht ausgestattet, das Verlangen nach sinnlicher Lust überwindet: der, wahrlich, geht nicht wieder in den Mutterleib ein.
Ende des Buches der kurzen Texte.
77) d.h. wenn der Mönch seine Almosenspeise erbettelt oder in Familien zu Gast geladen ist.
78) tasā vā thāvarā. Der ursprüngliche Sinn ist: sich bewegend und feststehend. Dabei ist wohl an die sich bewegenden und ruhenden Tiere zu denken, oder an Tiere und Pflanzen? Childers übersetzt ohne zwingenden Grund 'feeble or strong'. Ihm sind darin Max Müller, Th. Schultze und v. Schroeder in ihrer Dhammapada~Übersetzung gefolgt, wo sich dieselbe Wendung in V. 405 findet. Childers beruft sich auf den Kommentar zu dieser Stelle, wo es heisst 'tānhāvasena tasesu tanhābhāvena thirathāvaresu'. Aber auch diese Kommentar-Stelle nötigt keineswegs zu einer Übersetzung im Sinne Childers.
80) vigatamiddho. Also 'wachsam', nicht 'wachend' schlechthin.
81) Brahmam etam vihāram idhā-m-āhu. Gewöhnlich begegnet die Form Brahma-vihāro. Das vierfache 'Weilen in Gott' ist eine vierfache Meditation (bhāvanā) und umfasst die Meditation der Liebe (mettā), der Mitfreude (muditā), des Mitleids (karunā) und des Gleichmuts (upekhā). Der Gegenstand unseres Suttam ist, wie der Name sagt, die Meditation der Liebe (rnettā-bhāvanā).
1. Schlangensegen.
(Zu Anm. 50 und 58.)
Als ein klassisches Beispiel altbuddhistischer Beschwörungslieder und Parittās kann der 'Schlangen-segen' gelten. Der Text findet sich im Anguttara Nikāyo (IV, 67) und ebenfalls im Culla-Vaggo (V, 6). Die Übersetzung lautet:
1. Einstmals weilte der Erhabene zu Savatthi, im Siegerhain, im Klostergarten des Armenspeisers. Damals nun war in Savatthi ein gewisser Mönch von einer Schlange gebissen und getötet worden. Und viele Mönche begaben sich dorthin, wo der Erhabene weilte, und als sie sich dorthin begeben hatten, begrüssten sie den Erhabenen ehrfurchtsvoll und setzten sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprachen jene Mönche zu dein Erhabenen also:
2. 'Herr, hier in Savatthi ist ein gewisser Mönch von einer Schlange gebissen und getötet worden.'
"Sicherlich, ihr Mönche, hat dieser Mönch die vier königlichen Geschlechter der Schlangen (ahirājakulāni) nicht mit liebevollem Gemüte durchdrungen (na … mettena cittena phari) Hätte nämlich, ihr Mönche, dieser Mönch die vier königlichen Geschlechter der Schlangen mit liebevollem Gemüte durchdrungen, so wäre, ihr Mönche, dieser Mönch nicht von einer Schlange gebissen und getötet worden. Welches sind die vier königlichen Geschlechter der Schlangen?
"Die Virūpakkhos sind ein königliches Geschlecht der Schlangen. Die Erāpathos sind ein königliches Geschlecht der Schlangen. Die Chabyāputtos sind ein königliches Geschlecht der Schlangen. Die Kanhāgotamakos sind ein königliches Geschlecht der Schlangen. Sicherlich, ihr Mönche, hat dieser Mönch diese vier königlichen Geschlechter der Schlangen nicht mit liebevollem Gemüte durchdrungen. Hätte nämlich, ihr Mönche, dieser Mönch diese vier königlichen Geschlechter der Schlangen mit liebevollem Gemüte durchdrungen, so wäre, ihr Mönche, dieser Mönch nicht von einer Schlange gebissen und getötet worden.
"Ich ordne an, ihr Mönche, dass ihr zur eigenen Sicherheit, zum eigenen Schutz, zur eigenen Abwehr (attaparittāya) diese vier königlichen Geschlechter der Schlangen mit liebevollem Gemüte durchdringt:
3.
- "Die Virūpakkhos liebe ich,
- Ich liebe die Erāpathos>
- Die Chabyāputtos liebe ich,
- Ich liebe die Kanhāgotamakos."
- "Fusslose Wesen liebe ich,
- Ich liebe die Zweifüssigen,
- Die Vierfüssigen liebe ich,
- Ich liebe die Vielfüssigen."
