Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

304. Die Erzählung von Daddara (Daddara-Jataka) [0a]

„Die Knaben hier“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen Zornigen.

§D. Die Begebenheit ist schon oben erzählt [1].

Als aber in der Lehrhalle ein Gespräch über den Zorn im Gange war, kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, ließ er jenen Mönch rufen und fragte ihn: „Ist es wahr, Mönch, dass du zornig bist?“ Da dieser antwortete: „Ja, Herr“, sprach der Meister: „Ihr Mönche, nicht nur jetzt sondern auch früher schon war dieser zornig. Infolge seines Zornes mussten in der Vorzeit Weise, obwohl sie Naga-Könige waren, drei Jahre lang in einem mit Unrat gefüllten Misthaufen wohnen.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

 

§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, war der Bodhisattva — im Himalaya-Gebirge beim Daddara-Berge [2] befindet sich die Wohnung der Daddara-Schlangengötter — der Sohn des dort herrschenden Königs Suradaddara und hatte den Namen „der große Daddara“ [Mahadaddara]; sein jüngster Bruder aber hieß „Klein-Daddara“ [Culladaddara]. Dieser war zornig und barsch; beständig schalt und schlug er die Naga-Mädchen. Als der Naga-König von seiner Rohheit erfuhr, gab er Befehl, ihn aus der Naga-Behausung hinauszuwerfen. Der große Daddara aber besänftigte wieder seinen Vater und hielt ihn zurück. Ein zweites Mal zürnte ihm der König, aber auch zum zweiten Male hielt ihn jener zurück.

Beim dritten Male aber sagte der König: „Du hältst mich immer zurück, wenn ich jenen Lasterhaften vertreiben will. Geht, verlasst ihr beiden diese Naga-Behausung und bleibet drei Jahre lang zu Benares in einem Misthaufen!“ Mit diesen Worten vertrieb er sie aus der Naga-Behausung.

Sie gingen fort und wohnten dortselbst. Als sie aber in ihrem Misthaufen am Rande des Wassers sich Nahrung suchten, sahen sie die Dorfknaben; sie schlugen sie, warfen sie mit Erdklumpen und Prügeln und sagten: „Was sind das für breitköpfige, spitzschwänzige Wassereidechsen!“ Solche und ähnliche Schimpfnamen gaben sie ihnen. — Klein-Daddara konnte infolge seines Zornes und seiner Barschheit diese Missachtung nicht ertragen, sondern sagte zu seinem Bruder: „Brüderchen, diese Knaben beschimpfen uns; sie wissen nicht, dass wir Giftschlangen sind. Ich kann ihre Missachtung nicht ertragen; ich werde sie mit dem Hauche meiner Nase töten.“ Und er sprach folgende erste Strophe:

§1. „Die Knaben hier, Daddara, sind mir lästig
mit ihren üblen Reden bei den Menschen;
‘Froschfresser, Freund des Schmutzes’ schelten sie
mich gift'ge Schlange, als hätt' ich kein Gift.“

Als der große Daddara dessen Worte vernahm, sprach er folgende andere Strophen:

§2. „Wer, aus dem eignen Land vertrieben,
in andrer Leute Land muss gehen,
der mache sich 'nen großen Speicher,
um die Schimpfwörter aufzuheben.
 
§3. Wo einen Mann man nicht erkennt
nach seiner Kaste, seiner Tugend,
da darf man nicht in Zorn geraten,                            
wenn man bei Unbekannten wohnt.
 
§4. Wer in der Fremde wohnt, wenngleich
er sonst wie Feuer Glanz verbreitet,
der muss doch, wenn er weise ist,
dem Sklaven seinen Schimpf verzeihen.“ —

So blieben sie dort drei Jahre. Dann ließ sie ihr Vater wieder zu sich rufen. Von da an aber wurden sie demütigen Sinnes.

 

§C. Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen und die Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jataka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangte jener zornige Mönch zur Frucht der Nichtrückkehr): „Damals war Klein-Daddara der zornige Mönch, der große Daddara aber war ich.“

Ende der Erzählung von Daddara


[0a] Dieses Jataka ist benannt nach dem Namen des Bodhisattva in der früheren Existenz, „Mahadaddara“, in der ersten Strophe verkürzt auf „Daddara“.

[1] In mehreren Vorerzählungen ist von einem zornigen Mönch die Rede. Es ist nicht zu bestimmen, welche hier gemeint ist [1a].

[1a] Ich halte das Jataka 252 für das wahrscheinlichste. Die Jatakas 6 und 32 sind weniger einschlägig.

[2] Vgl. Jataka 172.


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