Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

223. Die Erzählung von dem Reisbreitopf (Putabhatta-Jataka)

„Den, der dich ehrt“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen Gutsbesitzer. — Ein Gutsbesitzer nämlich, der in der Stadt Savatthi wohnte, machte mit einem Gutsbesitzer vom Lande Geschäfte. Einmal ging er mit seiner Gattin zu seinem Schuldner hin. Der Schuldner aber gab ihm nichts, indem er sagte: „Ich kann nichts geben.“ Der andre geriet darüber in Zorn und ging fort, ohne sein Mahl zu verzehren.

Unterwegs aber sahen die Leute, die ihm begegneten, dass er hungrig war; und sie gaben ihm einen Topf mit Reisbrei, indem sie sagten: „Gib erst deiner Frau davon und iss dann.“ Als ihn aber jener erhalten, wollte er ihr nichts geben und sagte deshalb: „Liebe, dies ist ein Ort, wo sich Räuber aufhalten; gehe du voran.“ Nachdem er sie fortgeschickt, verzehrte er die ganze Speise und zeigte ihr dann den leeren Topf mit den Worten: „Liebe, sie gaben nur einen leeren Topf ohne Speise.“ Sie aber merkte, dass er allein den Reisbrei verzehrt hatte, und wurde missmutig.

Sie gingen hinauf nach dem auf dem Jetavana liegenden Kloster und betraten das Jetavana, um Wasser zu trinken. Der Meister erwartete ihre Ankunft und setzte sich in den Schatten seines duftenden Gemaches gleich einem Jäger, der am Wege lauert. Als jene den Meister sahen, gingen sie auf ihn zu, begrüßten ihn und setzten sich nieder. Der Meister begann mit ihnen eine freundliche Unterhaltung und fragte: „Laienschwester, ist dieser dein Gatte auf dein Wohl bedacht und liebevoll?“ Sie erwiderte: „Herr, ich bin voll Liebe gegen ihn; er aber liebt mich nicht. Wenn ich von den anderen Tagen absehen will, heute bekam er unterwegs einen Topf und aß allein, ohne mir etwas davon zu geben.“ Da sprach der Meister: „O Laienschwester, beständig bist du auf dessen Wohl bedacht und liebevoll gegen ihn, er aber ist lieblos. Wenn er aber durch Weise deine Vorzüge erkennt, dann überträgt er dir die Herrschaft über alles.“ Nach diesen Worten erzählte er auf ihre Bitte folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

 

§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, wurde der Bodhisattva in einer Ministerfamilie wiedergeboren. Nachdem er herangewachsen war, wurde er dessen Ratgeber in den geistlichen und weltlichen Dingen. — Damals vertrieb der König seinen Sohn, weil er fürchtete, er könne Verrat gegen ihn im Sinne haben. Dieser verließ mit seiner Gattin die Stadt und nahm in einem Dorfe des Landes Kasi Wohnung.

Zu einer anderen Zeit hörte er, dass sein Vater gestorben sei. Um den seiner Familie gehörigen Thron zu besteigen, kehrte er nach Benares zurück. Unterwegs erhielt er einen Topf Reisbrei mit der Weisung: „Gib deiner Frau davon und iss!“ Er aber gab ihr nichts, sondern verzehrte das Ganze allein. Sie dachte: „Roh ist fürwahr dieser Mensch“, und wurde voll Missmut. Nachdem er zu Benares die Herrschaft an sich genommen hatte, verlieh er ihr den Rang seiner ersten Gemahlin. Er dachte aber: „Soviel ist genug für sie“, und erwies ihr keine andere Ehrung und Aufmerksamkeit; er fragte sie nicht einmal nach ihren Wünschen.

