Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

220. Die Erzählung von Dhammaddhaja (Dhammaddhaja-Jataka)

„Es scheint, als ob du glücklich lebend“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Veluvana verweilte, mit Beziehung auf den Mordversuch (des Devadatta). Damals nämlich sprach der Meister: „Nicht nur jetzt, sondern auch früher schon war Devadatta bedacht, mich zu ermorden; aber er konnte mich nicht einmal erschrecken.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

 

§B. Ehedem herrschte zu Benares ein König namens Yasapani. Sein Heerführer hieß Kalaka [0a]. Damals war der Bodhisattva sein Hauspriester und hatte den Namen Dhammaddhaja [0b]. Der Barbier aber, der den Kopfschmuck für den König fertigte, hieß Chattapani [0c].

Der König führte in Gerechtigkeit seine Regierung. Sein Heerführer aber, der das Gericht hielt, nahm Geschenke an und suchte hinter dem Rücken der andern seinen Vorteil; wenn er ein Geschenk bekam, machte er die Nichtberechtigten zu Berechtigten. — Eines Tages nun verließ ein vor Gericht unterlegener Mann die Gerichtsstätte, indem er die Arme ausstreckte und laut jammerte. Da sah er den Bodhisattva, der sich gerade zur Aufwartung des Königs begab. Er fiel ihm zu Füßen und rief: „Während solche Leute wie Ihr, Herr, Ratgeber des Königs in geistlichen und weltlichen Dingen sind, nimmt der Heerführer Kalaka Geschenke an und macht die Nichtberechtigten zu Berechtigten.“ Und er erzählte ihm, wie er unterlegen sei. Der Bodhisattva empfand Mitleid mit ihm und sagte: „Komm, sage ich; ich will deine Sache untersuchen.“ Und er ging mit ihm nach der Gerichtsstätte. Viel Volks versammelte sich dort. Der Bodhisattva untersuchte nun von neuem die Sache und gab dem Recht, dem es gebührte. Eine große Volksmenge gab ihre Billigung zu erkennen. Dies gab einen lauten Schall.

Als der König den Lärm hörte, fragte er: „Was ist das für ein Lärm?“ Man antwortete ihm: „O Fürst, der weise Dhammaddhaja hat eine übel entschiedene Sache nochmals untersucht und dieser Lärm kommt von dem Beifallssturm.“ Befriedigt ließ der König den Bodhisattva zu sich rufen und fragte: „Hast du eine Sache entschieden, Lehrer?“ Als dieser erwiderte: „Ja, großer König, ich habe eine von Kalaka schlecht entschiedene Sache untersucht“, sprach der König: „Von jetzt an entscheidet Ihr die Streitigkeiten. Mir wird es lieb zu hören sein und für die Welt eine Förderung.“ Als jener nicht wollte, bat er ihn: „Aus Mitleid mit den Menschen setzt Euch auf den Richterstuhl“, und erlangte dadurch seine Zustimmung. — Von da an saß der Bodhisattva auf dem Richterstuhl und gab dem Recht, dem es gebührte.

Kalaka aber erhielt von da an keine Geschenke mehr. Als er so in seinen Einkünften zurückkam, verleumdete er den Bodhisattva beim Könige, indem er sagte: „O Großkönig, Dhammaddhaja trachtet nach deinem Reiche.“ Der König glaubte ihm nicht, sondern wies ihn zurück mit den Worten: „Sprich nicht so.“ Jener aber sagte wieder: „Wenn Ihr mir nicht glaubt, so schaut durch das Fenster, wenn er kommt; dann werdet Ihr sehen, wie er die ganze Stadt in seiner Hand hat.“

