Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

231. Die Erzählung von dem Schuh (Upahana-Jataka)

„Wie ein für einen Mann gekaufter Schuh“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Veluvana verweilte, mit Beziehung auf Devadatta. — In der Lehrhalle nämlich begannen die Mönche folgendes Gespräch: „Freund, Devadatta ist dadurch, dass er den Vollendeten verließ und sein Feind und Nebenbuhler wurde, in schweres Verderben gestürzt.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, ist Devadatta, da er seinen Lehrer verließ und sein Nebenbuhler wurde, in schweres Verderben gestürzt, sondern auch früher schon erging es ihm so.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

 

§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva in einer Elefantenabrichtersfamilie seine Wiedergeburt. Als er herangewachsen war, erreichte er in der Elefantenkunst die Vollendung. Da kam ein junger Brahmane, der in einem Dorfe des Reiches Kasi wohnte, zu ihm und erlernte bei ihm seine Kunst. Wenn nämlich die Bodhisattvas eine Kunst lehren, so zeigen sie nicht nur eine Hand voll von ihrer Kunst, sondern sie lehren sie restlos, soweit sie dieselbe kennen. Darum erlernte auch jener junge Brahmane die Kunst, soweit sie der Bodhisattva kannte, restlos.

Darauf sprach er zum Bodhisattva: „Meister, ich möchte dem Könige dienen.“ Der Bodhisattva hieß dies gut, ging hin und meldete dem Könige: „O Großkönig, mein Schüler wünscht, Euch zu dienen.“ „Gut, er soll mir dienen“, antwortete der König. „Erkennt ihm also einen Lohn zu!“ „Euer Schüler erhält nicht das, was Euch zukommt. Wenn Ihr hundert erhaltet, so erhält er fünfzig; wenn Ihr zwei erhaltet, erhält er eins.“ — Jener ging nach Hause und teilte die Sache seinem Schüler mit. Der Schüler aber sprach: „Ich, o Lehrer, kenne genau die gleiche Kunst wie Ihr. Wenn ich den gleichen Lohn erhalte, werde ich dem Könige dienen; wenn nicht, so werde ich ihm nicht dienen.“

Der Bodhisattva teilte dies dem Könige mit. Der König versetzte: „Wenn er ganz das Gleiche tut wie Ihr, wenn er die gleiche Kunst zu zeigen vermag wie Ihr, so soll er auch das Gleiche erhalten.“ Der Bodhisattva sagte dies seinem Schüler und dieser erwiderte: „Gut, ich werde es zeigen.“ Diese Antwort meldete der Bodhisattva dem Könige. — Der König sprach darauf: „Zeiget also morgen Eure Kunst.“ „Gut, wir wollen sie zeigen“, versetzte der Bodhisattva, „lasst in der Stadt die Trommel herumgehen!“ Der König ließ daraufhin mit Trommelschlag verkünden: „Morgen werden der Lehrer und sein Schüler beide die Elefantenkunst zeigen. Wer es sehen will, möge sich im Hofe des Königs versammeln und zuschauen.“

Der Lehrer aber dachte: „Mein Schüler kennt nicht die Mittel der List.“ Und er nahm einen Elefanten und lehrte ihn in einer Nacht die Verkehrtheit. Er lehrte ihn, wenn er ihm sagte: „Gehe vorwärts“, rückwärts zu gehen, wenn er ihm sagte: „Gehe rückwärts“, vorwärts zu gehen, wenn er sagte: „Bleibe stehen“, sich niederzulegen, wenn er ihm sagte: „Lege dich nieder“, stehen zu bleiben, wenn er ihm sagte: „Lasse es liegen“, etwas zu nehmen, und wenn er ihm sagte: „Nimm es“, es liegen zu lassen. — Am nächsten Tage bestieg er diesen Elefanten und ritt in den Hof des Königs. Auch sein Schüler hatte einen schönen Elefanten bestiegen.

Eine große Menge Volkes hatte sich versammelt. Die beiden zeigten zuerst dieselben Künste. Dann aber ließ der Bodhisattva seinen Elefanten die Verkehrtheit zeigen. Nach dem Worte: „Gehe vorwärts“, ging er rückwärts, auf das Wort: „Gehe zurück“, lief er nach vorne, auf das Wort: „Bleibe stehen“, legte er sich nieder, auf das Wort: „Lege dich nieder“, blieb er stehen, auf das Wort: „Nimm es“, legte er es nieder, auf das Wort: „Lege es hin“, nahm er es. Da rief die ganze Volksmenge: „Holla, du spitzbübischer Schüler, mache mit deinem Lehrer kein Geschrei! Du kennst nicht deine Beschränktheit; du hast dir eingebildet, du wissest das Gleiche wie dein Meister.“ Und sie bewarfen ihn mit Erdklumpen und mit Prügeln und töteten ihn auf der Stelle.

Darauf stieg auch der Bodhisattva von seinem Elefanten herab, ging zum König hin und sagte: „O Großkönig, man lernt die Kunst zu seinem Nutzen; für manchen aber bringt die erlernte Kunst Unheil wie ein schlecht gemachter Schuh.“ Und nach diesen Worten sprach er folgendes Strophenpaar:

§1. „Wie die für einen Mann gekauften Schuhe

statt Vorteil, wie sie sollten, Unheil bringen,

die Sohlen drücken, wie von Glut verbrannt,

und so die Füße dieses Manns zerstören:

 

§2. So wird ein niedriger, unedler Mensch,

der euch sein Wissen, seine Kunst verdankt,

dich [1] selbst verderben um des Wissens willen;

daher vergleicht man ihn dem schlechten Schuh.“

Darüber befriedigt, erwies der König dem Bodhisattva große Ehre.

 

§C. Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen, verband er das Jataka mit folgenden Worten: „Damals war der Schüler Devadatta, der Lehrer aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem Schuh


[1] Der Kommentator hält das „tam“ des Verses für gleichbedeutend mit „attanam“ = „sich“; doch dürfte dies, wie auch Rouse bemerkt, schwerlich stimmen. Der Sinn der Strophe ist nicht recht klar.


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