- "Nichts Fußloses soll schaden mir,
- Nicht schade mir ein Zweifüßler,
- Kein Vierfüßler soll schaden mir,
- Nicht schade mir ein Vielfüßler.
- "Die Wesen alle und alles, was lebt,
- Alle Geschöpfe (oder Geister, būthāni) insgesamt,
- Sie alle sollen glücklich sein, (bhadrāni passantu)
- Nichts Böses möge ihnen nah'n.
"Unbegrenzt ist Buddha, unbegrenzt ist das Gesetz, unbegrenzt ist die Gemeinde. Begrenzt sind die Kriechtiere, Schlangen, Skorpione, Tausendfüssler, Spinnen, Eidechsen, Mäuse. Ein Schutz ist mir geschaffen, eine Abwehr (parittā) ist mir (oder: von mir) geschaffen; die Wesen sollen sich zurückziehen! Ich [spreche]: Verehrung dem Erhabenen, Verehrung den sieben vollkommen Erleuchteten!"«
Dass wir es hier mit einem echten Beschwörungsliede zu tun haben, und: nicht etwa mit einer bloßen Anweisung Buddhas, auch gegen die Tiere eine liebevolle Gesinnung zu betätigen, wird niemand ernstlich in Abrede stellen wollen. Gleichwohl hebt sich diese Parittā, der neben ihrem eigentlichen Charakter als 'Schlangensegen' auch ein hoher ethischer Gehalt nicht abgesprochen werden kann, sehr vorteilhaft von den hinduistischen Mantren und Bannformeln ab.
Dieses Suttam ist also eine von den Stellen der Pitakas, in denen uns bereits das Wort 'parittā' in der Bedeutung 'Abwehr', 'Zauber', 'Segen' begegnet. Das Wort findet sich außer in der angegebenen Parallelstelle (Culla-Vaggo, V. 6) ebenfalls in einer Jātaka-Erzählung, u. z. in derselben Wendung, wie in unserem Suttam (katā me parittā). Dieser Jātaka-Text enthält auch ein weiteres Beschwörungslied. Vergl. ferner Milindapañho IV. 2, 15.
2. Buddhistisches Bestattungslied
(Zu Anm. 51.)
Pāli-Text:
In freier Übersetzung etwa:
1.
- Wie kurz ist aller Dinge Sein!
- Sie müssen wachsen und darauf vergehn,
- Nach kurzer Pracht sie bald verwehn,
- Des Wechsels Ruhestand ist Glück allein.
2.
4.
Dieses noch heute in Ceylon und Siam gebräuchliche Lied setzt sich also folgendermaßen zusammen:
3. Metta-Sutten im Anguttatra-Nikāyo
(Zu Anm. 75.)
Erforderlich für eine objektive Beurteilung der Rolle, welche der Begriff der Nächstenliebe (mettā) im Buddhismus spielt, wäre es, einmal alle Stellen des Sutta-Pitakam, die über die Mettā handeln, zusammenzustellen. Das Metta-Suttam des Khuddaka-Pātho (und seine Parallele im Sutta-Nipāto), obwohl ursprünglich eine Parittā, gehört zu den wichtigsten Texten dieser Art. Eine andere beachtenswerte Stelle findet sich im Itivuttakam (27) und ist von Pischel übersetzt worden (Leben und Lehre des Buddha, s.78).
Auch der Anguttara-Nikāyo weist zwei bisher noch weniger bekannt gewordene Metta-Sutten auf; das eine ist das A.XI.16, und das andere A.VIII.1.
Die Übersetzung des Suttam XI, 16, welches übrigens auch dem ceylonesischen Parittā-Textbuch einverleibt ist, lautet:
"Wird, ihr Mönche, die Liebe, die Erlösung des Herzens, gepflegt, erweckt, entfaltet, wie ein Fahrzeug gebraucht, zur Grundlage gemacht, vollendet, angehäuft und gut angewandt, so sind dadurch elf Vorteile zu erwarten (mettāya bhikkhave cetovimuttiā āsevitāya bhāvitāya bahulīkatāya yānikatāya vatthukatāya antitthtāya paricitāya susamāraddhāya ekādasānisamsa pātikankhā).
Welche elf? 1. Man schläft glücklich, 2. man erwacht glücklich, 3. man sieht keinen schlechten Traum, 4. man ist den Menschen angenehm, 5. man ist den nicht-menschlichen Wesen angenehm, 6. Die Gottheiten beschützen einen, 7. weder Feuer, noch Gift, noch Waffe tut einem etwas an, 8. das Gemüt wird schnell beruhigt, 9. das Antlitz erscheint ruhig, 10. man scheidet unverwirrt aus diesem Leben, 11. wenn man sich auch nichts weiter aneignet, so gelangt man doch in die Gotteswelt (uttarim appativijjhanto brahmalokūpago hotīti).