Da nun der König das Gefolge des Richters sah und merkte, dass es dessen Gefolge sei, wurde er umgestimmt und fragte: „Was sollen wir tun, Heerführer?“ Dieser erwiderte: „Man muss ihn töten.“ „Wenn wir aber keine große Schuld bei ihm sehen, wie können wir ihn töten?“ „Es gibt ein Mittel.“ „Was für ein Mittel?“ „Wir geben ihm ein unmögliches Werk auf, und wenn er es nicht vollbringen kann, so können wir ihn wegen dieser Schuld töten.“ „Was für ein Werk ist aber für ihn unmöglich?“ Der Heerführer antwortete: „O Großkönig, wenn ein Garten auf einem vorzüglichen Boden angelegt und gepflegt wird, so bringt er in zwei oder drei Jahren Früchte. Lasst nun jenen rufen und sagt ihm: ‘Wir wollen uns morgen im Parke ergehen; macht mir einen Park.’ Er wird den Park nicht machen können und wegen dieser Schuld werden wir ihn töten.“

Der König sprach darauf zum Bodhisattva: „Weiser, in unserm alten Parke ergingen wir uns schon lange; jetzt möchten wir uns in einem neuen Parke ergehen. Morgen wollen wir uns darin erlustigen; darum mache uns einen Park. Wenn du ihn nicht herstellen kannst, so musst du sterben.“ Der Bodhisattva merkte: „Weil Kalaka keine Geschenke mehr bekommt, wird er den König umgestimmt haben“; und er antwortete dem König: „Wir werden sehen, ob wir es können, großer König.“ Darauf ging er nach Hause und legte sich, nachdem er sein treffliches Mahl zu sich genommen, auf sein Lager nieder, indem er nachdachte.

Jetzt wurde der Palast des Sakka heiß [1]. Sakka dachte über die Ursache nach und bemerkte die Bedrängnis des Bodhisattva. Schnell kam er herbei, trat in sein Schlafgemach und fragte, in der Luft stehend: „Worüber denkst du nach, Weiser?“ Dieser fragte: „Wer bist du?“ „Ich bin Sakka“, war die Antwort. Nun sagte der Bodhisattva: „Der König hat mir befohlen, einen Park herzustellen; darüber denke ich nach.“ Sakka erwiderte: „Weiser, sei nicht bekümmert; ich werde dir einen dem Nandana-Parke oder dem Cittalata-Parke [2] gleichenden Park erschaffen. An welcher Stelle soll ich ihn erschaffen?“ „Erschaffe ihn an der und der Stelle.“ Sakka schuf den Park und kehrte in seine Götterstadt zurück.

Am nächsten Tage beschaute der Bodhisattva den Park mit eigenen Augen; dann ging er hin und meldete dem Könige: „Der Park ist vollendet, o Großkönig; ergehe dich darin.“ Der König begab sich dorthin. Als er den Park sah, der mit einer achtzehn Ellen hohen, hochrot gefärbten Mauer umgeben, mit Toren und Warttürmen versehen und mit mancherlei Bäumen voll von Blättern und Früchten geziert war, fragte er Kalaka: „Der Weise hat unseren Auftrag erfüllt; was sollen wir jetzt tun?“ Kalaka erwiderte: „O Großkönig, kann einer, der in einer Nacht einen Park herstellen kann, nicht auch ein Königreich an sich reißen?“ „Was sollen wir aber tun?“ „Wir wollen ihn ein anderes unmögliches Werk ausführen lassen.“ „Was denn für ein Werk?“ „Wir wollen einen aus den sieben Arten der Kleinodien bestehenden Lotosteich hergestellt haben.“

Der König sagte: „Gut“, und sprach zum Bodhisattva: „Lehrer, den Park hast du jetzt gemacht. Stelle aber einen diesem entsprechenden, aus den sieben Arten der Kleinodien bestehenden Lotosteich her. Wenn du ihn nicht herstellen kannst, musst du sterben.“ Der Bodhisattva erwiderte: „Gut, o Großkönig; wenn ich kann, werde ich ihn herstellen.“ Darauf erschuf für ihn Sakka einen herrlichen Lotosteich mit hundert Badeplätzen und tausend Felsklippen, der mit fünffarbigem Lotos bedeckt war und dem Nandana-Lotosteich [2a] glich. Nachdem ihn am nächsten Tage der Bodhisattva mit eigenen Augen gesehen hatte, meldete er dem Könige: „Fertig gestellt ist dein Lotosteich, o König.“