Nun dachte der Bodhisattva bei sich: „Diese unsre Königin ist gegen den König sehr hilfreich und liebevoll; der König aber achtet sie für nichts. Ich will bewirken, dass sie geehrt und ihr gehuldigt wird.“ Er ging zu ihr hin, trat voll Achtung auf sie zu und stellte sich ihr zur Seite. Als sie fragte: „Was willst du, Vater?“, antwortete er: „Wir warteten Euch auf, Fürstin, um eine Unterhaltung mit Euch zu beginnen. Sollte man nicht den hochbetagten Vätern ein Kleidungsstück oder ein Almosen an Speise geben?“ Sie erwiderte: „Vater, ich erhalte ja auch für mich selbst nichts; was soll ich da Euch geben? Spendete ich nicht zur Zeit, da ich erhielt? Jetzt aber gibt mir der König nichts mehr. Ich will von einem anderen Geschenke absehen; aber als er hierher kam, um das Reich in Besitz zu nehmen, und dabei unterwegs einen Topf mit Reisbrei erhielt, gab er mir nicht einmal von der Speise, sondern verzehrte sie allein.“ Der Bodhisattva versetzte: „Meine Tochter, wirst du dich wohl getrauen, dies in Gegenwart des Königs zu erzählen?“ „Ja, ich werde mich getrauen, Vater“, antwortete sie. Darauf sprach der Bodhisattva: „Erzähle darum heute noch, wenn ich vor dem König stehe, dies auf meine Frage; heute noch werde ich ihm deinen Vorzug begreiflich machen.“

Nach diesen Worten ging der Bodhisattva zuerst zum Könige hin und stellte sich in seine Nähe. Auch die Königin kam und trat nahe an ihn heran. Darauf sprach der Bodhisattva zu ihr: „Meine Tochter, Ihr seid zu hartherzig. Muss man denn nicht hochbetagten Vätern ein Kleidungsstück oder ein Almosen an Speise schenken?“ Sie erwiderte: „Vater, ich erhalte gar nichts vom König; was soll ich Euch geben?“ „Habt Ihr nicht den Platz der ersten Gemahlin erhalten?“ „Vater, was soll mir der Rang der ersten Gemahlin, wo mir nicht die geringste Ehrung zuteil wird? Was wird mir jetzt Euer König geben? Unterwegs bekam er einen Topf mit Reisbrei, gab mir aber davon nichts, sondern verzehrte den Brei allein.“

Jetzt fragte der Bodhisattva: „Ist dies so, o Großkönig?“ Der König gab es zu. Als der Bodhisattva sein Eingeständnis bemerkte, sagte er: „Meine Tochter, was bleibt Ihr hier, nachdem Ihr dem Könige nicht lieb seid? In der Welt ist das Zusammensein mit Unliebem ein Unglück. Wenn Ihr hier wohnen bleibt, wird für den König das Zusammensein mit Unliebem ein Unglück sein. Diese Wesen nämlich ehren den, der sie ehrt. Wenn man merkt, dass uns einer keine Ehrung erweist, soll man anderswohin gehen. Groß ist die Zahl der Wohnorte auf der Welt.“ Nach diesen Worten sprach er folgende Strophen:

§1. „Den, der dich ehrt, den sollst du wieder ehren;

du sollst vergelten eben wie man dir getan.

Wer auf dein Wohl bedacht, dem tue Gutes;

doch ehre den nicht, der dich auch nicht ehrt.

 

§2. Lass den, der dich verlässt; nicht sehne dich nach ihm,

verehre den nicht, dessen Herz dir fern.

Der Vogel, der da merkt, der Baum ist früchteleer,

sucht einen andern auf; denn groß ist ja die Welt.“

Als dies der König von Benares hörte, übergab er seiner Gemahlin die ganze Herrschaft. Von da an lebten sie einträchtig und waren eines Sinnes.

 

§C. Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen und die Wahrheiten verkündet hatte, verband er das Jataka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangten die zwei Eheleute zur Frucht der Bekehrung): „Die damaligen Eheleute waren diese beiden Eheleute, der weise Minister aber war ich.“

Ende der Erzählung von dein Reisbreitopf


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