Wird, ihr Mönche, die Liebe, die Erlösung des Herzens,*) gepflegt, erweckt, entfaltet, wie ein Fahrzeug gebraucht, zur Grundlage gemacht, vollendet, angehäuft und gut angewandt, so sind dadurch diese elf Vorteile zu erwarten."
*) cetovimutti könnte auch bedeuten: Erlösung durch das herz (od. Gemüt), d. h. die durch das Gemüt vollbrachte Erlösung.
Das erste Suttam des VIII. Buches ist dem eben übersetzten ganz ähnlich. In einer Einleitung wird nur erwähnt, dass dieser Ausspruch im Siegerhain zu Savatthi getan worden sei. Ferner werden nur acht 'Vorzüge' aufgezählt, indem der 8., 9. und 10. 'Vorzug' hier fortgelassen sind, und am Schluss sind dem Suttam einige Verse angefügt, in denen gesagt wird, dass alle Opferhandlungen in diesem Leben nicht ein sechzehntel so viel gelten wie ein liebevolles Gemüt.
Nachdem ich das Manuskript bereits in Druck gegeben hatte, fand ich auch im Samyutta-Nikayo zwei Metta-Sutten. Dies sind die Sutten S.46.54 und S.46.62 (Bojjhanga Samyuttam), im V. Bande (Mahā-Vaggo). In der Ausgabe der Pali-Text-Society stehen sie in Vol. V, s. 115 und 131. - Eine eingehende Behandlung des ganzen Gegenstandes behalte ich mir vor.
4. Toten-Opfer und Parittā-Dienst
im japanischen Buddhismus
(Ein Nachtrag zum Tirokudda-Suttam)
Herr Rev. Omori, Priester der Sótó-Zen-Schule, hatte die Liebenswürdigkeit, mir jüngst auf meine Anfrage mündlich eingehende Mitteilungen über die im japanischen Buddhismus gebräuchlichen 'Toten-Opfer' zu machen. Mich interessierte der Gegenstand lebhaft, zumal ich schon seit langem einen geschichtlichen Zusammenhang dieser in Japan üblichen Zeremonien mit den im Tirokudda-Suttam behandelten, also zum Bestand des ältesten Buddhismus gehörenden Toten-Opfern vermutete, im Gegensatz zu der allgemein herrschenden Auffassung, die in den erwähnten japanischen Riten wesentlich unbuddhistische, ganz fremdartige Gebräuche zu sehen geneigt ist. Herrn Omoris Mitteilungen haben meine Vermutungen vollauf bestätigt.
Zunächst sei festgestellt, dass solche 'Toten-Opfer' in allen Schulen des japanischen Buddhismus, mit Ausnahme der rationalistischen Shin- und der einseitig exklusiven Nichiren-Schule seit altersher üblich sind. Der Name der Totenopfer-Zeremonie ist Se-ga-ki-ye. Ye bedeutet Zeremonie; Se heisst Opfer, Spende, ist also gleichbedeutend mit den Pāli-Worten pūjā, dānam oder dakkhinā; Ki heißt 'Geist eines Verstorbenen', und die Bedeutung von Ga ist 'ohne Speise'. Ich konnte nun konstatieren, dass Ga-ki genau dem pālibuddhistischen peto (sanskr. preta) entspricht. Der Pāli-Buddhismus kennt nämlich fünf, resp. sechs 'Gatis' oder Arten der Wiedergeburt: 1. nirayo (Hölle), 2. tiracchānayoni (tierischer Schoss), 3. petaloko (Welt der abgeschiedenen Geister, auch pettivisayo, 'Reich der Väter', genannt),*1) 4. manussā (Menschen), 5. devā (lichte Geister, Götter) – und 6. asuranikāyo (Klasse der Dämonen).
Der japanische Buddhismus lehrt ebenfalls diese sechs Arten der Wiedergeburt, und es zeigt sich, dass Ga-ki genau die Stelle des pāli-buddhistischen peto vertritt. Die Welt der Ga-ki wird gedacht als ein auf das irdische Leben folgender Zustand hilfloser Unfreiheit, der durch die für die Abgeschiedenen dargebrachten Opfer und Spenden erleichtert wird. Wollte man also das japanische Sega-ki ins Pāli rückübersetzen, so müsste man notgedrungen ein petapūjā, petadānam oder petadakkhinā (Opfer oder Spende für abgeschiedene Geister) substituieren müssen.