Als der König auch diesen angeschaut hatte, fragte er Kalaka: „Was sollen wir jetzt tun?“ Dieser erwiderte: „Befiehl ihm, o Fürst, ein diesem Parke und diesem Lotosteiche entsprechendes Haus herzustellen.“ Darauf sprach der König zum Bodhisattva: „Jetzt, Lehrer, mache ein Haus ganz aus Elfenbein, das diesem Parke und diesem Lotosteiche entsprechend ist; wenn du es nicht machen kannst, musst du sterben.“ — Sakka erschuf für ihn auch das Haus. Der Bodhisattva sah auch dieses am nächsten Tage mit eigenen Augen und meldete es dem Könige.

Als der König auch dieses gesehen, fragte er wieder Kalaka: „Was tun wir jetzt?“ Dieser antwortete: „Befiehl ihm, ein dem Hause entsprechendes Kleinod herzustellen, o Großkönig.“ Der König sprach darauf zum Bodhisattva: „Weiser, erschaffe ein diesem aus Elfenbein gemachten Hause entsprechendes Kleinod. Wir wollen beim Anblick des Kleinods verweilen; wenn du es nicht herstellen kannst, so musst du sterben.“ Sakka aber erschuf für ihn auch das Kleinod. Der Bodhisattva schaute es am nächsten Tage mit eigenen Augen an und meldete es dem Könige.

Als der König auch dieses gesehen, fragte er Kalaka: „Was sollen wir jetzt tun?“ Dieser antwortete: „O Großkönig, eine Gottheit ist es, glaube ich, die dem Brahmanen Dhammaddhaja seine Wünsche erfüllt. Gib ihm jetzt einen Befehl, den auch eine Gottheit nicht ausführen kann. Einen mit den vier Vollkommenheiten [3] ausgerüsteten Menschen aber können auch Gottheiten nicht erschaffen; darum sage ihm, er solle für Euch einen mit den vier Vollkommenheiten ausgestatteten Parkwächter erschaffen.“ — Darauf sprach der König zum Bodhisattva: „Lehrer, du hast uns einen Park, einen Lotosteich, einen aus Elfenbein gemachten Palast und, um dies beschauen zu können, ein kostbares Kleinod geschaffen. Erschaffe mir jetzt einen mit den vier Vollkommenheiten ausgestatteten Parkwächter, der den Park behüten soll. Wenn du ihn nicht erschaffen kannst, so musst du sterben.“

Der Bodhisattva erwiderte: „Gut; ich werde sehen, ob ich es kann.“ Und er ging nach Hause, verzehrte sein treffliches Mahl und legte sich nieder. Zur Zeit der Morgendämmerung wachte er auf und bedachte, auf seinem Lager sitzend: „Was der Götterkönig Sakka erschaffen konnte, das hat er erschaffen. Einen mit den vier Vollkommenheiten ausgerüsteten Parkwächter aber kann man nicht erschaffen. Da es sich so verhält, ist es besser, im Walde einsam zu sterben, als von der Hand anderer den Tod zu erleiden.“ Und ohne jemand etwas davon zu sagen, stieg er von seinem Palast hinab, verließ die Stadt durch das Haupttor und begab sich in den Wald. Hier setzte er sich am Fuße eines Baumes nieder, über der Weisen Tugend nachdenkend.

