Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

278. Die Erzählung von dem Büffel (Mahisa-Jataka)

„Warum doch und in welcher Absicht“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen frechen Affen. Zu Savatthi nämlich wurde in einer Familie ein Affe aufgezogen. Dieser ging in das Elefantenhaus, setzte sich auf den Rücken eines tugendhaften Elefanten, machte dort Urin und Kot und ging auf dem Rücken spazieren. Der Elefant tat nichts infolge seiner Bravheit und Geduldsfülle. — Eines Tages aber stand an der Stelle dieses Elefanten ein andrer Elefant, der jung und böse war. Der Affe meinte, es sei derselbe, und stieg auf den Rücken des bösen Elefanten. Dieser aber erfasste ihn mit seinem Rüssel, warf ihn auf die Erde und zertrat ihn mit seinen Füßen zu Staub.

Diese Begebenheit wurde unter der Mönchsgemeinde bekannt. Eines Tages begannen die Mönche in der Lehrhalle folgendes Gespräch: „Freund, der freche Affe dachte, es sei der brave Elefant, und stieg daher auf den Rücken des bösen Elefanten; darum brachte ihn dieser ums Leben.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie erwiderten: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht nur jetzt verhielt sich dieser freche Affe so, sondern auch schon von der Vorzeit her hatte er ein solches Verhalten.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

 

§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva im Himalaya in einer Büffelfamilie seine Wiedergeburt. Als er herangewachsen war, war er mit Stärke ausgerüstet und groß an Körper. Er wanderte umher am Fuß der Berge, in Berghöhlen und in schwer zugänglichen Waldgegenden.

Einmal sah er eine bequeme Baumwurzel; nachdem er sich bei Tage sein Futter gesucht, stellte er sich an diese Baumwurzel. Da stieg ein frecher Affe vom Baume herab, stieg auf des Büffels Rücken, machte dort Kot und Urin, fasste ihn am Horne, ließ sich an ihm herunter, fasste seinen Schwanz und schwang sich daran im Spiele hin und her. Der Bodhisattva aber gab infolge seiner Fülle an Geduld, Liebe und Mitleid auf dessen übles Benehmen nicht Acht.

Der Affe tat immer wieder so. Eines Tages aber sprach die in diesem Baume wohnende Baumgottheit zu dem Büffel, auf dem Stamme des Baumes stehend: „O Büffelkönig, warum erträgst du die Frechheit dieses bösen Affen? Bringe ihn zur Vernunft!“ Und indem sie dies verkündete, sprach sie die folgenden beiden ersten Strophen:

§1. „Warum doch und in welcher Absicht

lässt du die Unbill dir gefallen

von diesem leichtsinnigen Frechen,

der allen seinen Lüsten fröhnt?

 

§2. Zerstoße ihn mit deinem Horne,

zertritt ihn doch mit deinem Fuße;

noch mehr beläst'gen dich die Toren,

wenn du nicht diesem Halt gebietest.“

Als dies der Bodhisattva vernahm, antwortete er: „O Baumgottheit, wenn ich, ohne seine Abstammung, sein Geschlecht, seine Stärke zu verletzen, seinen Fehler nicht ertrage, wie wird dann mein Wunsch [1] in Erfüllung gehen können? Dieser Affe wird seinen Unfug auch mit anderen treiben, die er für gleichartig mit mir hält. Wenn er es aber mit wilden Büffeln so treiben wird, so werden ihn diese töten. Dies wird aber ein durch andere verursachter Tod sein; ich dagegen werde von dem Vorwurf, Leiden und Tod verursacht zu haben, befreit sein.“ Und nach diesen Worten sprach er folgende dritte Strophe:

§3. „Er meint, die andern sind wie ich,

und wird es andern auch so machen.

Die werden ihn dann dafür töten;

dies wird für mich Befreiung sein.“

Nach Verlauf von einigen Tagen aber ging der Bodhisattva anderswohin und ein andrer wilder Büffel kam an diesen Ort. Der freche Affe dachte nun: „Dieser ist der nämliche“; und er stieg auf seinen Rücken und trieb dort seinen Unfug. Doch der Büffel schüttelte ihn herunter, warf ihn auf die Erde, stieß ihm sein Horn ins Herz und zertrat ihn mit seinen Füßen zu Staub.

 

§C. Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen und die Wahrheiten verkündet hatte, verband er das Jataka mit folgenden Worten. „Der damalige böse Stier war dieser böse Elefant, der Freche war der Affe, der tugendhafte Stierkönig aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem Büffel


[1] Nämlich möglichst tugendhaft zu leben und dafür die Wiedergeburt in einer möglichst hohen Existenz zu erlangen.


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