In Japan werden nun - genau wie es unser Tirokudda-Suttam will - die 'Toten-Opfer' für die Abgeschiedenen von deren überlebenden Anverwandte, u. z. zu bestimmten Terminen, dargebracht. Es werden Schalen mit Speise für die Verstorbenen aufgestellt, und einer der Angehörigen oder ein Priester liest Parittā-Texte vor. Die Zeremonie wird meist im Hause, zu bestimmten Terminen aber auch im Tempel im Beisein aller näheren und entfernteren Verwandten vorgenommen. An den betreffenden Tagen werden von den Angehörigen gewisse religiöse Übungen beobachtet.*2) Die zu Grunde liegende Idee ist - wieder in Übereinstimmung mit dem Tirokudda-Suttam -, dass durch diese Opfer die abgeschiedenen Geister 'freier' werden und ihnen Erleichterung verschafft wird.*3) Kurz, alles stimmt so auffallend mit dem Inhalt des Tirokudda-Suttam überein, dass man den Gedanken an ein zufälliges Zusammentreffen schlechterdings aufgeben muss. Somit erweist sich der sogen. 'Totenkult' und 'Ahnenkult' (dieser ist nur eine gesteigertere Form des ersteren) des japanischen Buddhismus*4) aller Wahrscheinlichkeit nach nicht als eine spätere, einer fremden Gedankenwelt entnommene, nicht-buddhistische Institution, sondern als eine, bereits im ältesten Buddhismus nachweislich vorhandene, ja über diesen hinaus in noch ältere Zeiten zurück-reichende, echt indische Kultform.
Was nun die in Japan übliche Parittā-Zeremonie betrifft, so stimmen die hierfür gewählten Texte in den einzelnen Schulen nicht überein. Sehr gebräuchlich und beliebt sind Buddhas letzte Predigt (Fosho-hing-tsan-king Kap. XXVI, V. 2018-2087), das Sūtra der zweiundvierzig Hauptstücke und bestimmte Texte aus dem Hokke-kyó (Saddharma-pundarīka-Sutra). Wie schon erwähnt, werden solche Parittā-Texte bei Toten-Opfern, sowie an den Todes-tagen der Ahnen entweder von Angehörigen (resp. Nachkommen) oder von Priestern verlesen. Auch kann ein Angehöriger diese Texte still für sich lesen. Ich selbst habe ein in der Sótó-Zen-Schule gebräuchliches Parittā-Text-Buch gesehen; die stille Lesung nimmt etwa 25 Minuten in Anspruch; die mit Zeremonien verbundene Verlesung durch den Priester dauert eine Stunde.
Genau wie bei dem auf Ceylon allgemein verbreiteten Pirit-Dienst ist auch hier der Glaube massgebend, dass durch diese Lesungen und Rezitationen böse Mächte vertrieben und gute Kräfte wachgerufen werden. Kann man überhaupt noch zweifeln, dass wir in dem Parittā-Dienst als solchem ebenfalls einen in die urbuddhistische Zeit zurück reichenden Kultus zu erblicken haben?
*1) Es sei darauf hingewiesen, dass die pāli-buddhistischen pétā sowohl den pretās, als auch den pitaras des Brahmanismus entsprechen.
*2) Am 15. Juli findet in Japan außerdem eine allgemeine, für alle verstorbenen bestimmte Totenopfer-Zeremonie statt.
*3) Natürlich wird dabei auch an eine auf dem verdienstlichen Tun beruhende segensreiche Rückwirkung auf die Opfernden selbst geglaubt. Der nämliche Gedanke wird im Tirokudda-Suttam (V. 5 und 12) ausdrücklich hervorgehoben.
*4) Ganz wesentlich verschieden von diesen buddhistischen Toten- und Ahnen-Opfern ist in seinem Ursprung der shintoystische Ahnenkult. Derselbe zielt auf die Apotheose berühmter Fürsten, Helden und Gelehrter ab. Diese Vergötterung betrifft in erster Linie die mythischen Vorfahren der kaiserlichen Familie. Man muss diese zwei, genetisch ganz verschiedenen Dinge (buddhistische Toten-Opfer und shintoistischen Ahnenkult) streng auseinanderhalten, wenngleich nicht geleugnet werden soll, dass Buddhismus und Shinto-Glaube sich im Laufe ihrer geschichtlichen Entwicklung gegenseitig beeinflusst haben.