Als Sakka dies bemerkte, ging er in der Gestalt eines Waldarbeiters zum Bodhisattva hin und sagte: „O Brahmane, du bist jugendlich zart; was tust du, dass du hier sitzest, als ob du noch nie vorher ein Leid erfahren hättest?“ Und indem er danach fragte, sprach er folgende erste Strophe:

§1. „Es scheint, als ob du glücklich lebend
zum Walde aus der Welt gegangen;
doch einsam an des Baumes Wurzel
du sinnest nach gleich einem Armen.“

Als dies der Bodhisattva hörte, sprach er folgende zweite Strophe:

§2. „Es scheint, als ob ich glücklich lebend
zum Walde aus der Welt gegangen;
doch einsam an des Baumes Wurzel
ich sinne nach gleich einem Armen
und denke an der Weisen Tugend.“

Darauf sprach Sakka zu ihm: „Da es sich so verhält, Brahmane, warum sitzest du hier?“ Der Bodhisattva erwiderte: „Der König will einen mit den vier Vollkommenheiten ausgestatteten Parkwächter herstellen lassen; einen solchen aber kann ich nicht bekommen. Da dachte ich: ‘Was soll ich von der Hand eines anderen sterben? Ich will in den Wald gehen und eines einsamen Todes sterben.’ Und ich kam hierher und setzte mich hier nieder.“ Der Gott sprach weiter: „O Brahmane, ich bin der Götterkönig Sakka. Ich habe für dich den Park und die anderen Dinge erschaffen; einen mit den vier Vollkommenheiten ausgerüsteten Parkwächter kann ich nicht erschaffen. Aber Chattapani, der den Kopfschmuck eures Königs herstellt, ist mit den vier Vollkommenheiten ausgerüstet; wenn er einen Parkwächter braucht, so sage, er solle diesen Barbier zum Parkwächter machen.“ Nachdem so Sakka den Bodhisattva ermahnt hatte, tröstete er ihn noch mit den Worten: „Fürchte dich nicht“, und kehrte in seine Götterstadt zurück.

Der Bodhisattva aber begab sich nach Hause und nahm sein Frühmahl ein. Dann ging er nach der Türe des Königs; und als er hier Chattapani sah, fasste er ihn bei der Hand und fragte: „Lieber Chattapani, bist du mit den vier Vollkommenheiten ausgestattet?“ Als dieser fragte: „Wer hat dir gesagt, dass ich die vier Vollkommenheiten besitze?“, antwortete er: „Der Götterkönig Sakka“; und auf die weitere Frage, warum dieser es verkündet habe, sagte der Bodhisattva: „Aus dem und dem Grunde“, und erzählte ihm die ganze Begebenheit. Darauf sprach jener: „Ja, ich besitze die vier Vollkommenheiten.“

Nun nahm ihn der Bodhisattva bei der Hand, ging zum König hin und sagte: „O Großkönig, dieser Chattapani besitzt die vier Vollkommenheiten; wenn Ihr einen Parkwächter braucht, so macht ihn zum Parkwächter.“ Darauf fragte jenen der König: „Bist du mit den vier Vollkommenheiten ausgerüstet?“ „Ja, o Großkönig“, war die Antwort. „Mit welchen vier Vollkommenheiten bist du ausgestattet?“ Chattapani erwiderte:

§3. „Vom Neide bin ich frei, o Fürst,

vom Branntwein hielt ich stets mich fern;

der Liebe auch enthielt ich mich

und habe niemals Zorn gefühlt.“

Darauf sprach der König zu ihm: „He, Chattapani, du sagst, du seiest vom Neide frei.“ „Ja, o Fürst, ich bin vom Neide frei.“ „Welches Erlebnis hattest du, dass du frei vom Neide wurdest?“ „Höre, Herr“, erwiderte Chattapani und sprach, um den Grund seines Freiseins vom Neide zu schildern, folgende Strophe:

§4. „Um meines Weibes willen ließ ich
als König den Hauspriester fesseln.
Er hat im Wahren mich befestigt;
drum wurde ich vom Neide frei [4].“

Darauf fragte ihn der König weiter: „Lieber Chattapani, welches Erlebnis hattest du, dass du dich vom Genusse geistiger Getränke enthältst?“ Dieser sprach, um die Ursache hiervon zu verkündigen, folgende Strophe:

§5. „Als ich betrunken, großer König,
verzehrt' ich meines Sohnes Fleisch.
Aus Kummer über diese Tat
gab ich das Branntwein Trinken auf [5].“

Darauf fragte ihn der König: „Was für ein Erlebnis hattest du, Freund, dass du von Liebe frei wurdest?“ Jener sprach, um ihm die Ursache hiervon mitzuteilen, folgende Strophe:

§6. „Ich war der König Kitavasa.
Mein Sohn einem Paccekabuddha
zerbrach die Schal' und musste sterben.
Darum enthielt ich mich der Liebe [6].“

Darauf sprach der König zu ihm: „Welches Erlebnis aber hattest du, Freund, dass du vom Zorne frei wurdest?“ Jener sprach, um ihm die Ursache davon mitzuteilen, folgende Strophe:

§7. „Als Araka [7] betätigt' ich
die Liebe sieben Jahre lang
und sieben Weltalter im Himmel;
darum bin ich vom Zorne frei [8].“

Als so Chattapani seine vier Vollkommenheiten auseinandergesetzt hatte, gab der König seinem Gefolge einen Wink mit einer Handbewegung. Sofort erhoben sich die Minister sowie die Brahmanen, Hausväter und die anderen Anwesenden und riefen: „Holla, du Geschenke fressender böser Spitzbube! Da du keine Geschenke mehr erhieltest, hast du auf den Weisen gescholten und wolltest ihn töten.“ Und sie packten Kallaka an Händen und Füßen, trugen ihn aus dem königlichen Palast heraus und zerschmetterten ihm mit Steinen und Knütteln, die sie überall aufhoben, sein Haupt. Nachdem sie ihn so ums Leben gebracht, fassten sie ihn an Händen und Füßen, schleiften ihn fort und warfen ihn auf die Unratstätte.

Von da an führte der König in Gerechtigkeit seine Regierung und gelangte darnach an den Ort seiner Verdienste.

 

§C. Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen, verband er das Jataka mit folgenden Worten: „Damals war der Heerführer Kalaka Devadatta, der Barbier Chattapani war Sāriputta, Dhammaddhaja aber war ich.“

Ende der Erzählung von Dhammaddhaja


[0a] Der Name kann gedeutet werden als „der Dunkle“, ein Hinweis auf den üblen Charakter.

[0b] Der Name kann gedeutet werden als „Banner der Tugend“, ein Hinweis auf den lauteren Charakter.

[0c] Der Name kann gedeutet werden als „Schirmträger“, also eine Person, die die herausgehobene, königliche Stellung des „Beschirmten“ sichtbar macht.

[1] Sonst heißt es bei solchen Gelegenheiten: „Der Sitz, auf dem Sakka thronte, wurde heiß.“

[2] Vgl. Jataka 31 [2a].

[2a] Im Jataka 31 ist erzählt, wie der Cittalata-Park und der Nandana-Lotosteich in der Götterwelt ihre Namen erhielten.

[3] Diese sind unten näher ausgeführt. Rouse macht darauf aufmerksam, dass auch die Pythagoreer einen ähnlichen Ausdruck gebrauchen; vgl. Plat. Protag, p. 339 B.

[4] Der Kommentator führt zur Erklärung dieser Strophe das 120. Jataka an und identifiziert Chattapani mit dem König in dieser Geschichte. Nachdem er einen Überblick über dies Jataka gegeben, fährt er fort: „Damals aber dachte ich folgendermaßen: ‘Ich habe sechzigtausend Frauen aufgegeben und konnte die eine nicht befriedigen, da ich sie in Lust umarmte. So ist der Zorn der Weiber, die schwer zu befriedigen sind. Wenn ein gereinigtes Gewand beschmutzt wird, so kann man zürnen, weil es beschmutzt ist; wenn das verzehrte Mahl zu Kot wird, so kann man zürnen, weil es diese Beschaffenheit annimmt! Von jetzt an, bis ich zur Heiligkeit gelange, soll wegen sinnlicher Lust kein Neid mich erfüllen’; so nahm ich mir vor. Von da an wurde ich von Neid frei; in Bezug darauf sagte ich: ‘Vom Neide bin ich frei.’“

[5] Die Erläuterung des Kommentators zu dieser Stelle lautet: „Ich, o Großkönig, war ehedem ein ebensolcher König von Benares. Ohne geistige Getränke konnte ich nicht leben: ohne Fleisch konnte ich kein Mahl halten. Damit nun in der Stadt an den Uposatha-Tagen keine Tötung geschehe, hatte der Koch am dreizehnten Tage der ersten Monatshälfte Fleisch genommen und beiseite gelegt; da es aber schlecht verwahrt war, fraßen es die Hunde. Am Uposatha-Tage hatte darum der Koch kein Fleisch; er bereitete ein äußerst wohlschmeckendes Mahl und stieg in den Palast hinauf. Da er sich aber nicht getraute, den König zu bedienen, ging er zur Königin hin und sagte: ‘O Fürstin, heute konnte ich kein Fleisch bekommen und ich getraue mich nicht, dem Könige ein Mahl ohne Fleisch vorzusetzen. Was soll ich tun?’ Die Königin erwiderte: ‘Lieber, mein Sohn ist dem König lieb und angenehm. Wenn der König meinen Sohn sieht, so umarmt er ihn und liebkost ihn, dass er sich selbst nicht mehr kennt. Ich könnte meinen Sohn schmücken und ihn auf den Schoß des Königs setzen; wenn er mit seinem Sohne spielt, dann setze ihm das Mahl vor.’ — Nach diesen Worten schmückte sie ihren Sohn, einen reizenden Knaben, und setzte ihn auf den Schoß des Königs. Als nun der König mit seinem Sohne spielte, brachte der Koch das Mahl herein. Da der König, von Branntwein berauscht, kein Fleisch auf der Schüssel sah, fragte er: ‘Wo ist das Fleisch?’ Der Koch antwortete: ‘Heute, o Fürst, konnte ich kein Fleisch erhalten, weil wegen des Uposatha-Tages keine Tötung stattfindet.’ Darauf rief der König: ‘Ich kann wirklich schwer Fleisch erhalten’; und er drehte seinem ihm auf dem Schoße sitzenden lieben Sohn den Hals um, brachte ihn so ums Leben und warf ihn vor den Koch hin mit den Worten: ‘Bereite ihn rasch zu und bringe ihn her!’ Der Koch tat so und der König verzehrte das aus dem Fleische seines Sohnes bestehende Mahl. Aus Furcht vor dem Könige aber getraute sich niemand, zu klagen, zu weinen oder etwas zu sagen.

Nachdem der König gespeist hatte, schlief er auf seinem Lager ein. Zur Zeit der Morgendämmerung wachte er auf und sagte, da der Rausch verschwunden war: ‘Bringet mir meinen Sohn her!’ Da fiel ihm weinend die Königin zu Füßen, und als er fragte: ‘Was ist, Liebe?’, sagte sie: ‘O Fürst, gestern hast du deinen Sohn getötet und das aus dem Fleische deines Sohnes bestehende Mahl verzehrt.’ Da weinte und jammerte der König aus Schmerz über seinen Sohn; er sah den Fehler des Branntwein Trinkens ein und merkte, dass infolge des Branntwein Trinkens ihn dies Leid getroffen habe. — Daher fasste ich folgenden Entschluss: ‘Von jetzt an werde ich, solange ich die Heiligkeit nicht erreiche, den zu solchem Verderben führenden Branntwein nicht mehr trinken.’ Und ich nahm Schmutz und rieb damit meinen Mund. Von da an trank ich keinen Branntwein und aus diesem Grunde sprach ich die Strophe: ‘Als ich betrunken, großer König ...’“

[6] Hier fügt der Kommentator hinzu: „O Großkönig, früher war ich der König Kitavasa zu Benares. Mir wurde ein Sohn geboren. Als die Vorzeichendeuter ihn sahen, sagten sie: ‘O Großkönig, dieser Prinz wird sterben, weil er kein Wasser erhält.’ Sein Name war Prinz Bösewicht. — Als er zu Verstand gekommen war, erhielt er das Amt eines Vizekönigs. Der König ließ den Prinz immer vor sich oder hinter sich sein; aus Furcht, der Prinz könne aus Mangel an Wasser sterben, ließ er für ihn an den vier Toren und im Innern der Stadt, kurz überall Teiche anlegen. An den Kreuzwegen u. dgl. ließ er Trinkstellen errichten und Wassertöpfe aufstellen.

Als dieser nun eines Tages prächtig geschmückt sich nach seinem Parke begab, sah er unterwegs einen Paccekabuddha. Auch eine große Volksmenge sah den Paccekabuddha; sie verehrte ihn, pries ihn und erhob gegen ihn die gefalteten Hände. — Da dachte der Prinz: ‘Diese Leute, die mit mir gehen, verehren und preisen diesen Pfaffen und falten die Hände gegen ihn.’ Und erzürnt stieg er von seinem Elefanten herab, ging zu dem Paccekabuddha hin und fragte: ‘Hast du Speise erhalten, Asket?’ Als dieser erwiderte: ‘Ja, Prinz’, nahm er ihm die Almosenschale aus der Hand, warf sie mitsamt der Speise zu Boden, zerschmetterte und zerbrach sie mit einem Stoße des Fußes in kleine Stücke. Der Paccekabuddha schaute sein Antlitz an und dachte: ‘Fürwahr, verloren ist dieser Mensch.’ Der Prinz aber sagte: ‘Ich, du Asket, bin der Prinz Bösewicht; ich bin der Sohn des Königs Kitavasa. Wenn du auch voll Zorn deine Augen auf mich heftest, was willst du mir tun können?’ — Nachdem dem Paccekabuddha seine Speise vernichtet war, stieg er in die Luft empor und begab sich nach dem Nandamula-Berge im nördlichen Himalaya. — Für den Prinzen aber war in diesem Augenblick die Summe seiner bösen Taten fertig. Mit den Worten: ‘Ich brenne, ich brenne’, fiel er hin, von einem plötzlichen Fieber geschüttelt. So viel Wasser aber allenthalben war, das verschwand alles und die Wasserläufe vertrockneten. An derselben Stelle musste jener sterben und wurde in der Hölle wiedergeboren.

Als nun der König diese Begebenheit erfuhr, dachte er, vom Schmerz über seinen Sohn überwältigt: ‘Dieser Schmerz ist mir durch einen lieben Gegenstand widerfahren. Wenn ich keine Liebe hätte, wäre ich nicht traurig.’ Und ich fasste folgenden Entschluss: ‘Von jetzt an will ich keine Liebe mehr empfinden weder zu einem vernünftigen noch unvernünftigen Gegenstand.’ Seit dieser Zeit empfinde ich keine Liebe mehr und in Bezug darauf sprach ich die Strophe: ‘Ich war der König Kitavasa ...’“ (Die folgenden Bemerkungen des Kommentators sind nur eine Paraphrase der Strophe.)

[7] Vgl. das 169. Jataka.

[8] An diese Strophe fügt der Kommentator folgende kurze Bemerkung: Dies bedeutet: „Ich, o Großkönig, betätigte als der Asket Araka sieben Jahre lang die Liebe und weilte während sieben Zeitaltern der Zerstörung und der Erneuerung im Brahma-Himmel. Darum, weil ich so lange Zeit vollständig die Liebe betätigte, wurde ich frei von Zorn.“


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